Samstag, 30. April 2022

Über Messstipendien

Bis vor kurzem nicht für möglich gehalten, nie einen Gedanken daran verschwendet... aber ich lasse mich ja grundsätzlich immer gerne von der Wirklichkeit eines Besseren belehren: Offenbar kann es in der katholischen Kirche in Deutschland passieren, dass das Pastoralteam einer Pfarrei beschließt, Messstipendien abzuschaffen.

Ach. Achso? Das geht?

Nein, natürlich nicht.

 

Aber der Reihe nach.

Was ist ein Messstipendium?

Ein Messstipendium (oder: Messintention) ist eine (Opfer)Gabe eines Gläubigen an einen Priester, mit dem Sinn, ihn zu verpflichten, eine Heilige Messe in der Intention (mit dem Anliegen, in der „Meinung“) des Gebers zu feiern. Heutzutage besteht es in einer Geldgabe. Diese Praxis ist so alt wie die Kirche, nur dass es sich bei den Gaben in den ersten ca. acht Jahrhunderten der Kirche meist um Naturalien (Lebensmittel) handelte. Diese auf die Feier der Messe konzentrierten Zuwendungen entwickelten sich aus den (Opfer)Gaben, die die Gläubigen generell für den Unterhalt und die wohltätige Arbeit der Kirche beisteuerten. Auf diese Weise sorgten die Gläubigen für den Unterhalt der für sie im heiligen Dienst stehenden Priester.

Die Bischöfe können festlegen, was die üblichen Beträge für ein Messstipendium sind (aber natürlich dürfen auch höhere oder niedrigere Beträge angenommen werden) und welchen Anteil an diesem Betrag der Priester selbst erhält, der Rest wird „nach oben“ weitergereicht und ist Zweckgebunden für die wesentlichen Aufgaben der Kirche.

Zumeist ist der von den Bischöfen festgesetzte Betrag in Deutschland 5€, wovon dem Priester 2,50€ zustehen. Hier in Deutschland ist der Anteil, den der Priester erhält, für diesen selbst eigentlich unerheblich, denn die Priester werden hierzulande im Allgemeinen ziemlich gut bezahlt (und dafür, dass sie keine Familie ernähren müssen und häufig nicht einmal Miete zahlen, sogar fast fragwürdig gut), weshalb sie i.d.R. dieses Geld unmittelbar einem guten Zweck zukommen lassen (andernfalls müssten sie es als Einkünfte versteuern). In vielen anderen Weltgegenden leben die Priester, wie es schon am Anfang der Kirche war, von diesen Stipendien, sie bestreiten damit ihren Lebensunterhalt.

Pro Priester und Messe darf nur eine solche Intention und folglich auch nur ein Stipendium angenommen und „erfüllt“ (Fachausdruck: „appliziert“) werden, sie wird dann im Verlauf der Messe erwähnt. Spätestens mit dem Priesterschwund der letzten Jahrzehnte und dem leider weit verbreiteten Wegfall der täglichen Zelebration können längst nicht alle Messstipendien, die – Gott sei Dank! – noch immer vergleichsweise zahlreich von den Gläubigen gegeben werden, von den Priestern erfüllt werden. Wenn man hierzulande oft eine ganze Reihung von Intentionen, etwa beim Totengedenken im Hochgebet, vernehmen kann, dann sind diese vielen Erwähnungen zwar legal, aber tatsächlich gilt diese Messe nur für die erste genannte Intention. Die anderen Intentionen werden samt Stipendium weitergereicht an andere Priester (z.B. in Klöstern), dank moderner Kommunikationstechnologie etwa auch an diejenigen in anderen Ländern, für die die Messstipendien die einzige Einkommensquelle sind. Über all das muss genau Buch geführt werden. Idealerweise nimmt der Geber eines Stipendiums auch an der entsprechenden Heiligen Messe teil, denn die Gabe des Stipendiums ist eigentlich nur der Anfang seiner Teilnahme, die sich in der Mitfeier der ganzen Messe verwirklicht und im Empfang der göttlichen Gegengabe – der Kommunion – ihren Höhepunkt erreicht.

 

Messstipendien abschaffen zu wollen ist aus verschiedenen Gründen falsch und zeugt v.a. von gravierenden Defiziten im Verständnis der Dinge des Glaubens und von erheblicher zwischenmenschlicher (pastoraler und diakonischer) Kurzsichtigkeit.

1) Zwar mögen Messstipendien für hiesige Priester keine relevante Einkommensquelle sein, weshalb die Frage aufkommen könnte „wozu?“, aber für andere Priester ist es das durchaus! Für Adveniat, Misereor etc. zu sammeln, aber dann Messstipendien abschaffen zu wollen, ist einfach zynisch. Hier mangelt es offenkundig an einem Bewusstsein für die kirchliche Gemeinschaft jenseits des eigenen Kirchturms.

2) Offenbar ist es eine hierzulande weit verbreitete Meinung, Messstipendien bezögen sich nur oder v.a. auf das Totengedenken in der Messe. Tatsächlich ist das nicht so, sie können mit jedem sinnvollen Anliegen verbunden sein (dann hört man etwa die Formulierung: „in einer bestimmten Meinung“). Faktisch sind sie hierzulande in der großen Mehrheit der Fälle mit den Verstorbenen verknüpft, eben weil man meint, es habe (nur) damit zu tun. Wenn wir das Totengedenken, oder besser: das Gebet für die Verstorbenen, als „Normalfall“ der mit einem Messstipendium verbundenen Intentionen annehmen, dann ist ihre Abschaffung erst recht als schwerwiegend, ja als grausam zu bezeichnen. Auch hier mangelt es an einem Bewusstsein für die Weite der kirchlichen Gemeinschaft, denn diese umfasst nicht nur die (vor Ort und auf der ganzen Welt) Lebendigen, sondern auch die Verstorbenen im Fegefeuer und im Himmel. Natürlich steckt hinter dem Versuch der Abschaffung der Messstipendien letztlich der weitestgehende Verlust des Glaubens an die Realität des Fegefeuers. Daher müsste das „Gebet für die Verstorbenen“, das Gott als Adressat und eben jene Verstorbenen als „Nutznießer“ hat, „für die“ gebetet wird, oftmals wohl eher „Aufforderung zur Erinnerung an die Verstorbenen“ heißen, weil als Adressat und zugleich Nutznießer eigentlich nur die Hinterbliebenen im Blick sind. Was würde ein „Gebet für die Verstorbenen“ auch bringen, wenn es kein Fegefeuer gäbe?


Mit dem letzten Punkt eng zusammenhängend ist die Verwirrung, die oft (auch unter pastoralen Mitarbeitern der Kirche) herrscht, über den Unterschied zwischen einem Stipendium für die Feier einer Heiligen Messe und einem fürbittenden Gebet zugunsten eines Verstorbenen, etwa im Rahmen einer Wort-Gottes-Feier. Tatsächlich gibt es immer wieder diözesane Verlautbarungen, die einschärfen, dass für Wort-Gottes-Feiern keine Messstipendien angenommen werden dürfen. Dass dies eigens (und wiederholt) eingeschärft werden muss, offenbart die weit verbreitete Ver(w)irrung, u.a. über den Unterschied zwischen diesen beiden Gottesdienstformen, über das Verhältnis von Wort und Sakrament, sowie bezüglich des priesterlichen Dienstes. Also:

3) Ein Messstipendium für einen Verstorbenen zu geben ist ein besonderer Akt der Nächstenliebe, der – wenn er nicht bloß „aus Tradition“ und dabei eher gedankenlos getan wird – allerdings das rechte Verständnis der Eucharistie voraussetzt. In „fromm“ ausgedrückt: Mit einem Messstipendium wird nicht nur eine Bitte zugunsten des im Fegefeuer Leidenden vor Gott gebracht, sondern diesem Leidenden werden die Früchte das rettenden Opfers Christi am Kreuz zugewendet. In „verständlich“ heißt das: Jesus hat denen, die ihm nachfolgen wollen, unmissverständlich den schwerwiegenden Auftrag erteilt: „Tut dies zu meinem Gedächtnis“ (Lk 22,19; 1Kor 11,24); gemeint ist die Feier der Eucharistie, und damit die Anteilhabe an seinem Leib und seinem Blut (vgl. 1Kor 10,16). Dieser Auftrag ist keine Nebensächlichkeit, und seine Erfüllung ist nicht „optional“. Sondern unsere Teilnahme an der Eucharistie ist von überragender Bedeutung, denn die Alternative ist schrecklich: „Amen, amen, ich sage euch: Wenn ihr das Fleisch des Menschensohnes nicht esst und sein Blut nicht trinkt, habt ihr das Leben nicht in euch.“ (Joh 6,53) Wie können wir die Teilhabe daran, aber auch den Trost und die Hilfe daraus, unseren „lieben Verstorbenen“ vorenthalten?


Neben diesen Fragwürdigkeiten, die ein Defizit an (welt- und überirdisch-)kirchlichem Bewusstsein („kirchlicher Gesinnung“) vermuten lassen, gibt es aber noch ein weiteres Problem mit dem Versuch der Abschaffung von Messstipendien, das selbst denjenigen auffallen müsste, die nicht weltkirchlich zu denken und zu fühlen gewohnt sind, und die auch die bereits verstorbenen Glieder der Kirche, insbesondere die „leidende Kirche“ im Fegefeuer, nicht recht beachten (Stichwort: sentire cum ecclesia): Ein Messstipendium ist, wie aus dem vorherigen Punkten deutlich geworden sein müsste, auch eine besondere verdienstvolle Tätigkeit der Gläubigen. Nicht nur ginge eine Abschaffung von Messstipendien somit zu Lasten derer, für die die Intentionen gelten (z.B. im Fegefeuer), sondern auch die (noch auf Erden lebenden) Gläubigen vor Ort würden massiv in der tätigen Ausübung ihres Glaubens beeinträchtigt, und zwar gleich in zweifacher Hinsicht:

4) Zum einen wird den Gläubigen dadurch – insbesondere dann, wenn das Stipendium zugunsten eines Verstorbenen gegeben wird, aber auch generell – eine bedeutende Übung der tätigen Nächstenliebe verunmöglicht; sie könnten ihren „lieben Verstorbenen“ diese größtmögliche Hilfe nicht durch die bestellten Diener der Kirche zuwenden, und auch für andere (nicht verstorbene) können sie diesen großen Dienst der Nächstenliebe nicht leisten. Das allein ist schon schrecklich. Dass inzwischen bei nicht wenigen Gläubigen das Bewusstsein für die Möglichkeit und die Bedeutung dieses besonderen Dienstes fehlt, macht seine Verunmöglichung nicht weniger schlimm, sondern weist auf ein Defizit in Verkündigung und Glaubenspraxis hin. Es ist außerdem besonders grausam den Gläubigen gegenüber, die noch dieses gläubige (kirchliche) Bewusstsein haben.

5) Zum anderen wurde zu Anfang erwähnt, dass ein Messstipendium eine (Opfer)Gabe eines Gläubigen für den heiligen Dienst ist. Daran wird deutlich, dass es sich bei Messstipendien, ganz gleich, mit welcher berechtigten Intention es verbunden wird, tatsächlich um eine Form der tätigen Teilnahme (actuosa participatio) der Gläubigen am heiligen Dienst handelt, wie dies etwa Papst Paul VI. in seinem Schreiben über die Messstipendien von 1974 gleich im ersten Satz hervorgehoben hat: „Es ist feste Überlieferung der Kirche, dass die Gläubigen aus frommer und kirchlicher Gesinnung gleichsam ein gewisses eigenes Opfer dem eucharistischen Opfer anschließen, um daran tätiger teilzunehmen.“ (DEL 3312) Wenn also ein Pastoralteam die Messstipendien für seinen Zuständigkeitsbereich abschaffen will, dann beraubt es die Gläubigen dieser wichtigen Weise der tätigen Teilnahme am heiligen Dienst, die doch ansonsten immer so sehr eingefordert und befördert wird. Natürlich: Hierbei spielen sicher nicht wenig der Verlust des Verständnisses der Eucharistie als Opfer, sowie ein einseitig veräußerlichtes Verständnis von „tätiger Teilnahme“ eine wesentliche Rolle, darum werden es viele Gläubige nicht unbedingt merken. Aber auch das ist eher ein Hinweis auf ein Verkündigungsdefizit und macht die Vorenthaltung dieser Möglichkeit zur tätigen Teilnahme nicht weniger schlimm; und wiederum ist es gerade für diejenigen Gläubigen ein Schlag ins Gesicht, die den kirchlichen Glauben bezüglich der Eucharstie nach wie vor teilen, und die die Heilige Messe innerlich wie äußerlich tätig leben. Ob es klug ist, ausgerechnet diejenigen, die nach wie vor den Glauben in seiner Reichhaltigkeit leben, darin zu beschneiden?


Zu guter Letzt sei noch darauf hingewiesen, dass ein Pastoralteam (Priester, Diakone, Pastoral- bzw. Gemeindereferenten) natürlich keinerlei Kompetenz oder Befugnisse hat, Messstipendien „abzuschaffen“. Allein den Bischöfen kommt es zu, für ihren Zuständigkeitsbereich irgendetwas bezüglich der rechtlichen Ordnung des Messstipendienwesens zu ändern. „Abschaffen“ (verbieten) könnten aber auch sie es nicht, denn dazu haben sie kein Recht. Messstipendien anzunehmen ist nämlich ein Recht, das jedem Priester zusteht, einfach weil er Priester ist, und nicht, weil der Bischof es ihm gestattet (hat ein Bischof keine Regelungen getroffen, gelten ortsübliche Gewohnheiten etwa bzgl. der Beträge; verbieten kann es der Bischof nicht, es sei denn indirekt, indem er Priestern das Zelebrieren der Messe verbietet): „Gemäß bewährtem Brauch der Kirche ist es jedem Priester, der eine Messe zelebriert oder konzelebriert, erlaubt, ein Messstipendium anzunehmen, damit er die Messe in einer bestimmten Meinung appliziert.“ (Can. 945 §1 CIC) Ein Priester könnte es natürlich auch einfach generell unterlassen, Messstipendien anzunehmen, er ist schließlich nicht dazu verpflichtet (es wird ihm lediglich „eindringlich empfohlen“; ebd. §2), aber dann macht sich ein solcher Priester m.E. aus den vorgenannten Gründen schwer vor Gott und den Menschen schuldig (und ich frage mich, ob hier nicht ein schwerer Mangel hinsichtlich des Lebens seiner Berufung vorliegt).


Über die Gründe für den Willen zur Abschaffung von Messstipendien kann ich nur spekulieren. Der schlechteste wäre sicherlich, wenn man sich den Verwaltungsaufwand der Buchführung ersparen wollte. Ich vermute(!) – und habe dafür auch einige Anzeichen aus Gesprächen mit Akteuren, wenn auch an anderen Orten –, dass man dadurch die Bedeutung und Akzeptanz von Wort-Gottes-Feiern erhöhen möchte, indem man erklärt, dass das Gedenken an die Toten in ihnen nicht „weniger Wert“ ist als in einer heiligen Messe. Auch dem Selbstbild (und Prestige?) der WGF-Leiter wäre das sicher zuträglich. Die traurige Ironie ist allerdings, dass man dadurch etwaige Missverständnisse und Unklarheiten über die jeweils eigene Bedeutung dieser beiden Gottesdienstformen nur verstärkt. Womöglich sind die Verantwortlichen aber auch nicht Willens und/oder in der Lage, diesen Unterschied zu erklären, und sie wollen durch die Abschaffung dieser Peinlichkeit ausweichen? Jedenfalls kann ich mir nicht vorstellen, dass einem solchen folgenschweren Entschluss besonders viel Nachdenken, Lektüre (z.B. des geltenden Kirchenrechts), Austausch mit den Betroffenen, Gebet und eigene Glaubenspraxis in diesem Bereich vorausgegangen sind... sonst würde man nicht zu einem solchen Entschluss gelangen.

 

 

PS. Die dargelegten Erwägungen verdeutlichen auch, warum Messstipendien keineswegs ein „klerikalistisches Relikt“ einer vergangenen „Priesterkirche“ sind, wie man das zuweilen hört: Die Laien müssen an die Priester Abgaben entrichten. Das ist natürlich eine durch dumme Vorurteile und Ressentiments befeuerte Verzerrung eines Sachverhalts, der sich kinderleicht auch genau andersherum deuten lässt: Messstipendien machen deutlich, dass die Priester den Laien zu dienen haben, denn jene werden von diesen beauftragt, in ihrem Anliegen in besonderer Weise vor Gott zu treten. Wollte man dieses besondere Vor-Gott-treten kritisieren, so würde man im Grunde nur die Tatsache kritisieren, dass es neben dem gemeinsamen Priestertum aller Getauften ein besonderes Weihepriestertum des Dienstes gibt. Messstipendien verdeutlichen besonders eindrücklich das Zu-, Für- und Miteinander von beiden, von denen keines ohne das andere vor Gott stehen kann.

Dienstag, 26. April 2022

Feinde auch im Inneren der Kirche

»Der Herr hat uns gesagt, daß die Kirche auf verschiedene Weise immer leiden würde bis zum Ende der Welt. [...] Unter dem Neuen, das wir heute in dieser Botschaft entdecken können, ist auch die Tatsache, daß die Angriffe gegen den Papst und die Kirche nicht nur von außen kommen, sondern die Leiden der Kirche kommen gerade aus dem Inneren der Kirche, von der Sünde, die in der Kirche existiert. Auch das war immer bekannt, aber heute sehen wir es auf wahrhaft erschreckende Weise: Die größte Verfolgung der Kirche kommt nicht von den äußeren Feinden, sondern erwächst aus der Sünde in der Kirche. Und darum ist es für die Kirche zutiefst notwendig, daß sie neu lernt, Buße zu tun, die Reinigung anzunehmen; daß sie einerseits zu vergeben lernt, aber auch die Notwendigkeit der Gerechtigkeit sieht; denn Vergebung ersetzt die Gerechtigkeit nicht. Mit einem Wort, wir müssen gerade das Wesentliche neu lernen: die Umkehr, das Gebet, die Buße und die göttlichen Tugenden. So antworten wir. Seien wir realistisch darauf gefaßt, daß das Böse immer angreift, von innen und von außen, aber daß auch die Kräfte des Guten immer gegenwärtig sind und daß letztendlich der Herr stärker ist als das Böse.«

Benedikt XVI. am 11. Mai 2010 auf den Flug nach Portugal (HIER nachlesbar).

Donnerstag, 7. April 2022

Niemandem das Katholischsein absprechen!

Im kirchlichen Diskurs kann man es immer wieder erleben, wie rechtgläubigen Katholiken vorgehalten wird: "Willst du X etwa das Katholischsein absprechen?"

Jene Katholiken täten gut daran, dies nicht zu tun, denn, ob richtig oder falsch, damit disqualifiziert man sich im Diskurs. Geschickter ist es, sich am Vorbild Joseph Ratzingers zu orientieren: Als dieser 2003 nach der (längst überfälligen) Suspendierung von Gotthold Hasenhüttl gefragt wurde (Hasenhüttl muss spätestens seit seinem Buch "Kritische Dogmatik" von 1979 als faktischer Atheist betrachtet werden, er durfte aber bis in die 2000er Jahre ungestört katholische Theologie lehren), und der Interviewer konkret wissen wollte, ob Hasenhüttl nach Ratzingers Ansicht "nicht mehr katholisch" sei, antwortete der Kardinal (bezogen auf jenes Buch Hasenhüttls): »Was im Innersten seines Herzens ist und vorgeht, das überlassen wir dem lieben Gott. Aber was er geschrieben hat, ist nicht katholisch.« Dies lässt sich nicht nur auf Geschriebenes, sondern auch auf Gesprochenes anwenden. Jeder Gesprächspartner muss eingestehen, dass es Statements gibt, die "nicht katholisch" sind, ob geschrieben oder gesprochen - der Phantasie sind keine Grenzen gesetzt - und sei es nur eben dieses, jemandem das Katholischsein abzusprechen.

Im übrigen lässt sich dieses Absprechen auch ganz einfach guten Gewissens dadurch vermeiden, dass man sich das vom Gegenüber gemeinte "Katholischsein" einfach als das denkt, was vor dem Standesamt in den Personalausweis ein- bzw. aus diesem ausgetragen wird. Hasenhüttl darf man daher inzwischen übrigens guten Gewissens absprechen, katholisch zu sein, schließlich hat er 2010 seinen Austritt aus der Kirche erklärt.

Mittwoch, 6. April 2022

Der offener Brief an die Kardinäle Hollerich und Marx

Der offene Brief von Father Philip G. Bochanski, Executive Director von Courage International an die Kardinäle Jean-Claude Hollerich und Reinhard Marx, die in letzter Zeit offen die kirchliche Lehre diesbezüglich abgelehnt haben (von HIER). Courage International ist ein seit über 40 Jahren bestehendes Netzwerk von Katholiken mit homosexuellen Neigungen und denen, die ihnen verbunden sind, die der katholischen Lehre entsprechend leben wollen. Infos gibt es HIER; das "Handbook" (als PDF frei verfügbar) ist eine sehr lesenswerte Ressource zu dem ganzen Themenkomplex.

In diesem Kurzen Schreiben steht im Grunde alles drin, mehr ist nicht dazu zu sagen, mehr braucht man nicht zu sagen.


Your Eminences,

As a priest engaged for many years in pastoral ministry to people who experience same-sex attractions, I read your recent public comments about Catholic teaching on homosexual acts with serious concern.

You suggested, Cardinal Hollerich, that “the sociological-scientific foundation of” the Catholic doctrine that homosexual acts are immoral “is no longer correct,” and you called for “a fundamental revision of Church teaching” and “a change in doctrine.” You took the same stance on this issue, Cardinal Marx, and justified your position by remarking that “the Catechism is not set in stone” and that “one may also question what it says” on this important moral teaching.

Yet the paragraph of the Catechism to which you refer presents this teaching in a remarkably firm way. That is, it notes that the teaching is clearly based on Sacred Scripture and consistently taught by the tradition of the Church (2357). This invocation of Scripture and Tradition is unusual in the Catechism, but appears often when the Church explains the charism of infallibility. Its use here clearly means that this teaching, which flows from the anthropological fact of the nature of sexed human bodies, is an infallible teaching of the ordinary universal magisterium.

When each of us was preparing for ordination, like all of our brother deacons, priests and bishops, we made a public Profession of Faith and swore an Oath of Fidelity. When we took that oath, we swore in regard to such teachings that we would “hold fast to” the Church’s doctrine, “faithfully hand it on and explain it, and … avoid any teachings contrary to it.” We invoked the Holy Trinity and the holy Gospels to witness to our honesty and sincerity.

Your Eminences, I beg you, please be faithful to your oath.

To violate your oath over this teaching would do great harm to the very people you sincerely want to help. “Neglect of the Church’s teaching prevents” these brothers and sisters of ours “from receiving the help that they need and deserve,” as the Dicastery for the Doctrine of the Faith wrote in 1986. To claim that this definitive teaching can change raises false hopes among our brothers and sisters, and is sure to leave them feeling more overlooked and resentful each time the Church faithfully restates it. By reinforcing this misunderstanding of the divine ordering of sexuality, you encourage them to seek happiness in relationships that ultimately cannot satisfy, rather than to seek fulfillment in chaste friendships.

To violate your oath would also wound our brothers and sisters who strive to live chastely in harmony with the Church’s teaching, or to encourage their loved ones to do so, at the cost of great personal sacrifice. They look to the bishops of the Church as their spiritual fathers, and seek from you affirmation and support for the commitments to chastity they have made, as faithful Catholics. When they hear you suggest that such commitments are unnecessary, they feel unseen and disrespected by the very people whose love and care they seek the most.

To violate your oath would certainly harm the moral credibility of the Church, in the eyes of the faithful and in the opinion of the world. On the eve of His Passion, Our Lord’s sincere prayer was for unity among his apostles, “so that the world may believe” (John 17:21). You stand in the place of those apostles and have undertaken the awesome responsibility of closely advising the successor of St. Peter. Your public dissent from the Church’s teaching can only create confusion and division among the faithful, and be a scandal to the secular world.

To violate your oath would, I fear, also create great harm for you. As a brother priest and collaborator in the sacred ministry, may I be so bold as to remind you, with great respect and fraternal concern, of the solemn significance of the oath we have taken? To break an oath is to commit the sin of perjury, and to deliberately persist in such a grave sin puts one’s eternal salvation in jeopardy.

It has been my privilege for almost half of my life to serve Christ’s Church as a priest, and an immense joy for more than half of my priesthood to serve Catholics who experience same-sex attractions and their loved ones. It is a great consolation to carry out this ministry with the support and encouragement of the universal Church and its eminent pastors.

Your Eminences, I beg you, please be faithful to your oath.

With sincere respect,

Father Philip G. Bochanski

Executive Director, Courage International