Donnerstag, 8. April 2021

Franziskus an die deutschen Katholiken 3

Siehe Teil 1 und Teil 2 dieser kleinen Serie: hier und hier.

 

Anbetung ist, noch vor Lobpreiskonzerten und eucharistischer Anbetung, ein Grundzug christlicher Lebensgestaltung, der Reife und Übung im geistlichen Leben erfordert. Im Kern geht es gleichermaßen um Staunen und Gehorsam, in einem Wort: Unterwerfung unter den Thron Gottes – nicht wir bestimmen, sondern der Herr. Ist dies nicht gegeben, dann fällt der Mensch ins Gegenteil, nämlich indem er sich selbst, menschliche Erkenntnis oder irgendwelche anderen Götzen anbetet - selbst wenn er behauptet, dies nicht zu tun. Am Hochfest der Erscheinung des Herrn dieses Jahres hat Papst Franziskus das schön ins Wort gebracht:

»Die Anbetung erfordert eine gewisse geistliche Reife, man gelangt an dieses Ziel nach einer inneren, manchmal langen Reise. Die Haltung der Anbetung entsteht nicht einfach so in uns. Ja, der Mensch braucht Anbetung, aber er läuft dabei Gefahr, dass sie auf das Falsche gerichtet ist. Wenn er nämlich nicht Gott anbetet, wird er Götzen anbeten – es gibt keinen Mittelweg: entweder Gott oder die Götzen; oder um es mit den Worten eines französischen Schriftstellers zu sagen: „Wer Gott nicht anbetet, betet den Teufel an“ (Léon Bloy) –, und so wird er statt zu einem Gläubigen zu einem Götzendiener. Das ist so: entweder – oder.« (hier)


Der Papst will mit seinem Brief an das pilgernde Volk Gottes in Deutschland" aus dem Jahr 2019 (hier) das in den Fokus rücken, was man hierzulande seit einem halben Jahrhundert zu ignorieren trachtet, und was man erst in den letzten paar Jahren zögerlich, oft auch nur dem Begriff nach (aber dann ohne Inhalt), anzunehmen beginnt: Evangelisierung. Wir sollen unsere bürokratischen Lasten und ideologischen Scharmützel zugunsten der Freiheit des Evangeliums loswerden um frei zu sein, „frei zur Evangelisierung und zum Zeugnis“ (Nr. 12). Franziskus bringt diese prioritäre Ausrichtung des christlichen Tuns ausdrücklich (siehe Fußnote 43) in Verbindung mit dem, was Romano Guardini vor vielen Jahren als „Anbetung“ beschrieb.

Wie schon in den letzten beiden Teilen dieser Miniserie, meine ich, dass der Papst sehr bewusst eine kleine Auswahl vorzüglicher katholischer Literatur in seine Fußnoten gesetzt hat, um uns Orientierung zu bieten. Also schauen wir doch mal bei Guardini rein um genauer zu sehen, was uns Papst Franziskus sagen will. Wie schon bei den anderen Texten, auf die Franziskus uns in seinem Brief hinweist, so spricht auch Guardini hier sehr deutlich einige Dinge an, die passgenau auf aktuelle Reformbestrebungen in Deutschland anwendbar sind, weil dort genau der falsche Weg gegangen wird. Guardini (Hervorhebungen von mir):

»[D]er Mensch, der Gott anbetet, kann nie vollständig aus der Ordnung kommen. Wer – seiner innersten Gesinnung nach und auch, sobald es dafür zeit ist, wirklich, im lebendigen Akt – Gott anbetet, ist in der Wahrheit behütet. Er mag noch so vieles falsch machen; noch so sehr erschüttert werden und ratlos sein – im Letzten sind die Richtungen und Ordnungen seines Lebens sicher.

Wir tun gut, uns das ganz klar zu machen und danach zu handeln wirklich zu handeln; die Anbetung wirklich zu üben. Das ist kein Vorsatz unter anderen, so wie man etwa sagt: „ich will mein Wort halten“, oder „ich will meine Arbeit richtig tun“. Hier geht es um die Mitte und das Maß des Daseins. Davon, ob in unserem Leben die Anbetung ist, hängt irgendwie alles ab. So oft wir anbeten, geschieht etwas; in uns selbst und um uns her. Die Dinge werden richtig. Wir kommen in die Wahrheit. Der Blick schärft sich. So manches, was uns bedrückte, löst sich. Wir unterscheiden besser zwischen Wichtig und Unwichtig, zwischen Zweck und Mittel, Ziel und Weg. Wir sehen klarer, was gut und was böse ist. Die Verschleierungen, die das tägliche Leben bewirkt, die Verschiebungen und Verfälschungen der Maßstäbe werden wenigstens in etwa zurechtgerückt.

Es ist gesagt worden, wir müßten die Anbetung üben. Das ist wichtig. Nicht warten, bis es uns dazu drängt und sie mit Selbstverständlichkeit aus der Stunde hervorgeht. Das wird selten genug der Fall sein und, wenn wir uns darauf beschränken, immer seltener. Auch die religiösen Dinge müssen geübt werden, wenn sie gedeihen sollen. Gott verlangt die Anbetung, und unsere Seele braucht sie; so müssen wir sie als Pflicht und Dienst vollbringen.

Wenn möglich, wollen wir dazu niederknien. Das Knien ist die Anbetung des Leibes. Darin vollziehen wir die Haltung jener Gestalten mit, in denen sich die Anbetung der Erde ausdrückte, der vierundzwanzig Ältesten... Dann still werden; die Unrast des Körpers und der Seele weg tun; ruhig werden mit unserem ganzen Wesen. Im Augen blick der Anbetung sind wir nur für Gott da, für nichts sonst. Dieses Hinaustreten aus der Bedrängnis des Sorgens und Begehrens, des Wollens und Fürchtens ist selbst schon Anbetung und wirkt innere Wahrheit... Und nun sich sagen: „Gott ist hier. Ich bin vor ihm. So vor ihm, wie die Gestalten der Vision vor dem Throne. Ich sehe ihn nicht, denn alles ist ja noch irdisch und steht in der Verschlossenheit der Zeit; im Glauben weiß ich aber, daß er da ist. Er ist Gott, und ich bin Mensch. Er hat mich geschaffen. Ich bin durch ihn geworden, und in ihm habe ich mein Bestehen ...“ Und nun braucht wohl nicht weitergeschrieben zu werden. Nun muß der, den es angeht, Gott ins Angesicht schauen, seinem Gott, und ihm sagen, was sein Herz aus der Wahrheit des inneren Gegenüberstehens ihm ein gibt.

Dann wird er erfahren, wie groß die Wahrheit der Anbetung, und wie wohltätig sie ist. So manches, was ihn ängstigt, fällt ab. So manche Sorge wird gegenstandslos. Sein Wünschen und Fürchten ordnet sich. Er wird zuversichtlich und kräftig für das, was das Leben von ihm verlangt. Er fühlt sich im Innersten geborgen, und die Mitte seines Wesens gewinnt festen Stand in Gottes Wahrheit. Von da aus tritt er dann wieder in sein Leben hinaus, fähig, in den Erprobungen, die es ihm auferlegt, zu bestehen.

Die Anbetung Gottes mitten in der Verschlossenheit der Zeit hat eine besondere Schönheit. Sie eilt der kommenden Offenheit voraus. Wo immer ein Mensch anbetet, dringt die neue Schöpfung durch. Ist es nicht wunderbar, das zu vermögen? Und ist nicht auch das wunderbar, sich sagen zu dürfen, daß man Gott die Ehre gibt, während er sich selbst in den Schein der Schwachheit bescheidet? Daß man ihm der um der Wahrheit willen es auf sich nimmt, vom Willen des Menschen entehrt zu werden, die Treue hält und bekennt, auch jetzt sei er „würdig, zu empfangen den Ruhm und die Ehre und die Macht“? Es ist vielleicht das Größte, was der Mensch empfinden kann, zu wissen, daß er, der Vergängliche und in der irdischen Wirrnis Verfangene, dem sich bescheidenden Gott gibt, was ihm gebührt. Daß er diesem Gott in seinem Herzen den Thron auf richtet und so für seinen Teil die Dinge richtigstellt.« (Guardini, Glaubenserkenntnis, Würzburg 1949, 14-16)


Welcher Kontrast zum suizidalen Weg, wo das Credo zu lauten scheint: „Dialogprozesse, Diskussionen und Abstimmungen sind geistliche Prozesse“ (vgl. hier). Das Gegenteil der Anbetung Gottes ist die Anbetung der Götzen, hier heißen sie Dialogprozess, Diskussion und Abstimmung.

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