Dienstag, 27. April 2021

Wie Theologie heute funktioniert - 1

Michael Seewald, Dogmatiker in Münster (und Priester, aber das merkt man nie und nirgends), lässt verlauten (hier): "Der Katechismus ist zu einem normativ aufgeladenen Text geworden, zu einer Art lehramtlichem Superdokument, das nicht selten als Markstein des wahrhaft Katholischen betrachtet wird" um damit zu insinuieren, dass er eben eigentlich nicht normativ ist, sondern erst in letzter Zeit dazu stilisiert wurde. In Wahrheit sei er (bloß!) eine "Arbeitshilfe" die "angeboten" wird und "nützlich" sei, er bilde aber nicht für überlieferte Glaubenslehre ab.

Fragen wir doch mal den Papst, der den Katechismus herausgegeben hat (in seinem Schreiben Fidei depositum, das als Teil des Katechismus vorne drin immer mit abgedruckt ist): 

»Der „Katechismus der katholischen Kirche“ [...] ist eine Darlegung des Glaubens der Kirche und der katholischen Lehre, wie sie von der Heiligen Schrift, der apostolischen Überlieferung und vom Lehramt der Kirche bezeugt oder erleuchtet wird. Ich erkenne ihn als sichere Norm für die Lehre des Glaubens an...« (33)

Und weiter: Der KKK ist "sicherer und authentischer Bezugstext für die Darlegung der katholischen Lehre", dient der Vertiefung der "Kenntnis der unerschöpflichen Reichtümer des Heiles", zeigt "den Inhalt und den harmonischen Zusammenhang des katholischen Glaubens genau auf", in kurz: Er legt dar "was die katholische Kirche glaubt." (34)

Der Katechismus wurde nicht nachträglich als normativ stilisiert, er war es von Anfang an. Und er erhebt durchaus den Anspruch, die überlieferte Glaubenslehre verbindlich, nicht nur als Angebot (Vorschlag?), darzustellen. 

So funktioniert heute Theologie: Man behauptet einfach etwas, auch wenn die Realität eine ganz andere ist. Dahinter steht der Versuch, diese Realität dadurch zwangsweise zu verändern, dass man die Menschen glauben macht, sie sei ganz anders. Und, nein, der Mann ist nicht dumm oder unwissend, das alles ist eine ganz bewusste Irreführung (sein Buch "Dogma im Wandel) dokumentiert dies).

Petrus Canisius und die Bücher

Aus der Vorrede des hl. Petrus Canisius zu seinen „Hauptwahrheiten des katholischen Glaubens“ (man beachte auch seine anfängliche Diagnose der Zeit...).


»Es will die Zeit, so voll Sünden und Aergerniß ist, aufs Höchste erfordern, daß wir Christen uns selbst und auch die Unsrigen, so viel unser Seelenheil belangt, recht fleissig versorgen, besonders in diesen gefährlichen, zänkischen und verführerischen Läuften; denn leider (wie vor Augen) christlicher Glaube und Andacht je länger, je mehr abnimmt, die Lieb erkaltet, die Bosheit geht in Schwung, und nach Christi Weissagung nimmt sie überhand allenthalben.
Nun findet man aber gleichwohl viel Bücher und Büchlein, welche im Druck ausgegangen, die sich dermassen ansehen lassen, als ob sie nichts Anderes, als den wahren und christlichen Weg uns weiseten, und als ob sie uns und die Unsrigen in der Gottseligkeit genugsam bewahrten und versorgten. Im Grund aber erfindet sich, daß mehrentheils in solchen allgemeinen Büchlein nur ein Schein und eine schöne Farb der Wahrheit angestrichen wird, haben aber sonst allerlei irrige, verführerische und schädliche Lehren eingemischt, welche doch von dem gemeinen Mann nicht leicht gemerkt und verstanden werden. Soll darum ein jeder fromme Christ ernstlich ermahnet und bei seiner Seele Seligkeit gewarnet sein, daß er wohl zu und umsehe, was er für Büchlein habe und lese, besonders von Katechismen und Betbüchlein, und dergleichen anderen mehr. Denn wie St. Johannes sagt: ‚Glaubet nicht jeglichem Geist,‘ so mag man auch wohl sagen: ‚Glaubet nicht jeglichem Büchlein und Katechismo, weil viel falsche Propheten und Scribenten (Schriftsteller) in die Welt ausgegangen sind.‘ Und wie wohl viel andere Katechismi gefunden werden, welche die reine ungefälschte christliche Lehre in Kürze begreifen und vortragen, so wird doch dies Büchlein vielleicht nicht weniger Frucht als diese schaffen, weil es ohne alle Weitläufigkeit kurz und gründlich alle vornehmsten, nothwendigsten Stücke anzeiget und vorstellt; denn in diesem findest du, christlicher Leser, die Grundveste und Hauptartikel unserer wahren, christkatholischen und seligmachenden Religion. Es hängt doch Alles am Glauben, Hoffnung, Liebe, Sakramenten und Gerechtigkeit, wenn wir nur immer Gottes Kinder und in Christo gerecht und selig werden wollen. Ohne den Glauben erkennen wir Gott nicht, ohne die Hoffnung verzweifeln wir an Gottes Gnaden; ohne Lieb nutzt uns weder Glauben noch Hoffen oder Vertrauen, sondern wir bleiben noch in der Finsterniß, ja auch im Tod, wie die Hl. Apostel schreiben. Ohne die Sakramente aber, und ihren rechten katholischen Gebrauch wird die Gnade des Hl. Geistes nicht geschöpft noch erhalten. Wo dann nicht ist die Gerechtigkeit, da ist nicht Christi sondern des Teufels Reich, wie da geschrieben steht: ‚Wer recht thut, der ist gerecht. Wer Sünde thut, ist vom Teufel. Dazu aber ist erschienen der Sohn Gottes, sagt Johannes, daß er die Werke des Teufels zerstöre.‘«

 

Beachtlich finde ich es, dass der Heilige seine "Kurze Erklärung der vornehmsten Stücke des wahren katholischen Glaubens" eigentlich nur als Faszikel vor seine "rechte und katholische Form zu beten" gestellt hat: jene Grundwahrheiten des Glaubens sind sozusagen das Vorspiel für sein eigentliches Anliegen, nämlich das Gebet der Gläubigen zu fördern, wofür er dann in bester Gebetsbuch-Tradition einiges zusammengestellt hat; von den über 500 Seiten sind nicht einmal 90 der Katechismus. So eine Kombination aus klar dargelegten Glaubenswahrheiten und Gebeten für den gläubigen Alltag finde ich klasse. Soetwas bräuchte es in für heute angemessener Form eigentlich auch - dringend. Ein "Katechismus-Gebetbuch" für die heutige Glaubensnot... Quasi eine Kombination aus Youcat und Youcat-Jugendgebetbuch für unterschiedliche Altersstufen...

Dienstag, 20. April 2021

Bischof Oster und G.K. Chesterton

Bischof Oster von Passau ist offenbar (verständlicherweise) ob des bescheuerten Rassismusvorwurfs einer gewissen Tübinger (sich so titulierenden) "Theologin" gegenüber lehramtstreuen Katholiken die Hutschnur geplatzt. Jedenfalls hat er einen ausgesprochen deutlichen und kämpferischen Beitrag dazu verfasst, was katholisch ist, und was nicht (HIER zu finden). Sehr zu empfehlen!

Nur eine kleine Anmerkung: In seinem Beitrag fügt der Bischof auch ein Zitat ein, das gerne G.K. Chesterton zugeschrieben wird: »Ich brauche keine Kirche, die mir erzählt, dass ich unrecht habe, wenn ich weiß, dass ich unrecht habe. Ich brauche eine Kirche, die mir sagt, dass ich unrecht habe, wenn ich glaube, dass ich recht habe.«

Inhaltlich liegt das gewiss ganz auf der Linie von Chesterton, aber es ist eher eine Paraphrase von etwas, das Chetserton geschrieben hat, kein Zitat. Die Paraphrase stammt aus seinem Büchlein "The Catholic Church and Conversion", das Chesterton wenige Jahre nach seiner eigenen Konversion schrieb. Dort heißt es in Kapitel 5: »We do not really want a religion that is right where we are right. What we want is a religion that is right where we are wrong.« Viel interessanter als dieses Bonmont finde ich aber, was darauf folgt, denn es ist eine Abrechnung mit genau dem Schlag von "religiösen Menschen", der heute z.B. am suizidalen Weg den Ton angibt:

»These people merely take the modern mood, with much in it that is amiable and much that is anarchical and much that is merely dull and obvious, and then require any creed to be cut down to fit that mood. But the mood would exist even without the creed. They say they want a religion to be social, when they would be social without any religion. They say they want a religion to be practical, when they would be practical without any religion. They say they want a religion acceptable to science, when they would accept the science even if they did not accept the religion. They say they want a religion like this because they are like this already. They say they want it, when they mean that they could do without it.
It is a very different matter when a religion, in the real sense of a binding thing, binds men to their morality when it is not identical with their mood. It is very different when some of the saints preached social reconciliation to fierce and raging factions who could hardly bear the sight of each others' faces. It was a very different thing when charity was preached to pagans who really did not believe in it; just as it is a very different thing now, when chastity is preached to new pagans who do not believe in it. It is in those cases that we get the real grapple of religion; and it is in those cases that we get the peculiar and solitary triumph of the Catholic faith.«

Mittwoch, 14. April 2021

Kein Nebenschauplatz

Ein Gedankenexperiment:

In seiner Offenbarung an die Menschen sagt Gott kategorisch und ohne Ausnahmen zuzulassen: Wer die Handlung X tut, der ist des Todes würdig, er kann nicht Erbe meines Heils sein.

Bestimmte Kirchenleute sagen: Wir möchten der Handlung X den Segen Gottes zusprechen.

Wie kann man etwas segnen, was Gott definitiv (nach allem, was er uns offenbart hat) nicht segnet, sondern eindeutig verwirft? Macht man Gott damit nicht zum "Diener der Sünde" (Gal 2,17)?


Von den beiden großen evangelischen Theologen Adolf von Harnack (1851-1930, "liberal") und Adolf Schlatter (1852-1938, "konservativ"), wird erzählt, dass Harnack einmal vor Fakultätsangehörigen erklärt habe: "Vom Kollegen Schlatter unterscheidet mich nur die Wunderfrage!" (sprich: ob Wunder real sind, oder nicht), daraufhin habe Schlatter dazwischengerufen: "Nein, die Gottesfrage!"

Also: Wie bei der Frage nach der Realität von Wundern, so geht es auch bei der frage der Segnung homosexueller Akte nicht um etwas Nebensächliches, sondern letztlich um die "Ordnung", die Gott seiner Schöpfung gegeben hat, und es geht um Gottes Gebote. Damit geht es aber um das, was wir von Gott glauben. Glauben wir, dass Gott sich offenbart hat? Dass er klare Weisungen gegeben hat und dass, obwohl im Verlauf der Geschichte seiner Offenbarung einiges davon sich gewandelt hat - wie sich ja auch die Qualität dieser Offenbarung sowie die Adressaten dieser Offenbarung und jener Weisungen geändert haben -, ihre wesentlichen Gehalte zu unserem Heil von Gott erlassen wurde?

 

Oder anders: Glauben wir, dass, was Gott segnet, wahrhaft gesegnet ist? Wenn ja, dann müssen wir aber auch das, was Gott eindeutig verwirft, als verworfen betrachten. Ihm dennoch den Segen Gottes zuzusprechen, ist nichts weniger als eine Lüge, und zwar eine die zugleich Gott der Lüge (oder schlimmerer Dinge) bezichtigt.

Wenn es den Segen Gottes gibt und wenn Gott wahrhaft Person (und nicht bloß eine moralisch gleichgültige "Kraft") ist, dann gibt es für Gott auch die Möglichkeit, etwas nicht zu segnen. Wenn wir uns anmaßen solchem Tun dennoch den "Segen Gottes" zusprechen zu wollen, dann besteht m.E. die ernste Gefahr, dass hier jemand anderes seinen "Zuspruch" gibt, denn Gott ist es sicherlich nicht...

Donnerstag, 8. April 2021

Zum Tod von Hans Küng

R.I.P.



Der Vorsitzende der DBK sagte: „In seinem Wirken als Priester und Wissenschaftler war es Hans Küng ein Anliegen, die Botschaft des Evangeliums verstehbar zu machen und ihr einen Sitz im Leben der Gläubigen zu geben.“ Und er dankte ihm „für sein jahrelanges Engagement als katholischer Theologe in der Vermittlung des Evangeliums“ (hier).

Mal davon abgesehen, dass Hans Küng seit 1979 keine Lehrberechtigung als „katholischer Theologe“ mehr hatte und das Evangelium bestimmt auch ohne die Vermittlung von H. Küng „verstehbar“ ist, seien ein paar Worte über diesen großen Denker verloren, den ich, ganz ehrlich, so gar nicht leiden kann, schon weil zu seinen Grundgedanken die Aufhebung der Transzendenz zählt: Gott ist für ihn nicht ein Gegenüber zur Welt (und so ihr Schöpfer und schließlich Richter), sondern er ist in der Welt, wie Küng in seinem Buch zur „Menschwerdung“ von 1970 ausführt: „Gegen alle biblizistische Berufung auf den biblischen Gott und alle traditionalistische Berufung auf den traditionell-christlichen Gott muss es bleiben bei der nachkopernikanisch-neuzeitlichen Einsicht: Gott in der Welt, Transzendenz in der Immanenz, Jenseitigkeit in der Diesseitigkeit.“ Aber dennoch sei kurz jenen beiden Punkten nachgegangen: War er „katholisch“ und ging es ihm um das „Evangelium“? (Dass ein Bischof Bätzing sich so sehr an Küng anschmiegt, lässt jedenfalls für die Richtung, in die selbiger Bischof die Katholiken in Deutschland zu manövrieren gedenkt, nichts Gutes ahnen.)


War Küng „katholisch“?

Küngs Abfall von der Kirche kam endgültig mit seinem Buch „Unfehlbar?“ (ebenfalls 1970), das ironischerweise auch seinen vielleicht prominentesten Irrtum (methodisch wie inhaltlich) darstellt: Küng bestreitet die Unfehlbarkeit der Kirche insgesamt sowie des obersten Lehramtes im Besonderen, indem er auf Dogmen verweist, die seiner Ansicht nach falsch sind; dieser Selbstwiderspruch zeige ihm zufolge, dass es diese Unfehlbarkeit nicht geben könne. Und zwar dient ihm als Beweis für „falsche Dogmen“ ausgerechnet die Enzyklika Humanae Vitae. Die darin enthaltene Lehre sei ein Dogma und sie sei offenkundig falsch. Nur leider unterlässt es Küng, zu zeigen, warum HV seiner Ansicht nach falsch sein soll, er setzt deren Falschheit einfach als etwas Selbstverständliches voraus (siehe dagegen die beiden Sammelbände von Janet E. Smith „Why Humanae Vitae Was Right“ [1993] und „Why Humanae Vitae Is Still Right“ [2018]). Selbst ein Karl Rahner ließ an Küngs These zur Unfehlbarkeit kein gutes Haar und wies nach, dass Küng im Grunde die ganze kirchliche Lehtradition mindestens der letzten 500 Jahre ablehnt und sich somit auch jeder Grundlage eines innerkatholischen Dialogs beraubt hat (in dem Sammelband „Zum Problem Unfehlbarkeit“). Alles Bemühen um Verständigung und Frieden zwischen Konfessionen und Relgionen ist am Ende eine Lüge, wenn es auf Kosten der Wahrheit geht.


Ging es Küng um das Evangelium?

Hans Küng ging es immer um die Menschen, um Frieden und Gerechtigkeit… alles überaus löblich, und er gilt zurecht als einer der einflussreichsten Denker der letzten Jahrzehnte. Aber Küng ging es nicht um „die Botschaft des Evangeliums“. Ihm ging es bestenfalls um seine verkorkste Version dieser Botschaft, und die ist eines sicher nicht: katholisch. Jedenfalls stellt er in seinem Bestseller „Christ sein“ (1974) unübersehbar zur schau, dass es ihm gänzlich egal ist, was die Kirche lehrt, er ist v.a. sich selbst und seinen mal mehr, mal weniger diffusen Ideen treu. (Wiederum Karl Rahner bemerkte übrigens zu dem Buch, dass Küng darin gedanklich die letzten paar Jahrhunderte wohl verschlafen hat...). Für ihn ist Jesus einmalig, unersetzbar, eintzigartig als Vorbild für uns Heutige. Jesus, so Küng an anderer Stelle, ging es sowieso eigentlich nicht um „Religion“... und wäre es ihm um eine solche gegangen, dann jedenfalls eine „priesterlose“. Viel mehr als ein Vorbild ist dieser Jesus dann doch nicht… „Sprecher“ Gottes, sein „Sachwalter“ hat er ihn genannt. Hans Küng kann Jesus sogar als „Gottes Wort, Wille, Sohn“ bezeichnen, jedoch meint Küng damit die Funktion die Jesus in seinem Leben, Reden und Tun ausgeführt hat, nicht ihn selbst als Person. Auf die unausweichlich klare Frage, ob Jesus Christus in dem Sinne Gott ist, dass ihm auch (göttliche) Anbetung im strengen Sinne gebührt – der Lackmustest für eine authentische Christologie, denn wäre Christus weniger als Gott, wäre seine Anbetung Götzendienst –, weiß Hans Küng nichts zu antworten. Für ihn gibt es eigentlich keine Heilsgeschichte, es gibt nur eine Aufklärungsgeschichte, denn „Heil“ würde „Unheil“ (Sünde) voraussetzen und sogar die Möglichkeit des Verlorengehens – das darf nach Küng aber nicht sein, gleichwohl es in der Predigt Jesu breiten Raum einnimmt.



Ein Wort zu seinem literarischen Nachlass: Ich kenne zahlreiche Personen, die anhand von Büchern aus der Feder Joseph Ratzingers (wieder) zur Kirche gefunden haben. Ob das seine „Einführung“ ist, seine ersten beiden Interviewbücher mit Peter Seewald, seine Jesus-Trilogie oder seine Meditationen. Ratzinger weiß das Christliche authentisch darzustellen, Faszination und Neugierde zu wecken. Hans Küng begeistert niemanden für Jesus, seine Schriften führen nur weg von ihm, mehr als ein Gutmenschentum findet man bei ihm nicht. Ermutigend für mich ist es daher, dass das Interesse an Küngs Büchern bereits sehr deutlich geschwunden ist. Am Ende ist es doch immer wieder nur das Selbe. Seine „Sämtlichen Werke“, die der Herder-Verlag in 24 Bänden herausgibt, sind, wie ich aus internen Quellen weiß, mit eine der am schlechtesten laufenden Reihen, die der Verlag aktuell zu bieten hat (mit Abstand am besten laufen übrigens die Gesammelten Werke Ratzingers!). Was der Verlag da an Exemplaren absetzt, reicht gerade mal um die wissenschaftlichen Bibliotheken zu bestücken, die diese Bände brauchen, darüber hinaus kauft kaum jemand diese Bücher (sie sind überdies auch als Objekte von eher minderwertiger Qualität, aber das nur am Rande).


In seinem Werk „Damit die Welt glaube“ (1962) zitierte Hans Küng einmal den überaus bedeutenden Kirchenschriftsteller Origenes (gest. 254) mit diesen Worten:

»Ich möchte ein Mann der Kirche sein und nicht nach irgendeinem Gründer einer Häresie, sondern nach Christi Namen benannt werden und diesen Namen tragen, der auf Erden benedeit ist. Und es ist mein Begehren so der Tat als dem Geiste nach ein Christ genannt zu werden. Wenn ich, der ich deine rechte Hand zu sein scheine, der ich den Priesternamen trage und das Wort Gottes zu verkünden habe, etwa gegen die kirchliche Lehre und die Regel des Evangeliums verstieße, so dass ich dir, Kirche, zum Ärgernis würde, so möge mich die gesamte Kirche in einhelligem Beschluss, mich, ihre Rechte, abhauen und von sich werfen.«

Hätte er sich dies zu Herzen genommen, wäre er vermutlich einer der wichtigsten Theologen des 20. Jahrhunderts und für die ganze Kirche sicherlich bedeutsam geworden... Die Kirche hat ihren Part erfüllt (und sie müsste es noch viel häufiger tun).

Franziskus an die deutschen Katholiken 3

Siehe Teil 1 und Teil 2 dieser kleinen Serie: hier und hier.

 

Anbetung ist, noch vor Lobpreiskonzerten und eucharistischer Anbetung, ein Grundzug christlicher Lebensgestaltung, der Reife und Übung im geistlichen Leben erfordert. Im Kern geht es gleichermaßen um Staunen und Gehorsam, in einem Wort: Unterwerfung unter den Thron Gottes – nicht wir bestimmen, sondern der Herr. Ist dies nicht gegeben, dann fällt der Mensch ins Gegenteil, nämlich indem er sich selbst, menschliche Erkenntnis oder irgendwelche anderen Götzen anbetet - selbst wenn er behauptet, dies nicht zu tun. Am Hochfest der Erscheinung des Herrn dieses Jahres hat Papst Franziskus das schön ins Wort gebracht:

»Die Anbetung erfordert eine gewisse geistliche Reife, man gelangt an dieses Ziel nach einer inneren, manchmal langen Reise. Die Haltung der Anbetung entsteht nicht einfach so in uns. Ja, der Mensch braucht Anbetung, aber er läuft dabei Gefahr, dass sie auf das Falsche gerichtet ist. Wenn er nämlich nicht Gott anbetet, wird er Götzen anbeten – es gibt keinen Mittelweg: entweder Gott oder die Götzen; oder um es mit den Worten eines französischen Schriftstellers zu sagen: „Wer Gott nicht anbetet, betet den Teufel an“ (Léon Bloy) –, und so wird er statt zu einem Gläubigen zu einem Götzendiener. Das ist so: entweder – oder.« (hier)


Der Papst will mit seinem Brief an das pilgernde Volk Gottes in Deutschland" aus dem Jahr 2019 (hier) das in den Fokus rücken, was man hierzulande seit einem halben Jahrhundert zu ignorieren trachtet, und was man erst in den letzten paar Jahren zögerlich, oft auch nur dem Begriff nach (aber dann ohne Inhalt), anzunehmen beginnt: Evangelisierung. Wir sollen unsere bürokratischen Lasten und ideologischen Scharmützel zugunsten der Freiheit des Evangeliums loswerden um frei zu sein, „frei zur Evangelisierung und zum Zeugnis“ (Nr. 12). Franziskus bringt diese prioritäre Ausrichtung des christlichen Tuns ausdrücklich (siehe Fußnote 43) in Verbindung mit dem, was Romano Guardini vor vielen Jahren als „Anbetung“ beschrieb.

Wie schon in den letzten beiden Teilen dieser Miniserie, meine ich, dass der Papst sehr bewusst eine kleine Auswahl vorzüglicher katholischer Literatur in seine Fußnoten gesetzt hat, um uns Orientierung zu bieten. Also schauen wir doch mal bei Guardini rein um genauer zu sehen, was uns Papst Franziskus sagen will. Wie schon bei den anderen Texten, auf die Franziskus uns in seinem Brief hinweist, so spricht auch Guardini hier sehr deutlich einige Dinge an, die passgenau auf aktuelle Reformbestrebungen in Deutschland anwendbar sind, weil dort genau der falsche Weg gegangen wird. Guardini (Hervorhebungen von mir):

»[D]er Mensch, der Gott anbetet, kann nie vollständig aus der Ordnung kommen. Wer – seiner innersten Gesinnung nach und auch, sobald es dafür zeit ist, wirklich, im lebendigen Akt – Gott anbetet, ist in der Wahrheit behütet. Er mag noch so vieles falsch machen; noch so sehr erschüttert werden und ratlos sein – im Letzten sind die Richtungen und Ordnungen seines Lebens sicher.

Wir tun gut, uns das ganz klar zu machen und danach zu handeln wirklich zu handeln; die Anbetung wirklich zu üben. Das ist kein Vorsatz unter anderen, so wie man etwa sagt: „ich will mein Wort halten“, oder „ich will meine Arbeit richtig tun“. Hier geht es um die Mitte und das Maß des Daseins. Davon, ob in unserem Leben die Anbetung ist, hängt irgendwie alles ab. So oft wir anbeten, geschieht etwas; in uns selbst und um uns her. Die Dinge werden richtig. Wir kommen in die Wahrheit. Der Blick schärft sich. So manches, was uns bedrückte, löst sich. Wir unterscheiden besser zwischen Wichtig und Unwichtig, zwischen Zweck und Mittel, Ziel und Weg. Wir sehen klarer, was gut und was böse ist. Die Verschleierungen, die das tägliche Leben bewirkt, die Verschiebungen und Verfälschungen der Maßstäbe werden wenigstens in etwa zurechtgerückt.

Es ist gesagt worden, wir müßten die Anbetung üben. Das ist wichtig. Nicht warten, bis es uns dazu drängt und sie mit Selbstverständlichkeit aus der Stunde hervorgeht. Das wird selten genug der Fall sein und, wenn wir uns darauf beschränken, immer seltener. Auch die religiösen Dinge müssen geübt werden, wenn sie gedeihen sollen. Gott verlangt die Anbetung, und unsere Seele braucht sie; so müssen wir sie als Pflicht und Dienst vollbringen.

Wenn möglich, wollen wir dazu niederknien. Das Knien ist die Anbetung des Leibes. Darin vollziehen wir die Haltung jener Gestalten mit, in denen sich die Anbetung der Erde ausdrückte, der vierundzwanzig Ältesten... Dann still werden; die Unrast des Körpers und der Seele weg tun; ruhig werden mit unserem ganzen Wesen. Im Augen blick der Anbetung sind wir nur für Gott da, für nichts sonst. Dieses Hinaustreten aus der Bedrängnis des Sorgens und Begehrens, des Wollens und Fürchtens ist selbst schon Anbetung und wirkt innere Wahrheit... Und nun sich sagen: „Gott ist hier. Ich bin vor ihm. So vor ihm, wie die Gestalten der Vision vor dem Throne. Ich sehe ihn nicht, denn alles ist ja noch irdisch und steht in der Verschlossenheit der Zeit; im Glauben weiß ich aber, daß er da ist. Er ist Gott, und ich bin Mensch. Er hat mich geschaffen. Ich bin durch ihn geworden, und in ihm habe ich mein Bestehen ...“ Und nun braucht wohl nicht weitergeschrieben zu werden. Nun muß der, den es angeht, Gott ins Angesicht schauen, seinem Gott, und ihm sagen, was sein Herz aus der Wahrheit des inneren Gegenüberstehens ihm ein gibt.

Dann wird er erfahren, wie groß die Wahrheit der Anbetung, und wie wohltätig sie ist. So manches, was ihn ängstigt, fällt ab. So manche Sorge wird gegenstandslos. Sein Wünschen und Fürchten ordnet sich. Er wird zuversichtlich und kräftig für das, was das Leben von ihm verlangt. Er fühlt sich im Innersten geborgen, und die Mitte seines Wesens gewinnt festen Stand in Gottes Wahrheit. Von da aus tritt er dann wieder in sein Leben hinaus, fähig, in den Erprobungen, die es ihm auferlegt, zu bestehen.

Die Anbetung Gottes mitten in der Verschlossenheit der Zeit hat eine besondere Schönheit. Sie eilt der kommenden Offenheit voraus. Wo immer ein Mensch anbetet, dringt die neue Schöpfung durch. Ist es nicht wunderbar, das zu vermögen? Und ist nicht auch das wunderbar, sich sagen zu dürfen, daß man Gott die Ehre gibt, während er sich selbst in den Schein der Schwachheit bescheidet? Daß man ihm der um der Wahrheit willen es auf sich nimmt, vom Willen des Menschen entehrt zu werden, die Treue hält und bekennt, auch jetzt sei er „würdig, zu empfangen den Ruhm und die Ehre und die Macht“? Es ist vielleicht das Größte, was der Mensch empfinden kann, zu wissen, daß er, der Vergängliche und in der irdischen Wirrnis Verfangene, dem sich bescheidenden Gott gibt, was ihm gebührt. Daß er diesem Gott in seinem Herzen den Thron auf richtet und so für seinen Teil die Dinge richtigstellt.« (Guardini, Glaubenserkenntnis, Würzburg 1949, 14-16)


Welcher Kontrast zum suizidalen Weg, wo das Credo zu lauten scheint: „Dialogprozesse, Diskussionen und Abstimmungen sind geistliche Prozesse“ (vgl. hier). Das Gegenteil der Anbetung Gottes ist die Anbetung der Götzen, hier heißen sie Dialogprozess, Diskussion und Abstimmung.

Samstag, 3. April 2021

Cantalamessa über die Spaltungen in der Kirche

Der Prediger des Päpstlichen Hauses, Kardinal Raniero Cantalamessa (wärmstes zur Lektüre empfohlen sei aus seiner Feder "Komm, Schöpfer Geist - Betrachtungen zum Hymnus Veni Creator Spiritus" und "Die Eucharistie unsere Heiligung") in der gestrigen Karfreitagsliturgie des Papstes (eigene Übersetzung):

 

»Die katholische Brüderlichkeit ist verwundet. Christi Obergewand ist in Stücke zerteilt durch die Spaltungen zwischen den Kirchen. Aber nicht weniger schlimm ist, dass jedes dieser Teile erneut in weitere Teile zerteilt wird.

Was ist die häufigste Ursache für Spaltungen unter den Katholiken? Es ist nicht das Dogma, es sind nicht die Sakramente und die Ämter - alles Dinge, die wir dank der Gnade Gottes unversehrt und einmütig bewahren. Es ist die politische Option, wenn sie die religiöse und kirchliche ablöst und für eine Ideologie eintritt, während sie den Wert und die Pflicht des kirchlichen Gehorsams gänzlich vergisst. Dies ist der wahre Grund der Spaltung in bestimmten Teilen der Welt, auch wenn er verschwiegen oder abfällig verneint wird. Dies bedeutet, dass das Reich dieser Welt im eigenen Herzen wichtiger geworden ist, als das Reich Gottes. 

Ich glaube, dass wir alle dazu aufgerufen sind, in dieser Hinsicht eine ernste Gewissenserforschung zu betreiben und uns zu bekehren. Jene [Spaltung] ist schlechthin das Werk desjenigen, dessen Name "diabolos" ist, d.h. der Spalter, der Feind, der das Unkraut sät, wie Jesus ihn im Gleichnis nennt.« (hier)


Donnerstag, 1. April 2021

Vinzenz von Paul über die ernste Gefahr für die Hirten

Missbrauchende, vertuschende und Irrlehren fördernde oder duldende Priester und Bischöfe aufgepasst! Aus den geistlichen Unterweisungen des hl. Vinzenz von Paul (Nr. 1065):

»Aber, mein Heiland, wenn ein guter Priester Großartiges wirken kann, welchen Schaden macht er, sobald er auf Abwege gerät!
Wer weiß, ob nicht alle Unordnungen, die wir auf der Welt sehen, den Priestem zugeschrieben werden müssen. Dies könnte einigen zum Anstoß gereichen, aber der Gegenstand erfordert es, dass ich durch die Größe des Übels die Wichtigkeit der Heilung aufzeige. Schon viele Konferenzen wurden über diese Frage gehalten und sie ist erschöpfend behandelt worden, um die Quellen so vielen Unheiles aufzudecken. Das Ergebnis aber war, dass die Kirche keine schlimmeren Feinde hat als die Priester. Von ihnen gingen die Häresien aus; Zeugen davon sind die beiden Häupter des Protestantismus, Luther und Calvin, die Priester waren. Durch die Schuld der Priester haben die Protestanten die Oberhand gewonnen, herrscht das Laster und hat die Unwissenheit im armen Volk ihren Thron errichtet. Das geschah infolge ihrer eigenen Ungeordnetheit, und weil sie sich nicht mit allen ihren Kräften, wie es ihre Pflicht gewesen wäre, diesen drei Sturzbächen entgegensetzten, von denen die Erde überflutet wurde.
Sicherlich, mein Herr, haben die Priester unserer Zeit allen Grund, Gottes Urteil zu fürchten; denn außer ihren eigenen Sünden werden sie Gott auch über die des Volkes Rechenschaft ablegen müssen, denn sie haben sich nicht bemüht seiner verletzten Gerechtigkeit für sie Genugtuung zu leisten, so wie sie dazu verpflichtet sind. Was noch schlimmer ist: Gott wird ihnen die Bestrafung der Völker anrechnen, die er über diese kommen lässt; denn sie rühren keinen Finger, um sich den Geißeln, welche die Kirche heimsuchen, entgegenzusetzen: der Pest, dem Krieg, dem Hunger und den Irrlehren, die von allen Seiten die Kirche bedrängen. Sagen wir noch mehr, mein Herr: Der schlechte Lebenswandel der Geistlichen ist schuld an dem ganzen Chaos, wodurch die heilige Braut des Erlösers so tief bedrückt und so stark entstellt wurde, dass sie kaum zu erkennen ist.
Was würden heute diese alten Väter über uns sagen, die sie in ihrer ersten Schönheit gesehen haben, wenn sie die Frevel und Schändungen erblickten, wie wir sie in ihr sehen, sie, die gemeint haben, dass die Zahl der Priester, die gerettet werden, sehr klein wäre, obwohl sie damals in ihrem größten Eifer waren.«