Donnerstag, 30. Januar 2020

Wahrheit und Freiheit

Quid est veritas?
Jesus Christus verkündet:
Die Wahrheit wird euch frei machen.

Theologischer Mainstream und Gremienkatholizismus verkünden:
Die Freiheit wird euch wahr machen.

Im ersten Fall sind Wahrheit und Freiheit göttlich, im anderen Fall sind beide Begriffe nur Facetten ein und derselben Lüge.

Freitag, 24. Januar 2020

Definitiv nicht hervorragend

Das Folgende könnte einige meiner Leser verärgern.

Dass der US-Präsident am March for Life teilnimmt, halte ich für bedenklich (vgl. dagegen hier).

Nicht wenige Menschen haben sich an ein vermeintliches "Recht auf Abtreibung" gewöhnt. Wenn nun in einem so dermaßen polarisierten politischen Raum wie den USA die eine Seite entsprechende Einrichtungen mit einem Schlag abschafft oder zumindest stark schwächt (so begrüßenswert diese Tatsache an sich ist), kann man sicher sein, dass im nächsten Akt das Pendel in die entgegengesetzte Richtung - und dann gewaltig! - ausschlagen wird. Trump hat nichts getan, was nicht durch einen Federstreich seines Nachfolgers wieder rückgängig und zugleich enorm verstärkt werden kann und wird. Die einzige Möglichkeit, für den Lebensschutz in einer Gesellschaft langfristig und wirksam etwas zum Positiven hin zu ändern, ist in der Weise eines Wandels in der Gesinnung durch Aufklärung und authentische Vorbilder. Trump ist kein Vorbild (außer für Machos und Despoten), Aufklärung ist ihm ein Fremdwort und seine Gesinnung ist in höchstem Maße fragwürdig.

Ich begleite diese Präsidentschaft nun schon von Anfang an als eine Art tägliche Sitcom und sie wird von Tag zu Tag absurder und moralisch bedenklicher. Trump ist ein überaus korruptens und egomanisches Individuum das sich ausschließlich für das interessiert, was ihm persönlich im Augenblick nützt. Schon als er gewählt wurde und klar war, dass er die Finanzierung für Planned Parenthood abdrehen wird, hatte ich große Bedenken.
Das eigentliche Problem ist, dass Trump als einer der schlimmsten und moralisch fragwürdigsten Präsidenten in die Geschichte eingehen wird. Durch sein Scheinengagement wird das Anliegen der Lebensschützer langfristig mit diesem moralischen Zwerg und Egogiganten, seinen Verbrechen und Lügen, seinem lächerlichen und dümmlichen Gehabe assoziiert werden. Außerdem wird sein Nachfolger im Amt mit Sicherheit alles wieder zurückdrehen und die Situation für den Lebensschutz dramatisch verschlechtern - die Demokraten machen ja schon entsprechend Wahlkampf: Recht auf Abtreibung, staatliche Förderung wie nie zuvor.
Auf dem sehr empfehlenswerten Blog Secular Pro-Life Perspectives wurde schon 2016 vor Trumps Wahlsieg eindringlich auf diese Gefahr hingewiesen. Ich befürchte, genau das steht uns jetzt bevor.

Bald wird es heißen: "Wert des ungeborenen Lebens? Das ist doch bloß eine der unzähligen Lügen und dummen Bemerkungen, die Trump abgelassen hat; zum Glück haben wir das hinter uns!"

...

Mittwoch, 15. Januar 2020

Organspende, katholisch

Die Position der Kirche zur Frage der Organtransplantation ist recht ausführlich von Johannes Paul II. erklärt worden:
»Mit dem Aufkommen der Organverpflanzungen, die mit Bluttransfusionen begannen, war dem Menschen die Möglichkeit geschenkt, etwas von sich selbst, von seinem Blut und seinem Körper zu spenden, um anderen das Leben zu erhalten. [...] Wir sind aufgerufen, unseren Nächsten auf neue Arten zu lieben, in der Sprache des Evangeliums „bis zur Vollendung“ (Joh 13,1) zu lieben, jedoch innerhalb gewisser grenzen, die, von der menschlichen Natur selbst festgelegt, nicht überschritten werden können.
In erster Linie ist diese Form der Behandlung untrennbar an das Spenden von Seiten eines Menschen gebunden. Tatsächlich setzt ja die Organverpflanzung eine Vorhergehende, ausdrückliche, freie und bewusste Entscheidung des Spenders oder seiner berechtigten Vertreter – für gewöhnlich der nächsten Verwandten – voraus, die Entscheidung, unentgeltlich einen Teil des eigenen Körpers für die Genesung und das Wohlbefinden eines anderen zur Verfügung zu stellen. In diesem Sinn macht der medizinische Eingriff der Organverpflanzung den Akt der Selbsthingabe des Spenders möglich, dieses aufrichtige Geschenk seiner selbst, Ausdruck der uns innewohnenden Berufung zu Liebe und Selbstmitteilung.
Liebe, Selbstmitteilung, Solidarität und absoluter Respekt für die Würde des Menschen sind der einzige gerechtfertigte Rahmen für die Organverpflanzung. Es ist Wesentlich, die ethischen und spirituellen Werte nicht zu ignorieren, die mit im Spiel sind, wenn jemand unter Beobachtung der ethischen Normen, welche die Würde des Menschen gewährleisten und vervollkommnen, frei und bewusst entscheidet, einen Teil seiner selbst, seines eigenen Körpers zu spenden, um das Leben eines anderen Menschen zu retten.
Der menschliche Körper ist ja immer ein persönlicher Körper‚ der Körper einer Person. Er darf nicht als rein physisches oder biologisches Gebilde behandelt werden, und auch seine Organe und Gewebe dürfen nie als Handels- und Austauschware benutzt werden. Eine solche abwertende, materialistische Auffassung würde eine rein instrumentale Verwendung des Körpers und somit der Person zur Folge haben. In diesem F all wäre die Verpflanzung von Organen und Geweben nicht mehr ein Akt des Spendens, sondern der Enteignung oder Ausplünderung des Körpers. Darüber hinaus kann ein Mensch nur das zur Verfügung stellen was er selbst ohne ernste Gefahr oder Schädigung seines Lebens oder seiner persönlichen Identität entbehren kann, und auch nur dann, wenn berechtigte und ernste Gründe vorliegen. Lebenswichtige Organe können selbstverständlich erst nach dem Tod gespendet werden. Schon zu Lebzeiten einen Teil seines Körpers für den Todesfall zur Verfügung zu stellen, ist jedoch in vielen Fällen ein Akt großer Liebe, der Liebe, die anderen Leben schenkt. So machte es der Fortschritt der biomedizinischen Wissenschaft den Menschen möglich, ihre Berufung zur Liebe auch über den Tod hinaus wirksam werden zu lassen. Analog zum Ostergeheimnis Christi wird gewissermaßen der Tod durch dne Tod überwunden und das Leben wiederhergestellt.
[…] Für die Christen ist das opfer, mit dme Jesus sich selbst hingibt, der eigentliche Bezugspunkt. Er inspiriert zu der Liebe, die den Entschluss zur Spendung eines Organs – der Kundgabe hochherzioger Solidarität – zugrundeliegt.
[…] Eine Organverpflanzung und selbst eine einfache Bluttransfusion ist nicht wie andere Operationen. Sie darf nicht vom Akt der Selbsthingabe des Spenders, von der Liebe, die Leben schenkt, getrennt werden. Der Arzt sollte des besonderen Edelmuts dieses Werkes stets eingedenk sein; er wird zum Mittler für etwas ganz besonders Bedeutsames: das Geschenk seiner selbst, das jemand – sei es auch nach dem Tod – einem anderen gemacht hat, damit er leben könne. Selbst die Schwierigkeit der Operation, die notwendige Eile und die nötige Konzentration auf seine Aufgabe sollten den Arzt nie das Geheimnis der Liebe vergessen lassen, das seinem Tun zugrunde liegt.
Auch sollten die Empfänger von Organen nie vergessen, dass sie von jemand anderem eine einzigartige Gabe empfangen: das Geschenk seiner selbst, das ihnen der Spender macht, ein Geschenk, das sicher als echte Form menschlicher und christlicher Solidarität betrachtet werden muss. Beim Herannahen des dritten Jahrtausends, in einer historisch vielversprechenden Zeit, in der jedoch Bedrohungen gegen das Leben, wie bei Abtreibung und Euthanasie, immer mächtiger und tödlicher werden, bedarf die Gesellschaft dieser konkreten Gesten der Solidarität und der Liebe, die sich selbst verschenkt.
Lasst uns zum Abschluss der Worte Christi gedenken, von denen der Evangelist und Arzt Lukas berichtet: „Gebt, dann wird auch euch gegeben werden. In reichem, vollem, gehäuftem, überfließendem Maß wird man euch beschenken“ (Lk 6,38). Wir werden unseren höchsten Lohn von Gott empfangen, der echten und wirksamen Liebe entsprechend, die wir dem Nächsten erwiesen haben.« 
(Johannes Paul II., Ansprache an den 1. Internationalen Kongress der Gesellschaft für Organverpflanzung am 20. Juni 1991)

Für die Gesetzgebung zur Frage der Organtransplantation muss man zwei Modelle unterscheiden: Das Widerspruchsmodell und das Zustimmungsmodell. Gegenwärtig gilt in Deutschland ein Zustimmungsmodell, heißt: Damit mir nach meinem Tod Organe entnommen werden können, muss ich zu Lebzeiten mein Einverständnis gegeben haben. Das geht etwa über einen Organspendeausweis oder durch Angehörige, die ich über meinen Wunsch informiert habe.

Was nun vom Gesundheitsminister vorgeschlagen wurde ist ein Widerspruchsmodell, heißt: Wenn ich zu Lebzeiten nicht ausdrücklich der Entnahme von Organen widersprochen habe, können mir im Todesfall Organe entnommen werden. Dieses Modell gilt bereits in anderen europäischen Ländern und es galt z.B. auch in der ehemaligen Sowjetunion. Faktisch handelt es sich dabei nicht mehr um OrganSPENDE, sondern dadurch wird ein menschlicher Körper nach dem Sterben zum Allgemeingut, das zum größeren Nutzen anderer ausgeschlachtet werden kann.

Dieses letzte Modell, das von einem christ-demokratischen Gesundheitsminister vorgeschlagen wurde und das wohl auch die Zustimmung der christ-demokratischen Kanzlerin hat, steht im Widerspruch zur christlichen Moral: Organtransplantation „ist sittlich unannehmbar, wenn der Spender oder die für ihn Verantwortlichen nicht ihre ausdrückliche Zustimmung gegeben haben.“ (KKK 2296) Es sei darauf hingewiesen, dass der u.a. ausgerechnet von den Grünen eingebrachte Alternativvorschlag – das Zustimmungsmodell zu erhalten und zugleich verstärkt über die Möglichkeiten der Organspende zu informieren – mit der christlichen Moral übereinstimmt.

Dienstag, 14. Januar 2020

Dem synodalen Weg etwas sagen

Auf der Homepage des synodales Weges gibt es noch bis zum 23. Januar die Möglichkeit, eigene Gedanken zu den vier Foren einzuschicken. Auf der entsprechenden Seite heißt es, diese "Antworten werden von einem qualifizierten Team gelesen und ausgewertet und fließen in die Beratung der Synodalversammlung und der Foren ein." (HIER).
Ich habe mir mal die Mühe gemacht und spontane Antworten auf die gestellten Fragen versucht. Da die jeweiligen Antwort auf 1500 Zeichen begrenzt sind, können die Antworten nicht erschöpfend sein... es sind nur einige Punkte die mir in dem Moment wichtig schienen. Zum Punkt "Sonstiges" habe ich nichts geschrieben.


Forum 1: Macht und Gewaltenteilung in der Kirche – Gemeinsame Teilnahme und Teilhabe am Sendungsauftrag

Frage 1: Welche konkreten Erfahrungen von Macht und Ohnmacht haben Sie in der Kirche gemacht und was muss Ihrer Meinung nach in der Kirche verändert werden, damit der Umgang mit Macht besser kontrolliert und Machtmissbrauch verhindert werden kann?
Ändern muss sich der Bezugsrahmen: Es ist nicht unsere Kirche, sondern die Kirche Christi. Jesus Christus, sein Ruf zur Umkehr, seine Botschaft der Rettung sind der Maßstab, nicht wir Menschen und unsere Bedürfnisse und Befindlichkeiten. Mir scheint, die kirchlichen Verantwortungsträger heischen nach Macht und Einfluss unter dem Euphemismus „(gesellschaftliche) Relevanz“. Gerne lässt man dafür das Anstößige der Botschaft Christi fallen. Man sucht die Anerkennung der Öffentlichkeit und fürchtet ihre Ablehnung. Besonders in bischöflichen Behörden ist man nach meiner Erfahrung eifrig darum bemüht, eine ideologische und sogar spirituelle Monokultur herzustellen: Abweichende Meinungen – etwa solche, die sich mehr an der kirchlichen Tradition als an den neuesten kurzlebigen soziologischen Erkenntnissen orientieren – werden systematisch unterbunden. Die Grundposition ist eine große Skepsis wenn nicht sogar sprungbereite Aggression gegen alles Altehrwürdige, das dann auch mit aller Macht unterbunden wird. Das Gleiche habe ich auch schon bei kirchlichen Gesprächsprozessen u. dgl., in Gremien und Versammlungen erlebt. Diese Monokulturbestrebungen machen auch vor der eigene Glaubenspraxis nicht Halt: Ich habe selbst die Erfahrung gemacht, dass man als Angestellter bei einem Bistum entlassen werden kann mit der Begründung, dass die eigene Frömmigkeitspraxis im Rahmen der Liturgie für einen kirchlichen Mitarbeiter nicht angemessen sei. Ein Machtmissbrauch gegen eine legitime Frömmigkeit.
Frage 2: Wie können mehr Menschen aktiv an den Aufgaben und Entscheidungen in der Kirche beteiligt werden?
Aktivität und Mitbestimmung brauchen in weltlichen Kontexten immer eine intellektuelle Grundlage: ein Verständnis dessen, worum es geht. Andernfalls sind die Menschen nur Stimmvieh etwaiger Wortführer. In kirchlichen Belangen braucht es notwendigerweise auch eine geistliche Grundlage. Notwendige Voraussetzung wäre m.E. die Mündigkeit im Glauben, d.h. in der Liebe zu Jesus Christus und seiner Kirche. Wer kein Jünger Christi ist, der kann nicht über Wohl und Wehe der Jünger Christi sinnvoll denken, geschweige denn Entscheidungen fällen. Wenn ich nicht weiß, was das Evangelium beinhaltet, was der Auftrag der Kirche ist („Geht in alle Welt, macht alle Menschen zu meinen Jüngern“) und wenn ich diesen Auftrag v.a. nicht selbst auch konsequent lebe, kann ich schon rein logisch nichts dazu beitragen, wie dieser Auftrag besser erfüllt werden kann. Erfahrungsgemäß sind die meisten Getauften keine mündigen Jünger Christi, nicht einmal die pastoralen Mitarbeiter. Die allermeisten von ihnen sind, wenn man sie fragt, in keiner Weise auskunftsfähig über ihren Glauben. Diese Erfahrung mache ich und machen meine Kollegen Tag für Tag im überpfarreilichen Dienst: Es fehlt weitestgehend an intellektuellen und an spirituellen Grundlagen. Über Strukturen können sie reden, nicht aber über ihren Glauben. Wenn diese Voraussetzung gelebter Jüngerschaft erfüllt ist, steht nichts im Wege, diese Menschen aktiv „Kirche“ mitgestalten zu lassen in dem Vertrauen, dass sie aus dem Evangelium heraus handeln.
Frage 3: Wie können wir im Sinne von Papst Franziskus als Kirche in Deutschland überzeugender eine dienende Kirche sein?
Der erste und oberste Dienst, den Jesus Christus den Menschen erwiesen hat, ist die Erlösung. Ziel der Menschwerdung ist es nicht gewesen, Kranke zu heilen oder Bedürftigen nahe zu sein. Sein karitatives Handeln war v.a. Zeichen und Hinweis auf das, wozu er eigentlich ins Fleisch gekommen war: Ziel der Menschwerdung war die Erlösung der sündigen Menschen um sie zum ewigen Heil bei Gott zu führen. Dies geschieht freilich nicht ohne ihr Zutun, daher der Ruf zur Umkehr. Die Identität des Jüngers Christi ist seine Verbundenheit mit Gott: Im Gebet, in der Feier der Eucharistie (Gebot des Herrn: „Tut dies zu meinem Gedächtnis“!), in der Liebe zu den Menschen um seinetwillen. Die Reihenfolge ist nicht Unerheblich: Liebe Gott und liebe den Nächsten. Wenn die Liebe zu Gott und die lebendige Beziehung zu ihm nicht Voraussetzung ist, dann unterscheidet sich der Dienst nicht von dem anderer (säkularer) Dienstleister. Was keiner sonst tun kann, was das Alleinstellungsmerkmal der Kirche ist, ist die Verkündigung der rettenden Botschaft Jesu – die sich in konkreten Zeichen der Liebe schon auf Erden andeutet. Karitatives Wirken ist Ausfluss der Liebe zu Gott. Die Kirche kann nur insofern dienende Kirche für die Menschen sein, indem sie den wichtigsten Dienst, den Gott selbst in seinem Sohn vollbracht hat, gemäß ihrem Auftrag weiterhin tut: Indem sie die Erlösung verkündet, zur Umkehr ruft, tauft und lehrt (Mt 28,19-20). Das ist der erste Dienst der Kirche aus dem alles andere ausströmt.

Forum 2: Leben in gelingenden Beziehungen – Liebe leben in Sexualität und Partnerschaft

Frage 1: Welche Erfahrungen haben Sie diesbezüglich gemacht, welche Erkenntnisse oder Überzeugungen persönlich gewonnen?
1) Dass die kirchliche Lehre über die menschliche Sexualität authentischer Ausdruck des christlichen Menschenbildes im Kontext seiner Geschichte von Sünde und Erlösung ist. 2) Dass die allermeisten Katholiken nicht wissen, was das christliche Menschenbild und was die kirchliche Sexualmoral eigentlich beinhalten. Etwas karikierend (aber nicht viel!): Die meisten Katholiken glauben, die Lehre der Kirche ließe sich zusammenfassen mit „Du sollst keine Kondome benutzen“. (In der Realität ist dieser Punkt eher eine Fußnote in den Nachbemerkungen.) Meine Erfahrung ist, dass die katholische Sexualmoral nicht akzeptiert wird, weil sie in den allermeisten Fällen schlicht NICHT BEKANNT ist. Ein Grund mag sein, dass sie seit Jahrzehnten hierzulande nicht verkündet wurde... Die Umfrage, die 2014 im Vorfeld der Familiensynode gemacht wurde, bestätigt übrigens diesen Befund! Es gibt nach meiner eigenen Erfahrung (bin erst als Erwachsener getauft worden, kenne also sowohl die Außen- wie die Innenperspektive) keinen nennenswerten Unterschied im Wissen um die kirchliche Lehre, ob jemand der Kirche angehört oder nicht, in ihr pastoral tätig ist oder nicht. Ich kannte früher auch nur die Klischees und Vorurteile die jeder hat. Als ich mich damit näher befasste und auskunftsfreudigen und (und das ist leider überaus selten!) auskunftsfähige Katholiken begegnete, änderte sich das. Heute lebe ich mit meiner Frau ganz danach und wir sind überglücklich darüber, auch wenn es nicht immer leicht ist.
Frage 2: Wie kann die Kirche Ihrer Meinung nach das Evangelium von der Liebe Gottes in unserer Zeit überzeugender verkünden?
Indem sie für die Wahrheit und Schönheit ihrer befreienden und erfüllenden, aber nicht immer einfachen und bequemen Botschaft eintritt. Gemeint ist die Botschaft, für die die Schar der Heiligen eingetreten ist, vom heiligen Apostel Paulus bis zum heiligen Papst Johannes Paul II. Wenn diese Botschaft aber schon innerhalb der Kirche 1. nicht bekannt (s.o.) und 2. in Konsequenz daraus auf der Basis von Unwissenheit und Klischees abgelehnt wird, ist das für niemanden attraktiv oder glaubwürdig. Was ist überzeugender für Suchende, die, vom Zeitgeist umgeben, über das, was gesellschaftlich gerade als angemessen gilt, hinausblicken wollen: Wenn die Kirche eine bleibende Botschaft verkündet, die heute wie zu biblischer Zeit bei den meisten Menschen Anstoß erregt und die aber trotzdem nachweislich über die Jahrhunderte hinweg unzählige Männer und Frauen zum für die Welt oft anstößigen Wirken angetrieben hat? Oder wenn sie eine Botschaft verkündet, deren Konsequenzen faktisch eine Bestätigung des aktuellen Zeitgeschmacks bedeuten? „Lebenswirklichkeiten“ zu bestätigen und wertzuschätzen, dafür braucht es die Kirche nicht, dafür braucht es Jesus nicht, das tut die „Welt“ schon ganz allein. Jesus schätzt nicht wert, er ruft zur Umkehr! Glaubt denn irgendwer ernsthaft, dass wir gegenwärtig in einer Gesellschaft leben, die so heil(igmäßig) ist, dass sich der Wille Gottes in der „Lebenswirklichkeit“ der Menschen kundtut? Übrigens: Auch in Sodom und Gomorrha gab es eine Lebenswirklichkeit...
Frage 3: Was ist Ihnen wichtig in der Sexuallehre der Kirche und was müsste dringend verändert werden
Was wichtig ist: - Dass sie den Menschen als Sünder und Erlösten voll ernst nimmt. Es ist eine ungemein befreiende und beglückende Botschaft. Sie ist oft nicht einfach in die Tat umzusetzen, sei es wegen innerer Neigungen, sei es durch äußeren Druck (durch Medien, aber auch durch Katholiken, die das lächerlich machen!). Hier gilt: Nichts von Wert kommt einfach so zustande, es muss errungen werden. - Als Vater möchte ich, dass zukünftige Partner mit meinen Kindern (gerade in Sachen Liebe und Sexualität) so achtsam und wertschätzend, so geduldig und respektvoll umgehen, wie dies nur irgendwie möglich ist. Wenn ich das aber für meine Kinder möchte, dann möchte ich dies auch für meine Frau und für mich selbst. - Keuschheit: Die allermeisten Katholiken wissen nicht, was das ist, setzen es vllt. mit Verklemmtheit gleich. Aber der Begriff drückt genau jene Achtsamkeit, jenen Respekt aus. Die kirchliche Sexuallehre bietet eine so schöne und heil(ig)ende Vision von Liebe, die die Würde der Person und den einzigartigen Wert der Körperlichkeit in unübertrefflicher Weise respektiert, bewusst macht und erblühen lässt. - Natürliche Empfängnisregelung: Beide müssen mitmachen, Bescheid wissen, Aufmerksam sein für Körper und Gemüt. Das hat zur Folge, dass die Partner sich viel besser kennenlernen. Der Mann gewinnt ein Feingefühl (und dadurch wieder: Respekt und Achtsamkeit) für die Frau. Es verbindet beide viel inniger. Was sich ändern muss: - Diese großartige Lehre muss verkündet werden (s.o.)!

Forum 3: Priesterliche Existenz heute

Frage 1: Was zeichnet Ihrer Auffassung nach einen authentischen Priester heute aus, welche Eigenschaften und Fähigkeiten sollte er besitzen?
Er sollte ein überzeugter und überzeugender Verkündiger der frohen Botschaft sein, der sich nicht scheut, seinen Auftrag auszuführen: Die Messe feiern, die Sakramente spenden, belehren und ermahnen (vgl. Kol 3,16) – auch hinsichtlich der kirchlichen Sexalmoral (s.o.) –, zur Umkehr rufen, den Menschen in ihren geistlichen Nöten beistehen. Ein echter Vater für seine Gemeinde (nicht ein Großvater, der den Enkeln sanft lächelnd alles durchgehen lässt!), der sich seiner Verantwortung vor Gott bewusst ist (dem er einst Rechenschaft schuldet): barmherzig, nicht nachlässig. Im Gottesdienst soll er die authentische Liturgie der Kirche feiern, nicht die Gläubigen seinen Launen und tollen Ideen ausliefern. Seine Predigten und Fürbitten sollen nicht als Nachweis dienen, dass er am Vortag die Tagesschau gesehen hat, sondern sie sollen das Wort Gottes und die Liturgie der Kirche erschließen und den Gläubigen die Möglichkeit geben, darin Antworten, Halt, Ansporn, Gnade, Hoffnung, Wahrheit und Freiheit zu finden. Er soll in seinem Tun und Reden durchaus auch anecken und Anstoß erregen, denn Jesus hat die Kirche zur Verkündigung seines am Kreuz gewirkten ewigen Heiles eingesetzt, nicht als Kommentatorin des Zeitgeschehens. Er sollte kein Funktionär sein. Und auch wenn er kein begeisternder Redner oder Charismatiker ist, soll er doch zu allererst ein Betender sein. Dadurch soll er ein Vorbild im geistlichen Leben sein und Stellvertreter im Gebet für alle, die dies nicht können.
Frage 2: Wie kann ein authentischer Priester mitten in der Welt von heute in der Nachfolge Jesu leben, welche Lebensform halten Sie für den Priester heute für angemessen?
Da der Priester Kraft seiner sakramentalen Weihe zu allererst mit Dingen betraut ist, die das Irdische übersteigen, ist ihm eine Lebensweise angemessen, die dies unterstreicht und ermöglicht. Ganz praktisch: Eltern wissen, wie schwer es ist, im Alltag überhaupt noch zum Beten zu kommen. Wer ehrlich nachdenkt bemerkt zudem, wie eingeschränkt seine Wahrnehmung der Nöte und Sorgen der Menschen ist und wie wenig Kapazitäten er hat, sich mit diesen zu befassen, wenn er v.a. damit zu tun hat, die Nöte und Sorgen in seiner eigenen Familie zu bewältigen (vgl. 1Kor 7,32-33). Da ist es von großem Nutzen, wenn es da jemanden gibt, der als Seelsorger viele Schicksale überblickt und der zugleich mit seiner Lebensform immer wieder auf die Vorläufigkeit des Irdischen und auf die Kontingenz der allermeisten Sorgen des Lebens hinweist, in kurz: auf das ewige Heil und die Erfüllung aller Sehnsucht bei Gott. Wenn er kein Gremienjogger ist, hat er auch zu jeder Tages- und Nachtzeit Zeit für die konkrete Not: Während der Familienvater für „die Seinen“ arbeitet und diese für ihn ganz klar die Priorität genießen müssen, sind für den Priester alle ihm anvertrauten Gläubigen „die Seinen“, um die er sich kümmert, die er geistlich nährt. Zeugnis: Der zölibatär lebende Priester zeigt, dass es die Ganzhingabe, den größten Verzicht und die Aufopferung des Lebens für die Sache Gottes gibt – also gibt es Gott, und sein Heil ist es Wert, alles dafür zu geben. Die Lebensform Jesu ist für den Priester Vorbild.
Frage 3: Was müssen wir in der Kirche tun oder verändern, damit es mehr Berufungen gibt und der Dienst des Priesters attraktiver für junge Menschen wird?
Es braucht v.a. eine angemessene Verkündigung über das, was das Priestersein bedeutet (s.o.). Es braucht aber auch eine angemessene Verkündigung darüber, was der Zölibat ist. Er darf z.B. nicht nur mit der Negativfolie betrachtet werden, sondern muss, schöpfend aus der reichen aszetischen Tradition der Kirche, als Geschenk und als Schatz wahrgenommen und vermittelt werden. Den Zölibat als „Verzicht auf Sex“ zu beschreiben ist genauso unsinnig, wie die Beschreibung ehelicher Treue als „Verzicht auf Sex mit anderen Frauen“. Solch angemessene Verkündigung gilt allen Gläubigen: Wie bei der Sexuallehre der Kirche, so sind auch Sinn und Inhalt des Zölibats den meisten Gläubigen schlicht nicht bekannt. Wenn aber die Gläubigen ihn mangels Wissens nicht verstehen, können sie ihn auch nicht respektieren. Die meisten, die den Zölibat ablehnen, wissen nicht, was er bedeutet und wo er herkommt. Der Zölibat ist biblisch (Lebensform Jesu; s. Paulus). Der Ehelosigkeitszölibat (nur Weihe unverheirateter Männer) mag erst im Mittelalter universell verbindlich geworden sein, der Enthaltsamkeitszölibat (verheiratete Kleriker, die aber ab der Weihe enthaltsam leben mussten) war von Anfang an in der Kirche die Norm (s. Stefan Heid). Problematisch ist nicht der Zölibat, sondern die Einsamkeit (übrigens: auch Verheiratete können an Einsamkeit leiden!). Priester-WGs, häufige Einladungen in unsere Häuser und Familien und die väterliche Sorge des Bischofs für seine Priester müssen (wieder) belebt werden.

Forum 4: Frauen in Diensten und Ämtern in der Kirche

Frage 1: Wie sehen Sie die Rolle der Frau in der Kirche?
Die Rolle der Frau in der Kirche ist die selbe Rolle, die jedem Getauften und Gefirmten in der Kirche zukommt Kraft seiner Anteilhabe an der königlichen, prophetischen und priesterlichen Würde Jesu Christi. Von ihm kommt diese Würde – und zwar in dem Maße, wie wir an ihm Anteil haben. Mit dieser Würde geht jedoch auch ein gewisser Anspruch einher. - König: Als Miterben des Königs der Könige, der Herr ist über die ganze Schöpfung, sind wir frei vom Reich der Sünde und sollen, biblisch gesprochen, mit Jesus in Ewigkeit herrschen. - Prophet: Christen sollen verkünden. Aber nicht sich selbst, ihre Ideen, Wünsche und Meinungen, sondern den Willen Gottes und die Botschaft Christi von Umkehr und Erlösung – ob gelegen oder ungelegen. - Priester: Priestertum ist nie für einen selbst, sondern immer für andere und zum Lobe Gottes. Die Priesterliche Würde jedes Christen drückt sich ganz konkret aus im Hintreten vor Gott in Reue und Demut, im Gebet für die anderen, im Segnen der anderen, im Opfer für und mit den anderen – besonders in der Feier der Eucharistie –, im Zeugnis für die göttliche Wahrheit, in Taten der Liebe die zeichenhaft die Liebe Gottes widerspiegeln, und – hinsichtlich der Eltern – in der Erziehung der Kinder zu christlichem Leben und Gebet, wobei hier erfahrungsgemäß der Mutter die wesentlichere Rolle zukommt. Wie der Prophet auch, ist der priesterliche Mensch der Gebundene, Abhängige, Empfangende und zum weitergeben Verpflichtete – er ist Diener Gottes und der Menschen.
Frage 2: Was müsste sich ändern, damit mehr Frauen Leitungspositionen in der Kirche übernehmen (können)?
Genau genommen können sie das bereits (sofern nicht bestimmte Ämter an den Empfang des Weihesakraments gebunden sind). Es fehlt zum einen am Willen bei den Verantwortlichen, aber wohl auch bei den Frauen: Bekanntlich gibt es nicht nur in der Kirche verhältnismäßig wenige Frauen in Leitungspositionen, sondern auch in der restlichen Gesellschaft – dies scheint also kein spezifisch kirchliches Phänomen zu sein. Nach der beständigen Lehre der Kirche entspricht es dem Willen des Stifters aller Sakramente, dass Frauen das Sakrament der Weihe nicht empfangen können. Das kann man bedauern, aber ebenfalls nach der beständigen Lehre der Kirche hat sie nicht die Vollmacht, dies zu ändern. Es ist gut, dass wir nicht mehr in einer feudalen Gesellschaft leben, dass es heute keine kirchenrechtlichen Laien als Fürstbischöfe mehr gibt und auch keine Fürsten und Fürstinnen, die als Äbte und Abtissinen große Machtfülle besitzen. Es ist daher sinnvoll, dass die Macht (und damit die letzte Verantwortung) in der Kirche mit der Weihe verbunden ist. „Die Kirche bindet die Übertragung von Vollmacht und besonderer Verantwortung an Kriterien, auch an eine längere Ausbildung und Prüfung der charakterlichen und religiösen Voraussetzungen eines Kandidaten, um Risiken zu minimieren. Und im Ritus der Weihe kommt das Vertrauen in das Gebet der Gläubigen zum Ausdruck, dass der Heilige Geist nicht untätig bleiben wird.“ (M. Schlosser) Wo dies möglich ist, sollten Frauen auf jeden Fall besser aufgestellt sein!
Frage 3: Wie müsste das Miteinander von Frauen und Männern in der Kirche gestaltet sein, damit wir in unserer Zeit glaubwürdig das Evangelium verkünden können?
Nach Paulus sind wir als Getaufte für einander in gewisser Weise nicht mehr Jude und Heide, nicht mehr Mann und Frau: Wir sind Jünger Christi. Die Bedingungen für eine glaubwürdige Verkündigung sind zu allen Zeiten, an allen Orten und unter allen Umständen stets die gleichen: Eine immer wieder neu aus den Sakramenten (besonders der Buße und der Eucharistie) und dem Gebet genährte und vertiefte Liebe zu Jesus Christus und seiner Kirche, das mutige Eintreten für die zu allen Zeiten anstößige Wahrheit des Evangeliums (gelegen/ungelegen), die Bezeugung der Liebe Gottes vor den Menschen und für die Menschen in Wort und Tat. Hinsichtlich des Miteinanders der Geschlechter bedarf es einer neuen Bewusstwerdung der natürlichen – geschaffenen! – Unterschiedlichkeit derselben (mal mehr, mal weniger ausgeprägt) und eine Wertschätzung dieser Unterschiedlichkeit, die in ihrer Komplementarität die Vielfalt und Schönheit der Schöpfung und die Fülle der göttlichen Liebe zeichenhaft darstellt. Glaubwürdig sind wir dann, wenn wir in gesundem Stolz unverkürzt weitergeben und bezeugen, was wir durch Gottes Offenbarung in Schrift und Tradition an Gnade und Würde, an Auftrag und Anspruch empfangen haben. Unglaubwürdig sind wir, wenn wir dieses Empfangene nach unseren Wünschen abschwächen, es nach unseren Bedürfnissen ummodeln, nach unserem Geschmack verdrehen, in unserem notwendig begrenzten Horizont öffentlich zur Disposition stellen oder aus falscher Rücksichtnahme Teile davon verschweigen.

Grenzen des Lehramts

Das Problem ist heutzutage nicht, dass man die Vollmacht des Lehramts in Glaubensfragen bestreitet. Das Problem ist, dass man dem Lehramt, insbesondere dem Papst, aber auch den einzelnen Bischöfen, viel zu viel Vollmacht zuspricht.

Aus der Einfügung von Joseph Ratzinger zu "Ordinatio sacerdotales" (JRGS 12, 144f.):

"Der Ausgangspunkt ist die Bindung an den Willen Christi. Der Papst wird so zum Garanten des Gehorsams. Die Kirche erfindet nicht selbst, was sie tun soll, sondern sie findet im Hören auf den Herrn, was sie tun und lassen muss. Dieser Gesichtspunkt ist für die Gewissensentscheidung jener anglikanischen Bischöfe und Priester entscheidend gewesen, die sich jetzt zum Übertritt in die katholische Kirche veranlasst wissen. Ihr Entscheid ist, wie sie deutlich genug erklärt haben, nicht ein Votum gegen die Frauen, sondern er ist ein Entscheid zu den Grenzen kirchlicher Autorität. Das kommt zum Beispiel sehr deutlich zum Ausdruck in dem Vorwort, das Bischof Graham Leonard der von Aidan Nichols geschriebenen theologischen Geschichte des Anglikanismus vorangestellt hat. Leonard spricht von vier neueren Entwicklungen, die das Gefüge auflösen, das für die Dialektik des anglikanischen Verständnisses von Kirche wesentlich ist. Die vierte dieser Entwicklungen sieht er in der »Macht, die der Generalsynode der Kirche von England gegeben worden ist, Fragen des Glaubens und der Sitte zu entscheiden und dies mit Mehrheitsvoten zu tun, als ob man Fragen dieser Art auf solchem Weg zur Entscheidung bringen könnte. Die Kirche von England weist die Lehrvollmacht des Papstes zurück, aber ihre Synode ist dabei, ein Lehramt auszuüben, das theologisch unbegründet ist und praktisch Anspruch auf Unfehlbarkeit erhebt.« Inzwischen sind ähnliche Stimmen auch in der Lutherischen Kirche in Deutschland laut geworden, wo sich zum Beispiel Professor Reinhard Slenczka nachdrücklich dagegen zur Wehr setzt, dass Mehrheitsentscheidungen kirchlicher Instanzen praktisch für heilsnotwendig erklärt werden und dabei vergessen wird, dass der »große Konsensus« in der Kirche, den die Reformatoren zur obersten Lehrinstanz erklärt haben, in der Übereinstimmung kirchlicher Lehre mit der Schrift und mit der katholischen Kirche besteht. Der Papst will mit dem neuen Dokument nicht eine eigene Meinungsäußerung durchsetzen, sondern gerade dafür einstehen, dass die Kirche nicht tun kann, was sie Will, und dass auch er, gerade er, es nicht kann. Hier steht nicht Hierarchie gegen Demokratie, sondern Gehorsam gegen Autokratie: In Glauben und Sakrament wie in den Grundfragen der Moral kann die Kirche nicht tun, was sie möchte, sondern sie wird Kirche gerade dadurch, dass sie in den Willen Christi einwilligt."

Sonntag, 12. Januar 2020

Dürftige Theologie - 20 - Taufpriester

Bitte die Einführung (hier) beachten!


Von dem Theologe und Autor Fabian Brand ist vor ein paar Tagen (wohl in Erwartung des heutigen Festes der Taufe des Herrn) ein Artikel auf katholisch.de (HIER) veröffentlicht worden, der dem geneigten Leser eine wesentliche aber nicht selten vergessene Dimension der Taufe bewusst machen möchte: Nämlich dass die Taufe priesterliche Würde vermittelt. Man spricht nicht umsonst vom "Taufpriestertum" oder vom "gemeinsamen Priestertum". Wie es im Einleitungstext heißt: "Durch die Taufe werden Menschen nicht nur in die Kirche eingegliedert, sondern sie erlangen auch Anteil am gemeinsamen Priestertum aller Gläubigen." Positiv muss man hervorheben, dass hier korrekt vom "gemeinsamen Priestertum" gesprochen wird und nicht vom "allgemeinen Priestertum". Letzteres ist ein protestantischer Ausdruck bei dem dezidiert die Ablehnung eines Weihepriestertums mitgemeint ist. Soweit, so gut.

Doch kann ich nicht umhin, ein großes Versäumnis festzustellen, denn die erste, wesentlichste und wichtigste Wirkung der Taufe bleibt bei diesem bemühen um die Weitung des Blicks für die Bedeutung der Taufe leider ungenannt: Die Vergebung der Sünden. Dass es sich dabei um DEN wesentlichen Aspekt der Taufe handelt erfährt man schon aus dem Glaubensbekenntnis: "Wir bekennen die eine Taufe zur Vergebung der Sünden." Das unerwähnt zu lassen ist nicht so gut.

Der ganze Text vermittelt einen überaus horizontalen Eindruck. Zwar ist es gut und wichtig daran zu erinnern, dass mit der Taufe priesterliche (und prophetische und königliche) Würde vermittelt wird, leider unterlässt es der Autor, irgendetwas sinnvolles über dieses Priestertum zu sagen, die wenigen eingestreuten fromm klingenden Floskeln helfen da wenig. Seine Ausführungen kreisen einzig und allein um horizontale Aspekte von Partizipation, Mitbestimmung, Machtgefälle, Dialog auf Augenhöhe und anderes. Der Autor kann nicht anders, denn er begreift offenbar auch das Weihepriestertum nur in diesen Kategorien. Für ihn ist die Kirche ein Machtapparat, eine Organisation und mehr nicht. Er bemüht sich sehr darum, den Unterschied zwischen Tauf- und Weihepriestertum einzuebnen - sehr passend, denn das eine wie das andere scheint für ihn auf einer horizontalen Ebene angesiedelt zu sein, die eigentliche Bedeutung im Kontext von Gottes Heil und der Sakramentalität der Kirche fehlt. Taufpriestertum ist für ihn daher gleichbedeutend mit Entscheidungskompetenz. Wie traurig!

Zur Sache: Priestertum hat nichts mit Entscheidungskompetenz und Macht zu tun. Es ist Dienst vor Gott für die Menschen zu deren Heil. Priester sind dazu da, den Menschen Gottes Heil zuzuwenden und mit ihnen und für sie Gott das ihm gebührende Lob darzubringen. Die priesterliche Würde jedes Christen drückt sich ganz konkret nicht in etwaigen Entscheidungskompetenzen und in der Mitbestimmung an Strukturen aus, sondern im Treten vor Gott in Reue und Demut für sich und für andere, im Gebet für die anderen, im Segnen der anderen, im Opfer für und mit den anderen - besonders in der Feier der Eucharistie -, in der Verkündigung göttlicher Wahrheiten, und - hinsichtlich der Eltern - in der Erziehung der Kinder zu christlichem Leben und Gebet. So in etwa drückt es übrigens auch das Zweite Vatikanische Konzil aus, auf das der Text wiederholt sich zu beziehen vorgibt.

Das Zweite Vatikanische Konzil sieht die priesterliche Würde besonders im Empfang der Sakramente verwirklicht und es bindet die priesterliche, prophetische und königliche Würde des Getauften konsequent an den einen Priester, Prophet und König Jesus Christus. Von ihm kommt diese Würde - und zwar in dem Maße, wie wir an ihm Anteil haben. Der Text von Fabian Brand vermeidet diese Rückbindung an Christus konsequent. Jegliches Empfangend- oder Abhängig-sein ist ihm offenbar zuwider. Das Taufpriestertum dient dem Machen, es bedeutet Freiheit! Interessant ist, dass das Taufpriestertum durch den Verzicht auf die göttliche Dimension als etwas Gegebenes erscheint das keinerlei Führung, Reifung, Übung oder dergleichen bedarf: Es muss nur bei den Getauften bewusst gemacht und seine Ausübung durch die Amtsträger zugelassen werden - und alles ist in Butter. Es existiert nicht in der Abhängigkeit von Christus, sondern erscheint als eine ähnlich selbstverständliche und absolute Größe wie das "Gewissen" (siehe dazu HIER). 
Hier kommt ein weiteres Defizit jenes falschen Begriffs von Priestertum ins Spiel: Der Autor sieht in der priesterlichen Würde ein Moment der Freiheit (zum Machen, Mitbestimmen etc., eine Art Freiheitsrecht, das nicht vom Klerus eingeschränkt werden darf). Aber genau das ist gerade kein Merkmal des Priestertums. Der Priester ist der Gebundene, Abhängige, Empfangende und zum geben Verpflichtete - er ist Diener Gottes und der Menschen. (Die Freiheit des Christen - gemeint ist hier natürlich Freiheit in Christus, nicht Freiheit zur Beliebigkeit - liegt in seiner Königswürde begründet.)

Der Text ist in sich schlüssig, denn wenn der wesentliche Aspekt der Taufe unerwähnt bleibt, warum sollte es dem wesentlichen Aspekt des Priestertums anders ergehen? In der Summe ist der Text aus christlicher Perspektive inhaltslos, aber das allein macht nichts, denn sein ganzer Sinn besteht offenkundig darin, die abgedroschene Forderung nach mehr "Mitbestimmung" und einem "angstfreien Dialog auf Augenhöhe" einmal mehr pseudo-theologisch aufzuwärmen. Gääähn! Das an sich wäre nicht schlimm, würde der Text nicht die gebrauchten christlichen Vokabeln entleeren und so die Entsakralisierung und Säkularisierung der Kirche in den Köpfen unbedarfter Leser fördern.

In meinem vorherigen Beitrag befasste ich mich mit der Alternative, vor der die Kirche heute steht: Sie kann entweder Kultgemeinde oder professionalisierte Wohlfahrtsorganisation sein. (HIER, vgl. auch im vorvorherigen Beitrag die Frage der verweltlichten Perspektive, HIER) In dem hier besprochenen katholisch.de-Beitrag wird sehr schön die letztere anschaulich, in der selbst Priestertum und Taufe nur in Kategorien von Organisation und Funktion verstanden werden (können), losgelöst von ihrem göttlichen Gehalt. Eine Taufe zur Mitbestimmung in Gremien ist ebenso antichristlich wie ein Priestertum der Macht. In der Realität haben weder Macht noch Mitbestimmung in Gremien etwas damit zu tun und bezogen auf Taufe und Priestertum stellen sie eine Verzerrung wenn nicht gar Entstellung dar.

Eigentlich wundere ich mich, dass der Autor jenes Textes ausgerechnet die priesterliche Würde für seine Ausführungen gewählt hat und nicht etwa die königliche Würde des Getauften... diese würde sich doch rein begrifflich viel besser für die Verwirklichung von Machtansprüchen eignen... Auch hier wäre es sicher nicht schwer gewesen, den Wesenskern dieser Würde (nämlich Miterben des Königs der Könige zu sein und so frei zu sein für die Überwindung des Reiches der Sünde) unter den Tisch fallen zu lassen... aber das taugt freilich nicht für die Einebnung des Unterschieds zwischen Laien und Klerikern.

Samstag, 11. Januar 2020

Die Kirche steht vor der Alternative

Ein Gedanke.


Die Katholische Kirche war in unserer Weltgegend über viele Jahrhunderte hindurch nicht nur gesellschaftsrelevant sondern geradezu gesellschaftsbildend; die Gesellschaft war über weite Teile völlig verwoben mit der Kirche.
Zugleich war die Kirche in ausgesprochen großem Maße kulturbildend: Die Katholische Kirche war eine Kulturgemeinde, denn sie prägte und gestaltete die Kultur unseres Kontinents wie keine andere Institution.

Mit der Aufklärung hat die Kirche ihre gesellschaftsbildende Stellung verloren. Säkulare Persönlichkeiten und Institutionen wurden tonangebend. Spätestens seit der Mitte des 20. Jahrhunderts hat sie zudem auch ihren Status als Kulturgemeinde verloren, die Kultur wird nun v.a. bestimmt durch die Wissenschaft, das Politische und v.a. durch den Konsum.
Die Kirche steht seitdem an einem Scheideweg, denn sie hat die Wahl, was sie in Zukunft sein will. Kulturgemeinde wird sie in Zukunft nicht mehr sein, gesellschaftsbildend erst recht nicht.

Soweit ich das sehe, gibt es zwei Alternativen für die Kirche, was sie mit dem, was sie über die Jahrhunderte an "Kapital" angehäuft hat, tun kann.


Alternative Nummer 1: Von der Kulturgemeinde hin zur Kultgemeinde.
Das bedeutet, dass die Kirche ihre Ressourcen und ihre Aufmerksamkeit darauf richtet, sich ihr reiches liturgisches und aszetisches Erbe neu zu eigen zu machen und somit ihr kultisches und liturgisches Leben neu zu beleben und zu vertiefen. Aus der Kulturgemeinde von einst wird somit wieder das, was das Christentum von Anfang an in seinem Kern gewesen ist - Kultgemeinde: "Sie waren täglich einmütig beieinander im Tempel und brachen das Brot in ihren Häusern." (vgl. Apg 2,46) Die Kirche besteht dann aus den "wahren Betern" (vgl. Joh 4,23), die Gott verehren und die den Menschen die Möglichkeit geben, diesem Gott, der das letzte Ziel ihres Daseins ist, nahe zu kommen, indem sie sein Evangelium mit aller Entschiedenheit leben und verkünden.
Als Kultgemeinde nutzt die Kirche ihr eigenstes und innigstes kulturelles Kapital, das einzig und allein sie verwalten und fruchtbar werden lassen kann. Die Welt kann damit nichts anfangen, bestenfalls in wirrer Nostalgie (man denke an die Darstellung von allem Katholischen im Mainstream von TV und Kino) oder im Spott vermag sie es zu greifen, ohne es je zu be-greifen.
Vor allem aber befolgt die Kirche als Kultgemeinde den wichtigsten Auftrag, den der Herr Jesus Christus seinen Jüngern zum Heil der Welt gab, und den auch nur sie erfüllen konnten und  bis zum Ende der Welt erfüllen können: "Tut dies zu meinem Gedächtnis." Die Eucharistie ist der Kern (Quelle, Mitte und Höhepunkt!) des umfassenderen Auftrags: geht, tauft, verkündet das Reich, ruft zur Bekehrung, macht zu meinen Jüngern.

Alternative Nummer 2: Von der Kulturgemeinde hin zur Wohlfahrts-, Dialog- und Umweltschutzgemeinde.
In diesem Fall wird die Sorge der Kirche um die Menschen in den Fokus gerückt: Armenfürsorge, Lebensberatung, Kitas, Krankenhäuser, Schulen, der Dialog zwischen Völkern und Religionen, der Schutz der Umwelt etc. pp. - ich will das alles mal mit dem Wort "Wohlfahrt" zusammenfassen - werden zum eigentlichen Betätigungsfeld von "Kirche", in Anlehnung an den Auftrag Jesu: "Heilt Kranke, weckt Tote auf, macht Aussätzige rein, treibt Dämonen aus!" (Mt 10,8)
Diese Option hat allerdings ein entscheidendes Problem: Während niemand bezweifeln kann, dass die Kirche von Anfang an sich der Nöte der Menschen angenommen hat, wie dies auch Jesus selbst tat, so müsste gleichzeitig jedem klar sein, dass Wohlfahrt nicht "typisch katholisch" ist. Will sagen: Es ist nicht das unterscheidend Christliche, nicht das Eigentliche, was der Kirche als Volk und Familie Gottes, als Nachfolger und Leib Christi aufgetragen ist. Der eben zitierte Auftrag Jesu zu Heilen ist nur ein Teilaspekt des größeren Auftrags das Reich Gottes zu verkündigen und die Menschen zur Bekehrung zu rufen (vgl. Mt 10,7). Christen unterscheiden sich nicht dadurch von allen anderen Menschen, dass sie Wohlfahrt betreiben. Für Wohltätigkeit braucht es keine Kirche, das können andere auch sehr gut.
Es gibt einen besonders wichtigen Grund, warum viele Ordensgemeinschaften aussterben: Niemand braucht heute mehr eine Brüdergemeinschaft die sich der Blinden oder der Pestkranken annimmt. Niemand braucht mehr einen Schwesternorden um Krankenhäuser oder Schulen zu betreiben. Armenfürsorge, Dialog und Völkerverständigung, Schulbildung, Kranken- und Altenpflege, Ansprechpartner in den Nöten des Lebens und schließlich auch Umweltschutz: Für all das gibt es reichlich weltliche, staatliche und nichtstaatliche Einrichtungen. Früher brauchte es die Kirche für diese Dinge, heute braucht es sie dafür nicht mehr.
Das Bistum Münster hat 2018 eine Werbekampagne gemacht (s. HIER) die der breiten Masse vor Augen führen wollte, was "Kirche" so alles für sie tut. Faktisch hat das Bistum damit nur bestätigt, was ohnehin vorliegt: Die meisten Menschen sehen die Kirche schon längst ausschließlich als eine Institution, die sich für all diese guten Zwecke engagiert. Mit Gott hat die Kirche für die Wenigsten etwas zu tun, für "Spiritualität" wendet man sich woanders hin, den findet man laut Klischee ohnehin besser im Wald.


Leider muss man konstatieren, dass sich die Katholische Kirche besonders hier in Deutschland mit großer Vehemenz und ihrer gewaltigen Finanzkraft konsequent für den zweiten Weg entschieden hat. Und damit wird sie ganz automatisch nicht nur zu einem Anbieter unter vielen, sondern über kurz oder lang auch genau so (un)bedeutend wie ein beliebiger anderer Anbieter solcher Dienstleistungen. Die Kirche säkularisiert sich faktisch selbst und wird zu einer NGO.
Wohl gemerkt: Ich bin nicht gegen Wohlfahrt und karitatives Engagement. Aber dieses taugt nicht als Kernkompetenz der Jünger Christi - die besteht nämlich in der Verkündigung des Reiches Gottes. Dieses ganze Engagement ist wichtig, aber es ist nicht der Kern dessen, was Jesus Christus seinen Jüngern aufgetragen hat. Es ist ein Aspekt davon, der aber genährt sein muss aus dem Eigentlichen, wenn er unterscheidbar sein will von dem Engagement das allen Menschen gut ansteht.
Indem die Kirche sich exklusiv der zweiten Alternative verschrieben hat, wie dies in den deutschen Bistümern immer deutlicher wird (am krassesten nehme ich das aktuell in Münster, Hamburg, Trier, Würzburg und Osnabrück wahr), und indem sie die erste Alternative seit Jahrzehnten fast völlig vernachlässigt, entzieht die Kirche auf lange Sicht auch dem von ihr eingeschlagenen Weg das Lebensblut, nämlich das, was daran (noch) "spezifisch christlich" ist. Die Wohlfahrt wird zur bloßen Funktion die von Funktionären gesteuert und von Profis ausgeführt wird. Qualitätsmanagement und best-practice allüberall. Die geistlich leeren Glieder der Kirche sind zufrieden und sogar stolz auf den gut funktionierenden Apparat, sie müssen sich zudem nicht mehr selbst engagieren, das übernehmen jetzt die von ihnen dafür bezahlten Profis.

Alternative 2 ist für die kirchlichen Funktionäre aus zwei Gründen attraktiver als die erste. Der eine Grund ist der, dass die kirchlichen Verantwortungsträger (v.a. die Mehrheit der Bischöfe) sich sehr nach den alten Zeiten zurücksehnt, als ihr Amt noch Ansehen und Einfluss (ließ: Macht) bedeutete. Wenn sie schon nicht mehr gesellschaftsbildend werden können, wollen sie wenigstens noch gesellschaftliche Relevanz bewahren (das ist hierbei ein Schlüsselwort). Da die "Welt" sich aber von allem entfernt hat, was nach göttlichem Kult oder einem Bekenntnis des Glaubens aussieht, taugen diese nicht, um wieder an "Relevanz" zu gewinnen. Wohlfahrt kommt dagegen immer gut an, der neueste Trendzug, auf den man begeistert aufspringt ist der Umweltschutz: Schaut, wir sorgen uns auch um die Umwelt, jetzt habt und bitte gern! [So wichtig dieses Anliegen auch ist - und ich persönlich halte ihn für die größte Herausforderung, der sich die Menschheit derzeit gegenüber sieht, viel weitreichender als alle menschlichen Konflikte -, der Umweltschutz ist nicht der Auftrag der Kirche, das können andere auch... und sie können es besser!]
Der andere Grund, warum Alternative 2 so beliebt ist besteht eben darin, dass Wohlfahrt als eine Funktion verwaltet und professionalisiert werden kann. [Was dann auch noch zum ersten Grund gehört: Man kann die Wohlfahrt problemlos auch an "außenstehende" (sich nicht zum Glauben Bekennende) delegieren, so gewinnt man auch Einfluss (ließ: Macht) über die eigene Institution hinaus.] Die funktionale Verwaltung von Wohlfahrt bedarf bei den Verantwortlichen keines Bekenntnis und keiner eigenen Bekehrung. Das was man den Leuten "erspart", indem man die erste Alternative vermeidet, erspart man sich zugleich auch selbst. Letztlich geht es um eine Vermeidung des religiösen Ernstes, was in den Augen der Verantwortungsträger "Frieden" bedeutet: Durch den Verzicht auf den Kult und die Fokussierung auf die Dienstleistung bleibt es der Kirche erspart "Stein des Anstoßes" zu sein. Was wiederum dem ersten Grund zugute kommt: Als Dienstleister passt die Kirche dann ohne Irritationen in die Dienstleistungsgesellschaft, ist geradezu "Teil der Gesellschaft" ("relevant"), womit die Verantwortungsträger ihr Ziel erreicht haben.
Zusammenfassend wählt man Alternative 2 weil: man Relevanz erzeugen möchte und Anstoß vermeiden will. Als Kultgemeinde geht das nicht, aber als Dienstleister!

Leider verliert sich die Kirche dadurch selbst, sie verrät ihren Auftrag und ihren Herrn, dessen ganzes Lebens- und Erlösungswerk ein einziger Anstoß und eine Irritation für die Welt ist. Jesu Ruf "Gebt ihr ihnen zu essen!" (Mt 14,16) bleibt geistlich unerfüllt. Wie der Kölner Weihbischof Ansgar Puff dies neulich in seiner Video-Kolummne (HIER, merkwürdigerweise nicht mehr über die Homepage des Domradios zu finden) schön sagte: Die Kirche hierzulande produziert wie der Feigenbaum im Evangelium nur Blätter (Papierkram), aber keine Früchte. Wer seinen geistlichen Hunger stillen will, wird in der Kirche nicht fündig. Jesus sagt, er sei gekommen um zu dienen... aber ihm geht es um einen Dienst den nur er leisten kann: Unsere Erlösung. Als Dienstleister in der Welt tut die Kirche nur, was andere auch tun.
Zugleich sabotiert die Kirche, wie gesagt, ihr karitatives Wirken, wenn dieses nicht aus der Liebe zu Gott strömt. Und schließlich verspielt die Kirche damit auch die Chance doch wieder in begrenztem Maße kulturbildend zu sein, denn was sie an kulturellem (v.a,. künstlerischem) Kapital hat ist Ausfluss derjenigen liturgischen und aszetischen Tradition die sie vernachlässigt (verleugnet?).


Die Kirche kann nur ihrem Herrn treu bleiben und zugleich fruchtbar (evangelisierend, karitativ und kulturell) in der Welt wirken, wo sie bewusst und entschieden ihre Identität als Kultgemeinde mit gesundem Stolz annimmt und in aller Demut vertieft. Freilich hätte das für die Verantwortlichen einen Verzicht an gesellschaftlicher Relevanz zur Folge und es würde zugleich die Entschiedenheit im Bekenntnis erfordern und somit Anstoß erregen...


Dieser Text ist eine andere Perspektive auf das im vorigen Beitrag über den Verweltlichten Frieden (HIER) dargelegte.

Mittwoch, 1. Januar 2020

Verweltlichter Friede

Ein paar provokante Skizzen. (Wiedereingestellt mir leichten Veränderungen)
Mit Einsprängseln aus den Tagebüchern von Isa Vermehren.


Friede
Gerechtigkeit
Freiheit
Heil
Barmherzigkeit
Erlösung
Freude
Glück
Leben
Geduld
Liebe
Umkehr
...


Worum es geht

Jeder dieser Begriffe bezeichnet eine irdische Wirklichkeit, die in christlicher Perspektive zugleich und wesentlich Verweischarakter hat auf eine ihnen verwandte göttliche Wirklichkeit: Was wir auf Erden unter Frieden verstehen deutet hin auf das, was Gott mit Frieden meint. Was wir auf Erden unter Gerechtigkeit verstehen, kann uns Hinweise geben, wie Gottes Gerechtigkeit beschaffen ist. Heilung von Krankheit gibt uns eine Ahnung, was Gott uns als Heil unserer Seelen verheißen hat. Und so weiter.
Zugleich haben wir mittels der Kirche Christi und der Sakramente hier auf Erden schon Anteil an jenen verheißenen göttlichen Wirklichkeiten. Weil das so ist, gehört es zur christlichen Sendung, sich hier auf Erden mit aller Kraft für die so bezeichneten irdischen Wirklichkeiten im Leben der Menschen einzusetzen: Christen sollen und müssen sich einsetzen für den Frieden, für Gerechtigkeit, Menschenwürde, Freiheit und, ja, auch den Schutz der Umwelt, denn jede Bedrohung für das leibliche Wohl des Menschen kann auch zu einer Bedrohung für sein seelisches Heil werden, da der Mensch kein reines Geistwesen ist, sondern seine Seele wie sein Leib zu seinem Wesen gehören. Beides ist zumal auch eingeschlossen in die christliche Auferstehungshoffnung. Es ist schließlich ein Gebot der Liebe, zu helfen und für die Schwachen einzustehen. Das unterscheidend Christliche an jedem christlich motivierten Einsatz für Friede, Freiheit, Gerechtigkeit etc. ist aber dies, dass er in der beständigen Hoffnung und im unermüdlichen Hinweisen auf die Erfüllung und Vollendung alles dessen durch Gott in seiner Ewigkeit geschehen muss und nicht auf die irdische Wirklichkeit beschränkt sein darf (das betrifft auch die Liebe selbst, s.u.). [Was die Umwelt betrifft, muss sie der Christ als Gottes Schöpfung sehen: Sie soll uns heilig sein, aber sie darf uns nie von DEM Heiligen ablenken – auch die schützenswerte Umwelt ist endlich und vergänglich; das Ziel des Menschen ist nicht sein Leben in dieser Schöpfung, sondern in der Neuen (vgl. Offb 21,5).]

In den vielen universalen wie lokalen kirchlichen Verlautbarungen sowie alltäglich in den Fürbitten, die im Rahmen der Liturgie verlesen werden, klingen diese Konzepte immer und immer wieder an und es wird unablässig um Frieden, Gerechtigkeit etc. gebetet. Ok.
Leider muss man bei genauerem Hinhören aber feststellen, dass dabei allzuoft auch zugleich ein gravierender Mangel zutage tritt, denn diese Begriffe sind meistens gänzlich säkularisiert. Heißt: Es werden nur mehr die damit benannten irdischen Wirklichkeiten bezeichnet, betrachtet, gefordert, erstrebt, erhofft. Es wird offenbar nicht mehr gesehen und ins Wort gebracht, dass sie aus christlicher Sicht einen Verweischarakter haben auf eine göttliche Realität, die mit Christus angebrochen ist. „Wir gehen heute mit dem Christentum um, wie wenn es eine Lehre wäre und nicht in erster Linie Mysterium und Gnade. Wir haben auf Grund der Verflochtenheit mit der abendländischen Kulturgeschichte das Gefühl dafür verloren, dass das Christentum in erster Linie Heilsbotschaft, Heilslehre ist, die ein transzendentes Heil meint, nicht innerweltliche Heilslehre“ (Isa Vermehren, Tagebücher [I.V.] 117). [Vgl. dazu auch die vielfältigen Mahnungen Papst Pauls VI. HIER.]
Für jeden der obigen Begriffe könnte man seine Bedeutung in der Verkündigung Jesu und der Apostel durchbuchstabieren und man würde feststellen, dass es sich im Ergebnis nicht um das handelt, was uns heute fast durchgehend in der Kirche mittels dieser Begriffe vermittelt wird. Ich möchte mich im Folgenden v.a. mit dem Begriff „Frieden“ beschäftigen, weil dieser Begriff in dieser zu Ende gehenden Weihnachtszeit wieder allgegenwärtig war.


Unterscheidung

Man betet um Frieden und meint damit den Frieden in der Familie, in der Stadt, im Land, zwischen den Religionen oder zwischen den Nationen auf der Welt. Das ist schön und gut, wird aber dann problematisch, wenn jeder Hinweis auf den Frieden fehlt, den Gott uns in Jesus Christus gebracht hat, der besitzt nämlich ganz andere Merkmale. „Wir haben ganz die Unterscheidung verloren zwischen dem Frieden, den die Welt geben kann, und dem, den sie nicht geben kann.“ (I.V. 171) Inzwischen (Vermehren schrieb das 1967!) sind wir offenbar schon über das Stadium der Vermischung des göttlichen mit dem irdischen Frieden hinweg. Seit ein paar Jahren scheint das göttliche immer öfter ganz abwesend. Man betet nicht mehr darum, dass Gott irdischen Frieden stiften möge (das wäre die Vermischung), sondern darum, dass Gott den Menschen die Kraft gebe, Frieden zu machen oder appelliert einfach direkt an die Menschen, dass sie Frieden herstellen. Insofern ist hier eine Entwicklung zu erkennen, die konsequent „Frieden“ entgöttlicht, oder andersherum: verweltlicht hat. Kirchliche Äußerungen und die meisten Fürbitten zu dem Thema sind im Gesamten wie im Detail oft überhaupt nicht mehr unterscheidbar von dem, was ein beliebiger Politiker oder Friedenaktivist dazu zu sagen hat.
Um irdischen Frieden beten ist richtig und wichtig. Aber wenn der Friede Christi aus dem Blick gerät, fehlt das Wichtigste. Dieser Friede Christi ist indes von ganz anderer Art: „Frieden hinterlasse ich euch, meinen Frieden gebe ich euch; nicht, wie die Welt ihn gibt, gebe ich ihn euch.“ (Joh 14,27)

Der Einsatz für Frieden und Gerechtigkeit in der irdischen Welt gehört, wie bereits gesagt, zur christlichen Sendung in die Welt mit dazu. Irdischer Friede und irdische (etwa soziale) Gerechtigkeit sind aber – und das ist entscheidend!nicht Gegenstand der christlichen Hoffnung. Sie sind nicht Gegenstand von Gottes Heilsplan und darum auch nicht Ziel christlichen Handelns, wie sie auch nicht Ziel des Handelns Jesu waren.
Was ich eben geschrieben habe, ist vielleicht mit das Anstößigste, was man in der Kirche heutzutage sagen kann. Aber man zeige mir die Bibelstellen, in denen Jesus und die Apostel irdischen Frieden und soziale Gerechtigkeit verkünden. Es war genau der Irrtum der Juden, dass sie sich vom Messias ein irdisches Reich (des Friedens für sich) erhofften. „Die Hinbewegung zur einen Weltkirche [im Sinne eines Ökumenismus], die sich geschlossen einsetzen soll für eine bessere Welt – In meinen Augen ist das eine einzige riesige Verführung, die sich nicht bruchlos aus dem Auftrag Christi ableiten lässt: dieser Gedanke ist seine Säkularisierung, die von vielen heute [1968!] als letzte Konsequenz der Menschwerdung gedeutet und damit scheinbar legalisiert wird.“ (I.V. 176)


Bibel

Schaut man ins Neue Testament, stellt man fest, dass Friede fast synonym ist mit „Leben“ oder „Heil“ – beides eine Gabe Gottes zur Vollendung („eschatologisch“ nennt das der Theologe). Freilich erleichtert diese Feststellung nicht das Verständnis, denn „Heil“ und „Leben“ sind inzwischen gleichfalls der Säkularisierung zum Opfer gefallen, da man oft genug auch in der Kirche nur mehr das irdische Leben im Blick hat, das es mit möglichst viel „Glück“ und „Zufriedenheit“ (Heil; man denke an die „heile Welt“) vollzustopfen gilt, als gäbe es nichts danach.
Frieden ist im Neuen Testament vor allem der Zustand der „neuen Schöpfung“. Das ist aber keine Aussage über die Welt, sondern über das Reich Gottes. Es gibt tatsächlich keinen Grund, anzunehmen, das Reich Gottes würde zugleich in der irdischen Welt Frieden, etwa zwischen Völkern oder Religionen, bedeuten. Eher das Gegenteil: „Denkt nicht, ich sei gekommen, um Frieden auf die Erde zu bringen! Ich bin nicht gekommen, um Frieden zu bringen, sondern das Schwert.“ (Mt 10,34 vgl. Lk 12,51) Der Friede Christi dient nicht der Völkerverständigung, sondern dem bleiben in Gottes Hand: „Und der Friede Gottes, der alles Verstehen übersteigt, wird eure Herzen und eure Gedanken in Christus Jesus bewahren.“ (Phil 4,7) Der Friede Christi ist ein solcher zwischen Gott und dem Menschen, der nach Gottes Geboten lebt: „Wenn ihr meine Gebote haltet, bleibt ihr in meiner Liebe, so wie ich meines Vaters Gebote gehalten habe und bleibe in seiner Liebe.“ (Joh 15,10) [Es sei nur angemerkt, dass es ein säkularisierter Begriff von „Freiheit“ ist, der einen Gegensatz zum „Gebot“ darstellt; biblisch gesehen verwirklicht sich die Freiheit durch die Befolgung der Gebote. Siehe dazu HIER, etwa in der Mitte.]

Zwischenmenschlicher Friede ist in gewissem Sinne gemeint in Phil 2,14: „Denn er ist unser Friede. Er vereinigte die beiden Teile und riss die trennende Wand der Feindschaft in seinem Fleisch nieder.Aber dieser Friede besteht zwischen denjenigen Juden und Heiden, die sich zu Christus bekennen, nicht zwischen allen Menschen: Die, die einst „in der Ferne“ waren (die Heiden), sind nun durch das „Blut“ Jesu „in die Nähe“ gekommen (v. 13): „Er stiftete Frieden und versöhnte die beiden durch das Kreuz mit Gott in einem einzigen Leib. Er hat in seiner Person die Feindschaft getötet. Er kam und verkündete den Frieden: euch, den Fernen, und Frieden den Nahen.“ (vv. 15-17)
Dieser Neue Mensch aus Juden und Heiden, der Jünger Christi, hat den Frieden – mit Gott, nicht mit der Welt! –: „Gerecht gemacht also aus Glauben, haben wir Frieden mit Gott durch Jesus Christus, unseren Herrn.“ (Röm 5,1)


Liturgie

Das Vergessen des christlichen (von Christus stammenden) Friedens bzw. seine Säkularisierung kommen für mich v.a. an einem Punkt in der hl. Messe allzu oft besonders zum Vorschein: Im Friedensgestus nach dem Vaterunser.

Die „Allgemeine Einführung“ ebenso wie die seit 2002 geltende „Grundordnung“ für das Messbuch bestimmen den Friedensgruß in der hl. Messe als einen solchen, der der Kirche und der ganzen Menschheit gilt. Diese Deutung halte ich für unrichtig, denn der eigentliche liturgische Text gibt das nicht her, auch wenn er von vielen Priestern hierzulande eigenmächtig dahingehend verfälscht wird: „Schaue nicht auf unsere Sünden, sondern auf den Glauben deiner Kirche und schenke ihr [d.h. der Kirche, ohne „und der ganzen Welt“!] nach deinem Willen Einheit und Frieden.“ (Dann gibt es noch die grausige Hippie-Erweiterung: „Einheit, Liebe und Frieden“...) Meine bewusst provokant formulierte These: Der Friede wird an dieser Stelle für die Kirche erbeten, nicht für die Welt. Dies wird v.a. daran deutlich, dass der Glauben der Kirche gewissermaßen als Pfand eingesetzt wird. Einheit und Frieden seien im Folgenden je eigens kurz behandelt.

Vorbemerkung: Die Kirche ist Werkzeug Gottes für die Welt: Sie steht stellvertretend für die ganze Welt und alle Menschen vor Gott, während diese sie noch ablehnen. Sie erfleht an diesem Punkt der heiligen Messe von Gott Frieden und Einheitfür sich, um dadurch in die Welt hinein wirken zu können. Wenn aber in diesem Vor-Gott-Stehen (beim Friedensgruß wirklich im Angesicht des eucharistischen Herrn der so unmittelbar angesprochen wird!) plötzlich die Mode oder das aktuelle Zeitgeschehen (sprich: die Welt) in den Fokus der Aufmerksamkeit rückt, dann mutet das eher wie eine Anbiederung oder Verirrung an... Die Kirche verfehlt dann die Anbetung zugunsten eines zahmen und primitiven Spiels: „Die fortschreitende Kultivierung und immer häufigere und abwechslungsreichere Aktualisierung des Gemeindeseinsin der Messe mutet mich an wie der Rückfall in größere Primitivität“ (I.V. 178f). Der Moment, wo die Welt in den Fokus der Aufmerksamkeit der betenden Kirche rückt und (neben eigenen Anliegen) rücken muss, sind die Fürbitten!

Frieden: Wie wir sahen, ist es nicht Bestimmung der Kirche, Frieden und Völkerverständigung zu bringen. Ihre Bestimmung in der Welt und für diese Welt ist es, zu leiden. Es ist die Treue zum Herrn gegen den Widerstand der Welt, die ihr das Heil (= den wahren Frieden) bringt: Und ihr werdet von allen gehasst werden um meines Namens willen; wer aber ausharrt bis ans Ende, der wird gerettet werden.“ (Mk 13,13)
Schon das Bibelzitat in der Einleitung zu diesem Gebet macht überdeutlich, dass es hier nicht um irgend einen Frieden geht, sondern um den Frieden Christi: „Frieden hinterlasse ich euch, meinen Frieden gebe ich euch“, wobei jedem Bibelkundigen der bereits weiter oben zitierte Nachsatz im Ohr klingt: „nicht, wie die Welt ihn gibt, gebe ich ihn euch“. Bekanntlich ist aber Christus selbst und ebenso sein Frieden längst nicht immer willkommen in der Welt (siehe Johannesprolog: er kam in sein Eigentum, doch die seinen nahmen ihn nicht auf“), wie er seinen Jüngern für ihre Mission deutlich vor Augen stellt: „Wenn ihr in ein Haus kommt, so sagt als Erstes: Friede diesem Haus! Und wenn dort ein Sohn des Friedens wohnt, wird euer Friede auf ihm ruhen; andernfalls wird er zu euch zurückkehren.“ (Lk 10,5-6) Für den Frieden Christi gilt somit das Gleiche, was man heute auch gerne in der Sakramentenpastoral und generell in der Verkündigung vergisst, dass wir es nämlich nicht mit Magie zu tun haben, sondern nur Frucht bringen kann, was auf fruchtbarer Boden fällt – ebenso ist es mit dem Wort Gottes: „Die Worte Gottes vermag nur der zu hören, der aus Gott ist, dem Gott es gibt: Gnade setzt, um aufgenommen zu werden, Gnade voraus – Wahrheit setzt, um gehört werden zu können, Wahrheit voraus.“ (I.V. 168) Oder, mit Joh 8,47: „Wer aus Gott ist, hört die Worte Gottes; ihr hört sie deshalb nicht, weil ihr nicht aus Gott seid.“

Einheit: Die Bitte um „Einheit“ hat noch weniger mit der Welt zutun (das nennt sich dann eine Utopie [s.u.]); hier ist noch offensichtlicher die Kirche gemeint. Es ist die Einheit seiner Jünger, um die der Herr selbst gebetet hat und die zum Zeugnis für die Welt werden soll: „So sollen sie vollendet sein in der Einheit, damit die Welt erkennt, dass du mich gesandt hast und sie ebenso geliebt hast, wie du mich geliebt hast.“ (Joh 17,23) Beides, Einheit und Frieden, sind indes aufs engste miteinander verwoben, denn die Einheit ist eine Frucht des Friedens, wie uns Paulus mahnt: „bemüht euch, die Einheit des Geistes zu wahren durch das Band des Friedens!“ (Eph 4,3) Die Kirche erfleht darum in jeder hl. Messe den Frieden „bis wir alle zur Einheit im Glauben und der Erkenntnis des Sohnes Gottes gelangen, zum vollkommenen Menschen, zur vollen Größe, die der Fülle Christi entspricht.“ (v. 13)

Also: Beim Gebet zum Friedensgruß handelt sich nicht um ein Gebet um weltlichen Frieden, sondern um den Frieden Christi für seine Kirche – und er wird ja auch vom Priester der Gemeinde zugesprochen und von dieser wieder zurück an den Priester. Der Priester ruft nicht „Friede sei der Welt“, sondern: „(der) Friede (des Herrn) sei mit euch [die ihr an den Herrn glaubt]!“ Gemeint ist der Friede Christi, der in uns selbst und in der Gemeinschaft der Gläubigen wirkt: „Und der Friede Christi triumphiere in euren Herzen. Dazu seid ihr berufen als Glieder des einen Leibes.“ (Kol 3,15)


Feindschaft

Man sieht das Problem des säkularisierten Friedens auch an anderer Stelle, nämlich beim um den Preis der Wahrheit erkauften friedlichen Dialog, der den Konflikt meidet wie nichts anderes. „Bei Paulus 2 Kor 6, 14 ff. ‚Zieht nicht an einem Joch mit den Ungläubigen [...], denn was hat der Gläubige mit dem Ungläubigen zu schaffen?‘ Gibt es im heutigen Denken der offiziellen Kirche noch diesen Ungläubigen, der Finsternis ist (V. 14), der ein Götzendiener ist (V. 16), der es mit Belial hält? Wir kennen nur noch getrennte Brüder und anonyme Christen und suchen den Dialog mit allen, d. h. auf Deutsch, dass Wir uns um eine Tugend der Liebe bemühen fern von jeder Unterscheidung der Geister. Wessen Staub soll man noch von den Füßen schütteln? Wo sind die Säue, wer sind sie, dass man ihnen nur ja keine Perlen mehr hinwerfe?“ (I.V. 172)
Als „Feinde“ betrachten wir im besten Falle noch jene, die unsere Wirtschafts- und Regierungsform ablehnen oder die gegen die „Werte“ kämpfen, die unsere Zivilgesellschaft hochhält. Aber in dem Moment, da die Christen nur noch diejenigen als ihre Feinde betrachten, die auch von dem sie umgebenden gesellschaftlichen Mainstream als solche gesehen werden, haben sie eigentlich schon verloren. (Es sei angemerkt, dass das Gebot der Feindesliebe nicht besagt, den Begriff des Feindes abzuschaffen oder gar die Ferindschaft durch den Kompromiss und eine zu erlangende Harmonie zu ersetzen. Es meint im Letzten die Mühe, den Feind zu Retten, d.h. ihn zur Umkehr zu bewegen!)

Wenn wir niemanden als unseren Feind betrachten dürfen, dann müssen wir uns folgerichtig auch ständig darum bemühen, von anderen nicht als Feinde wahrgenommen zu werden. Man darf sich an uns also nicht stoßen. Undenkbar ist es darum für die meisten unserer deutschen Bischöfe, von der Welt verachtet oder auch bloß „nicht gemocht“ zu werden. Sie sind in der großen Mehrheit die Lieblinge der Nation. Gegenbeispiele waren Dyba oder Meisner, die aber genau darum auch überhaupt ernstgenommen wurden; die meisten unserer aktuellen Bischöfe werden von der Welt für ihre liberalen Haltungen geschätzt, aber nicht wirklich ernstgemnommen (man bezeichnet solche Leute auch als „nützliche Idioten“, weil sie einem eigentlich egal sind, aber für die eigene Agenda sind sie brauchbar). Leider trifft das erschreckend häufig auch auf Papst Franziskus zu (Beweis: der Film "Die Zwei Päpste" ist ein Werbefilm, der mit subtilen und weniger subtilen Mitteln Benedikt als den senilen, verbitterten und menschenfeindlichen Doktrinär darstellt, und Franziskus als den ausgeglichenen, schlauen Menschenfreund der nur Gutes will... die Realität sieht natürlich anders aus). Anstößiges findet sich kaum noch, und wo es in geringem Umfang auftaucht, wird es ignoriert. Die Grundhaltung scheint heute in der Kirche zu sein: Wenn sich die Welt an uns stört, machen wir etwas falsch, also müssen wir uns und unsere Botschaft anpassen. „Aber in unserer hektischen Anpassungsbemühung bemühen wir uns erstens darum, nicht mehr verkannt zu werden, und damit das den anderen möglich ist, lassen wir zweitens alles fallen, was schwer oder gar nicht erkennbar ist, bzw. nur im Glauben...“ (I.V. 171) Die Grundhaltung Jesu und derer, die ihm konsequent nachfolgen, ist eine andere, der Herr hat es mehr als deutlich gemacht: „Und ihr werdet gehasst werden von jedermann um meines Namens willen.“ (Mt 10,22) Nur auf diesem Wege ist die Seligkeit zu finden: „Wer aber bis an das Ende beharrt, der wird selig.“ (ebd.) Die Warnung steht: Wer der Welt Freund sein will, der wird Gottes Feind sein.“ (Jak 4,4)

Jesu Verheißung für seine Kirche ist es nicht, dass sie auf der Welt den Dialog fördern und Frieden schaffen wird, sondern vielmehr, dass sie Hass und Verfolgung erfahren wird: „Haben sie mich verfolgt, so werden sie auch euch verfolgen.(Joh 15,20) Gleicherweise ist Gerechtigkeit nicht etwas, was die Kirche in der Welt herzustellen hat, sondern um der Gerechtigkeit willen wird die Kirche verfolgt werden – aber nicht eine gerechte Güterverteilung ist gemeint, sondern die „Gerechtigkeit vor Gott“ (Röm 1,17; 3,22): „Denn er hat den, der von keiner Sünde wusste, für uns zur Sünde gemacht, auf dass wir in ihm die Gerechtigkeit würden, die vor Gott gilt.“ (2 Kor 5,21) Diese Verfolgung der Kirche um der Gerechtigkeit willen d.h. die von der Welt ausgehende Feindschaft berührt übrigens in keiner Weise den Frieden, den Jesus gebracht hat: „Dies habe ich zu euch gesagt, damit ihr in mir Frieden habt. In der Welt seid ihr in Bedrängnis; aber habt Mut: Ich habe die Welt besiegt.“ (Joh 16,33)


Wachsamkeit

Wir müssen auch aufpassen, nicht selbst in diese alles genuin Christliche säkularisierende Verirrung zu geraten. Wir müssen gut hinhören, was uns in der Kirche an Begriffen und Konzepten begegnet und uns immer wieder klar machen, was Sache ist: „Unsere Gefahr, alles zu verwechseln, wird immer größer: unsere Liebe zu den Menschen ist noch nicht die Liebe Christi, unser Friedenswille nicht jener aus dem Herzen Jesu, unser Opfer nicht schon Sein Opfer.“ (I.V. 170)
Wir stehen in der Gefahr, eine rein säkulare Friedens-, Gerechtigkeits- und Umweltschutzkirche zu werden. Doch die Kirche Christi ist eine ganz andere, denn sie kommt vom Kreuz und muss durch das Kreuz zum Leben. „Wir haben die Unterscheidung verloren, weil wir auch vergessen haben, dass das Kreuz das unüberholbare Stigma christlicher Existenz zu sein hat. Es steht nicht nur am Anfang des Weges, es steht auch an seinem Ende, bis zu dem hin man es tragen muss – jeder sein eigenes und alle zusammen als Kirche das Kreuz Christi: Schmähung, Leid, Verkennung...“ (I.V. 171) Das bedarf der ständigen Unterscheidung und des Bewusstseins, dass wir als Christen zwar in der Welt, aber nicht von der Welt sind: „Wenn ihr von der Welt stammen würdet, würde die Welt euch als ihr Eigentum lieben. Aber weil ihr nicht von der Welt stammt, sondern weil ich euch aus der Welt erwählt habe, darum hasst euch die Welt.“ (Joh 15,19) ... Tut sie es noch? Wenn nicht, dann machen wir etwas falsch! Friede ist eine Folge der Erkenntnis Jesu, d.h. des Bekenntnisses zu ihm (vgl. 2 Petr 1,2), alles andere ist entweder bloß irdischer oder schlicht falscher, trügerischer Friede.


Zukunft

Christen dürfen und sollen sich für eine bessere Zukunft der Menschen einsetzen. Aber die Zukunft auf Erden ist nicht das, worum es den Christen im Letzten gehen darf. Sie müssen stets weiter blicken und hinweisen auf das ewige Leben. Außerdem hängt das sowieso nicht an uns: Es gibt für die Sorge um die Zukunft etwa des Planeten bereits viele kompetente Leute, dafür braucht es weder Christus noch Kirche. Worum es geht, worauf es ankommt, wozu es Christus und seine Kirche braucht, ist die Ewigkeit und das, was davor kommt: Das Gericht. Der Christ muss vor allem anderen um das Heil der Seelen bei Gott, nicht um irdisches Glück und Wohlergehen bemüht sein. Diese haben ihre Berechtigung (wie eingangs erwähnt, gibt es hier auch eine Wechselwirkung), aber sie dürfen nicht letztes Ziel sein, sonst besteht die Gefahr, dem Gericht zu verfallen:Man richtet sich ein in einem Entwicklungsdenken, das mit weiteren Jahrmillionen rechnet; für mich ist das Gericht im vollen Gange, das Ende der Zeiten immer schon hineinwirkend in die Gegenwart, die mit der Endzeit verbundene Drangsal von Jahr zu Jahr beklemmender spürbar.“ (I.V. 173)
Es wird nie eine friedliche und geeinte Welt geben, denn der Mensch bleibt Sünder. Schon der Versuch, eine solche Utopie herzustellen, endet erfahrungsgemäß immer in unsäglichem Leid. Den „Friedensfürst“ für eine Utopie in Anspruch zu nehmen grenzt an Blasphemie und Götzendienst. Leider haben wir in der Kirche schon fast gänzlich das Reich Gottes durch die Utopie, und die Ewigkeit Gottes durch die bessere Zukunft für die Menschen“ ersetzt und gar nicht bemerkt, dass wir uns damit von Gott abgewendet haben... Eine friedliche Dialogwelt ist nicht die Zukunft, die die Christen erwarten. „Dieser grenzenlose Optimismus, mit dem die Kirche diesen Dialog begonnen hat, ist für mein Empfinden ein Schalwerden des Salzes, die Welt würde sich wehren, wenn es wirklich die Botschaft Christi wäre“ (I.V. 116). So hilfreich ein Dialog für das Verstehen des Gegenübers ist, er bleibt zeitgebunden und darf nie gegen die Wahrheit der Erlösung allein durch Christus stehen. Christen dürfen eine friedliche Dialogwelt genau genommen nicht einmal erhoffen, denn das wäre eine irrige Hoffnung die im Widerspruch zu dem steht, was wir bereits aus der Offenbarung über die Zukunft wissen:
Ihr werdet hören von Kriegen und Kriegsgeschrei; seht zu und erschreckt nicht. Denn es muss geschehen. Aber es ist noch nicht das Ende. Denn es wird sich ein Volk gegen das andere erheben und ein Königreich gegen das andere; und es werden Hungersnöte sein und Erdbeben hier und dort. Das alles aber ist der Anfang der Wehen. Dann werden sie euch der Bedrängnis überantworten und euch töten. Und ihr werdet gehasst werden um meines Namens willen von allen Völkern. Dann werden viele zu Fall kommen und werden sich untereinander verraten und sich untereinander hassen. Und es werden sich viele falsche Propheten erheben und werden viele verführen. Und weil die Missachtung des Gesetzes überhandnehmen wird, wird die Liebe in vielen erkalten. Wer aber beharrt bis ans Ende, der wird selig. Und es wird gepredigt werden dies Evangelium vom Reich in der ganzen Welt zum Zeugnis für alle Völker, und dann wird das Ende kommen.“ (Mt 24,6-14)

Ewigkeit

Diese Zukunft ist im Übrigen nichts, wovor man sich fürchten sollte. Im Gegenteil: Sie ist voller Hoffnung, weil Jesus schon gesiegt hat. Auf die Zukunft (die ja nur irdisch-zeitlich sein kann) folgt das, worauf Christen hoffen: Die Ewigkeit. Wer diese Ewigkeit nicht erhofft, sondern nur nach (einer besseren) Zukunftstrebt, ist kein Christ. Wer sich selbst bzw. die Welt statt durch die Drangsal durch Friede und Dialog in diese Ewigkeit zu überführen versucht, der versucht sich am Kreuz vorbei zu mogeln er leugnet eigentlich das Kreuz und zugleich das Schicksal des Gottesvolkes: An den Juden kann man Maßstäbe gewinnen für die Christen: so sollte es und so muss es einmal dem neuen Gottesvolk gehen: so verfolgt, so heimatlos, so unintegrierbar, wo immer sie sich niederlassen Maßstäbe für das, was Gotteszugehörigkeit und Gottesgericht ist.(I.V. 119) Der Weg zur Auferstehung führt nicht am Kreuz vorbei, darum dürfen wir uns nie in falscher Sicherheit wähnen und uns an ihr berauschen (wie die Ungläubigen), sondern wir sollen uns rüsten für das, was kommt: Ihr selbst wisst genau, dass der Tag des Herrn kommt wie ein Dieb in der Nacht. Während die Menschen sagen: Friede und Sicherheit!, kommt plötzlich Verderben über sie wie die Wehen über eine schwangere Frau und es gibt kein Entrinnen. [...] Wir aber [...] wollen nüchtern sein und uns rüsten mit dem Panzer des Glaubens und der Liebe und mit dem Helm der Hoffnung auf Rettung. Denn Gott hat uns nicht für das Gericht seines Zorns bestimmt, sondern dafür, dass wir durch Jesus Christus, unseren Herrn, die Rettung erlangen.“ (1 Thess 5,2-3.8-9)


Weihnachten zeigt uns hier den Weg schon im (alternativen) Eröffnungsvers der Heiligen Nacht: „Freut euch im Herrn, heute ist uns der Heiland geboren. Heute ist der wahre Friede vom Himmel herabgestiegen.“