Das aktuelle Aufbäumen zahlreicher Theologen gegen die römische
Feststellung der immer schon geltenden Lehre bezüglich der Segnung nichtehelicher Verbindungen hat mich einmal mehr zu einem Gedanken
zurückgeführt, der mich spätestens seit der Zeit meiner
Diplomprüfungen in selbigem Fach immer wieder mal behelligt.
Die Theologen hierzulande, auch die „anständigen“, nicht nur
der breite liberale Mainstream, sind bis auf wenige Ausnahmen in
erschütternder Weise unfrei. Ich meine jene Freiheit der Kinder
Gottes, von der Paulus in Paarung mit der Herrlichkeit spricht (vgl. Röm 8,21), und die zugleich jene Freiheit ist, wegen der wir
„umkehren und wie die Kinder werden“ sollen (vgl. Mt 18,3).
Gemeint ist die Freiheit des Bekenntnisses zu dem einen wahren Gott
in drei Personen, der sich offenbart hat, der uns erlöst hat, der
uns in seiner Kirche – insbesondere in den Sakramenten –
leiblich, geistig und seelisch nahe ist. Ohne jetzt herablassend
klingen zu wollen: Sie tun mir Leid.
Vor kurzem las ich in der Einführung zu einem Sammelband eines
namhaften amerikanischen Theologen (den man hierzulande natürlich
nicht kennt, weil man sich i.d.R. mit deutschsprachiger Literatur
begnügt) das mit völliger Selbstverständlichkeit dargelegte
Zeugnis, dass er seine (Jahrzehnte umfassende)
theologische Arbeit als einen Teil seines Weges der Jüngerschaft
betrachtet und als einen Weg, zu immer größerer Klarheit im Glauben
zu gelangen. Von einer winzigen Anzahl
abgesehen, kenne ich im deutschen Sprachraum niemanden in dem Fachbereich, der sein Wirken
auch nur annähernd so zu charakterisieren in der Lage wäre – schon gar nicht öffentlich.
Soetwas tut man nicht. Das steht einem Theologen nicht gut an,
denn das ist nicht „wissenschaftlich“. Nein, Theologie muss
„wissenschaftlich“ sein (fatal, dass wir sprachlich nicht so
schön wie im Englischen zwischen science und humanities
unterscheiden können!), daher darf sie keinen freimütigen Bekenntnischarakter
haben – noch nicht mal im Vorwort. Das ist keine Selbstzensur, es ist geradezu eine organisch vorgegebene Notwendigkeit, dass dies nicht geht.
Den Grund für diese Unfreiheit – die übrigens das genaue
Gegenteil christlicher (erlöster) Gelassenheit ist – vermute ich
in der seit Jahrzehnten alles Theologietreiben durchsäuernden Indeologisierung. In
dem krankhaften Bestreben sich „wissenschaftlich“ zu geben, hat
man die eigene wissenschaftliche Grundlage (= die Wahrheit der
biblischen Offenbarung, wie sie vom authentischen Lehramt verbindlich
vorgelegt wird, vgl. Dei verbum 10) aufgegeben, mit dem
Ergebnis, dass nur noch Ideologie in Reinform übrig geblieben ist, deren Fachvertreter sich nun vorrangig mit anderen (gesellschaftlich relevanten) Wissensgebieten (stets ideologisch
voreingenommen) beschäftigen müssen, um noch zumindest das Gefühl einer
Daseinsberechtigung zu erzeugen. Soziologie, Psychologie, Marketing, Politik...
Vor allem aber dies schmerzt: Von einer lebendigen und heilig(end)en Liebe zu Jesus Christus und seiner Kirche ist weit und breit nichts zu spüren – überhaupt nichts.
Und selbst diejenigen, die ich als „anständige“ Theologen
bezeichnet habe, betreiben zwar tatsächlich Theologie mit der ihr
zukommenden wissenschaftlichen Grundlage (darum sind sie keine Häretiker), aber selbst diese Theologen
gelangen nur in seltenen Ausnahmefällen zu jener Gelassenheit und
Freiheit, dass sie sich freimütig zu dem, was sie beschreiben,
erklären und verteidigen, bekennen können. Und noch seltener
geschieht dies in einer Sprache, die inspiriert und wiederum andere zum
Bekenntnis ermutigt.
Natürlich ist das religiöse und gesellschaftliche Umfeld
hierzulande ein ganz anderes als in den USA, wo es sehr viel mehr
Fluktuationen im religiösen Leben gibt und die US-amerikanische
Zivilreligion das religiöse Bekenntnis konstant im öffentlichen
Raum präsent hält. Nichts desto trotz halte ich diese Freimütigkeit, die
begeistert, für genuin christlich und nötig. Andernfalls wird die
Theologie nur noch bedeutungs- und v.a. fruchtloser, als sie es ohnehin schon längst ist (was
aber die Herren und Damen Theologen zumeist noch nicht bemerkt haben, weil sie zu sehr mit sich selbst befasst sind).
Das gleiche Phänomen gibt es auch bei den Bischöfen zu
beobachten. Bei denen ist es nochmal deutlicher, dass die übergroße
Mehrheit unserer Hirten alles Mögliche sind (Bürokraten,
Technokraten, Politiker etc.), aber sie sind, von wenigen Ausnahmen abgesehen, keine Zeugen für Christus. Alle
salbungsvolle Rede dieser Welt kann nicht das kürzeste Bekenntnis
(Jesus Christus ist der Herr!) ersetzen.
So durch ihr eigenes Tun der christlichen Freiheit beraubt, sind sie wahrhaft entmündigte Christen, sie sind faktisch nicht zum Bekenntnis in der Lage, ihr Berufsethos (wie sie es verstehen) steht dem im Wege.
Sehr schade.