Freitag, 20. Juli 2012

Musikalische Christologie

David im Vespasianpsalter (um 800)
Nachdem ich neulich schon ein bisschen frühchristliche Christologie geteilt habe, hier nun ein Schmankerl, das man als "musikalische Christologie" bezeichnen könnte.

Titus Flavius Klemens, besser bekannt als Klemens von Alexandrien († 215), wendet sich im ersten Teil seiner großen Trilogie (Protreptikos, Paidagogos, Stromateis) gegen die "Sänger" der heidnischen Mythen, die mit ihrer Musik die Menschen verführen zum Götzendienst und zur Unmenschlichkeit.
In unserer lauten Welt, in der wir ständig mit den Fanfaren des Mammons und den Jingles der Werbung beschallt werden, hat das eine ungeahnte Aktualität.

»Nach meiner Ansicht waren [sie] Betrüger, die unter dem Deckmantel der Musik Unheil über das Menschenleben brachten [...].

Aber nicht so ist  m e i n  Sänger; er ist gekommen, um binnen kurzem die bittere Knechtschaft der tyrannischen Dämonen zu zerstören; und indem er uns zu dem sanften und menschenfreundlichen Joche der Frömmigkeit hinführt, ruft er die auf die Erde Geschleuderten zum Himmel zurück.

[...]

Sieh, was das neue Lied vollbrachte: Menschen hat es aus Steinen, Menschen aus Tieren gemacht. Und die sonst wie tot waren und keinen Anteil am wahren Leben hatten, sie wurden wieder lebendig, sobald sie nur Hörer des Gesanges geworden waren.

Dieser gab auch dem All eine harmonische Ordnung und stimmte den Mißklang der Elemente zu geordnetem Wohlklang, damit die ganze Welt ihm zur Harmonie werde; und das Meer ließ er ungefesselt, verbot ihm aber, das Land zu überfluten; und wiederum legte er die Erde, die frei umhertrieb, vor festen Anker und machte sie zur starken Grenze des Meeres; ja auch des Feuers Ungestüm milderte er durch Luft, indem er gleichsam dorische und lydische Melodie vermischte; und die rauhe Kälte der Luft linderte er durch die Beifügung des Feuers, indem er so diese äußersten Töne des Alls harmonisch verband.   

Und dieses reine Lied, die feste Grundlage des Alls und die Harmonie der Welt, die sich von der Mitte bis an die Enden und von den äußersten Grenzen bis in die Mitte erstreckt, hat dieses All harmonisch gemacht, nicht nach Art der Musik des Thrakers, die der des Jubal ähnlich ist, sondern nach dem väterlichen Willen Gottes, den David zu erfüllen bestrebt war.  

Der göttliche Logos aber, der von David stammt und doch vor ihm war, verschmähte Lyra und Harfe, die leblosen Instrumente, erfüllte durch den Heiligen Geist diese Welt und dazu auch die Welt im Kleinen, den Menschen, seine Seele und seinen Leib, mit Harmonie und preist Gott mit diesem vielstimmigen Instrument und singt zu dem Instrument, dem Menschen. „Denn du bist mir Harfe und Flöte und Tempel“, Harfe wegen der Harmonie, Flöte wegen des Geistes, Tempel wegen des Logos, damit die Harmonie die Harfe schlage, der Geist die Flöte blase, der Tempel den Herrn aufnehme. 

Ja, der König David, der Harfenspieler, den wir soeben erwähnten, ermahnte zur Wahrheit, mahnte ab vom Götzendienst und war weit davon entfernt, die Dämonen zu besingen, die er vielmehr durch wahre Musik verscheuchte, wie er auch allein durch seinen Gesang den Saul heilte, als er von jenen besessen war. Zu einem schönen, von Geist erfüllten Instrument hat der Herr den Menschen gemacht nach seinem Bilde; denn auch er selbst ist ein melodisches und heiliges Instrument Gottes voll Harmonie, überweltliche Weisheit, himmlischer Logos.«
(Klemens v. Alexandrien, Protreptikos 1)

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