Montag, 21. Juni 2021

geschlechtersensibel von/zu Gott reden?

  Zum Glück nur wenig medial beackert wurde die Tatsache, dass das Bistum Hildesheim vor ein paar Tagen eine Handreichung über „geschlechtersensible Sprache“ veröffentlicht hat (hier). Alles erwartungsgemäß: Aus Mitarbeitern werden Mitarbeitende (Nr. 2; hoffentlich bekommen die, die beim Pfarrfest „mitarbeiten“ dann auch alle einen guten Stundenlohn!) und seelsorglichen Rat dürfen ab sofort nur noch die (bezahlten) Seelsorger geben, sonst wird es verwirrend (Nr. 5). Das ist mir alles ziemlich egal, ich benutze solche Sprache eh nicht.

Was mir nicht egal ist, ist die neue Gottesrede, die hier propagiert wird (s. Bild). Die ist meiner Meinung nach theologisch unhaltbar und nichts weniger als häretisch und blasphemisch.

Doch zunächst muss noch kurz darauf hingewiesen werden, dass bereits das erste hier gegebene Beispiel schon auf rein sprachlicher Ebene – wir lassen mal alle Theologie beiseite – ganz unterirdisch dämlich ist. Das zu ersetzende „Gott der Herr“ ist eine erzählende oder beschreibende Sprachform, d.h. der so Sprechende möchte jemand anderem etwas über Gott berichten: Gott der Herr machte/sprach/etc. (siehe z.B. den zweiten Schöpfungsbericht am Beginn der Bibel ab Gen 2,4b). Die als „auch möglich“ deklarierte Formel „Du, unser Gott“ ist dagegen eine Anrede, denn hier wird Gott direkt angesprochen. Es handelt sich um zwei gänzlich verschiedene Redeweisen mit unterschiedlichen Adressaten. Das dritte Beispiel hat das gleiche Problem, wobei hier noch extra darauf hingewiesen wird, man solle im „Du“, nicht im „Er“ fortfahren... dass das eine die zweite Person bezeichnet und das andere die Dritte, man diese also nicht beliebig vertauschen kann, ohne einen ganz anderen Text (und einen anderen Adressaten der Rede) zu erhalten, ist den Sprachgenies im Bistum Hildesheim offenbar nicht aufgefallen.

Schon die Einleitung ist sehr hilfreich:
Herr, Vater, König, Richter, Herrscher – Mutter, Trösterin,
Heilige Geistkraft, Liebe – Welches Gottesbild hilft uns
in unserem Glaubensleben und spricht die Menschen
an, die da sind?
Ich begrüße die Ehrlichkeit: Immerhin geben die Autoren zu, dass es hier nicht bloß um Sprache geht, sondern dass damit faktisch ein neues/anderes Gottesbild propagiert werden soll. Was für ein Gottesbild ist das? Nun, es ist jedenfalls nicht das, was uns in der Bibel begegnet.

Es ist bemerkenswert, dass den Autoren anscheinend keine Alternative zu „Gott der Herr“ eingefallen ist, weshalb sie offenbar nur den Ausweg sahen, gleich etwas völlig anderes zu schreiben. Durchaus angemessen, schließlich ist „Herr“ die Anrede für Gott und Jesus schlechthin, die tatsächlich durch nichts ersetzt werden kann!

Bekanntlich ist „Herr“ (gr. kyrios) die übliche Umschreibung des unaussprechlichen Gottesnamens, den Gott dem Mose aus dem Dornbusch offenbarte (vgl. Ex 3,14). Der Bezeichnung Gottes als Kyrios kommt biblisch besehen die gleiche Bedeutung zu wie dem Gottesnamen selbst (vgl. ThWNT 3, 1058), bis dahin, dass es heißt: „HERR ist sein Name“ (Ex 15,3) und das Volk bekennt: „Der HERR ist Gott, der HERR ist Gott!“ (1Kön 18,39)

Die für die Hildesheimer Handreichung Verantwortlichen müssen sich das Wort Josuas gefallen lassen: „Wenn es euch aber nicht gefällt, dem HERRN zu dienen, dann entscheidet euch heute, wem ihr dienen wollt: den Göttern, denen eure Väter jenseits des Stroms dienten, oder den Göttern der Amoriter, in deren Land ihr wohnt. Ich aber und mein Haus, wir wollen dem HERRN dienen.“ (Jos 24,15)

Erst im vergangenen Jahr hatte ich mich HIER etwas eingehender mit der unsäglichen und unbiblischen Anrede Jesu als „unser Bruder“ befasst und gegen Ende dann den Schwenk zur Bedeutung der Herr-Anrede getan, die nichts weniger ist als ein Bekenntnis zum Gottsein Jesu, denn dieser wird im ganzen Neuen Testament ganz bewusst so angesprochen, wie im Alten Testament Gott angesprochen wurde:
Die von Bibel und Liturgie einhellig als vorrangig und ersatzlos bezeugte Anrede Jesu als Kyrios – Herr ist weit mehr als nur eine bloß zufällige oder austauschbare Betitelung. Sie ist auch mehr als eine „Hierarchisierung“, die man zu bestimmten Zeiten durch etwas Anderes ersetzen oder milieuspezifisch verflachen kann, damit Jesus irgendwie (aber dann verfälscht) kommunikabel bleibt. Es zeigt sich gerade darin die Vertrautheit, denn die den Herrn erkannt haben und die er erkannt hat, die nennen ihn auch so in ihren Gebeten: „Herr, der du aller Herzen kennst...“ (Apg 1,24) Die Anrede „Herr“ war von Anfang an und ist bis heute vor allem anderen das Bekenntnis der Christen schlechthin: „Darum hat ihn Gott über alle erhöht [...] damit [...] jeder Mund bekennt: Jesus Christus ist der Herr zur Ehre Gottes, des Vaters.“ (Phil 2,9-11) Dass Jesus der „Christus“ und der „Herr“ ist, ist ein wesentlicher Teil der Botschaft von Ostern: „Gott hat ihn zum Herrn und Christus gemacht, diesen Jesus, den ihr gekreuzigt habt.“ (Apg 2,36) Die Anrede Jesu als „Bruder“ offenbart dagegen eine geradezu vorösterliche Sichtweise – nach Ostern wissen wir: „Dieser ist der Herr aller.“ (Apg 10,36)

Im Apostolischen Glaubensbekenntnis bekennen wir Jesus als „unseren Herrn“, im Nizäno-konstantinopolitanischen Glaubensbekenntnis bekennen wir ihn als den „einen Herrn“ (parallel zum „einen Gott“). Das kürzeste und zugleich älteste Glaubenbekenntnis der Christen findet sich im Brief des Apostels Paulus an die Römer: „Herr ist Jesus“ (Röm 10,9; gr. Kyrion Iesun). So sollten wir auch zu ihm beten.

Dass der Heilige Geist, eine der drei Personen(!) der Dreifaltigkeit hier durch eine apersonale Geistkraft ersetzt wird, ist offenkundig. Das mag auch erklären, warum die Autoren den Kyrios entsorgt haben, denn „keiner kann sagen: Jesus ist der Herr!, wenn er nicht aus dem Heiligen Geist redet.“ (1Kor 12,3)

Fassen wir zusammen: Der Gott Israels wird seines herr[!]lichen Namens beraubt, der Herr Jesus wird verleugnet und der Heilige Geist wird entsorgt. Was bleibt da noch übrig? Erst neulich habe ich es erleiden müssen, wie ein Gottesdienst „im Namen Gottes, uns Vater und Mutter, im Namen des Sohnes, uns Bruder und Freund und im Namen der heiligen Geistkraft“ eröffnet wurde, und ich kann nicht umhin zu rätseln, in wessen Namen die Leute da nun eigentlich versammelt waren…  *grusel*



Nachtrag 27. Juni: Übrigens hat das Erzbistum Paderborn schon im Januar 2020 einen "Praxisleitfaden für geschlechtergerechte Kommunikation" herausgegeben (hier). Hier war man immerhin klug genug, Gebetssprache und Gottesanrede ganz außen vor zu lassen. Es sind aber auch hier einige Beklopptheiten drin, etwa wenn "Wanderer" zu "Wer zu Fuß kommt," wird... offenbar glaubt man, beim Wandern ginge es nur darum, an ein verabredetes Ziel (eine Veranstaltung?) zu kommen... arme Leute.

1 Kommentar:

  1. Zu den Beispielen: du lieber Himmel. Es gibt Dinge, bei denen dankbar ist, wenn sie an einem vorübergegangen sind. Anderseits, wenn sich das etabliert, dann weiß ich auch nicht weiter…
    Herzliche Grüße

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