Mit aller Deutlichkeit muss gesagt werden: Beide Behauptungen sind falsch!
Jener Theologe behauptet sogar, die Glaubenskongregation habe 1989 die Beichte per Telefon für "stets gültig und in extremen Ausnahmefällen auch erlaubt" erklärt. So eine Erklärung der Glaubenskongregation hat es nie gegeben. Was es gegeben hat, ist Folgendes: Als am 1. Juli 1884(!) die Pönitentiarie in Rom angefragt wurde, ob eine Absolution per Telefon möglich sei, antwortete diese, dass auf diese Anfrage nichts zu antworten wäre. Grund: Es ist stets die Lehre der Kirche gewesen, dass die Spendung eines Sakraments die, wie man es klassisch nennt, "moralische Anwesenheit" beider Beteiligter erfordert. Was das heißt, wird in folgendem Text anhand von Beispielen deutlich:
„Der zu absolvierende Pönitent muss moralisch dem Priester gegenwärtig sein. Wenn es in einzelnen Falle gegeben werden kann, dass jemand schriftlich beichte, so wäre doch durchaus unerlaubt und ungültig, wenn man einen Abwesenden mündlich oder schriftlich absolvieren wollte. Die entgegengesetzte Behauptung ist von Clemens VIII. 1602 verdammt worden [vgl. im Denzinger, Nr. 1994]. […] Eine moralische Anwesenheit ist aber eine solche, innerhalb deren Bereich die Menschen mit der gewöhnlichen, wenngleich erhobenen Stimme reden und verstanden werden können. [...] Daraus folgt, dass der Priester den Pönitenten, der, ohne die Lossprechung erhalten zu haben, aus dem Beichtstuhl geht - was nicht selten, besonders von Kindern geschieht -, wenn er ihn noch sieht, oder mit Sicherheit ihn noch in dem Bereich der Kirche vermutet, in größerer oder geringerer Nähe oder Ferne absolvieren kann. Ist jemand in einen Fluss, ins Meer oder in eine Tiefe gefallen, so kann der Priester ihm die Absolution erteilen. Dasselbe gilt, wenn jemand unter Trümmern begraben läge und um Hilfe riefe. Kann der Priester wegen einer ansteckenden Krankheit oder aus einer andern Ursache nicht ins Krankenzimmer kommen, so darf er den Kranken von der Tür oder dem Fenster aus absolvieren.“ (aus: Tappehorn, Anleitung zur Verwaltung des hl. Busssakramentes, 1908, 76)
Die Absolution per Telefon (oder übers Internet) ist daher nicht möglich. Das ergibt sich aber auch schon unmittelbar aus der Offenbarung: Gott ist nicht Mensch geworden, um uns virtuell oder irgendwie ätherisch zu erlösen, sondern um uns menschlich, persönlich, ja sogar physisch nahe zu sein. Dazu gehört die physische Nähe, dazu gehört die menschliche Stimme (am Telefon hören wir nicht die Stimme eines Menschen, sondern wir hören die künstlich erzeugte Wiedergabe elektrischer Signale).
Ein weit verbreiteter Irrtum heutiger Theologie ist, dass man Sakramente (fast) ausschließlich als ein mehr oder weniger abstraktes Kommunikationsgeschehen verstanden wissen möchte. In Wahrheit handelt es sich bei ihnen aber um ein sehr konkretes Begegnungsgeschehen - nämlich mit Jesus Christus! -, worin Kommunikation nur ein Teilaspekt ist. Wichtig ist die Unterscheidung zwischen Kommunikation und Anwesenheit: Man kann heutzutage in früher ungeahntem Ausmaß Kommunikation betreiben, aber damit ist noch lange keine Anwesenheit gegeben, die die Voraussetzung für eine echte Begegnung darstellt.
Gott hat auch schon im Alten Bund mit den Menschen kommuniziert und er tut es bis heute. Und doch ist er Mensch geworden! Seine physische Anwesenheit in der Welt in seinem Mensch gewordenen Sohn Jesus Christus ist unüberbietbar und unhintergehbar. Jesus ist den Menschen physisch begegnet. Die Sakramente sind die Fortwirkung und Vergegenwärtigung der Menschwerdung in Zeit und Raum, und darum verlangen sie die möglichst strenge Übereinstimmung von Zeit und Raum zwischen Spender und Empfänger bei ihrem Zustandekommen bzw. bei ihrer Spendung. In kurz: Sie erfordern menschliche Begegnung und bewirken gerade darin gott-menschliche Begegnung. Sakramente haben zudem stets auch schlicht etwas mit Materie zu tun, das gehört wesensnotwendig zu jedem Sakrament (in der Beichte ist das gewissermaßen der Beichtende selbst, denn er empfindet Reue, bekennt seine Sünden und tut Buße). Das Internat kann das nicht bieten.
Am Telefon ist all dies nicht gegeben. Die Benutzung eines Telefons oder Funkgeräts wäre nur zu rechtfertigen, wenn ein relative räumliche Nähe zwar gegeben ist, aber etwa aufgrund des Beichtgeheimnisses das Erheben der Stimme oder die Nutzung eines Megaphons nicht ratsam ist, z.B. aus einem Fenster im dritten Stock eines Gebäudes hinunter zur Straße. Oder man denke an eine Trennung durch Glasscheiben auf einer Quarantänestation. Da in so einem Fall die räumliche Nähe und damit die "moralische Gegenwart" gegeben ist, kann hier ein technisches Hilfsmittel nützlich sein, wie dies auch bei Hörgeschädigten normale Praxis ist. Aber ohne die physische Nähe geht es nicht. Generell ist bei technischen Kommunikationsmitteln jedoch Vorsicht geboten. Man vergleiche dazu das Dekret der Kongregation für die Glaubenslehre vom 23. September 1988, wonach sich jeder die Tatstrafe der Exkommunikation zuzieht, "der mittels irgendeines technischen Gerätes selbst aufnimmt oder durch andere Aufnahmen lässt, was bei einer (echten oder simulierten) Beichte vom Beichtvater oder vom Pönitenten gesagt wird. Ebenfalls zieht sich jeder die Exkommunikation als Tatstrafe zu, der solche Aufnahmen durch die sozialen Kommunikationsmittel verbreitet." Faktisch können wir nie wissen, wer bei Telefonaten oder über social media mithört oder aufnimmt.
Der Päpstliche Rat für die sozialen Kommunikationsmittel hat 2002 in einer Erklärung über Kirche und Internet festgestellt (hier nachzulesen):
"[Die virtuelle Realität kann] die Realität der Sakramente und der Liturgie oder die unmittelbare und direkte Verkündigung des Evangeliums nicht ersetzen [...]. [...] Virtuelle Realität ist kein Ersatz für die wirkliche Gegenwart Christi in der Eucharistie, die sakramentale Realität der anderen Sakramente und den gemeinsamen Gottesdienst in einer menschlichen Gemeinschaft aus Fleisch und Blut. Es gibt keine Sakramente im Internet; und auch die religiöse Erfahrung, die hier dank der Gnade Gottes möglich ist, ist ungenügend, es fehlt die Beziehung zu anderen Gläubigen in der wirklichen Welt."
Die Digitalisierung führt bekanntlich nicht zur fruchtbareren Interaktion zwischen den Menschen, wie man es einmal gehofft hatte, sondern sie führt zunehmend zu ihrer Entfremdung von einander. Die Sakramente, die Gott seiner Kirche geschenkt hat, sind besonders in dieser Situation von unschätzbarem Wert, denn sie bewirken und nähren nicht nur die Gemeinschaft des Menschen mit Gott, sondern auch der Menschen untereinander. In der Aktuellen Krise ist dies erschwert, aber nicht unmöglich. Die z.Z. gern geforderte Kreativität darf nicht zu einfachen und falschen Lösungen führen, dadurch werden die Menschen betrogen und das Heilige profaniert.
Man muss das Problem übrigens nicht größer machen, als es ist: Einer Beichte mit ein, zwei Metern Abstand zwischen Beichtendem und Priester (etwa in der Kirche, notfalls auch bei einem Spaziergang) steht absolut nichts im Wege, solange sonst niemand in Hörweite ist.
PS. Nur um etwaige Unklarheiten zu vermeiden: Geistige Kommunion, Begierdetaufe oder ein Akt vollkommener Reue haben nichts mit dem hier behandelten Thema zu tun. Diese inneren Akte, deren Praxis seit ältester Zeit bezeugt ist, können jederzeit und an jedem Ort gesetzt werden; sie sind nicht abhängig von technischen Mitteln, beispielsweise vom Verfolgen einer Live-Übertragung einer hl. Messe. Im Übrigen sind sie alle auf den technisch nicht vermittelbaren tatsächlichen Empfang des jeweiligen Sakraments hingeordnet.
Nachtrag vom 30.03.2020: Und noch ein Theologe behauptet sehr offensiv (hier), dass Beichte per Telefon möglich sei. Er begründet das damit, dass doch auch "Beratungsgespräche, die normalerweise face to face stattfinden [...] heute online oder telefonisch durchgeführt" würden. Und weiter: "Analog wäre auch denkbar, dass Beichte in anderen Formen, etwa per Videokonferenz, online oder telefonisch, durchgeführt würde. Da sehe ich grundsätzlich keine Schwierigkeiten." Da hat jener Theologe irgendwie auch Recht: Das Beichten der Sünden kann so durchgeführt werden, wie ich auch jedem x-beliebigem Menschen am Telefon meine Sünden "beichten" kann. Problematisch wird es allerdings bei der sakramentalen Absolution, doch diesen entscheidenden Aspekt schmettert der Theologe ganz locker ab und es wird auch nicht mehr nachgefragt: "Die Frage, ob die Vollmacht zur Lossprechung telefonisch wirken kann, halte ich für sehr abwegig."
So abwegig ist die Frage nicht, denn genau hier liegt der Hase im Pfeffer: Die Absolution ohne "moralische Anwesenheit" (s.o.) ist nicht möglich!
Hier wird die Beichte mit einem Beratungsgespräch gleichgesetzt und die Frage der Absolution (also die Spendung des Sakraments!) als "abwegig" abgetan. Solche Irreführung ist gefährlich, faktisch animiert jener Theologe zu Sakramentensimulationen.
Nochmal: Auch in Corona-Zeiten ist Beichte weiterhin problemlos möglich, denn nichts steht dem im Wege, wenn Beichtvater und Pönitent etwa in einer Kapelle oder einem Beichtzimmer zwei Meter auseinander sitzen (solange sonst niemand mithört). Auch gibt es die Form der in den USA schon praktizierten Drive-in's (s. Bild). Auch viele Beichtstühle, in denen die beiden durch eine feste Wand getrennt sind und das Gitter zwischen ihnen zusätzlich mit einer luftundurchlässigen Folie versehen ist, sind geeignet.
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