Sonntag, 24. Mai 2020

glaubwürdig

Erdbeerbär
Es hat in der kirchlichen Sprache der letzten Jahrzehnte eine gewisse Verschiebung stattgefunden, auf die ich kurz eingehen will.
Konkret geht es mir um die Glaubwürdigkeit, genauer darum, inwiefern jemand oder etwas „glaubwürdig“ ist. Eigentlich handelt es sich dabei um ein Attribut des Verkündigenden Akteurs: Der Zeuge ist Glaubwürdig, d.h. der Zeugnisgebende, der Verkündiger.

Fast unmerklich ist die Verschiebung, wenn dann plötzlich aber von der "glaubwürdigen Verkündigung" die Rede ist. Dann ist nicht mehr der Redende und Handelnde Glaubenszeuge glaubwürdig oder unglaubwürdig, sondern eben die von diesem Subjekt abgehobene Verkündigung, also das, was er tut und wie er redet. Das ist gefährlich, denn so gesehen kann auch eine Lüge glaubwürdig sein, wenn sie nur überzeugend vermittelt wird. Derjenige, der das Zeugnis gibt, ist unerheblich, wichtig ist nun sein Tun und Sprechen.

Und diese Verschiebung geht inzwischen auch noch einen Schritt weiter, wenn die Rede ist von der "glaubwürdigen Botschaft", die es zu verkündigen gilt. Nun ist nicht mehr der Verkündigende gemeint, aber auch nicht seine Verkündigung als Tätigkeit, sondern der Inhalt dieser Verkündigung. Und genau da liegt der Knackpunkt: Wenn ich darum bemüht bin, den Inhalt "glaubwürdig" zu machen, dann bedeutet das nichts anderes, als dass ich diesen Inhalt zur Erhöhung seiner "Glaubwürdigkeit" entsprechend an Geschmack und Vorlieben der Hörer anpasse. Wohl gemerkt, es geht hier nicht bloß um die sprachliche Gestalt (das wäre die Verkündigung), sondern um den Sinn, der verkündet wird. Zuweilen ist genau das auch schon mit der Redewendung "glaubwürdige Verkündigung" gemeint, wenn nämlich mit "Verkündigung" der Inhalt gemeint ist.

Es wird gerade modern, im Rahmen pastoraler Erneuerung von der Wichtigkeit einer "glaubwürdigen Botschaft/Verkündigung" zu sprechen, die es zu verkündigen gilt. Nicht selten verbirgt sich dahinter aber nicht das wahre Evangelium, sondern eine für die Adressaten zurechtgestutzte Verballhornung desselben, die vielleicht gewitzt und sogar charmant daherkommt (etwa wie der Erdbeerbär), aber letztlich irreal und hohl ist. Das ist dann natürlich nicht tragfähig, weil es nicht in die Tiefe reicht (denn dort würde der Anspruch des Evangeliums unausweichlich werden) und es ist damit im Letzten auch nicht glaubwürdig, nicht des Glaubens würdig.

Der Inhalt des Evangeliums ist nie unglaubwürdig. Er kann unglaublich anmuten, aber diese Anmutung gilt es gerade zu überwinden, das ist das durchaus anspruchsvolle Wechselspiel von Verkündigung und Bekehrung. Das Evangelium wird umso weniger unglaublich, je glaubwürdiger seine Verkünder und Zeugen sind.

Montag, 18. Mai 2020

Johannes Paul II. über "Mission"

»Auf die Frage warum Mission? antworten wir mit dem Glauben und der Erfahrung der Kirche: sich der Liebe Christi öffnen bedeutet wahre Befreiung. In ihm, und in ihm allein, wer den wir befreit von jeder Entfremdung und Verirrung, von der Sklaverei, die uns der
Macht der Sünde und des Todes unterwirft. Christus ist wahrhaft "unser Friede" (Eph 2,14), und "die Liebe Christi drängt uns" (2 Kor 5,14), die unserem Leben Sinn und Freude gibt. Die Mission ist eine Frage des Glaubens, sie ist ein unbestechlicher Gradmesser unseres Glaubens an Christus und seine Liebe zu uns. Die Versuchung heute besteht darin, das Christentum auf eine rein menschliche Weisheit zu reduzieren, gleichsam als Lehre des guten Lebens. In einer stark säkularisierten Welt ist nach und nach eine Säkularisierung des Heiles“ eingetreten, für die man gewiss zugunsten des Menschen kämpft, aber eines Menschen, der halbiert und allein auf die horizontale Dimension beschränkt ist. Wir unsererseits wissen, dass Jesus gekommen ist, um das umfassende Heil zu bringen, das den ganzen Menschen und alle Menschen erfassen soll, um die wunderbaren Horizonte der göttlichen Kindschaft zu erschließen.« (Johannes Paul II, Redemptoris Missio 11)

Heiliger Johannes Paul der Große, bitte für uns!

Samstag, 16. Mai 2020

Joseph Ratzinger über den suizidalen Weg

Es folgt ein Text von Joseph Ratzinger aus dem Jahr 1970, also von vor 50 Jahren! 

»[D]as recht verstandene Interesse an der Kirche [zielt] primär gerade nicht auf sie selbst, sondern auf das, wovon her und worauf hin sie da ist, darauf also, dass (mit den Worten der Augsburgischen Konfession zu reden) das Wort Gottes in seiner Reinheit und unverfälscht verkündet und der Gottesdienst recht gefeiert wird. Die Frage der Ämter ist nur soweit wichtig, so weit sie dafür die Vorbedingung bedeutet. Nochmal anders ausgedrückt: Das kirchliche Interesse ist nicht die Kirche, sondern das Evangelium. Das Amt sollte möglichst lautlos funktionieren und nicht primär sich selbst betreiben. Gewiß, jeder Apparat braucht einen Teil seiner Kraft auch, um sich selbst in Gang zu halten. Aber er ist um so schlechter, je mehr er im Selbstbetrieb aufgeht und er wäre gegenstandslos, wenn er nur noch sich selbst betriebe.
In dieser Hinsicht freilich stehen die Dinge heute reichlich schlecht. Der notwendige Prozess der Reform, d. h. der Brauchbarmachung der Kirche für ihren Auftrag in der veränderten Situation von heute, hat alles Interesse so sehr auf den Selbstvollzug der Kirche gerichtet, dass sie weithin nur noch mit sich selbst beschäftigt scheint. Zweifellos kann der kommenden gesamtdeutschen Synode in der gegenwärtigen Situation der Kirche eine bedeutende Aufgabe zufallen; in vieler Hinsicht ist eine solche Synode wohl eine Notwendigkeit. Dennoch scheint ihre Vorbereitung, so, wie sie mancherorts betrieben wird, den eben erwähnten Trend in ungesunder Weise zu verstärken. Man klagt darüber, dass die große Menge der Gläubigen im allgemeinen zu wenig Interesse für die Beschäftigung mit der Synode aufbringe. Ich muss gestehen, dass mir diese Zurückhaltung eher ein Zeichen von Gesundheit zu sein scheint. Christlich, d. h. für die eigentlich vom Neuen Testament gemeinte Sache, ist nämlich wenig damit gewonnen, wenn Menschen sich leidenschaftlich mit Synodenproblemen auseinandersetzen – so wenig jemand schon dadurch zum Sportler wird, dass er sich eingehend mit dem Aufbau des Olympischen Komitees beschäftigt. Dass den Menschen die Geschäftigkeit des kirchlichen Apparats, von sich selbst reden zu machen und sich in Erinnerung zu bringen, allmählich gleichgültig wird, ist nicht nur verständlich, sondern objektiv kirchlich gesehen auch richtig. Sie möchten gar nicht immer neu weiter wissen, wie Bischöfe, Priester und hauptamtliche Katholiken ihre Ämter in Balance setzen können, sondern was Gott von ihnen im Leben und im Sterben will und was er nicht will. Damit aber sind sie auf dem rechten Weg, denn eine Kirche, die allzuviel von sich selbst reden macht, redet nicht von dem, wovon sie reden soll. Leider muss man in dieser Hinsicht (und nicht nur in dieser) heute einen beträchtlichen Verfall der Theologie und ihrer Vulgarisationsformen fest stellen: Der Kampf um neue Formen kirchlicher Strukturen scheint weithin ihr einziger Inhalt zu werden. Die Befürchtung, die Henri de Lubac am Ende des Konzils geäußert hatte, es könnte zu einem Positivismus des kirchlichen Selbstbetriebs kommen, hinter dem sich im Grunde der Verlust des Glaubens verbirgt, ist leider ganz und gar nicht mehr gegenstandslos.«

(aus: J. Ratzinger / H. Maier, Demokratie in der Kirche)

Donnerstag, 7. Mai 2020

Naive Theologen

Angesichts einiger weniger kontroverser Äußerungen des emeritierten Papstes am Ende der neuen Benedikt-Biographie von Peter Seewald (sehr lesenswert, ich kann es kaum beiseite legen!), fühlt sich der Freiburger Fundamentaltheologe Herr Striet – einer der wenigen Theologen, die ganz offen dem Atheismus frönen (s. meine Bemerkung hier) – dazu herausgefordert zu betonen, dass unsere Gesellschaft ganz und gar „nicht religionsfeindlich“ sei. „Allerdings“, so führt er fort, „verlangen sie von Menschen, die ihre religiösen Überzeugungen in den öffentlichen Diskurs einbringen wollen, dass sie so gute Gründe für sie aufbringen können, dass sie auch zu überzeugen vermögen.“ (hier).

Ein Wort: Naiv.

Ich glaube, Herrn Striet ist wirklich davon überzeugt, dass unsere Gesellschaft „nicht religionsfeindlich“ ist. Und ich habe eine Vermutung, warum er davon überzeugt ist.

Ums kurz zu machen: Herr Striet fühlt sich in dieser Gesellschaft geborgen und keineswegs angefeindet, weil er selbst alles nur Denkbare tut, um mit dieser Gesellschaft konform zu sein! Die „Religion“ die er vertritt, steht per Definition in keiner ernsthaften Spannung zu dieser Gesellschaft, denn ihr oberstes Ziel besteht in der Gleichförmigkeit mit ihr.
Das und nur das, meint Striet mit „überzeugen“: Es geht nicht wirklich darum, jemanden umzustimmen, sondern es geht darum ihm nach dem Mund zu reden und das weltliche Gegenüber davon zu „überzeugen“, dass man genau so ist und denkt, wie er: „Ich bin keine Gefahr für dich und dein gewohntes denken/fühlen/handeln, und ich beweise es dir, indem ich nichts vertrete, was dich kränken oder belästigen oder herausfordern könnte.“

Es ist schon erstaunlich, dass Menschen, die ihre ganze Anstrengung darauf verwenden, sich und ihre „Religion“ mit der Gesellschaft in Gleichschritt zu bringen, in vollem Ernst verkünden können, die Gesellschaft stünde dieser ihrer „Religion“ nicht feindlich gegenüber. Natürlich nicht! Wieso sollte sie?

Was Herr Striet nicht sieht, und wohl auch nicht sehen kann, ist die Tatsache, dass diese Gesellschaft durchaus religionsfeindlich ist, nämlich immer genau dann, wenn die jeweiligen religiösen Ansichten nicht widerspruchsfrei zu den Ansichten dieser Gesellschaft passen. Er kann das nicht sehen, weil er in diesen Fällen selbst auf der Seite jener Gesellschaft steht.
Die Wirklichkeit, von der Herr Striet nichts wissen möchte, ist sogar noch dramatischer: Nicht nur diese Gesellschaft ist einem überzeugten und authentischen Christentum gegenüber feindlich gesonnen, sondern die katholische Kirche selbst, so wie sie gegenwärtig in Deutschland strukturell aufgestellt ist, ist über weite Strecken gegenüber ihren eigenen Gliedern feindlich gesonnen: Wer die Lehre der Kirche unverkürzt verkündet, oder wer auch nur vereinzelten als „traditionell“ empfundenen Frömmigkeitsformen anhängt, der hat es in der katholischen Kirche in Deutschland schwer. In verantwortliche Positionen kommt man so eher nicht. Wer an den aktuellen (von der angeblich nicht religionsfeindlichen Gesellschaft vorgelegten) Dogmen der Demokratisierung und Egalisierung, der Entsakralisierung und Säkularisierung (von Kirchenraum, Priestertum, Liturgie und Sakramenten) sowie der moralischen Liberalisierung Zweifel anmeldet, wird mundtot gemacht. Wer für diese Dogmen kämpft, ist gern gesehener "Dialogpartner". Der suizidale Weg ist hier nur das offensichtlichste Beispiel.

Es ist schon irgendwie putzig, als wie naiv dieser sich selbst als der alleraufgeklärteste ansehende Kerl sich hier offenbart.