Donnerstag, 21. Juli 2022

Römische Warnung vor Häresie und Schisma

 »Zur Wahrung der Freiheit des Volkes Gottes und der Ausübung des bischöflichen Amtes erscheint es notwendig klarzustellen: Der „Synodale Weg“ in Deutschland ist nicht befugt, die Bischöfe und die Gläubigen zur Annahme neuer Formen der Leitung und neuer Ausrichtungen der Lehre und der Moral zu verpflichten.« (HIER)


 

Lassen wir einmal beiseite, dass bereits die Kongregation für die Glaubenslehre, die Kongregation für die Bischöfe und der Päpstliche Rat für die Interpretation der Gesetzestexte – alles gewissermaßen Verlautbarungsorgane des Papstes – in den vergangenen Jahren bereits ziemlich heftige Kritik am suizidalen Weg geübt, bzw. diesen für schlicht ungültig erklärt haben. Und lassen wir auch die schallenden Ohrfeigen der polnischen, nordischen sowie zahlreicher amerikanischer und afrikanischer und weiterer einzelner Bischöfe der Weltkirche beiseite. Auch der gleich zu Beginn eingegangene Brief des Papstes an das pilgernde Volk Gottes hierzulande – der brav lächelnd ignoriert wurde – und die päpstliche Mahnung an Bätzing persönlich, keine zweite Evangelische Kirche aufzumachen, seien mal beiseite gelassen. Das alles zu ignorieren und unbeirrt weiter zu trotten ist schon ein Kunststück für sich.

Aber wie wird man nun mit dieser „Erklärung des Heiligen Stuhls“ umgehen? Wie sieht die mediale Exegese eines so schlimmen Textes aus? Wie wird man es drehen, um unbeirrt weitermachen zu können? (Wichtige Schlagworte in fett.)

Man wird zunächst den letzten Satz hervorheben: 

»Daher ist es wünschenswert, dass die Vorschläge des Weges der Teilkirchen in Deutschland in den synodalen Prozess, auf dem die Universalkirche unterwegs ist, einfließen mögen, um zur gegenseitigen Bereicherung beizutragen und ein Zeugnis der Einheit zu geben, mit welcher der Leib der Kirche seine Treue zu Christus, dem Herrn, bekundet.«

Rom, so sagt man dann, will dass wir unsere tollen Ideen als unseren Beitrag zum weltweiten synodalen Prozess einfließen lassen, und oh guck mal: das wird der Bereicherung des Ganzen dienen! Rom betrachtet also unsere deutschen Anliegen in Wahrheit als Bereicherung! Toll!
Dass dieser letzte Satz wohl eher eine nette Floskel ist, in dem Wissen, dass die deutschen Ideen dann begraben werden, will man sich lieber nicht eingestehen.

 

Daran anschließend wird man  auf den folgenden Halbsatz abheben: 

»Es wäre nicht zulässig, in den Diözesen vor einer auf Ebene der Universalkirche abgestimmten Übereinkunft neue amtliche Strukturen oder Lehren einzuführen…«

Das wird man syntaktisch etwas umstellen und sagen: Jaja, wir sollen die angestrebten Änderungen nicht einführen, bevor nicht auf weltkirchlicher Ebene darüber gesprochen wurde. Also will Rom damit nur sagen, dass wir uns ein wenig gedulden sollen, bis auch die Weltkirche unsere Ideen übernimmt, nachdem wir sie zur Bereicherung der ganzen Weltkirche haben einfließen lassen haben.

Was man tunlichst unterschlagen wird, ist der zweite Teil dieses Satzes: 

»… neue amtliche Strukturen oder Lehren einzuführen, welche eine Verletzung der kirchlichen Gemeinschaft und eine Bedrohung der Einheit der Kirche darstellen würden.«

Dazu wird man nichts zu sagen wissen, außer zu beteuern, dass Rom noch immer nicht „verstanden“ hat, was man hierzulande will. (Das Zitat aus Franziskus‘ Brief wird man genauso ignorieren wie den Brief selbst.) Aber in Wahrheit offenbart dieser Halbsatz, dass man sich in Rom durchaus der Gefahr und des Ernstes bewusst ist. Und genau daran sieht man auch, dass die Rede von der Bereicherung eine nette Floskel ist, denn als Kriterium für diese Bereicherung wird die Förderung der Einheit genannt, die den deutschen Ideen aber gerade (zu Recht) abgesprochen wird.

 

Der unbedarfte Leser merkt es schnell: Die Verlautbarung ist eine deutliche Warnung vor Häresie („neue Ausrichtungen der Lehre und der Moral“) und Schisma („neue Formen der Leitung“).

Die Suizidalen deuten es anders: Weiter geht es, wie gehabt. Ja, sogar bestärkt: Lasst uns die Weltkirche mit unseren tollen Ideen bereichern!

 

Vielleicht irre ich mich auch, vielleicht unterlässt man solche Exegese ganz und tut einfach so, als wäre nichts gewesen... oder, Möglichkeit drei, man echauffiert sich ins Delirium, schreit und trampelt wie ein kleines bockiges Kind und brüllt: „Jetzt erst recht!“

Und da kommt dann doch wieder das Zitat aus Franziskus' Brief ins Spiel, denn auf diesem Weg wird die Kirche in Deutschland „sich schwächen, verderben und sterben“. (Quizfrage: Warum ist ausgerechnet diese heftigste Formulierung des ganzen Briefes in der Verlautbarung wiedergeben? Vermutlich nicht aus Wertschätzung für den suizidalen Weg...)

 

Eine Sache noch: Es steht in der Verlautbarung zwar nichts dazu drin, aber ich finde es doch sehr passend, dass ausgerechnet heute, am Tag der Veröffentlichung dieser krassen Verlautbarung, der Gedenktag des heiligen Kirchenlehrers Laurentius von Brindisi († 1619) ist, dessen Lebenswerk (ähnlich wie bei Petrus Canisius) der Kampf gegen Häresie und Schisma war. Man siehe dazu sein Werk Lutheranismi Hypotyposis, seit 2019 in einer deutschen Übersetzung (auszugsweise) vorliegend: Daniel Otto (Hg.), Des heiligen Kirchenlehrers Laurentius von Brindisi kritische Darstellung des Luthertums.

Der suizidale Weg wird bekanntlich mit dem Thema Missbrauch (und dessen Vertuschung) gerechtfertigt. Soetwas ist nicht neu, schon immer wurde ein Schisma mit angeblichen oder tatsächlichen Missständen gerechtfertigt. Aber Missstände rechtfertigen nie ein Schisma (oder eine Häresie). Laurentius dazu:

»Freilich waren alle Urheber von Schismen – wie in der Geschichte der Kirche und bei den heiligen Vätern nur allzu bekannt ist – gewohnt, Missbräuche der Kirche vorzuschützen, um ihre schändliche Sache als ehrenvoll darzustellen. Core, Dathan und Abiron, die gegen Moses und Aaron einen Aufruhr im Volk und kein geringes Schisma erregt hatten, haben versucht, Hochmut sowie angemaßte Autorität und Herrschaft jener heiligen Führer als Grund vorzuschützen. Aber Gott konnten sie nicht im Geringsten täuschen, noch konnten sie dem Zorn Gottes und seinem allgerechten und von furchterregender Strenge erfüllten Urteil entgehen […].
In der Zeit der Könige Joathan und Achaz von Juda gab es, wie Isaias (vgl. Jes 1,1), Amos (vgl. Am 1,1), Oseas (vgl. Hos 1,1), Michäas (vgl. Mi 1,1) und andere vom Geist Gottes erfüllte Männer weissagten, sehr große Missstände im Volke Gottes. Diese benennt und kritisiert Isaias im Namen Gottes am Anfang seiner Offenbarungen, gleichsam in der Person Gottes: [Es folgen ausführliche Zitate von Jes 1,2-6.9-11.15.21-23]. Diese und viele andere sehr große Missstände stellt Isaias im Volke Gottes fest, und dennoch glaubte weder er noch ein anderer von seinen Propheten zur nämlichen Zeit, solche Missbräuche seien zwingende Gründe für ein Schisma.
Der hl. Cyprian zeigt in seinem Kommentar, den er über die Gefallenen geschrieben hat, dass zu seiner Zeit, vor der decischen Verfolgung, die Lebenskraft der christlichen Disziplin in der Kirche ganz geschwächt und verdorben gewesen war. Und nicht nur das Volk der Christgläubigen, auch die Bischöfe hätten wahrhaft unter kaum geringfügigeren Lastern gelitten, und die heruntergekommenen Sitten der Christen wären zum Anlass der grausamen Verfolgung der Kirche unter Kaiser Decius geworden, gemäß jenem Psalmwort: „Wenn sie mein Gesetz verlassen und nicht nach meinen Rechten wandeln, wenn sie meine Satzungen entheiligen und meine Gebote nicht halten, so werde ich ihre Vergehen mit der Rute heimsuchen, und mit Schlägen ihre Sünden“ (Ps 88,31-33). Und dennoch erregte Cyprian, ein höchst heiliger und gelehrter Mann, ob solcher Missbräuche kein Schisma; sondern Novatian, ein verruchter Priester, war unter dem Vorwand der verdorbenen kirchlichen Disziplin Urheber eines großen Schismas und erschütterte viele in der Kirche.
Und es ist gewiss bemerkenswert, dass wir niemals lesen, ein rechtgläubiger, in Lehre und Heiligkeit bewährter Vater habe wegen irgendwelcher Missbräuche irgendein Schisma im christlichen Volk erregt.« (a.a.O. 241-243)

Mittwoch, 20. Juli 2022

Abgesang an das "Zeugnis des Lebens"

Nach und nach streichen die Bistümer nun den Aspekt der Lebensführung aus dem Anforderungskatalog für Religionslehrer (Lebensführung kein Kriterium mehr für Religionslehrer in Hildesheim).

Das ist einerseits natürlich ein Skandal, andererseits aber auch irgendwie skurril.

Evangelisierung, Verkündigung des Evangeliums läuft über das Zeugnis: Ich gebe Zeugnis von Christus. Dieses Zeugnis ist schon immer ein zweigeteiltes, es besteht aus einem "Zeugnis des Wortes" und einem "Zeugnis des Lebens". Seit Jahrzehnten wird in Deutschland das Zeugnis des Lebens so sehr überbetont, dass das Zeugnis des Wortes nicht selten ganz ausfällt. "Wir wollen die Menschen nicht mit Worten belehren, sondern ihnen das Evangelium vorleben", heißt es salbungsvoll. Dagegen das Vaticanum II in seinem Dekret über das Laienapostolat, nachdem die Bedeutung Lebenszeugnisses sehr betont wurde: "Dennoch besteht dieses Apostolat nicht nur im Zeugnis des Lebens. Ein wahrer Apostel sucht nach Gelegenheiten, Christus auch mit seinem Wort zu verkünden, sei es den Nichtgläubigen, um sie zum Glauben zu führen, sei es den Gläubigen, um sie zu unterweisen, zu stärken und sie zu einem einsatzfreudigen Leben zu erwecken" (Nr. 6)

Was heißt es nun aber für das Doppelzeugnis aus Wort und Leben, bei dem schon lange das Wort vernachlässigt wurde, wenn die Lebensführung plötzlich irrelevant wird? Man darf wohl bezweifel, dass man sich nun ganz auf das Zeugnis des Wortes konzentrieren wird...

Ich verbleibe mit KKK 2044: „Damit die Heilsbotschaft vor den Menschen ihre Wahrheits- und Ausstrahlungskraft zeigen kann, muss sie durch das Lebenszeugnis der Christen beglaubigt werden.“

Freitag, 15. Juli 2022

Sterben nach Bonaventura

Lasst uns darum sterben und eintreten in das geheimnisvolle Dunkel; gebieten wir den Sorgen, Gelüsten und Phantasiegebilden Schweigen; gehen wir mit Christo, dem Gekreuzigten, aus dieser Welt hinüber zum Vater (vgl. Joh 13,1), und wenn uns der Vater gezeigt ist, so sprechen wir mit Philippus: "Es genügt uns" (Joh 14,8). Dann werden wir wie Paulus hören: "Es genügt dir meine Gnade" (2Kor 12,9) und mit David jubeln: "Es verzehrt sich mein Fleisch und mein Herz. Gott meines Herzens, du mein Anteil ewiglich! Gepriesen sei Gott in Ewigkeit! Und alles Volk soll sprechen: Es geschehe, es geschehe. Amen." (Ps 72,26 u. 105,48)

(Itinerarium 7,6 [Schlussworte])

Sonntag, 10. Juli 2022

Redet nicht nur über den Barmherzigen Samariter™!

Ich bin die ewig gleichen Predigten an diesem Sonntag (Lk 10,25-37) Leid... immer geht es um den Barmherzigen Samariter™, dass wir doch alle mehr Nächstenliebe zeigen sollten und dass die Kirche nicht genug dafür tut blabla...

Dabei ist der Barmherzige Samariter™ gar nicht das eigentliche Thema dieses Abschnitts aus dem Evangelium, er ist nur eine Figur in einem Gleichnis, das zur Erläuterung des eigentlichen Themas dient.

Statt es das "Evangelium vom Barmherzigen Samariter™" zu nennen, müsste es eigentlich heißen: Das Evangelium von der Frage nach dem ewigen Leben. So fängt es an:

»Da stand ein Gesetzeslehrer auf, und um Jesus auf die Probe zu stellen, fragte er ihn: Meister, was muss ich tun, um das ewige Leben zu gewinnen?
Jesus sagte zu ihm: Was steht im Gesetz? Was liest du dort?«


Die Antwort gibt die erste Lesung (Dtn 30,10-14), über die komischerweise ähnlich selten gepredigt wird:

»Mose sprach zum Volk: Du sollst auf die Stimme des Herrn, deines Gottes, hören und auf seine Gebote und Gesetze achten, die in dieser Urkunde der Weisung einzeln aufgezeichnet sind. Du sollst zum Herrn, deinem Gott, mit ganzem Herzen und mit ganzer Seele zurückkehren.
Denn dieses Gebot, auf das ich dich heute verpflichte, geht nicht über deine Kraft und ist nicht fern von dir.
Es ist nicht im Himmel, so dass du sagen müsstest: Wer steigt für uns in den Himmel hinauf, holt es herunter und verkündet es uns, damit wir es halten können?
Es ist auch nicht jenseits des Meeres, so dass du sagen müsstest: Wer fährt für uns über das Meer, holt es herüber und verkündet es uns, damit wir es halten können?
Nein, das Wort ist ganz nah bei dir, es ist in deinem Mund und in deinem Herzen, du kannst es halten.«

 

Nächstenliebe ist schön und recht. Nächstenliebe um der Nächstenliebe willen ist aber noch nicht christlich. Für Nächstenliebe braucht es kein Christentum, braucht es keinen Jesus Christus. Worum geht es im Letzten? Ja, wir sollen so handeln wie diese Figur in dem Gleichnis und uns fragen "handle ich auch so?". Aber die wesentliche Frage, die wir zu stellen aufgefordert werden durch dieses Evangelium, lautet wohl eher: "was muss ich tun, um das ewige Leben zu gewinnen?"

Samstag, 9. Juli 2022

Eine Mahnung an die deutschen Bischöfe

Die Mahnung von Johannes Paul II. an die deutschen Bischöfe (18. November 1980 in Fulda):

 

»Setzt euch mit aller Kraft dafür ein, dass die unverbrüchlichen Maßstäbe und Normen christlichen Handelns ebenso eindeutig wie einladend zur Geltung im Leben der Gläubigen kommen.

Zwischen den Lebensgewohnheiten einer säkularisierten Gesellschaft und den Forderungen des Evangeliums tut sich eine tiefe Kluft auf. Viele wollen sich am kirchlichen Leben beteiligen, finden aber keinen Zusammenhang mehr zwischen ihrer Lebenswelt und den christlichen Prinzipien. Man glaubt, die Kirche halte nur aus Starrheit an ihren Normen fest, und dies verstoße gegen jene Barmherzigkeit, die uns Jesus im Evangelium vorlebt. Die harten Forderungen Jesu, sein Wort: "Gehe hin und sündige nicht mehr!" werden übersehen. Oft zieht man sich auf das persönliche Gewissen zurück, vergisst aber, dass dieses Gewissen das Auge ist, welches das Licht nicht aus sich selber besitzt, sondern nur, wenn es zur authentischen Quelle des Lichtes hinblickt.

Ein weiteres: Angesichts aller Technisierung, Funktionalisierung und Organisation erwacht ein tiefes Misstrauen gerade in der jüngeren Generation gegen Institution, Norm und Regelung. Man setzt die Kirche mit ihrer hierarchischen Verfassung, mit ihrer geordneten Liturgie, mit ihren Dogmen und Normen gegen den Geist Jesu ab. Aber der Geist braucht Gefäße, die ihn wahren und weitergeben.

Christus selbst ist Ursprung jener Sendung und Vollmacht der Kirche, in denen seine Verheißung sich erfüllt: "Ich bleibe bei euch alle Tage bis zum Ende der Welt".

Liebe Mitbrüder, haltet alle Not und Frage der Menschen in eurem Herzen gegenwärtig - und verkündet gerade da hinein unbeirrt die Forderung Jesu ohne Abstriche... Tut dies, weil euch am Menschen liegt. Nur der Mensch, der zu einer ganzen und endgültigen Entscheidung fähig ist, der Mensch, bei dem Leib und Seele übereinstimmen, der Mensch, der für sein Heil seine ganze Kraft einzusetzen bereit ist, ist gefeit gegen die heimliche Zersetzung der menschlichen Grundsubstanz.«