Freitag, 16. November 2012

Misstrauen statt Verkündigung

In der modernen Exegese, wie sie an handelsüblichen theologischen Fakultäten betrieben wird, kann man stets eine faszinierende Beobachtungen machen.

Den biblischen Texten unterstellt man grundsätzlich außerordentlich unzuverlässig/falsch zu sein. Das ist gewissermaßen die Prämisse dieser Exegese. Wenn also, um nur ein Beispiel zu nennen, bei den Synoptikern nur ein einziger Besuch Jesu in Jerusalem erzählt wird, bei Johannes aber mehrere, dann wird erklärt, dass nur bestenfalls eine Version die Richtige sein könne, nämlich entwedert die Synoptische oder die Johannäische.
Dass es freilich nicht sehr weit hergeholt wäre anzunehmen, dass die Synoptiker einfach nicht jede Reise Jesu beschrieben haben und sich auf seinen letzten Aufenthalt in Jerusalem als Kulminationspunkt beschränkten (es wird ja nirgends behauptet, dass dies der Erste und Einzige Besuch dort gewesen ist), versteht sich von selbst. Daraus ergibt sich dann die Hypothese, die den Evangelisten unterstellt, zwei sich widersprechende Geschichten zu erzählen: Johannes würde Jesus als Judäer schildern und die Synoptiker als Galiläer... Doofe Evangelisten, bekommen nichmal seine Herkunft richtig zusammen! Natürlich ließt man nirgends, dass diese Hypothese schon allein dadurch fragwürdig ist, dass Jesu Familie in Galiläa (in Kana) zu einer Hochzeit eingeladen ist... nein: dieser "kurze Aufenthalt" in Galiläa dient als Beleg dafür, dass Jesus eigentlich aus Judäa stammte. Und so geht es weiter. Man hangelt sich entlang und was nicht zur Grundhypothese ("die Berichte sind falsch") passt, wird passend gemacht.

Die ganze Angelegenheit mit der Datierung der synoptischen Evangelien auf "nach 70" beruht einzig und allein auf der Gerichtsrede Jesu in Mk 13, bei der von der Zerstörung Jerusalems berichtet wird.. folglich muss es nach der Zerstörung Jerusalems entstanden sein... dass aber diese Gerichtsrede zugleich mit der Zerstörung Jerusalems auch das Weltende schildert und es sich darum als Bericht eines vergangenen Ereignisses nicht so ganz eignet, wird selten erwähnt.

Dieses grundsätzliche Misstrauen gegenüber den Evangelien führt dazu, dass die Exegese jeder Spur von Verkündigung und Bekenntnis fehlt. Dass die Heidin in Mk 7 Jesus "Sohn Davids" nennt wird zum Anlass genommen, die Authentizität des Berichts infrage zu stellen, anstatt zu fragen, was das zu bedeuten hätte, wenn es doch authentisch sein sollte.

Exegese, Bibelkritik, ist heute in den meisten Fällen nurnoch "Kritik" im übelsten Sinn: nicht mehr eine "Besprechung", wie das noch Kant verstand, sondern eine Beanstandung. Es bringt für die Verkündigung nichts. Ich habe, von ein paar abzählbaren Sinnsprüchen und Faktenfetzen abgesehn, in den vergangenen Jahren nicht eine NT-Vorlesung gehört, in der auch nur irgendetwas gesagt wurde, das der Verkündigung dienen könnte. Es wird so viel über den "historischen Jesus" gelabert, als gäbe es nichts anderes. Und lachhaft ist das allein schon darum, weil man stets bemüht ist die Zeugnisse, die die Evangelien über diesen Jesus liefern, zu dekonstruieren. Man sucht also nach etwas, tut aber zugleich alles um die Wege es zu finden zu versperren.

Das ist alles nichts Neues... es gab immer schon "Theologen" die allerlei häretisches, blödes, falsches über Jesus lehrten. Viele iher Gegner verehren wir heute als Heilige und Kirchenväter.

Wie schön ist es da, dass es noch glaubwürdige "Kritiker" der Evangelien gibt. Zu nennen sind hier etwa Klaus Berger, Carsten-Peter Thiede oder auch Peter Stuhlmacher. Aber die kommen freilich nicht so groß raus, denn nur wer "provoziert", wer kühne Thesen vertritt die das "Bisherige" (scheinbar) ins Wanken bringen, der macht sich einen Namen. Exegese ist über weite Strecken so ein verfaultes Fach. Bäh! Und leider nehmen andere Fachbereiche das nur zu gern auf... müssen sie zu einem gewissen Grad ja auch!

Dagegen ein Bekenntnis von Hermann-Josef Vogt (*1932), Professor für Alte Kirchengeschichte, Patrologie und Christliche Archäologie an der Theologischen Fakultät der Universität Tübingen: 
»Der Gottlogos ist wahrhaftig Fleisch geworden; er, der in der Gottesgestalt war, hat Knechtsgestalt angenommen; er, der reich war, ist unseretwegen arm geworden; der Herr der Herrlichkeit wurde gekreuzigt; er ist wahrhaftig Gott und wahrhaftig Mensch, vollständig in der Gottheit und vollständig in der Menschheit! Das heißt: er hat eine menschliche Natur, er hat einen menschlichen Willen, er hat ein menschliches Erkenntnisvermögen, er erkennt und denkt und will und handelt zwar göttlich, aber auch menschlich, so wie wir.« (aus: Brandmüller [Hg.] 1995)

Das wollt' ich nur mal sagen. :)

2 Kommentare:

  1. Was heißt denn hier, Jesus sei bei den Synoptikern nur einmal in Jerusalem gewesen, wo er doch lt. Lukas schon als Baby und dann mit 12 Jahren in Jerusalem war ... upps, verstehe, Einzelmeinung, Kindheitserzählungen, Legendenbildung, apokryphe Einwanderung ... alles klar: Herr, ich glaubs nicht, hilf meinem Glauben ... ;-)

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Den Kindheitserzählungen irgendeinen historischen Wert beizumessen ist ja sowas von Mittelalter. :P
      Bin gespannt auf den dritten Band des päpstlichen Jesusbuches...

      Löschen

Ich freue mich über Meinungen, (sinnvolles) Feedback und Hinweise aller Art. Fragen sind auch immer willkommen, eine Garantie ihrer Beantwortung kann ich freilich nicht geben. Nonsens (z.B. Verschwörungstheorien, atheistisches Geblubber und Esoterik) wird gelöscht. Trolle finden hier keine Nahrung.