Dienstag, 26. November 2019

Der Heilige Geist über dem Katechismus

Als Ergänzung zu meinen Beiträgen HIER und HIER.
Aus einer Predigt von Joseph Ratzinger zu Christkönig 1992 (JRGS 14, 1132):

»Ich bin überzeugt, dass dieser Katechismus [der katholischen Kirche], der uns jetzt an der Schwelle des dritten Jahrtausends gegeben wird, ein providentielles Geschenk der Kirche für uns ist. Auf dem langen Weg der sechs Jahre, auf dem wir diesen Text, nicht ohne Schwierigkeiten, ausgearbeitet haben, glaubten wir oft förmlich die höhere Hand zu spüren, die uns führte, wenn es darum ging, jemanden zu finden, der einen bestimmten Teil schreiben könne, wer über einen anderen aufklären könne, wer gegensätzliche Geister koordinieren und befrieden könne, wer zwischen zwei anscheinend unvereinbaren Positionen die Verbindung herstellen könne. Wenn es uns schien, keine Antwort finden zu können, ist sie plötzlich von einem anderen gekommen. Ein Unternehmen, das am Anfang als fast unmöglich eingeschätzt werden konnte, wurde möglich mit einer ständig vorhandenen spürbaren und gleichsam berührbaren göttlichen Hilfe, der Vorsehung unseres Herrn.

Aber wir wissen auch, dass ein Buch für sich genommen toter Buchstabe bleibt, dass ein Buch nur Gegenwart des Evangeliums sein kann, wenn es gegenwärtig wird durch Personen, die seinen Inhalt leben und mitteilen, weil es in ihrem Leben gegenwärtig ist und verwirklicht wird. Das Buch allein, das Buch, das nur Buch bleibt, ist toter Buchstabe.«

Donnerstag, 21. November 2019

Diakone an den Altar!

Der Papst warnte neulich - berechtigterweise - vor einer Klerikalisierung der Laien (HIER). Kurios ist, dass er auch ausführlich über die Diakone spricht, so als wären diese Laien. Es geht mir hier um die Aussage, die Bischöfe sollten die Diakone von den Altären wegholen.
Fr Hunwicke hat sich der Sache dankenswerterweise schon angenommen (HIER).

Ich habe mich auf diesem Blog mit expliziter Kritik am Papst sehr zurückgehalten (siehe dazu HIER). Aber es ist nicht zu leugnen, dass viele offizielle, halboffizielle und inoffizielle Äußerungen (und Erlasse, bis hin zu Gesetzestexten) dieses Pontifex ein eklatantes Bildungsdefizit in theologischen (und anderen) Sachgebieten offenbaren. Das ist mal mehr, mal weniger offenkundig, in diesem Fall aber himmelschreiend.

Ich kann es nicht verstehen... ich kann nicht verstehen, wie ein Papst einen solch eklatanten Mangel an theologischer Bildung haben kann. In einer Hochschulprüfung in Sakramentenlehre wäre ein Student, der soetwas sagt, durchgefallen.
Und auch das muss erwähnt sein: Der Papst ist Bischof. Als solcher hat er alle drei Weihestufen durchlaufen und ist somit auch Priester und auch Diakon. Ein Defizit im intellektuellen Verständnis des Diakonats wäre an sich ja nicht soo schlimm, es ließe sich leicht korrigieren indem man ihm ein gutes Buch in die Hand drückt. Aber hier handelt es sich offenbar auch um einen Mangel an spiritueller Durchdringung. Wenn ein Diakon (der Papst ist auch dies) nicht weiß, was seine Aufgaben sind und was, damit eng zusammenhängend, seine Identität ist, ist das durchaus problematisch.

Natürlich gehört der Diakon an den Altar, denn am Ursprung dieses Dienstes steht an erster Stelle die Assistenz des Bischofs in der Verkündigung des Evangeliums während der Liturgie und in der Austeilung der Kommunion.

»Daher ist es notwendig - wie ihr es ja haltet - dass ihr ohne den Bischof nichts tuet, und dass ihr vielmehr auch dem Presbyterium euch füget wie den Aposteln Jesu Christi, unserer Hoffnung, in dem wandelnd wir erfunden werden sollen. Auch ist es nötig, dass die Diakonen, welche Geheimnisse Jesu Christi verwalten [d.i. die Austeilung der Kommunion], auf jede Weise allen genehm seien. Denn sie sind nicht Diener für Speise und Trank, sondern Gehilfen der Kirche Gottes.« (Ignatius von Antiochien, gestorben um 110, Schüler des Apostels Johannes, in seinem Brief an die Trallianer 2,2-3)

»In der Hierarchie eine Stufe tiefer stehen die Diakone, welche die Handauflegung "nicht zum Priestertum, sondern zur Dienstleistung empfangen". Mit sakramentaler Gnade gestärkt, dienen sie dem Volke Gottes in der Diakonie der Liturgie [man beachte, dass dies als erster Punkt genannt wird!], des Wortes und der Liebestätigkeit in Gemeinschaft mit dem Bischof und seinem Presbyterium. Sache des Diakons ist es, je nach Weisung der zuständigen Autorität, feierlich die Taufe zu spenden, die Eucharistie zu verwahren und auszuteilen, der Eheschließung im Namen der Kirche zu assistieren und sie zu segnen, die Wegzehrung den Sterbenden zu überbringen, vor den Gläubigen die Heilige Schrift zu lesen, das Volk zu lehren und zu ermahnen, dem Gottesdienst und dem Gebet der Gläubigen vorzustehen, Sakramentalien zu spenden und den Beerdigungsritus zu leiten.«  (Zweites Vatikanisches Konzil, Dogmatische Konstitution Lumen Gentium über die Kirche, Abschnitt 29)

»Aufgabe der Diakone ist es unter anderem [man beachte die Reihenfolge!], dem Bischof und den Priestern bei der Feier der göttlichen Geheimnisse, vor allem der Eucharistie, zu helfen, die heilige Kommunion zu spenden, der Eheschließung zu assistieren und das Brautpaar zu segnen, das Evangelium zu verkünden und zu predigen, den Begräbnissen vorzustehen und [obacht!] sich den verschiedenen karitativen Diensten zu widmen.« (Katechismus der katholischen Kirche, Nr. 1570)


Fragt sich, ob dahinter eine Agenda steht: Erst wird die Weihestufe des Diakons umdefiniert und weit weg geschoben vom priesterlichen Dienst an der Eucharistie, um so Bedenken bezüglich der Weihe von "Diakoninnen" zu sedieren: "Schau, das hat doch mit dem 'eigentlichen' Weiheamt des Priesters nichts zu tun!" Und wenn die Zeit reif ist, schiebt man den Diakon bzw. die Diakonin wieder an den Altar zurück: "Schau, soviel unterscheidet ihn/sie eh nicht vom Priester, dann können wir auch gleich Priesterinnen weihen!"
Getreu dem Motto, dass man nie Böswilligkeit (oder eine Agenda) unterstellen sollte, wenn Dummheit (oder Bildungsmangel) als Erklärung ausreicht, scheint es mir jedoch eher wahrscheinlich, dass es hier tatsächlich einfach ein Fall von Ignoranz ist. Bei einem Papst nicht nur traurig und schade, sondern auch höchst gefährlich.

Freitag, 1. November 2019

Joseph Ratzinger über den Zölibat

Aus aktuellem Anlass. Aus einem Brief des damaligen Bischofs von München und Freising (1977), Joseph Kardinal Ratzinger, an Prof. Richard Egenter, in Reaktion auf einen Beitrag desselben in „Stimmen der Zeit“. Entnommen: JRGS 12, 154-158.


[…] Wenn der Zölibat der Weltpriester nicht eine gemeinschaftliche kirchliche Form ist, sondern eine private Entscheidung, dann verliert er seinen wesentlichen theologischen Gehalt und seine entscheidende persönliche Fundierung, denn dann hört er auf, ein von der Kirche getragenes Zeichen zu sein und wird zur privaten Absonderlichkeit. Dann ist er nicht mehr zeichenhafter Verzicht um des im Glauben übernommenen Dienstes willen, sondern Eigenbrötelei, die deshalb mit gutem Grund verschwindet.
[…] Wichtiger ist zum andern das Prinzipielle, um das es geht: Ihre Argumentation setzt voraus, dass als Zölibatäre nur Menschen passen, die ohnedies nicht heiraten wollen oder können. Aber damit steht doch alles auf dem Kopf. Der Zölibat ist ein sittlich und religiös belangvolles Phänomen nur und gerade dadurch, dass Menschen um Gottes und seines Dienstes willen auf den grundlegenden menschlichen Wert der Ehe verzichten, die an sich zur Ehe fähig und willens wären. Wenn der Kreis der Zölibatäre ein Verein von Hagestolzen ist, ist er nichts wert. Wichtig wird er allein dadurch, dass Menschen um des Herrn willen und um in der Kirche das gemeinschaftliche Zeichen ihrer Hoffnung auf den Herrn zu geben, das preisgeben, was sie nicht preisgeben Würden, wenn nicht dieses gemeinschaftliche und öffentliche Zeichen ihnen einen neuen Aufttrag und eine neue Weise der Erfüllung setzen würde.
[…] Wenn Sie vom Charisma der Ehelosigkeit sprechen, sieht es so aus, als sei das Charisma eine naturale Angelegenheit, die man hat, wie man Zähne oder Augen hat. Nun können auch Zähne ausfallen und Augen schwach werden, d. h., auch die Gaben der Natur sind nicht schlicht da, sondern bedürfen der Pflege. […] Die Zerbrechlichkeit des Charismas ist eher noch größer; jedenfalls ist es nicht einfach »da«. »Charisma« der Ehelosigkeit bedeutet, dass mir im Ringen mit dem Herrn und mit mir selbst, im Mitglauben und Mitleben mit der Kirche, im Getragenwerden durch die Menschen in ihr, ihr Gebet, ihr Wort, ihr Dienen und Leiden die Kraft wird, mich einem Ruf zur Verfügung zu stellen, der mir zugemessen ist, und diesen Ruf in allen seinen Dimensionen zu bestehen, in ihn hineinzureifen Tag um Tag, durch Abstiege und Aufstiege, durch Regen und Sonne hindurch, wie es dem Vorgang des Reifens wesentlich ist. […] Weil es so ist, kann das Zutrauen zum Zölibat in den jungen Menschen zerredet werden und das beweist dann nicht, dass sie kein »Charisma« haben, sondern dass dem Charisma der Raum verbaut worden ist. Dass es heute weniger »Berufungen« gibt als in Ihrer und in meiner Generation, liegt doch nicht daran, dass Gott sich weniger um die Kirche kümmert oder dass er sich etwas anderes für sie ausgedacht hat, sondern daran, dass die Kirche müde geworden ist und ihm keinen Einlass gewährt. Wie soll sich ein junger Mensch für das eschatologische Abenteuer des Zölibats entscheiden können, wenn die Kirche selbst nicht mehr zu wissen scheint, ob sie es noch wollen soll? Im Drama der Entscheidung wiegt jedes Wort, und allzu leicht kann man den Boden in einem Augenblick wegziehen, der über Ia oder Nein, über die Kraft des Bestehens oder die Unkraft des Zurückweichens definitiv entscheidet.
[…] Natürlich ist er heute in vieler Hinsicht ungleich schwerer als vor fünfzig Jahren. Aber die sexuelle Verwilderung, die die Menschen mit ihren Produkten an jeder Straßenecke überfällt, steht doch der Ehe genauso entgegen wie dem Zölibat. […] Auch die Ehe kann nur im Widerstand gegen die »Atmosphäre« von heute gelebt werden, und die unter Klerikern manchmal genährte Vorstellung, man brauche nur in die Ehe zu fliehen, um alle Probleme los zu sein, verkennt doch den Trend des Heute ebenso wie den inneren Anspruch der Ehe, die im Mut und der Geduld derer, die den Weg des Zölibats gehen, ihre stärkste Stütze und Bejahung findet.
Schließlich: Natürlich gibt es Zölibatsverfehlungen und ungünstige psychische Auswirkungen, wo er unter falschen Voraussetzungen angegangen wurde. Aber auch das sollte man nicht verbergen, dass die Ehe vor ähnlichen Gefahren keineswegs immunisiert. Und über den Negativa sollten wir doch nicht vergessen, wie viele reife und große Gestalten in der Schule des Priestertums der katholischen Kirche herangewachsen sind; hätte es sie nicht gegeben, hätten wir doch alle nicht den Weg zu diesem unzeitgemäßen und gerade darin so zeitgemäßen Wagnis gefunden.
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