Mittwoch, 1. Januar 2020

Verweltlichter Friede

Ein paar provokante Skizzen. (Wiedereingestellt mir leichten Veränderungen)
Mit Einsprängseln aus den Tagebüchern von Isa Vermehren.


Friede
Gerechtigkeit
Freiheit
Heil
Barmherzigkeit
Erlösung
Freude
Glück
Leben
Geduld
Liebe
Umkehr
...


Worum es geht

Jeder dieser Begriffe bezeichnet eine irdische Wirklichkeit, die in christlicher Perspektive zugleich und wesentlich Verweischarakter hat auf eine ihnen verwandte göttliche Wirklichkeit: Was wir auf Erden unter Frieden verstehen deutet hin auf das, was Gott mit Frieden meint. Was wir auf Erden unter Gerechtigkeit verstehen, kann uns Hinweise geben, wie Gottes Gerechtigkeit beschaffen ist. Heilung von Krankheit gibt uns eine Ahnung, was Gott uns als Heil unserer Seelen verheißen hat. Und so weiter.
Zugleich haben wir mittels der Kirche Christi und der Sakramente hier auf Erden schon Anteil an jenen verheißenen göttlichen Wirklichkeiten. Weil das so ist, gehört es zur christlichen Sendung, sich hier auf Erden mit aller Kraft für die so bezeichneten irdischen Wirklichkeiten im Leben der Menschen einzusetzen: Christen sollen und müssen sich einsetzen für den Frieden, für Gerechtigkeit, Menschenwürde, Freiheit und, ja, auch den Schutz der Umwelt, denn jede Bedrohung für das leibliche Wohl des Menschen kann auch zu einer Bedrohung für sein seelisches Heil werden, da der Mensch kein reines Geistwesen ist, sondern seine Seele wie sein Leib zu seinem Wesen gehören. Beides ist zumal auch eingeschlossen in die christliche Auferstehungshoffnung. Es ist schließlich ein Gebot der Liebe, zu helfen und für die Schwachen einzustehen. Das unterscheidend Christliche an jedem christlich motivierten Einsatz für Friede, Freiheit, Gerechtigkeit etc. ist aber dies, dass er in der beständigen Hoffnung und im unermüdlichen Hinweisen auf die Erfüllung und Vollendung alles dessen durch Gott in seiner Ewigkeit geschehen muss und nicht auf die irdische Wirklichkeit beschränkt sein darf (das betrifft auch die Liebe selbst, s.u.). [Was die Umwelt betrifft, muss sie der Christ als Gottes Schöpfung sehen: Sie soll uns heilig sein, aber sie darf uns nie von DEM Heiligen ablenken – auch die schützenswerte Umwelt ist endlich und vergänglich; das Ziel des Menschen ist nicht sein Leben in dieser Schöpfung, sondern in der Neuen (vgl. Offb 21,5).]

In den vielen universalen wie lokalen kirchlichen Verlautbarungen sowie alltäglich in den Fürbitten, die im Rahmen der Liturgie verlesen werden, klingen diese Konzepte immer und immer wieder an und es wird unablässig um Frieden, Gerechtigkeit etc. gebetet. Ok.
Leider muss man bei genauerem Hinhören aber feststellen, dass dabei allzuoft auch zugleich ein gravierender Mangel zutage tritt, denn diese Begriffe sind meistens gänzlich säkularisiert. Heißt: Es werden nur mehr die damit benannten irdischen Wirklichkeiten bezeichnet, betrachtet, gefordert, erstrebt, erhofft. Es wird offenbar nicht mehr gesehen und ins Wort gebracht, dass sie aus christlicher Sicht einen Verweischarakter haben auf eine göttliche Realität, die mit Christus angebrochen ist. „Wir gehen heute mit dem Christentum um, wie wenn es eine Lehre wäre und nicht in erster Linie Mysterium und Gnade. Wir haben auf Grund der Verflochtenheit mit der abendländischen Kulturgeschichte das Gefühl dafür verloren, dass das Christentum in erster Linie Heilsbotschaft, Heilslehre ist, die ein transzendentes Heil meint, nicht innerweltliche Heilslehre“ (Isa Vermehren, Tagebücher [I.V.] 117). [Vgl. dazu auch die vielfältigen Mahnungen Papst Pauls VI. HIER.]
Für jeden der obigen Begriffe könnte man seine Bedeutung in der Verkündigung Jesu und der Apostel durchbuchstabieren und man würde feststellen, dass es sich im Ergebnis nicht um das handelt, was uns heute fast durchgehend in der Kirche mittels dieser Begriffe vermittelt wird. Ich möchte mich im Folgenden v.a. mit dem Begriff „Frieden“ beschäftigen, weil dieser Begriff in dieser zu Ende gehenden Weihnachtszeit wieder allgegenwärtig war.


Unterscheidung

Man betet um Frieden und meint damit den Frieden in der Familie, in der Stadt, im Land, zwischen den Religionen oder zwischen den Nationen auf der Welt. Das ist schön und gut, wird aber dann problematisch, wenn jeder Hinweis auf den Frieden fehlt, den Gott uns in Jesus Christus gebracht hat, der besitzt nämlich ganz andere Merkmale. „Wir haben ganz die Unterscheidung verloren zwischen dem Frieden, den die Welt geben kann, und dem, den sie nicht geben kann.“ (I.V. 171) Inzwischen (Vermehren schrieb das 1967!) sind wir offenbar schon über das Stadium der Vermischung des göttlichen mit dem irdischen Frieden hinweg. Seit ein paar Jahren scheint das göttliche immer öfter ganz abwesend. Man betet nicht mehr darum, dass Gott irdischen Frieden stiften möge (das wäre die Vermischung), sondern darum, dass Gott den Menschen die Kraft gebe, Frieden zu machen oder appelliert einfach direkt an die Menschen, dass sie Frieden herstellen. Insofern ist hier eine Entwicklung zu erkennen, die konsequent „Frieden“ entgöttlicht, oder andersherum: verweltlicht hat. Kirchliche Äußerungen und die meisten Fürbitten zu dem Thema sind im Gesamten wie im Detail oft überhaupt nicht mehr unterscheidbar von dem, was ein beliebiger Politiker oder Friedenaktivist dazu zu sagen hat.
Um irdischen Frieden beten ist richtig und wichtig. Aber wenn der Friede Christi aus dem Blick gerät, fehlt das Wichtigste. Dieser Friede Christi ist indes von ganz anderer Art: „Frieden hinterlasse ich euch, meinen Frieden gebe ich euch; nicht, wie die Welt ihn gibt, gebe ich ihn euch.“ (Joh 14,27)

Der Einsatz für Frieden und Gerechtigkeit in der irdischen Welt gehört, wie bereits gesagt, zur christlichen Sendung in die Welt mit dazu. Irdischer Friede und irdische (etwa soziale) Gerechtigkeit sind aber – und das ist entscheidend!nicht Gegenstand der christlichen Hoffnung. Sie sind nicht Gegenstand von Gottes Heilsplan und darum auch nicht Ziel christlichen Handelns, wie sie auch nicht Ziel des Handelns Jesu waren.
Was ich eben geschrieben habe, ist vielleicht mit das Anstößigste, was man in der Kirche heutzutage sagen kann. Aber man zeige mir die Bibelstellen, in denen Jesus und die Apostel irdischen Frieden und soziale Gerechtigkeit verkünden. Es war genau der Irrtum der Juden, dass sie sich vom Messias ein irdisches Reich (des Friedens für sich) erhofften. „Die Hinbewegung zur einen Weltkirche [im Sinne eines Ökumenismus], die sich geschlossen einsetzen soll für eine bessere Welt – In meinen Augen ist das eine einzige riesige Verführung, die sich nicht bruchlos aus dem Auftrag Christi ableiten lässt: dieser Gedanke ist seine Säkularisierung, die von vielen heute [1968!] als letzte Konsequenz der Menschwerdung gedeutet und damit scheinbar legalisiert wird.“ (I.V. 176)


Bibel

Schaut man ins Neue Testament, stellt man fest, dass Friede fast synonym ist mit „Leben“ oder „Heil“ – beides eine Gabe Gottes zur Vollendung („eschatologisch“ nennt das der Theologe). Freilich erleichtert diese Feststellung nicht das Verständnis, denn „Heil“ und „Leben“ sind inzwischen gleichfalls der Säkularisierung zum Opfer gefallen, da man oft genug auch in der Kirche nur mehr das irdische Leben im Blick hat, das es mit möglichst viel „Glück“ und „Zufriedenheit“ (Heil; man denke an die „heile Welt“) vollzustopfen gilt, als gäbe es nichts danach.
Frieden ist im Neuen Testament vor allem der Zustand der „neuen Schöpfung“. Das ist aber keine Aussage über die Welt, sondern über das Reich Gottes. Es gibt tatsächlich keinen Grund, anzunehmen, das Reich Gottes würde zugleich in der irdischen Welt Frieden, etwa zwischen Völkern oder Religionen, bedeuten. Eher das Gegenteil: „Denkt nicht, ich sei gekommen, um Frieden auf die Erde zu bringen! Ich bin nicht gekommen, um Frieden zu bringen, sondern das Schwert.“ (Mt 10,34 vgl. Lk 12,51) Der Friede Christi dient nicht der Völkerverständigung, sondern dem bleiben in Gottes Hand: „Und der Friede Gottes, der alles Verstehen übersteigt, wird eure Herzen und eure Gedanken in Christus Jesus bewahren.“ (Phil 4,7) Der Friede Christi ist ein solcher zwischen Gott und dem Menschen, der nach Gottes Geboten lebt: „Wenn ihr meine Gebote haltet, bleibt ihr in meiner Liebe, so wie ich meines Vaters Gebote gehalten habe und bleibe in seiner Liebe.“ (Joh 15,10) [Es sei nur angemerkt, dass es ein säkularisierter Begriff von „Freiheit“ ist, der einen Gegensatz zum „Gebot“ darstellt; biblisch gesehen verwirklicht sich die Freiheit durch die Befolgung der Gebote. Siehe dazu HIER, etwa in der Mitte.]

Zwischenmenschlicher Friede ist in gewissem Sinne gemeint in Phil 2,14: „Denn er ist unser Friede. Er vereinigte die beiden Teile und riss die trennende Wand der Feindschaft in seinem Fleisch nieder.Aber dieser Friede besteht zwischen denjenigen Juden und Heiden, die sich zu Christus bekennen, nicht zwischen allen Menschen: Die, die einst „in der Ferne“ waren (die Heiden), sind nun durch das „Blut“ Jesu „in die Nähe“ gekommen (v. 13): „Er stiftete Frieden und versöhnte die beiden durch das Kreuz mit Gott in einem einzigen Leib. Er hat in seiner Person die Feindschaft getötet. Er kam und verkündete den Frieden: euch, den Fernen, und Frieden den Nahen.“ (vv. 15-17)
Dieser Neue Mensch aus Juden und Heiden, der Jünger Christi, hat den Frieden – mit Gott, nicht mit der Welt! –: „Gerecht gemacht also aus Glauben, haben wir Frieden mit Gott durch Jesus Christus, unseren Herrn.“ (Röm 5,1)


Liturgie

Das Vergessen des christlichen (von Christus stammenden) Friedens bzw. seine Säkularisierung kommen für mich v.a. an einem Punkt in der hl. Messe allzu oft besonders zum Vorschein: Im Friedensgestus nach dem Vaterunser.

Die „Allgemeine Einführung“ ebenso wie die seit 2002 geltende „Grundordnung“ für das Messbuch bestimmen den Friedensgruß in der hl. Messe als einen solchen, der der Kirche und der ganzen Menschheit gilt. Diese Deutung halte ich für unrichtig, denn der eigentliche liturgische Text gibt das nicht her, auch wenn er von vielen Priestern hierzulande eigenmächtig dahingehend verfälscht wird: „Schaue nicht auf unsere Sünden, sondern auf den Glauben deiner Kirche und schenke ihr [d.h. der Kirche, ohne „und der ganzen Welt“!] nach deinem Willen Einheit und Frieden.“ (Dann gibt es noch die grausige Hippie-Erweiterung: „Einheit, Liebe und Frieden“...) Meine bewusst provokant formulierte These: Der Friede wird an dieser Stelle für die Kirche erbeten, nicht für die Welt. Dies wird v.a. daran deutlich, dass der Glauben der Kirche gewissermaßen als Pfand eingesetzt wird. Einheit und Frieden seien im Folgenden je eigens kurz behandelt.

Vorbemerkung: Die Kirche ist Werkzeug Gottes für die Welt: Sie steht stellvertretend für die ganze Welt und alle Menschen vor Gott, während diese sie noch ablehnen. Sie erfleht an diesem Punkt der heiligen Messe von Gott Frieden und Einheitfür sich, um dadurch in die Welt hinein wirken zu können. Wenn aber in diesem Vor-Gott-Stehen (beim Friedensgruß wirklich im Angesicht des eucharistischen Herrn der so unmittelbar angesprochen wird!) plötzlich die Mode oder das aktuelle Zeitgeschehen (sprich: die Welt) in den Fokus der Aufmerksamkeit rückt, dann mutet das eher wie eine Anbiederung oder Verirrung an... Die Kirche verfehlt dann die Anbetung zugunsten eines zahmen und primitiven Spiels: „Die fortschreitende Kultivierung und immer häufigere und abwechslungsreichere Aktualisierung des Gemeindeseinsin der Messe mutet mich an wie der Rückfall in größere Primitivität“ (I.V. 178f). Der Moment, wo die Welt in den Fokus der Aufmerksamkeit der betenden Kirche rückt und (neben eigenen Anliegen) rücken muss, sind die Fürbitten!

Frieden: Wie wir sahen, ist es nicht Bestimmung der Kirche, Frieden und Völkerverständigung zu bringen. Ihre Bestimmung in der Welt und für diese Welt ist es, zu leiden. Es ist die Treue zum Herrn gegen den Widerstand der Welt, die ihr das Heil (= den wahren Frieden) bringt: Und ihr werdet von allen gehasst werden um meines Namens willen; wer aber ausharrt bis ans Ende, der wird gerettet werden.“ (Mk 13,13)
Schon das Bibelzitat in der Einleitung zu diesem Gebet macht überdeutlich, dass es hier nicht um irgend einen Frieden geht, sondern um den Frieden Christi: „Frieden hinterlasse ich euch, meinen Frieden gebe ich euch“, wobei jedem Bibelkundigen der bereits weiter oben zitierte Nachsatz im Ohr klingt: „nicht, wie die Welt ihn gibt, gebe ich ihn euch“. Bekanntlich ist aber Christus selbst und ebenso sein Frieden längst nicht immer willkommen in der Welt (siehe Johannesprolog: er kam in sein Eigentum, doch die seinen nahmen ihn nicht auf“), wie er seinen Jüngern für ihre Mission deutlich vor Augen stellt: „Wenn ihr in ein Haus kommt, so sagt als Erstes: Friede diesem Haus! Und wenn dort ein Sohn des Friedens wohnt, wird euer Friede auf ihm ruhen; andernfalls wird er zu euch zurückkehren.“ (Lk 10,5-6) Für den Frieden Christi gilt somit das Gleiche, was man heute auch gerne in der Sakramentenpastoral und generell in der Verkündigung vergisst, dass wir es nämlich nicht mit Magie zu tun haben, sondern nur Frucht bringen kann, was auf fruchtbarer Boden fällt – ebenso ist es mit dem Wort Gottes: „Die Worte Gottes vermag nur der zu hören, der aus Gott ist, dem Gott es gibt: Gnade setzt, um aufgenommen zu werden, Gnade voraus – Wahrheit setzt, um gehört werden zu können, Wahrheit voraus.“ (I.V. 168) Oder, mit Joh 8,47: „Wer aus Gott ist, hört die Worte Gottes; ihr hört sie deshalb nicht, weil ihr nicht aus Gott seid.“

Einheit: Die Bitte um „Einheit“ hat noch weniger mit der Welt zutun (das nennt sich dann eine Utopie [s.u.]); hier ist noch offensichtlicher die Kirche gemeint. Es ist die Einheit seiner Jünger, um die der Herr selbst gebetet hat und die zum Zeugnis für die Welt werden soll: „So sollen sie vollendet sein in der Einheit, damit die Welt erkennt, dass du mich gesandt hast und sie ebenso geliebt hast, wie du mich geliebt hast.“ (Joh 17,23) Beides, Einheit und Frieden, sind indes aufs engste miteinander verwoben, denn die Einheit ist eine Frucht des Friedens, wie uns Paulus mahnt: „bemüht euch, die Einheit des Geistes zu wahren durch das Band des Friedens!“ (Eph 4,3) Die Kirche erfleht darum in jeder hl. Messe den Frieden „bis wir alle zur Einheit im Glauben und der Erkenntnis des Sohnes Gottes gelangen, zum vollkommenen Menschen, zur vollen Größe, die der Fülle Christi entspricht.“ (v. 13)

Also: Beim Gebet zum Friedensgruß handelt sich nicht um ein Gebet um weltlichen Frieden, sondern um den Frieden Christi für seine Kirche – und er wird ja auch vom Priester der Gemeinde zugesprochen und von dieser wieder zurück an den Priester. Der Priester ruft nicht „Friede sei der Welt“, sondern: „(der) Friede (des Herrn) sei mit euch [die ihr an den Herrn glaubt]!“ Gemeint ist der Friede Christi, der in uns selbst und in der Gemeinschaft der Gläubigen wirkt: „Und der Friede Christi triumphiere in euren Herzen. Dazu seid ihr berufen als Glieder des einen Leibes.“ (Kol 3,15)


Feindschaft

Man sieht das Problem des säkularisierten Friedens auch an anderer Stelle, nämlich beim um den Preis der Wahrheit erkauften friedlichen Dialog, der den Konflikt meidet wie nichts anderes. „Bei Paulus 2 Kor 6, 14 ff. ‚Zieht nicht an einem Joch mit den Ungläubigen [...], denn was hat der Gläubige mit dem Ungläubigen zu schaffen?‘ Gibt es im heutigen Denken der offiziellen Kirche noch diesen Ungläubigen, der Finsternis ist (V. 14), der ein Götzendiener ist (V. 16), der es mit Belial hält? Wir kennen nur noch getrennte Brüder und anonyme Christen und suchen den Dialog mit allen, d. h. auf Deutsch, dass Wir uns um eine Tugend der Liebe bemühen fern von jeder Unterscheidung der Geister. Wessen Staub soll man noch von den Füßen schütteln? Wo sind die Säue, wer sind sie, dass man ihnen nur ja keine Perlen mehr hinwerfe?“ (I.V. 172)
Als „Feinde“ betrachten wir im besten Falle noch jene, die unsere Wirtschafts- und Regierungsform ablehnen oder die gegen die „Werte“ kämpfen, die unsere Zivilgesellschaft hochhält. Aber in dem Moment, da die Christen nur noch diejenigen als ihre Feinde betrachten, die auch von dem sie umgebenden gesellschaftlichen Mainstream als solche gesehen werden, haben sie eigentlich schon verloren. (Es sei angemerkt, dass das Gebot der Feindesliebe nicht besagt, den Begriff des Feindes abzuschaffen oder gar die Ferindschaft durch den Kompromiss und eine zu erlangende Harmonie zu ersetzen. Es meint im Letzten die Mühe, den Feind zu Retten, d.h. ihn zur Umkehr zu bewegen!)

Wenn wir niemanden als unseren Feind betrachten dürfen, dann müssen wir uns folgerichtig auch ständig darum bemühen, von anderen nicht als Feinde wahrgenommen zu werden. Man darf sich an uns also nicht stoßen. Undenkbar ist es darum für die meisten unserer deutschen Bischöfe, von der Welt verachtet oder auch bloß „nicht gemocht“ zu werden. Sie sind in der großen Mehrheit die Lieblinge der Nation. Gegenbeispiele waren Dyba oder Meisner, die aber genau darum auch überhaupt ernstgenommen wurden; die meisten unserer aktuellen Bischöfe werden von der Welt für ihre liberalen Haltungen geschätzt, aber nicht wirklich ernstgemnommen (man bezeichnet solche Leute auch als „nützliche Idioten“, weil sie einem eigentlich egal sind, aber für die eigene Agenda sind sie brauchbar). Leider trifft das erschreckend häufig auch auf Papst Franziskus zu (Beweis: der Film "Die Zwei Päpste" ist ein Werbefilm, der mit subtilen und weniger subtilen Mitteln Benedikt als den senilen, verbitterten und menschenfeindlichen Doktrinär darstellt, und Franziskus als den ausgeglichenen, schlauen Menschenfreund der nur Gutes will... die Realität sieht natürlich anders aus). Anstößiges findet sich kaum noch, und wo es in geringem Umfang auftaucht, wird es ignoriert. Die Grundhaltung scheint heute in der Kirche zu sein: Wenn sich die Welt an uns stört, machen wir etwas falsch, also müssen wir uns und unsere Botschaft anpassen. „Aber in unserer hektischen Anpassungsbemühung bemühen wir uns erstens darum, nicht mehr verkannt zu werden, und damit das den anderen möglich ist, lassen wir zweitens alles fallen, was schwer oder gar nicht erkennbar ist, bzw. nur im Glauben...“ (I.V. 171) Die Grundhaltung Jesu und derer, die ihm konsequent nachfolgen, ist eine andere, der Herr hat es mehr als deutlich gemacht: „Und ihr werdet gehasst werden von jedermann um meines Namens willen.“ (Mt 10,22) Nur auf diesem Wege ist die Seligkeit zu finden: „Wer aber bis an das Ende beharrt, der wird selig.“ (ebd.) Die Warnung steht: Wer der Welt Freund sein will, der wird Gottes Feind sein.“ (Jak 4,4)

Jesu Verheißung für seine Kirche ist es nicht, dass sie auf der Welt den Dialog fördern und Frieden schaffen wird, sondern vielmehr, dass sie Hass und Verfolgung erfahren wird: „Haben sie mich verfolgt, so werden sie auch euch verfolgen.(Joh 15,20) Gleicherweise ist Gerechtigkeit nicht etwas, was die Kirche in der Welt herzustellen hat, sondern um der Gerechtigkeit willen wird die Kirche verfolgt werden – aber nicht eine gerechte Güterverteilung ist gemeint, sondern die „Gerechtigkeit vor Gott“ (Röm 1,17; 3,22): „Denn er hat den, der von keiner Sünde wusste, für uns zur Sünde gemacht, auf dass wir in ihm die Gerechtigkeit würden, die vor Gott gilt.“ (2 Kor 5,21) Diese Verfolgung der Kirche um der Gerechtigkeit willen d.h. die von der Welt ausgehende Feindschaft berührt übrigens in keiner Weise den Frieden, den Jesus gebracht hat: „Dies habe ich zu euch gesagt, damit ihr in mir Frieden habt. In der Welt seid ihr in Bedrängnis; aber habt Mut: Ich habe die Welt besiegt.“ (Joh 16,33)


Wachsamkeit

Wir müssen auch aufpassen, nicht selbst in diese alles genuin Christliche säkularisierende Verirrung zu geraten. Wir müssen gut hinhören, was uns in der Kirche an Begriffen und Konzepten begegnet und uns immer wieder klar machen, was Sache ist: „Unsere Gefahr, alles zu verwechseln, wird immer größer: unsere Liebe zu den Menschen ist noch nicht die Liebe Christi, unser Friedenswille nicht jener aus dem Herzen Jesu, unser Opfer nicht schon Sein Opfer.“ (I.V. 170)
Wir stehen in der Gefahr, eine rein säkulare Friedens-, Gerechtigkeits- und Umweltschutzkirche zu werden. Doch die Kirche Christi ist eine ganz andere, denn sie kommt vom Kreuz und muss durch das Kreuz zum Leben. „Wir haben die Unterscheidung verloren, weil wir auch vergessen haben, dass das Kreuz das unüberholbare Stigma christlicher Existenz zu sein hat. Es steht nicht nur am Anfang des Weges, es steht auch an seinem Ende, bis zu dem hin man es tragen muss – jeder sein eigenes und alle zusammen als Kirche das Kreuz Christi: Schmähung, Leid, Verkennung...“ (I.V. 171) Das bedarf der ständigen Unterscheidung und des Bewusstseins, dass wir als Christen zwar in der Welt, aber nicht von der Welt sind: „Wenn ihr von der Welt stammen würdet, würde die Welt euch als ihr Eigentum lieben. Aber weil ihr nicht von der Welt stammt, sondern weil ich euch aus der Welt erwählt habe, darum hasst euch die Welt.“ (Joh 15,19) ... Tut sie es noch? Wenn nicht, dann machen wir etwas falsch! Friede ist eine Folge der Erkenntnis Jesu, d.h. des Bekenntnisses zu ihm (vgl. 2 Petr 1,2), alles andere ist entweder bloß irdischer oder schlicht falscher, trügerischer Friede.


Zukunft

Christen dürfen und sollen sich für eine bessere Zukunft der Menschen einsetzen. Aber die Zukunft auf Erden ist nicht das, worum es den Christen im Letzten gehen darf. Sie müssen stets weiter blicken und hinweisen auf das ewige Leben. Außerdem hängt das sowieso nicht an uns: Es gibt für die Sorge um die Zukunft etwa des Planeten bereits viele kompetente Leute, dafür braucht es weder Christus noch Kirche. Worum es geht, worauf es ankommt, wozu es Christus und seine Kirche braucht, ist die Ewigkeit und das, was davor kommt: Das Gericht. Der Christ muss vor allem anderen um das Heil der Seelen bei Gott, nicht um irdisches Glück und Wohlergehen bemüht sein. Diese haben ihre Berechtigung (wie eingangs erwähnt, gibt es hier auch eine Wechselwirkung), aber sie dürfen nicht letztes Ziel sein, sonst besteht die Gefahr, dem Gericht zu verfallen:Man richtet sich ein in einem Entwicklungsdenken, das mit weiteren Jahrmillionen rechnet; für mich ist das Gericht im vollen Gange, das Ende der Zeiten immer schon hineinwirkend in die Gegenwart, die mit der Endzeit verbundene Drangsal von Jahr zu Jahr beklemmender spürbar.“ (I.V. 173)
Es wird nie eine friedliche und geeinte Welt geben, denn der Mensch bleibt Sünder. Schon der Versuch, eine solche Utopie herzustellen, endet erfahrungsgemäß immer in unsäglichem Leid. Den „Friedensfürst“ für eine Utopie in Anspruch zu nehmen grenzt an Blasphemie und Götzendienst. Leider haben wir in der Kirche schon fast gänzlich das Reich Gottes durch die Utopie, und die Ewigkeit Gottes durch die bessere Zukunft für die Menschen“ ersetzt und gar nicht bemerkt, dass wir uns damit von Gott abgewendet haben... Eine friedliche Dialogwelt ist nicht die Zukunft, die die Christen erwarten. „Dieser grenzenlose Optimismus, mit dem die Kirche diesen Dialog begonnen hat, ist für mein Empfinden ein Schalwerden des Salzes, die Welt würde sich wehren, wenn es wirklich die Botschaft Christi wäre“ (I.V. 116). So hilfreich ein Dialog für das Verstehen des Gegenübers ist, er bleibt zeitgebunden und darf nie gegen die Wahrheit der Erlösung allein durch Christus stehen. Christen dürfen eine friedliche Dialogwelt genau genommen nicht einmal erhoffen, denn das wäre eine irrige Hoffnung die im Widerspruch zu dem steht, was wir bereits aus der Offenbarung über die Zukunft wissen:
Ihr werdet hören von Kriegen und Kriegsgeschrei; seht zu und erschreckt nicht. Denn es muss geschehen. Aber es ist noch nicht das Ende. Denn es wird sich ein Volk gegen das andere erheben und ein Königreich gegen das andere; und es werden Hungersnöte sein und Erdbeben hier und dort. Das alles aber ist der Anfang der Wehen. Dann werden sie euch der Bedrängnis überantworten und euch töten. Und ihr werdet gehasst werden um meines Namens willen von allen Völkern. Dann werden viele zu Fall kommen und werden sich untereinander verraten und sich untereinander hassen. Und es werden sich viele falsche Propheten erheben und werden viele verführen. Und weil die Missachtung des Gesetzes überhandnehmen wird, wird die Liebe in vielen erkalten. Wer aber beharrt bis ans Ende, der wird selig. Und es wird gepredigt werden dies Evangelium vom Reich in der ganzen Welt zum Zeugnis für alle Völker, und dann wird das Ende kommen.“ (Mt 24,6-14)

Ewigkeit

Diese Zukunft ist im Übrigen nichts, wovor man sich fürchten sollte. Im Gegenteil: Sie ist voller Hoffnung, weil Jesus schon gesiegt hat. Auf die Zukunft (die ja nur irdisch-zeitlich sein kann) folgt das, worauf Christen hoffen: Die Ewigkeit. Wer diese Ewigkeit nicht erhofft, sondern nur nach (einer besseren) Zukunftstrebt, ist kein Christ. Wer sich selbst bzw. die Welt statt durch die Drangsal durch Friede und Dialog in diese Ewigkeit zu überführen versucht, der versucht sich am Kreuz vorbei zu mogeln er leugnet eigentlich das Kreuz und zugleich das Schicksal des Gottesvolkes: An den Juden kann man Maßstäbe gewinnen für die Christen: so sollte es und so muss es einmal dem neuen Gottesvolk gehen: so verfolgt, so heimatlos, so unintegrierbar, wo immer sie sich niederlassen Maßstäbe für das, was Gotteszugehörigkeit und Gottesgericht ist.(I.V. 119) Der Weg zur Auferstehung führt nicht am Kreuz vorbei, darum dürfen wir uns nie in falscher Sicherheit wähnen und uns an ihr berauschen (wie die Ungläubigen), sondern wir sollen uns rüsten für das, was kommt: Ihr selbst wisst genau, dass der Tag des Herrn kommt wie ein Dieb in der Nacht. Während die Menschen sagen: Friede und Sicherheit!, kommt plötzlich Verderben über sie wie die Wehen über eine schwangere Frau und es gibt kein Entrinnen. [...] Wir aber [...] wollen nüchtern sein und uns rüsten mit dem Panzer des Glaubens und der Liebe und mit dem Helm der Hoffnung auf Rettung. Denn Gott hat uns nicht für das Gericht seines Zorns bestimmt, sondern dafür, dass wir durch Jesus Christus, unseren Herrn, die Rettung erlangen.“ (1 Thess 5,2-3.8-9)


Weihnachten zeigt uns hier den Weg schon im (alternativen) Eröffnungsvers der Heiligen Nacht: „Freut euch im Herrn, heute ist uns der Heiland geboren. Heute ist der wahre Friede vom Himmel herabgestiegen.“

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