Montag, 26. August 2013

Der "rechte Zeitgeist"?


»Laut Schneider versucht die evangelische Kirche, sich „auf der Höhe unserer Zeit dem Wirken des Heiligen Geistes zu öffnen, denn er ist der ‚rechte Zeitgeist‘,“ wie es der Theologe Dietrich Bonhoeffer (1906-1945) formuliere« (idea).

Ich muss Herrn Präses Schneider hier mal einen Rüffel geben, für seine ziemlich hinterlistige und überdies recht ungeschickte Verzweckung eines so großes Denkers und eines so großen Christen wie Dietrich Bonhoeffer. Macht sich zwar gut, so einen Namen zu nennen. Aber als Anwalt taugt Bonhoeffer hier nicht. Er welzt sich wohl eher im Grab. 

Zunächstmal stammt das hier von Schneider missbrauchte Motto nicht von Bonhoeffer, sondern es ist das Motto eines theologischen Lehrbuchs, das Bonhoeffers Urgroßvater verfasste (Karl August von Hase: "Kirchengeschichte"; wurde während der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts immer wieder neu aufgelegt). Im Original und im Ganzen lautet es: "Alles hat seine Zeit, der Herr der Zeit ist Gott, der Zeiten Wendepunkt Christus. Der rechte Zeitgeist der heilige Geist."
Dieser Spruch kann nun ganz gewiss nicht so gewendet und verdreht werden, wie es Schneider hier tut. Auf der "Höhe unserer Zeit" ist eine Öffnung für den "rechten Zeitgeist" sicherlich löblich, aber jener Zeitgeist, den Bonhoeffer (etwa in einer Predigt über Röm 12,11*) meint, wenn er dieses Motto gebraucht, ist die Zeit, die Stunde "die Gott mit Eurem Volk, mit Euch selbst haben will". Und weiter: "seid Menschen der heiligen Gegenwart, die nie wiederkehrt, wie jener barmherzige Samariter Mensch der Gegenwart war, auf dass ihr Menschen der Ewigkeit werdet." Immer gilt dabei, "daß wir in der Zeit, aus ihrer Vergänglichkeit heraus immer wieder die Augen wenden auf die Zeit die am Ende der Zeit kommt." (Nachzulesen in: Dietrich Bonhoeffer Werke, Band 10, 516f.)

Wovon Bonhoeffer hier spricht ist gerade nicht ein schauen auf den Zeitgeist der Welt, sondern ist der Geist Christi, der, unwandelbar und ewig, uns in dieser Zeit aus dieser Zeit nach Jenseits verweist. Unser Hier und Jetzt ist das Jetzt des Samaritaners, der seine Pflicht vor Gott und den Menschen tut. Dieser Samaritaner war nun aber eines genau nicht: Auf der Höhe seiner Zeit! Denn Feindschaft und Verachtung waren in jener Zeit das typische im Verhältnis zwischen Juden und Samaritanern. Gerade nicht "auf der Höhe unserer Zeit" wirkt der Heilige Geist, sondern gegen diese Höhe, die allzuoft ein tiefer Schlund, ein Abgrund sondergleichen ist. Bonhoeffer wusste das besser als wir alle, die Spätgeborenen.
Wenn Herr Schneider seine "Kirche" dem Wirken des Geistes öffnen will, sollte er sich erstmal fragen, was dieser Geist, was Gott!, will. Der Verweis auf die Zeit "am Ende der Zeit" stößt uns auf den Willen Gottes und also auf die Schöpfungsordnung (an der auch Bonhoeffer nicht rüttelt). Die "Orientierungshilfe" der EKD missachtet genau diese.
Es geht um das Heil der Seelen!

Schämen sie sich Herr Schneider, für so einen Missbrauch theologischer Gedanken höchster Güte!


* Eher nur für die Theologen unter meinen Lesern interessant:  Bonhoeffer übersetzt hier gegen das handelsübliche griechische NT und Luther mit Karl Barth, bei dem der letzte Abschnitt des Verses lautet: "dienet der Zeit". Barth optiert für einen frühen Fehler beim Abschreiben und hat gute Argumente für solch eine Rekonstruktion/Übersetzung, zumal es hier im griechischem Text faktisch an zwei Buchstaben hängt: κύριος und καιρός.
Es geht Bonhoeffer in der Predigt um die Frage, inwiefern sich der Christ der zeitlichen Güter bedienen kann oder soll, um selig zu werden, inwiefern ein Christ "modern" sein kann oder nicht.

1 Kommentar:

  1. Lieber sophophilo,

    Vielen, herzlichen Dank für die Verteidigung eines großen evangelischen Denkers durch einen Katholiken. Meine Absicht, die "Gesellschaft für postmoderne Religionsphilosophie" (EKD) zu verlassen und zur katholischen Kirche überzutreten hat neue Nahrung erhalten.

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