Montag, 12. August 2019

Über die Angst vor bekehrten Christen

Unsystematische Gedanken zur Lage der katholischen Kirche in Deutschland. 


0. Eine Erfahrung, die ich inzwischen sowohl auf der pfarrlichen, als auch auf der akademischen, als auch beruflich auf der administrativen Ebene der katholischen Kirche in Deutschland machen durfte ist die, dass man dort zutiefst misstrauisch ist gegenüber und Angst hat vor Leuten, die nicht katholisch aufgewachsen sind. Am meisten hat man Angst vor solchen, die sich als Erwachsene ganz bewusst dazu entschieden haben, sich in der katholischen Kirche taufen zu lassen. Die sind von vornherein sehr verdächtig.

1. Das ist natürlich völlig absurd. Geradezu surreal. Waren nicht in den ersten Jahren des Christentums nahezu alle Nachfolger dieses Jesus erst als Erwachsene zum Glauben gekommen? Ja, stimmt. Und die Erwachsenentaufe blieb auch noch lange der Standard.
Aber heute hat man Angst vor solchen Leuten und der Grund ist offensichtlich: Diese Leute nehmen den Glauben ernst. Die gesammelten katholischen Glaubensinhalte und den Anspruch, den dieser Glaube an sie und ihre Lebensweise stellt.

2. Mit „katholisch aufgewachsen“ meine ich einen Menschen, der als Kind getauft wurde und dann die üblichen Mühlen in Gemeinde und Schule durchlaufen hat. Dabei steht es auf einem völlig anderen Blatt, ob von diesen Mühlen irgendetwas wirklich ins Innere jenes Menschen vorgedrungen ist, sodass sein Denken und Handeln sich merklich von der „Welt“ unterscheidet. Aus Erfahrung weiß ich, dass diejenigen, die in diesem Sinne katholisch aufgewachsen sind und sich heute bemühen, den unverkürzten Glauben der Kirche zu leben (d.h. ganz banal: die sich in dem, was sie glauben und wie sie handeln, an den Weltkatechismus halten), i.d.R. früher oder später in ihrem Leben eine Bekehrung erlebt haben. Diese kann schon im Kindesalter geschehen sein oder erst viel viel später. Es gibt Ausnahmen, entweder durch ein entsprechend fruchtbares Klima Zuhause oder durch unmittelbare Gnade, wo ohne ein benennbares Bekehrungserlebnis jener unverkürzte Glaube „selbstverständlich“ gelebt wird.

3. Wo eine solche Bekehrung nicht stattgefunden hat oder das Leben nach dem unverkürzten Glauben nicht ausnahmsweise selbstverständlich ist, ist der Glaube nie zu dieser nötigen Reife der Bekehrung gekommen (auch wenn man sich hier häufig mit dem „reifen“ oder „aufgeklärten Glauben“ besonders rühmt), sondern bleibt in etwa auf dem kümmerlichen Status, der die typische Frucht unseres Religionsunterrichts ist, plus einiger wissenschaftlicher Finessen und politischer Ambitionen. Nun mag man zwar einwenden, dass ein solch mittelmäßiger Glaube, der auch dementsprechend gelebt wird, doch schon seinen Wert habe. Das stimmt auch, aber nur insofern er auf die Fülle hin ausgerichtet bleibt, d.h. insofern die Fülle des Glaubens (und des Lebens daraus) angestrebt wird, solange man sich auf dem Weg zu „mehr“ befindet. Dem, der seine Pflicht erfüllt, sagt Jesus nicht „gut so, reicht“, sondern: Sei vollkommen!

4. Wer keine Affinität zu jenem unverkürzten Glauben hat, für den ist schon die Rede davon unerträglich. Un-er-träg-lich! Viel wichtiger als das, woran man glaubt, ist für diese Menschen ohnehin, „dass“ man überhaupt (irgendetwas) glaubt. Irgendwie merhrheitskompatibel links-grün gutmenschlich Handeln gehört auch dazu, manchmal sogar die Ablehnung von Abtreibung (aber dann nicht allzu laut artikuliert, um niemanden vor den Kopf zu stoßen). Und wenn doch mal Glaubensinhalte gefragt sind, dann werden die so verklausuliert oder verwässert ins Wort gebracht, dass man sich nie ganz sicher sein kann, wovon da eigentlich die Rede ist.
[Die Gegenüberstellung von Glaubensakt und Glaubensinhalt ist in etwa so sinnvoll wie die Gegenüberstellung von Feuer an sich und Brennstoff… als ob man Feuer haben könnte ohne „etwas“ das brennt (z.B. Holz und Sauerstoff...). Ohne Glaubensinhalte ist nichts da, was geglaubt werden könnte!]

5. Zur Verdeutlichung: Der Unterschied zwischen dem, was ich hier mittelmäßigen Glauben und dem, was ich unverkürzten Glauben nenne besteht darin, dass Letzterer danach strebt und sich bemüht, den ganzen Glauben, wie er maßgeblich im Katechismus der katholischen Kirche dargelegt ist, anzunehmen und zu leben, so umfassend wie möglich. (Nicht gemeint sind fragwürdige, manchmal sektenartige Richtungen wie Engelwerk, Warnung“ oder sonstige Privatoffenbarunen die zum Superdogma gewählt wurden.) Der Mittelmäßige ist zufrieden mit dem Maß, in dem er den Glauben annehmen zu können meint und er hält es nicht für nötig, den ganzen Glauben annehmen zu müssen. Für manche mag das interessant sein, er braucht das nicht. Das eigene Ermessen ist hier Maßstab dessen, was zu glauben und wie zu handeln ist, souverän und „mündig“ steht er über dem Glauben. Hier trifft der atheistische Vorwurf, der Mensch mache sich Gott nach seinem Bilde, ins Schwarze.

6. Für so einen Menschen ist es schwer vorstellbar, dass sein Katholischsein Auswirkungen auf sein Denken, Fühlen, Handeln jenseits dessen haben könnte, was er von sich aus schon denkt, fühlt und handelt. Jeder Anspruch des Evangeliums über das hinaus wie man selber denken, fühlen und handel will wird ausgeblendet. Irgendwie ist das ja auch verständlich: Da er ja schon katholisch ist solange er sich erinnern kann, ist das, wie er denkt, fühlt und handelt, eben das, wie Katholiken denken, fühlen und handeln. Es hat hier eigentlich nie eine wirkliche Konfrontation des eigenen Lebens mit dem Glauben gegeben, das „normale“ Leben, das man eben führt, wird für den Standard gehalten, wie ein Leben als Christ zu sein hat. Eine Bekehrung ist nicht erforderlich, denn man „ist“ doch schon katholisch. Klingt logisch, oder? (Das ist und war immer schon die Gefahr der Kindertaufe. Sie ist nur dadurch zu bannen, dass die Eltern sich um ein unverkürztes Katholischsein mühen.)

7. In krassem Kontrast dazu steht ein Mensch, der sich bei vollem Bewusstsein und nach reiflicher Überlegung auf den Weg begibt, dieser Kirche und damit Jesus Christus wirklich anzugehören, ob er ungetauft ist oder getauft aber bisher lauwarm. Für ihn ist ganz klar, dass dieses „neue Leben“ sich merklich vom vorherigen unterscheiden muss. Andernfalls wäre die ganze Aktion sinnfrei.
Dieser Mensch weiß, dass der Glaube der Kirche nicht mit seinen Ideen und Vorstellungen zusammenpasst, schon gar nicht sich aus diesen speist. Nichts an diesem Glauben, weder die Inhalte, noch die moralischen Folgerungen daraus, sind für ihn selbstverständlich. Jesus war für ihn nie der, für den er ihn hält, sondern er wurde von Jesus auf unaussprechlich faszinierende und zugleich ehrfurchtgebietende Weise überrascht, von ihm ergriffen, manchmal regelrecht überwältigt. (Das ist etwas völlig anderes, als das was jener Prediger meint, der seine Zuhörer auf Jesu „überraschendes“ Handeln hinsichtlich des Umweltschutzes aufmerksam machen will… Hinter der Phrase „lassen sie sich überraschen“ steckt bei den meisten Predigern ein „Ich sag ihnen jetzt mal, wie es wirklich ist!“, gefolgt von einer Banalität.)
In kurz: Für den bekehrten Christen ist das Evangelium in seinen Inhalten und Forderungen zutiefst anstößig. Darum ist er hier: weil er daran angestoßen ist.

8. Der Bekehrte weiß: Er muss viel lernen und er muss sich und sein Leben grundlegend ändern um zu Jesus zu gehören, nicht Jesus (oder das, was die Kirche über ihn lehrt) muss sich ändern um zu ihm und seinem Lebensentwurf zu passen. Das ist fundamental und es gilt übrigens auch für die Liturgie der Kirche! Der Bekehrte will den unverkürzten katholischen Glauben annehmen. Das heißt aber auch: Ihm geht es nicht um eine Gruppe, eine Pfarrei oder ein Bistum. Folglich auch nicht um das, was in einer solchen Struktur gerade en vogue ist. Auch nicht liturgisch! Die Vorlieben einer bestimmten Person oder Gruppe, und seien es der Pfarreirat, der Pfarrer, irgendwelche Kirchenbeamte oder der örtliche Bischof, interessieren ihn erstmal herzlich wenig. Ihn interessiert der katholische Glaube in seiner Gesamtheit. Er will Jesus kennenlernen, nicht die Meinungen Einzelner oder einer Gruppe, nicht die Kreativität des Pfarrers (oder des Liturgieausschusses), nicht die mehr oder minder gescheiten „Visionen“ eines Bischofs. Der Bekehrte hat nicht vor, Mitglied einer Pfarrei oder eines Bistums zu werden, sondern er will katholisch werden. In der Kirche sucht er die Begegnung mit dem lebendigen Sohn Gottes der Mensch wurde und bleibend in ihr in Wort und Sakrament gegenwärtig ist, er sucht keine politischen Aktionen und er sucht auch nicht den nächsten Eine-Welt-Laden.

9. Diese Tatsache macht v.a. Leute die erst als eErwachsene getauft wurden in den Augen von Verantwortungsträgern sehr suspekt, zuweilen schon auf Pfarreiebene (Gremien), mehr noch im akademischen Bereich, v.a. aber auf Bistumsebene. Denn auch das habe ich inzwischen gelernt: Je höher man in der kirchlichen (und auch der akademischen) Hierarchie kommt, desto größer ist die Angst vor solchen Menschen. Vielleicht spürt man dort noch auf irgendeiner Bewusstseinsebene die leise Stimme des Gewissens, die mahnt, dass der katholische Glaube doch nicht absehen kann von der Gesamtheit seiner Inhalte und einer diesen entsprechenden Lebensweise; dementsprechend wäre ein aus der Tiefe gelebter unverkürzter Glaube eine schlimme Kränkung. Aber v.a. dürfte es daran liegen, dass man weiter oben auf der hierarchischen Leiter auch dementsprechend exponierter ist und man daher umso mehr Angst vor Reaktionen von linksaußen oder generell von medialer oder politischer Seite hat. Für die weiter oben Stehenden sind Bekehrte Katholiken für den kirchlichen Dienst nicht tragbar, weil sie „zu fromm“ sind, manchmal wird ihnen das auch direkt (wenn auch nicht mit exakt diesen Worten) gesagt.
Menschen die bewusst katholisch werden, stellen ein nur mittelmäßiges Glaubensleben jedenfalls radikal in Frage, das macht sie bedrohlich.

10. Diese Angst vor der In-Frage-Stellung des mittelmäßigen Glaubens mag auch der (unbewusste) Grund dafür sein, warum sämtliche Programme und Initiativen, die von kirchenamtlicher Seite unternommen werden um „Kirchenferne“ (damit meine ich Getaufte Fernbleibende und Ungetaufte gleichermaßen) anzusprechen, ganz bewusst vollkommen flach, fast schon säkular gestaltet sind. Man begründet das meist pädagogisch: Dass man den Menschen schließlich nicht gleich mit den ganzen Inhalten kommen könne, sondern sie langsam heranführen müsse und erst mal beim „Glauben an sich“ anfangen müsse, bevor es an „Glaubensartikel“ geht. Abgesehen davon, dass das eine ganz eigenartige Bevormundung darstellt (wo man doch von aufgeklärtem oder reifem Glauben spricht!), offenbart sich dies als hohles Gefasel spätestens dann, wenn der „Einstieg“ gemacht ist, denn dann folgt inhaltlich… nichts. Jene Programme und Initiativen hören dann auf, wenn die Kirchensteuer (wieder) fließt.
Der Verdacht drängt sich zudem häufig auf, dass hier deswegen weitgehend auf Glaubensinhalte verzichtet wird, weil den Verantwortlichen diese Glaubensinhalte selbst fremd (wenn nicht sogar peinlich) sind.
Diese Programme und Initiativen versuchen die Quadratur des Kreises, da sie einerseits vorgeben das Evangelium zu den Menschen zu bringen, sie aber andererseits ganz ohne Bekehrung (für die „getauften Heiden“ wie für die Ungetauften) auskommen wollen. Das erinnert dezent an den Ablasshandel der Lutherzeit: „Du darfst Mitglied sein und musst nichts leisten, außer einem bescheidenen Obolus.“ Mehr ist mit etwaigen Imagekampagnen und Werbungsmaßnahmen jedenfalls auch nicht angestrebt und, mal ehrlich, auch nicht erwünscht.

11. Die Folge ist übrigens, dass ausgerechnet diejenigen, die ein ehrliches Interesse am Glauben haben und die nach Jesus fragen, sich von solchen Programmen abgestoßen fühlen, entweder weil sie sich als mündige Menschen nicht ernst genommen fühlen, oder weil ihnen hier schlicht ein Antizeugnis gegeben wird – und zwar von denen, die vorgeben Autorität in Glaubenssachen zu haben!

12. Letztlich geht es bei diesen Initiativen nicht darum, Menschen für Jesus zu gewinnen (denn das geht nicht ohne Bekehrung!), sondern es geht darum, Kirchensteuerzahler zu gewinnen bzw. zu halten. Es geht letztlich also um Quantität. Manchmal wird das auch explizit etwa von Bischöfen gesagt: Wir wollen wachsen. (Ein Schelm, wer hier an den „breiten Weg“ denkt, auf dem „viele gehen“...) Es steckt hier aber noch etwas dahinter: Es geht den Verantwortlichen letztlich um ihre eigene Macht bzw. den Machterhalt. Man nennt das natürlich nicht so, sondern redet von „Einfluss“ und „Relevanz“ in der Gesellschaft und ihren Debatten und ist bereit, alles dafür zu tun, um nicht „belang-“ oder „bedeutungslos“ zu werden. Das Ziel klingt zunächst löblich, wird hier aber faktisch um einen zu hohen Preis erkauft, denn alles Anstößige fällt ihm früher oder später zum Opfer. Alternativ verzichtet man beim Wortergreifen gleich ganz auf das Eigene und nimmt sich die Agenda von jemand anderem, um sie zum „neuen“ eigenen Anliegen zu machen, obwohl jener Andere das schon viel länger und viel effizienter tut, z.B. Umweltschutz. Hauptsache, man redet mit, hat „etwas zu sagen“ (egal was...).

13. Auch hier wieder: Letztlich wird diese Haltung das Gegenteil dessen bewirken, was sie vorgibt zu wollen. Sie wird zu einem völligen Bedeutungsverlust führen, denn eine weitere Echokammer die dem Mainstream nachplappert braucht die Gesellschaft nicht. Eine solche Kirche können nicht einmal mehr ihre Gegner ernst nehmen, sie wird zum Objekt der Belustigung. Anglikaner und die EKD führen das exemplarisch vor Augen und die katholischen deutschen Bischöfe wetteifern schon um diesen fragwürdigen Pokal.

14. Auf ein Feindbild muss man in den bischöflichen Behörden dennoch nicht verzichten, denn es gibt ja noch die bekehrten Christen.
Bei aller berechtigten Skepsis gegenüber neu aufblühenden Bewegungen an der Basis und der Begeisterung von Einzelpersonen für das Evangelium – die Art und Weise, wie man in dieser Kirche mit gläubigen Menschen umgeht und die eifersüchtig gehütete ideologische Monokultur in den bischöflichen Behörden, Gremien und akademischen Einrichtungen erinnern frappierend an das Vorgehen kommunistischer Organisationen mit ihren Säuberungsaktionen und einheitlichen Parteilinien. Auch das letzte verbliebene Zentralkomitee (terminus technicus einer kommunistischen Einrichtung!) auf deutschem Boden trägt seinen Namen nicht zu Unrecht.

15. Es geht in diesem Text nicht darum, die harte Arbeit vieler Menschen schlecht zu machen. Ich hinterfrage aber die viel zu oft anzutreffenden Motive und Methoden, sowie die Haltung gegenüber denen, die es im beschriebenen Sinne ernst meinen mit dem unverkürzten Glauben der Kirche. Diözesane Liturgiereferenten, die eine getreu nach dem Messbuch gefeierte Heilige Messe mit Fundamentalismus gleichsetzen, sind zwar ein Extrembeispiel, aber auch davon gibt es mehr als man denkt. Und auch der das Reden und Handeln bestimmende Kampf um Macht in den bischöflichen Behörden – das Kratzen nach oben und das Treten nach unten – ist Alltag in Deutschland. Persönliche Profilierung vor Evangelisierung“ kommt hier auf allen Ebenen vor (hoffentlich nicht allzu oft).

16. Bleibt zu fragen: Und nun? Was macht einer der als „zu fromm“ für den kirchlichen Dienst eingestuft wird? Klappe halten und Nische suchen. Das schlimmste Vergehen im deutschen Kirchenapparat besteht darin, fromm zu sein. Diesen Eindruck sollte man also tunlichst vermeiden. Wer gerne Rosenkranz betet, die eucharistische Anbetung besucht oder – oh Graus! – mehrmals die Woche an einer hl. Messe teilnimmt, erzeugt bei Kirchenamtlichen vor allem eines: großes Misstrauen. Ein völliger Mangel an jedweder Frömmigkeit ist derweil kein Problem, denn das gilt dann – auch diese Tatsache ist an sich schon faszinierend als „Privatsache“. Eine tiefe Frömmigkeit gilt als problematisch, besonders, wenn man es mit Lehre und Verkündigung zu tun hat, das Fehlen derselben ist hingegen unbedenklich.
Die Zeit ist noch nicht reif für überzeugte Katholiken im Dienst der Kirche, dafür hat sie hierzulande einfach noch viel zu viel Geld.

17. Bekehrte Christen stehen jenem Durst nach Macht („Relevanz“) und Geld („wir tun doch so viel Gutes damit“) im Weg. Sie erinnern nämlich daran, dass Jesus genau von denen zu Tode verurteilt wurde, die vom Messias einen Zuwachs an Macht und Einfluss für sich erwarteten (der politische, über die Römer siegende Held), und die zutiefst enttäuscht und wütend waren, als sie merkten, dass dieser Jesus aus Nazareth genau dies weder für sich noch für andere bringen würde. Für diese Enttäuschung hatte er in ihren Augen den Tod verdient. Er stirbt am Kreuz und die ihm nachfolgen sind „die Geringsten“ und „von der Welt gehasst“. (Ein Zustand, den die katholische Kirche in Deutschland offenbar mit allen Mitteln zu vermeiden versucht. Es gibt einen Bergriff dafür: Everybody's Darling. So ganz scheint er mir nicht mit der Verkündigung Jesu vereinbar.)
Der Bekehrte ist sich des notwendig eintretenden Widerspruchs der Welt bewusst und nimmt diesen Kampf ebenso bewusst für sich an (ecclesia militans und der „schmale Weg“); die Verantwortungsträger in der Kirche, allen voran die meisten Bischöfe hierzulande, sind Getriebene ihrer Angst vor Bedeutungs- und Machtverlust und davor, in unserer Mediengesellschaft „nicht gut dazustehen“. Es ist Angst vor dem Schicksal der Jünger Jesu, folglich haben sie auch Angst vor denen, die sie – oder andere – daran erinnern könnten.


18. Zum Schluss ein Gedanke aus einer Predigt eines guten Pastors in meiner Nähe: Es gab in der Kirchengeschichte viele Märtyrer. Der Grund für das Erleiden des Martyriums wird oft genug darin bestanden haben, dass diese Menschen sich nicht so recht dem Zeitgeist anzupassen wussten. In Deutschland gibt es heute keine Märtyrer mehr, woran das wohl liegt?
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Halt, Korrektur, denn die Angst vor bekehrten Christen hat eine schlimme Kehrseite: Auch heute gibt es in Deutschland Märtyrer, nur kommt die Verfolgung, die sie erleiden, nicht von außen, sondern sie geschieht inmitten der Kirche und durch ihre Verantwortungsträger...