Dienstag, 27. Mai 2014

Los-Wochos: Bibel(übersetzungen)

Andreas von Pro Spe Salutis hat (hier) so halbwegs zu Los-Wochos der Bibelübersetzungen aufgefordert. Nundenn...

Es gibt Übersetzungen wie Sand am Meer. Gerade die deutschen Theologen waren seit dem 20. Jahrhundert nicht faul, was das angeht. Leider sind die deutschen Katholiken mit ihrer "Einheitsübersetzung" durchaus gestraft. Sie fällt mir häufiger negativ auf, als dass sie mich positiv erfreut; meistens ist ihre Sprache eher langweilig. Was besonders schade ist, da ich selbst sehr aus der Liturgie, v.a aus der täglichen hl. Messe heraus lebe. Zu viel verwaschen, banalisiert oder auch sinnentstellt... man merkt die Absicht der Übersetzer, Anstoß zu vermeiden, besonders da sehr deutlich, wo v.a. Jesus dies eben gerade nicht tut. Sehr schade.
Andere für mein Empfinden schlechte Übersetzungen (aus verschiedenen Gründen) sind etwa die Schlachter 2000 und die Gute Nachricht.
Ideologisch verballhornte Bearbeitungen schlechter deutscher Übersetzungen, die zuweilen vorgeben, selbst "Übersetzungen" zu sein, gibt es auch: etwa die "Neue-Welt-Übersetzung" der Zeugen Jehovas, die "Volxbibel" des Gründers der Jesus Freaks und die "Bibel in [selbst]gerechter Sprache" der EKD. Letztere besitze ich nur für den Fall, dass ich das Bedürfnis verspühre, mal wieder gepflegt heulen, lachen oder kotzen zu müssen. 
Aber genug der Abgründe.

- Meine erste Bibel war eine Lutherübersetzung (1984) und ich bin bis heute ein großer Fan von ihr. Aus irgendeinem Grund gibt es offenbar nur von der LÜ wirklich solche Ausgaben, die die Bezeichnung "Taschenausgabe" verdienen, und das liegt nicht bloß an den Gideons (die man übrigens immer unterstützen sollte!). Weshalb ich unterwegs meistens die LÜ (sei es komplett, sei es nur NT+Ps; verschiedene Überarbeitungen) dabei habe. Generell verwende ich aber je nach Anlass verschiedene Übersetzungen.
- Die von Andreas in seinem Beitrag breit behandelte Übersetzung der Heiligen Schrift des Alten Bundes von Paul Rießler, aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, die ich auch hier auf dem Blog schon mindestens zweimal zitiert und explizit benannt habe, verwende ich bevorzugt zur Schriftmeditation, besonders was die lyrischen und prophetischen Texte des AT anbelangt. Es ist eine "kantige", oft altertümlich wirkende und sehr, im positiven Sinne, aufrüttelnde und aus dem Gewohnten herausreißende metrische Übersetzung auf höchstem sprachlichen Niveau. Das schöne Schriftbild (Fraktur), der Satz in Sinnzeilen, der Verzicht auf Spalten und Fußzeilen (Anmerkungen finden sich hinten in den Bänden), sowie das wunderschön gefärbte und texturierte Papier meiner (auch äußerlich sehr schönen) Ausgabe aus den 30er Jahren, tragen zum Lesevergnügen das Ihrige bei.
- Für die Betrachtung des NT bleibe ich meist bei Luther, den ich auch für etwaige längere Lesungen in den großen Horen des Stundengebets nutze. Natürlich ist auch die LÜ nicht perfekt, aber sie ist doch weit von der Alltäglichkeit der EÜ entfernt. Eine wirklich gute katholische Übersetzung des NT ins Deutsche habe ich noch nicht gefunden.
- Für die Psalmen habe ich im Laufe der Jahre einige Übersetzungen "getestet" und bin schließlich beim "Münsterschwarzacher Psalter" gelandet. Zwar ist diese Übersetzung natürlich für das benediktinische Offizium "optimiert", aber auch zur Meditation im Kämmerlein ist sie sehr geeignet. Die Sprache ist gehoben und nicht alltäglich... sie berührt!
- Für einen "jüdischen Blick", v.a. auf die geschichtlichen Bücher des AT, greife ich gerne zur Buber/Rosenzweig Übersetzung des AT, auch der Psalter ist darin sehr ansprechend.
- Für das tägliche theologische Arbeiten mit der Schrift verwende ich bevorzugt die Elberfelder Bibel (2006) - einfach eine gute, ausgewogene, solide Übersetzung! -, obgleich ich natürlich am Ende des Tages, so ich nicht selbst übersetze, im universitären Einerlei leider die Einheitsübersetzung zitieren muss.
- Für die gelegentliche Dosis Derbheit empfiehlt sich die NT-Übersetzung von Berger/Nord. Wer es eher trocken wortwörtlich will, der greife zum Münchener NT.
- Die nichtdeutsche Übersetzung die es mir am meisten angetan hat, ist zweifelsohne die englische New Jerusalem Bible. Die hat nicht nur die Kommentare der französischen Bible de Jérusalem (wie die deutschen Ausgaben, die unter diesem Label firmieren, als Text aber dann doch bloß die EÜ bieten), sondern übernimmt da, wo der Originaltext verschiedene Sinnrichtungen zulässt, auch deren Sinn. Vor allem aber bietet die NJB eine sehr ansprechende Sprache die weit davon entfernt ist, den Text zu banalisieren oder zu verharmlosen. Mit der gelegentlichen inklusiven Sprache der NJB kann ich ganz gut leben. Gegenüber der "Revised Standard Version Catholic Edition", die von den konservativen Kreisen in den USA favorisiert wird, scheint mir die NJB beim laut Lesen klangvoller, während die RSV-CE sicherlich dem originalen Wortlaut näher liegt und also für die theologische Arbeit vorzuziehen ist.
- Andere Übersetzungen die ich rumliegen oder -stehen habe sind auch manchmal lesenswert, manchmal auch einfach nur gerade in Armreichweite (Hamp/Stenzel/Kürzinger, Rösch, Herder, Zürcher Bibel, Allioli/Arndt, NIV, manche Noname-Übersetzungen in verschiedenen europäischen Sprachen).



Zwei Gedanken noch dazu:

Natürlich ist der Gebrauch so vieler unterschiedlicher Übersetzungen ein Handicap, das es z.B. erschwert, sich biblische Texte einzuprägen. Früher kannten die Christen ihre Bibel auch darum sehr viel besser als wir Heutigen, weil sie, auch die Theologen!, in der Regel ihr ganzes Leben lang ein und die selbe Übersetzung gelesen haben und, etwa im Gottesdienst, zu Hören bekamen. Wenn man aber heute an einem einzigen Tag beispielsweise 4 oder 5 verschiedenen Übersetzungen eines bestimmten Psalms begegnet, je nachdem, ob man in der hl. Messe ist (die Vertonungen im Kantorale sind ja auch textlich sehr unterschiedlich), an einer Vorlesung teilnimmt, das Stundengebet verrichtet, am Computer etwas auf einem Blog ließt oder einfach nur so zuhause in einer (von vielen verschiedenen) Bibel ließt... die Texte stimmen nicht überein. Wie soll man da einzelne Verse im Gedächtnis behalten? Es bleibt daher, wenn man Glück hat, meist bei Paraphrasen.

Ich habe v.a. durch das Stundengebet festgestellt, dass eine Übersetzung dann gut ist, wenn sie v.a. im laut gelesenen Vollzug fähig ist, das Gemüt und den Geist anzusprechen und das Gebet zu fördern. Das Vorlesen (auch und gerade sich selbst!), ist überhaupt etwas, was wir Christen wieder lernen sollten. Zumal es für die Menschen der Bibel völlig selbstverständlich war, dass, wenn man ließt, man dies laut tut (vgl. Apg 8,30: "Philippus lief hin und hörte ihn den Propheten Jesaja lesen"). Solch eine Lesung muss auch ein Heraustreten aus dem Alltag ermöglichen (weswegen die Volxbibel so ein Unding ist).
Zu keiner Zeit in der Geschichte wurden die heiligen Schriften in der Alltagssprache verfasst oder übersetzt! Ob nun die Septuaginta, die Vulgata, die slawischen Übersetzungen... sie alle wahrten immer eine gehobene Sprache und jedem war klar, dass beispielsweise niemand wirklich so sprach, wie die Menschen in diesen Texten mit einander sprechen. Es geht bei dieser Nichtalltäglichkeit freilich nicht um die Konstruktion einer Parallelwelt, sondern um das Aufbrechen unserer Perspektive aus der Welt hin zu Gott!
Gerade in der Klagelyrik des AT ist jede Abmilderung der Agonie des Beters fehl am Platz. Gleiches gilt auch für den Lobpreis, der ruhig in seiner ganzen Überschwenglichkeit auftrahlen darf. Die Bibel bietet jede menschliche Erfahrung archetypisch dar und ist doch zugleich erhaben. Das will ich beim Lesen spüren!

3 Kommentare:

  1. Ein ganz wunderbarer Beitrag mit einem schönen Überblick und einer feinen persönlichen Note! Was katholische Übersetzungen des NT betrifft ... vor einiger Zeit kam mir jene von Fritz Tillmann in die Finger (zuletzt bei Kösel für Westdeutschland, in der DDR der "offizielle" Gebrauchstext vor der EÜ) und hinterließ - freilich nur grob angesehen - keinen schlechten Eindruck ...

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    1. Ach so ... den Kommentar zur Jerusalemer Bibel bekommt man ja gelegentlich auch noch gebraucht mit der Herder-Übersetzung (Deissler & Co.).

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    2. Jetz hab ich glatt vergessen, Friedolin Stier zu erwähnen... naja... mir gings ähmlich wie dir, Andreas: Ich hatte ihn ungesehen eingereiht neben Jörg Zink und andere, die ich ganz schnell weggelegt hab... vielleicht lag es daran, dass sie im Regal direkt neben einander standen ;)
      Muss ich mal nachgucken.
      Die neue Genfer Übersetzung, soweit sie schon vorliegt, hab ich mir noch nicht näher angeschaut.

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