Donnerstag, 19. April 2012

Ein Altar macht Furore

Bereits letzte Woche hat Bischof Lackner in den Kommentaren auf facebook Stellung genommen zum umstrittenen neuen Volksaltar in der Welsche Kirche in Graz. Er beruft sich dabei auf einen antiken Brauch, namentlich den Sigmatisch. Das ist ein runder oder halbkreisförmiger Tisch der in der römischen Antike durchaus üblich war.
Das Problem ist aber nicht so sehr die Tatsache, dass der neue Altar einem antiken Vorbild nachempfunden ist. Das Probkem ist, dass es eine Verballhornung dieses Vorbildes ist!

Der in der Antike übliche sog. Sigmatisch war zum einen wirklich ein Tisch mit mehreren Beinen. Also wäre der neue Welsche Altar bestenfalls ein Zwitter aus Sigmatisch und einem Altartisch mit nur einer Stütze (Letzteres war bis ins 16. Jahrhundert durchaus üblich). Zweitens sei auf die Sitzordnung hingewiesen: Alle Beteiligten saßen oder lagen bei Tisch, der Vorsteher am Ehrenplatz, nämlich in cornu dextra (man beachte, dass somit der Vorsteher auf der selben Seite des Tisches saß, wie alle Beteiligten: nicht diesen gegenüber!); die gerade Kante (d.i. die Vorderseite!) blieb stets frei, damit die Diener das zum Mahl Nötige bringen konnten.

Bildquelle
Nicht nur, dass nun der Tisch als solcher ungenutzt bleibt, weil kein Mensch mehr an ihm sitzt oder liegt (denn das geht sowieso nur bei einer kleinen Anzahl von Gläubuigen): Der Vorsteher steht(!) an der Seite des Tisches, die für die zu verrichtenden Aufgaben der Diener vorgesehen war. In persona Christi? Naja...

Das Ganze ist m.E. eine Farce: Man nimmt etwas aus der Vergangenheit, dessen Form einer klar definierten Funktion und Verwendungsweise angepasst war und verwendet es auf eine Art und Weise, für die es nicht vorgesehen war. Das ist in etwa so sinnvoll, als würde man sich für die Gestaltung einer runden Badewanne auf die Porphyrschale in den vatikanischen Museen berufen.
Im Grunde ließe sich mit so einem Verweis auf die frühchristliche Praxis die Verwendung eines beliebigen Tisches als Altar rechtfertigen, denn sehr oft (vermutlich sogar öfter) wurden in früchristlischer Zeit auch eckige Tische verwendet (oder auch Mauernischen, etwa in den Katakomben, uvm.). Der sog. Sigmatisch ist nur eine(!) in der Antike gebräuchliche Tischform. Mehr nicht.

Achja: Dass ein solcher Sigmatisch "tellerförmige Vertiefungen" ringsherum gehabt haben soll, ist mir neu (was freilich nicht heißt, dass es das nicht auch gab... nur ist das dooferweise nirgends erwähnt oder aus erhaltenen Abbildungen ersichtlich).

Zur Verwendung von, wie es der Bischof ausdrückt, "Rubinrot" in diesem barocken Enseble, sag ich mal nix... Und das Ambo darf falten wer will...

2 Kommentare:

  1. Papst Pius XII. hat diesen ganzen Unsinn als "liturgischen Archäologismus" bezeichnet und den Nagel damit auf den Kopf getroffen. Abhilfe bei dieser Verirrung könnte vielleicht der wunderschöne Hochaltar leisten, der hinter diesem "rubinroten" Ungetüm steht.....

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  2. Verlinkt!
    http://frischer-wind.blogspot.de/2012/04/erste-eindrucke-von-der-hl-rock.html

    Danke für den interessanten Beitrag!

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