Mittwoch, 18. März 2020

„Privatmessen“ und geistige Kommunion in Zeiten von COVID-19

Überaus erstaunlich, was dieser Tage so alles von Bischöfen zu hören ist. Töne, die man seit Jahrzehnten vermisst hat.

Zur Frage der „Privatmesse

Seit Jahrzehnten führen Theologen und Verantwortungsträger in der Pastoral einen regelrechten Kampf gegen das Schreckgespenst der so genannte „Privatmesse“. Ein Messe ohne „aktive Beteiligung“ der Gläubigen dürfe es nicht geben, das sei ein Widerspruch in sich und im Übrigen vorkonziliar. Das sei Egoismus des Priesters (Klerikalismus) und im Grunde schon gar keine gültige Messe mehr im Sinne Jesu. Da findet keine Kommunikation (gemeint ist: zwischen priesterlichem Animateur und „Volk“) statt, da „haben“ die Gläubigen nichts von, sie werden regelrecht missachtet, ignoriert, ausgebootet, das sei im Grunde ein Akt gegen die kirchliche Gemeinschaft, ein Missachtung des Volkes Gottes. So ähnlich ließt sich das  heute auch auf katholisch.de, HIER.
Letztlich ist es wohl v.a. eine unerwünschte Erinnerung daran, dass eine Millionen Getaufte keine Messe feiern können, auch wenn sie es noch so sehr wollen, ein einziger Priester aber schon. Gnade und Erlösung kommen eben nicht aus uns selbst, sondern werden uns „von oben“ geschenkt. Darin sehe ich den tieferen Grund für diese Aversion: Es ist für den modernen Menschen, der sich als Christ verstehen will, eine schreckliche Kränkung (im freudschen Sinne), dass das Taufpriestertum nicht ausreicht für die Fülle der Verheißung. (Jesus sagte nicht nur: Tauft; er sagte auch: Tut dies zu meinem Gedächtnis.)


Ein Wort zur Begrifflichkeit:
Es ist erstaunlich, wie viele „studierte Theologen“ nicht einmal wissen, dass „Privatmesse“ eigentlich ein völlig falscher Ausdruck ist. Im Lateinischen gibt es den Ausdruck „missa privata“, aber dieser war schon zur Zeit des Trienter Konzils durchaus unbeliebt und wurde kirchenamtlich eher vermieden. Als Schreckgespenst wird er aber noch immer regelmäßig von Theologen entmottet, wann immer man einen Strohmann braucht um gegen ihn zu polemisieren. „Privatmessen“ werden meiner Erfahrung nach v.a. von ihren Kritikern so bezeichnet (siehe der oben verlinkte Artikel auf katholisch.de). Dieser Ausdruck kann nun aber, anders als oft behauptet, gerade nicht mit „private Messe“ übersetzt werden, denn das deutsche Wort „privat“ hat eine andere Bedeutung als das hier gebrauchte lateinische Verb „privare“. Dieses bedeutet hier „berauben“, oder „befreien von etwas“. Eine „missa privata“ meint nicht eine Messe, die keine amtliche Messe ist, die sozusagen (Privat)Eigentum des Priesters ist. Jede Messe ist „amtlich“: von der ganzen Kirche für die ganze Kirche gefeiert. Gemeint ist damit vielmehr eine Messe, die von einigen Elementen befreit, oder besser: die bestimmter Elemente beraubt (lat. privatus) ist. Damit ist nicht das Volk gemeint, sondern Elemente der Feierlichkeit: etwa Prozessionen, Weihrauch, Leuchter, Gesang, Leviten (Diakone), oder eben die für die Feierlichkeit wichtige physische Anwesenheit vieler Gläubiger. „Missa privata“ müsste man korrekt übersetzen mit „Messe befreit (von Feierlichkeit)“. Mehr nicht. [Darum ist es auch falsch zu behaupten, früher sei die stille Messe des Priesters ohne Volk die Grundform der Messe gewesen: Sie war vielmehr die der Feierlichkeit beraubte Form! (In den Lehrbüchern wurde immer zuerst die Stillmesse besprochen, weil sich an ihr gut zeigen ließ, was sozusagen das unveränderliche Grundgerüst jeder Messe ist. „Grundform“, also Maßstab, war aber die feierliche Papstmesse - samt Volk.)]
Aus dem selben Grund ist auch der gebräuchliche Ausdruck „missa sine populo“ (Messe ohne Volk) leider missverständlich, denn selbst wenn kein „Volk“ leiblich anwesend ist, so geschieht jede Messe doch in Gemeinschaft mit dem ganzen Volk und für das ganze Volk („In Gemeinschaft mit der ganzen Kirche gedenken wir...“). Ganz zu schweigen davon, dass das Volk Gottes immer mehr meint als nur eine irdisch-physisch Anwesende Größe im Hier und Jetzt: Die Kirche besteht über die Zeiten hinweg (Vergangenheit und Zukunft) und über das Irdische hinaus (Fegfeuer, Himmel). Auch wenn nur ein einsamer Priester die Messe zelebriert, ist er nie allein, was spätestens am Ende der Präfation überdeutlich wird: „Darum preisen wir dich mit allen Engeln und Heiligen und singen vereint mit ihnen das Lob deiner Herrlichkeit:...“


Seit Jahrzehnten wird nun also gegen diese Form der Messfeier polemisiert, einige Beispiele habe ich oben gegeben. Und jetzt, in Zeiten von COVID-19, empfehlen es viele Bischöfe doch wieder. Auf einmal können und sollen Priester „stellvertretend“ Messen feiern! Noch vor wenigen Wochen wäre es von vielen als beleidigend und klerikalistisch aufgefasst worden, zu sagen, ein Priester könne oder solle „stellvertretend“ eine Messe ohne anwesende Gläubige feiern.
Wie weit die Abscheu gegen die „missa sine populo“ schon zur Zeit der Liturgiereform in Deutschland ging, sieht man etwa auch daran, dass es im Deutschen Messbuch kein Formular für die „Messe ohne Volk“ gibt. Im lateinischen Messbuch von 1970 ist es drin. Das ist nicht nur ausgesprochen hinderlich für alle Priester, die etwa auf Reisen sind (und sich z.B. keine Gemeindemesse findet, bei der sie konzelebrieren könnten), es erweist sich gerade jetzt als nachteilig.

Zugleich dürfte so eine „Messe ohne Volk“ nicht wenigen Priestern schwer fallen, da ihnen doch stets eingebläut wurde, dass sie doch „aus dem Volk heraus“ nur Diener der Gemeinde seien, sie nichts Besonders, sondern Gleiche unter Gleichen seien. Feiern sie nicht die Messe mit dem Volk und für die Anwesenden? Und noch viel grundsätzlicher: Müssen sie nicht bei der Feier der Messe stets den Gläubigen etwas „mitgeben“ oder „bieten“? Ist nicht die Messe ein „kirchliches Angebot“ auf dem religiösen Markt der Möglichkeiten? Dann geht das natürlich nicht ohne „Kundschaft“!
Auf einmal verlangt man von den Priestern, dass sie Priester sein sollen und ihre ureigenste priesterliche Aufgabe erfüllen sollen – ohne „aktive Beteiligung“ der Gläubigen! Da gibt es sicher bei nicht wenigen Priestern einiges an Hemmungen zu überwinden und sicher gibt es auch etliche, die mindestens an den Werktagen schlicht auf die Feier der Messe verzichten in der irrigen Meinung, das sei nun eben ohne „Volk“ gar keine richtige/gültige Messe. (Ich habe es schon erlebt, dass Priester angesichts eine Messfeier in Ermangelung einer anwesenden Gemeinde fragten, was das denn „bringen“ solle…)

Schon allein die Zelebrationsrichtung kann hier für viele Priester problematisch werden: Vor einer leeren Kirche zelebrieren? Das Offensichtliche, nämlich am in vielen Kirchen noch vorhandenen Hochaltar zu zelebrieren, oder sich einfach vor den Volksaltar mit Blick auf den oftmals dahinter befindlichen Tabernakel oder das Kreuz zu stellen, kommt vielen gar nicht in den Sinn. Zu stark ist die im Studium erfahrene Prägung, dass soetwas ganz und gar nicht geht.
Man darf darüber schmunzeln, dass mancher Priester Selfies seiner Gemeindemitglieder an die Bänke klebt (z.B. hier). Positiv ist daran sicher das Zeugnis der Gläubigen, die damit ihrer Sehnsucht Ausdruck geben, mit dem Priester vor Gott zu stehen und es drückt sicherlich auch die Nähe zwischen Priester und Gemeinde aus. Aber es kann je nach Gesinnung auch ein Armutszeugnis für den Priester sein, denn der erste Adressat der Messe ist ja nicht das (nun nicht physisch anwesende) Volk, sondern Gott! Gerade wenn wir schon anerkennen, dass der Priester „stellvertretend“ Messe feiert, dann sollte er dies nicht in verschroben-imitierender Weise im Hinschauen auf Fotos seiner Gemeindemitglieder tun, sondern mit dem Blick auf Gott, vor dem er stellvertretend für viele steht. Der Priester sollte sich ganz Gott zuwenden und sich umso mehr die leidende Kirche im Fegfeuer und triumphierende Kirche im Himmel gegenwärtig halten – und so wahrhaft stellvertretend für das ganze Volk Gottes die Eucharistie feiern.
Vielleicht wäre das eine Gelegenheit, den Hochaltar für seinen eigentlichen Zweck zu gebrauchen, nachdem er jahrzehntelang primär als Hintergrundschmuck und Stellplatz für Blumenarrangements diente. Somit könnte sich der Priester, wenn er sich schon Bildern zuwenden will, auch gleich den Heiligen zuwenden (s. Bild).
Die Zelebration „zum Altar hin“ (im Unterschied zu „zum Volk hin“) ist übrigens auch im aktuellen deutschen Messbuch die gewöhnliche Form des Zelebrierens, was schon die vielen Rubriken beweisen, die ausdrücklich eine Wendung „zum Volk“ vorschreiben, wenn dieses tatsächlich angesprochen wird, die aber eine Wendung „zum Altar“ verlangen, wenn Gott im Gebet angesprochen wird. Vgl. meine Ausführungen HIER.


Noch ein Wort zur Stellvertretung: Der die Eucharistie feiernde Priester tut dies in gewisser Weise immer in der Weise der Stellvertretung für die Kirche bzw. sein Gemeinde. Es ist ein grobes Missverständnis, wenn der Priester als „Stellvertreter Gottes“ oder „Stellvertreter Christi“ angesehen wird. Er handelt zwar in bestimmten Augenblicken in persona Christi, also an dessen Stelle, aber v.a. und die meiste Zeit sowieso, ist er der Vor-Steher, der stellvertretend für seine Gemeinde, an ihrer Spitze, vor Gott steht!
Dieser wesentliche Dienst, der den Priester auszeichnet, ist leider mit der Verkehrung der Zelebrationsrichtung weitestgehend aus dem Bewusstsein der Gläubigen wie auch der Priester verlorengegangen. Leider hat gerade die Frontalstellung des Priesters genau zu jenem Missverständnis beigetragen: Der Adressat des Gebets ist Gott, er ist also das Gegenüber der betenden Gemeinde. Da nun aber der Priester ständig sichtbar der Gemeinde gegenübersteht, erzeugt dies den theologisch falschen aber intuitiv scheinbar richtigen Fehlschluss, er sei Stellvertreter Gottes, deswegen steht der da vorne, uns gegenüber. Was man also der (durchaus sehr demokratischen) gemeinsamen Gebetsrichtung von Priester und Volk vorwirft, dass sie den Priester in eine herausgehobene Machtposition bringt, ist eigentlich erst bei der dem Volk zugewandten Zelebration ein wirkliches Problem.

Steht der Priester dem Volk gegenüber, erscheint er nicht als Stellvertreter, sondern als Autorität, etwa wie der Lehrer im Frontalunterricht, oder wie der Redner auf der Tribüne, der den Menschenmassen erklärt, was Sache ist. Der Priester ist dann eben Animateur der Gemeinde (vgl. hier). Bei der gemeinsamen Gebetsrichtung wird hingegen deutlich, dass der Priester Teil des Volkes ist und dass er für dieses Volk eintritt, wie etwa Aaron aus dem Volk heraustrat und dem Herrn stellvertretend für das ganze Volk opferte (vgl. 3. Mose 9,7-8). Im Gegenüber, im gegenseitigen Anblicken ist wenig spürbar vom stellvertretenden Handeln des Priesters, dabei ist dieses nicht nur in der gegenwärtigen Krise, sondern immer von größter Bedeutung.


Kommen wir zur Frage der geistigen Kommunion

Insbesondere tut der Priester diesen stellvertretenden Dienst auch für diejenigen, die selbst nicht leiblich an der hl. Kommunion Anteil haben können. Dass dieser Tage auch vermehrt die geistliche Kommunion Erwähnung findet, ist, wie die Frage nach der Messe ohne Volk, durchaus bemerkenswert. Die Herren Liturgiewissenschaftler des ganz oben verlinkten Artikels meinen denn auch dazu kategorisch: "Das alles ist heute nicht mehr akzeptabel und beschädigt die Liturgie."

Seit Jahrzehnten hört man nichts davon, auch in der Theologie ist das bestenfalls ein Nischenthema, das eigentlich nur in konservativen Kreisen zuweilen auftaucht. Selbst bei wichtigen ethischen oder ökumenischen Fragen findet es keine Erwähnung. Stets redet man von der Bedeutung der eucharistischen Kommunion und meint damit ausschließlich die physische, die dann auch denen gespendet werden soll, die den katholischen Glauben nicht bekennen oder die in objektiv sündhaften Verhältnissen leben. Die bloße Erwähnung der Möglichkeit der geistigen Kommunion wurde bei diesen Diskussion schon als reaktionär und gehässig abgestempelt, als Hohn und Beleidigung gegen Menschen, die angeblich eine so starke Sehnsucht nach der Eucharistie verspüren, denen man es aber nicht zumuten möchte, sich zur Glaubens- und Morallehre der Kirche zu bekennen und sich entsprechend zu verhalten.
Es ist durchaus ein Ausdruck einer Konsummentalität, gepaart mit einer guten Portion Gönnerhaftigkeit, diesen Menschen unbedingt etwas „geben“ zu wollen, über das man in Wahrheit nach eigenem Gutdünken zu verfügen kein Recht hat (vgl. dazu hier). Es wird im Gegenteil behauptet, die Menschen hätten ein Recht auf den Kommunionempfang und ihnen dies zu verwehren bedeute, sie aus der Gemeinschaft auszuschließen.

Was noch vor kurzem als „antiökumenisch“ oder „unsensibel“ oder gar der Intention Jesu zuwider (Jesus sagte ja „nehmt und esst!“) bekämpft wurde, was theologisch totgeschwiegen oder sogar als unchristlich verschrien war, das empfehlen nun die Bischöfe.
Wohl gemerkt, in Fragen des Glaubens und der Moral steht dabei das ewige Heil der Seelen auf dem Spiel: „Wer also unwürdig von dem Brot isst und aus dem Kelch des Herrn trinkt, macht sich schuldig am Leib und am Blut des Herrn. Jeder soll sich selbst prüfen; erst dann soll er von dem Brot essen und aus dem Kelch trinken. Denn wer davon isst und trinkt, ohne den Leib zu unterscheiden, der zieht sich das Gericht zu, indem er isst und trinkt.“ (1. Kor 11,27-29)
Im Fall von COVID-19 geht es um eine leibliche Krankheit, von der die allermeisten Menschen wieder genesen werden. Nichts desto trotz haben nicht wenige Priester und auch Hirten der Kirche keine Skrupel, denen die Kommunion zu reichen, die sich dadurch offenkundig in große Gefahr für ihr ewiges Heil begeben, ohne der Möglichkeit der geistigen Kommunion auch nur eine Silbe zu widmen. Aber kaum besteht die leibliche Gefahr einer ansteckenden Krankheit, ist die geistige Kommunion – Achtung: Wortwitz – in aller Munde.


Das letzte Abendmahl Jesu muss deutlich unterschieden werden von Jesu Sündermählern, man beachte auch die bei Johannes überlieferte Waschung. Die ganze christliche Tradition bezeugt indes, dass die volle Teilnahme an der Eucharistie denen im Stand der Gnade (getauft, versöhnt) vorbehalten war. Das primäre Sakrament der Sündenvergebung ist denn auch die Beichte, nicht die Eucharistie. Aus der Existenz des Beichtsakramentes ergibt sich schon der notwendige Zusammenhang, wonach die Beichte die Voraussetzung für die volle Teilnahme an der Eucharistie ist. Hier kann besonders die Praxis der Ostkirche lehrreich sein, wo der Kommunionempfang alles andere als selbstverständlich oder gar alltäglich ist. Die geistige Kommunion mit der ihr wesentlichen Sehnsucht nach dem leiblichen Empfang ist hier immer schon als eine große Hilfe gesehen worden, insbesondere auch bei der Vorbereitung auf die Beichte. Und sie ist ein Trost für die, denen der Gang zur Beichte schwer fällt oder die in scheinbar unlösbarer Not sind.


Wie auch bei der stellvertretenden Messzelebration für die Priester, so ergibt sich aus der Anweisung seitens der Bischöfe zur geistigen Kommunion nun ein Problem für die Gläubigen: Nur die wenigsten wissen mit dem Begriff der geistigen Kommunion überhaupt etwas anzufangen und noch weniger haben eine Vorstellung davon, was das konkret für die Praxis bedeutet. Zu fleißig und auch zu erfolgreich war das theologische und pastorale Establishment, diese seit Jahrhunderten geübte und von vielen Heiligen empfohlene Praxis zu verschweigen oder in Misskredit zu bringen.
Eine große Zahl von Gläubigen (inklusive der haupt- und ehrenamtlich in den Gemeinden Tätigen) erlebt und praktiziert die Kommunion nicht als Ausdruck einer persönlichen Beziehung zu Jesus Christus, sondern als einen Akt der Teilnahme an einem Ritual. Punkt. Daraus resultiert die Aggression gegen die Erwähnung der geistigen Kommunion, denn diese wird als Ausschluss von der Teilnahme am Ritual aufgefasst. Wir sollen aber, so sagt man uns, inklusiv sein und niemanden ausschließen.

Diese falsche Botschaft, dass die Versagung des leiblichen Kommunionempfangs mit einem Ausschluss aus der Gemeinschaft, gar mit einer Abkopplung von der Gemeinschaft mit Christus gleichbedeutend ist, rächt sich nun. Und zwar rächt sie sich bei denen, die eine echte Sehnsucht nach der Eucharistie haben und auch bei denen, die dies nicht haben.
Wer Sehnsucht nach der Beziehung zu Jesus Christus in der Eucharistie hat und wem erzählt wurde, dass eigentlich nur der leibliche Empfang „zählt“, bei dem herrscht nun Ratlosigkeit und vielleicht sogar Verzweiflung. Das kann zu großem Leid führen.
Wer bisher nur ein oberflächliches Verhältnis zur Eucharistie hatte, dem wird es nicht schwer fallen, alternative „Rituale“ zu (er)finden, um „Teilnahme“ zu praktizieren, was ihn nur noch weiter von der Wahrheit wegführt (man kann solche Surrogate in Wort-Gottes-Feiern zuweilen erleben).


Die jahrzehntelange Vernachlässigung der Verkündigung und Lehre nicht nur in moralischen Fragen die Eucharistie betreffend, kann nun aber v.a. dazu führen, dass sich bei vielen eine Gleichgültigkeit gegenüber der Eucharistie und damit eine Distanzierung von der Kirche ereignet: Vielen Katholiken ist nicht bewusst, dass es Umstände gibt, unter denen ein Verzicht auf den leiblichen Empfang der Eucharistie ratsam ist, gerade weil sie etwas so Heiliges und alles Begreifen Überragendes ist. Wenn ich in einer Weise Lebe und Handle, die im Widerspruch zur Liebe Jesu steht, dann wird der leibliche Empfang dieser Liebe, die Jesus selber ist, zur Lüge.
Wenn nun auf längere Zeit hin dieser Empfang aufgrund äußerer Umstände unmöglich ist, könnten diese Menschen zu der irrigen Meinung gelangen, dass das Leben allem Anschein nach auch ohne diesen Empfang funktioniert. Anders ausgedrückt: Wenn ich in der Vergangenheit zwischen meinem Handeln und meiner Teilhabe an Jesus in der Eucharistie keine echte Wirksamkeit und keine wechselseitigen(!) Konsequenzen gesehen habe (also: wie ich lebe beeinflusst meine Beziehung zu Jesus!), dann werde ich solche Konsequenzen jetzt auch nicht sehen.

Ganz davon abgesehen, fehlt es schlicht und ergreifend an Übung. Die allermeisten Gläubigen, ob ihnen nun die Eucharistie wenig oder viel bedeutet, wissen nicht, dass und v.a. wie man an ihr Anteil haben kann, ohne sie leiblich zu empfangen, wie man die Beziehung zum eucharistischen Herrn pflegen kann, ohne ihn zu berühren. (Siehe dazu meine Überlegungen zur gefährlichen eucharistischen Anbetung HIER.) Der bloße Hinweis von Seiten kirchlicher Autoritäten zum geistigen Empfang kann nur weitreichende Ratlosigkeit oder Gleichgültigkeit aufgrund von Nichtverstehen zur Folge haben. Bleibt zu hoffen, dass die, die ihrem Priester Selfies geschickt haben, um sie auf die Kirchenbänke kleben zu lassen, in der Lage sind, sich geistig mit dem eucharistischen Christus zu vereinigen.


Aus meiner eigenen Erfahrung, kenne ich den Reichtum, den die geistige Kommunion darstellt, sehr gut. In der Zeit zwischen meiner Bekehrung und meiner Taufe (etwa eineinhalb Jahre), konnte ich – das war mit instinktiv klar, das musste mir niemand erklären – die Kommunion nicht leiblich empfangen: Ich war nicht getauft, erst recht nicht katholisch, also kann ich hier nicht im Vollmaß teilnehmen. Das hat mich aber nicht daran gehindert, sie unzählige Male geistiger Weise zu empfangen, sei es während der Messe oder, was vermutlich häufiger war, in der Anbetung. Auch das musste mir übrigens niemand erklären – vom Konzept einer „geistigen Kommunion“ erfuhr ich erst lange nach meiner Taufe, ich wusste aber, dass es bei der Eucharistie um eine liebende Vereinigung geht –, ich tat es einfach: Ich ersehnte innerlich, geistig die Vereinigung mit dem, der vor mir gegenwärtig war.
Aber ich erfuhr bald, dass die allermeisten Katholiken nicht wussten, wovon ich sprach, wenn ich davon erzählte. Sogar manche Priester schauten schief. Jetzt empfehlen die Bischöfe die geistige Kommunion, aber mir ist bisher noch keine öffentliche Stellungnahme begegnet, die erklärt, worum es dabei geht. (Nur in Nischen finden sich Hinweise, so etwa von Weihbischof Schwaderlapp, HIER.)


Ich hoffe sehr, dass möglichst viele Priester möglichst häufig die hl. Messe feiern, und dass möglichst viele Gläubige häufig geistig kommunizieren, aber ich weiß, dass nicht wenige davon überfordert sind... es besteht die Gefahr des Abdriftens. Man wird sehen, was die Konsequenzen sein werden, die der jahrzehntelange Verkündigungsmangel bringt.

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