Sonntag, 24. Dezember 2023

Weihnachten in der kath. Kirche 2023


 Trotz allem: 

Puer natus est nobis,
et filius datus est nobis
cuius imperium super humerum eius
et vocabitur nomen eius, magni consilii angelus.

Montag, 18. September 2023

Wer ist hier ein Häretiker?

Der Mainzer Theologen Oliver Wintzek beschwert sich über "Verstörendes", das einige seiner Studenten an Eindrücken vom Weltjugendtag in Lissabon mitgebracht hätten (hier).

Womit wurden denn die wackeren Theologiestudenten so verstört, dass nicht einmal die gewiss solide theologische Formung ihres Magisters Wintzek sie vor solcher Verstörung bewahren konnte? Im Kern meint er wohl das, was er eine "irritationsresistente Gewissheit zu wissen, was Gott (oder Jesus) für alle Ewigkeit offenbart habe und wolle" nennt.

Besonders verstörend für die wackeren Studenten war offenbar das Vorkommen von eucharistischer Anbetung am Weltjugendtag. Für Wintzek fast schon so etwas wie eine Sünde, für die ihm zufolge selbst "'Jesus'-affiner (höherer) Klerus" "anfällig" sei. Jesus-affiner Klerus ist "anfällig" für eucharistische Anbetung: da gebe ich ihm natürlich völlig recht, nur dass ich dieses Faktum sehr begrüße. Gut, wenn es solchen Klerus gibt. Kurios finde ich es allerdings, wie wackere Theologiestudenten von soetwas "verstört" sein konnten, schließlich weiß jeder, der schon einmal einen Weltjugendtag mindestens aus der Ferne verfolgt hat, dass man eucharistische Anbetung als ein zentrales Element eines solchen Weltjugendtages erwarten darf, dessen Vorkommen also kaum Verstörungspotential bergen dürfte.

Schließlich gipfelt die Meinungsäußerung darin, dass Wintzek denen, die an Jesus Christus als den Sohn Gottes glauben und an seine eucharistische Gegenwart, die frühchristliche Häresie des Miaphysitismus (in unseren Breiten meist als Monophysitismus bezeichnet) unterstellt, also die Ansicht, Jesus habe nur eine Natur besessen, nämlich, so Wintzek, nur die göttliche. Jesus sei für sie, so unterstellt er den Gläubigen, nurmehr göttlich und gar nicht wirklich Mensch.

Ich weiß, dass Wintzek immer ganz bewusst provozieren will und darum sehr pointiert schreibt. Aber hier hat er den Bogen m.E. so sehr rhetorisch überspannt, dass er ihm mit voller Gewalt ins Gesicht zurückschlägt: Gegen einen karikierten Jesus, der nur ein "Lautsprecher ewiger Wahrheiten" sei, setzt er nämlich einen "seiner Zeit verhafteten menschlichen Verkündiger der (universalen) Gotteshoffnung Israels". Während er also den Anbetenden auf dem Weltjugendtag mit vagen Andeutungen die Häresie des Monophysitismus unterstellt, begeht er sie selbst ganz ausdrücklich. Jesus habe nichts bleibend gültiges Verkünden können, denn er war nur ein in seiner Zeit verhafteter Mensch.

Jesus ist für Wintzek ausdrücklich kein "Kundgeber Gottes" - das sei eine "Überbeanspruchung Jesu" - und fragt emphatisch: "Woher diese Gewissheit des göttlichen Willens?"

Das Großartige ist ja gerade, dass Jesus beides war und ist: wahrer Mensch und wahrer Gott. Darum konnte er auch als wahrer Gott lehren und als Mensch Kunde bringen: „Niemand hat Gott je gesehen. Der Einzige, der Gott ist und am Herzen des Vaters ruht, er hat Kunde gebracht.“ (Joh 1,18) Und dieser selbe Jesus lässt keinen Zweifel daran, dass alles, was er tut und lehrt, der Wille seines himmlichen Vaters ist: "denn ich bin nicht vom Himmel herabgekommen, um meinen Willen zu tun, sondern den Willen dessen, der mich gesandt hat." (Joh 6,38) Die Apostel haben das aufgenommen und waren völlig klar: "Das ist es, was Gott will: eure Heiligung" (1Thess 4,3).

 

Offenbar hegt Herr Wintzek selbst eine irritationsresistente Gewissheit zu wissen, wer Jesus in Wirklichkeit war und wer nicht, auch wenn das gegen das biblische Zeugnis und 2000 Jahre Tradition geht...

Achso: Woher hat er eigentlich die Erkenntnis, dass Menschen nicht in der Lage sind, den Willen Gottes zu verkünden? Wenn das die Propheten des Alten Bundes konnten, dann doch sicher auch der Mensch gewordene Gott?!

Montag, 26. Juni 2023

Erzbischof Johannes Dyba über den Fortschritt

'Konservativ' genannt zu werden, war einem früher eher peinlich. Nach dem Schicksal, das die sogenannten 'Fortschrittlichen' in den letzten Zeiten erfahren mussten, ist es nicht mehr ganz so unangenehm. Auf dem Gebiet von Wissenschaft und Technik haben sich die Grenzen und Gefahren des 'Fortschritts ja überdeutlich gezeigt. Aber auch auf politischem und gesellschaftlichem Gebiet haben Strömungen wie Marxismus und Sozialismus in all ihren Formen, die ja lange Jahre den Fortschritt geradezu zu verkörpern behaupteten, uns an den Rand des Abgrunds geführt. Am Abgrund aber ist nun wirklich jeder weitere Fortschritt tödlich.

Es zeigt sich immer deutlicher, daß man den Fortschritt nicht so naiv wie bisher als etwas Wünschenswertes begrüßen darf, ohne zu prüfen, wovon er eigentlich 'fort'schreitet und zu welchem Ziel er hinschreitet. Ein Beispiel mag das veranschaulichen. Wenn demnächst, wie bei der jetzigen Entwicklung mit Sicherheit zu erwarten ist, der bereits gefundenen sanften Babytötungspille die sanfte Einschläferungspille für Oma und Opa folgt, dann ist das rein pharmazeutisch gesehen zwar ein Fortschritt, menschlich gesehen aber ein Rückschritt in die Ära steinzeitlicher Nomaden, die beim Weiterziehen ihre hilflosen Alten im Schnee zurückließen, weil sie für den Stamm eine für unzumutbar gehaltene Belastung darstellten.

Auch dem verlorenen Sohn" erschien der Aufbruch aus dem Vaterhaus mit prall gefüllten Beuteln sicher als ein Fortschritt. Später musste er dann einsehen, dass der wahre Fortschritt in der Rückkehr zum Vater bestand.

Damit sind wir bei der Frage des Fortschritts in Christentum und Kirche. Was hier neuerdings an Fortschritten verlangt und an 'Fortschrittlichem' angepriesen wird, muss ebenso kritisch geprüft werden. Wenn sich dann – wie im Fall Drewermann – herausstellt, dass die Preisgabe elementarer Bestandteile des katholischen Glaubens, ja sogar von Teilen des Credo ('Empfangen vom Heiligen Geist, geboren aus Maria, der Jungfrau') als besonders fortschrittlich gilt, dann liegt, wie Reinhard Löw richtig bemerkt hat, die Konsequenz nahe, dass der fortschrittlichste Christ der ist, der sich bemüht, das Christentum und damit die Kirche überhaupt abzuschaffen.

Demgegenüber muss auffallen, dass die Predigt Jesu, ebenso wie die seines Vorläufers Johannes mit einem klaren 'Kehrt um!' beginnt. Schon den Propheten des Alten Bundes war aufgefallen, dass Fortschritte" im politischen, kriegerischen, vor allem aber wirtschaftlichen Bereich die Tendenz hatten, das Volk Gottes vom Herrn zu entfernen. Immer wieder rufen sie daher das Volk 'zurück' zum Herrn, was schon damals – wie das Schicksal so vieler Propheten zeigt – keine angenehme oder dankbare Aufgabe war.

Da das Ziel des Christseins in der Nachfolge Christi liegt, sind die fortschrittlichsten Christen die Heiligen. Daran muss sich jeder messen lassen und das muss begreifen, wer in der Kirche von Fortschritt reden will: Nur wenn ich auf Gott zugehe, ist jeder Schritt ein echter Fortschritt, entferne ich mich aber von Gott und seinen Geboten, dann habe ich allen Fortschritt hinter mir gelassen. So wünsche ich allen Gläubigen in diesem Jahre einen wirklichen Fortschritt: dass sie am Ende des Jahres Gott einen Schritt näher gekommen sein mögen - nicht nur im Ablauf der Zeit, sondern auch in ihrem ganzen Sein und Leben.
 
 
(aus: Klein/Sinderhauf, "Unverschämt katholisch", 223-224)

Mittwoch, 15. Februar 2023

Kritik an der Bibel

Eine ungeahnte Höhe des Absurden ist mir heute in einem dienstlichen Austausch begegnet. Kontext: Ein Gespräch darüber, ob bzw. in wie fern es für einen Christen (der sich selbst auch ausdrücklich als solcher sieht) wichtig ist, die Bibel zu lesen. Meine Gesprächspartnerinnen (drei, die sich aber sehr einig waren) arbeiten alle hauptamtlich für ein großes deutsches Erzbistum in der Jugendarbeit.

Einmütige Meinung meiner Gesprächspartnerinnen: Nein, es sei nicht so wichtig, die Bibel zu lesen, schließlich sei sie von Männern geschrieben worden und darum sei sie einseitig/falsch/unterdrückend. Wichtiger sei es daher vielmehr, sie zu kritisieren.

Darauf ich: Wie kann man denn ein Buch kritisieren, ohne es gelesen (und verstanden) zu haben?

Antwort, der beigepflichtet wurde: Ich kritisiere doch auch Hitlers "Mein Kampf" ohne es gelesen zu haben.

 

Badum, tsss!


Eine Dosis Realität: Psalm 119,101-105

Ich verwehre meinem Fuß alle bösen Wege, dass ich dein Wort halte.
Ich weiche nicht von deinen Ordnungen; denn du lehrest mich.
Dein Wort ist meinem Munde süßer als Honig.
Dein Wort macht mich klug; darum hasse ich alle falschen Wege.
Dein Wort ist meines Fußes Leuchte und ein Licht auf meinem Wege.

Donnerstag, 29. Dezember 2022

Jesus und Paulus

Verschiedentlich habe ich mich hier schon darüber ausgelassen, wie der theologische Mainstream versucht, einen Keil zwischen Jesus und Paulus zu treiben (z.B. hier) um je nach gusto etwas als (Ver)Fälschung oder als angeblich authentisch hinzustellen. Je nachdem, was gerade erforderlich ist. Sehr pointiert drückt dieses Mainstream-Ansinnen ein 2021 erschienener Buchtitel aus: "Jesus oder Paulus. Der Ursprung des Christentums im Konflikt" (muss man nicht lesen).

Ich möchte an einem kleinen, aber doch großen Beispiel zeigen, warum man solche kruden Thesen gelassen ignorieren und wie man sie, wenn nötig, auch gepflegt zerlegen kann.

 

Beispiel: Reich Gottes

Es ist allgemein anerkannt, dass im Zentrum der Verkündigung Jesu das Reich bzw. die Herrschaft Gottes steht. Über hundert Mal spricht Jesus in den Evangelien davon, und zwar als von einem kommenden, wie auch als von einem schon gegenwärtigen Reich. Und Paulus? 14 mal, und dabei fast ausschließlich als vom Kommenden. Dagegen spricht Jesus nicht sonderlich häufig vom Geist Gottes bzw. vom Heiligen Geist, etwa ein dutzend Mal. Und Paulus? Der spricht über hundert Mal vom Geist! Also genau verkehrt...

Hat also Paulus Jesu Botschaft vom Reich Gottes ersetzt durch seine Rede vom Geist, die bei Jesus eine (scheinbar) geringe Rolle spielte? War Paulus Jesu zentrale Botschaft egal, und er hat sie durch seine eigene ersetzt? Genau das (mehr oder weniger klar ins Wort gebracht) bringt man jedenfalls Theologiestudenten gerne bei.


Die Wahrheit ist dabei erstaunlich simpel: Sowohl für Jesus, als auch für Paulus, ist der Geist Gottes bereits Teil des Reiches Gottes, das wir als seine Söhne erben sollen bzw. er ist Teil der Herrschaft Gottes, denn Gott herrscht in und durch seinen Geist. Der Geist ist es, der das Reich, das einmal in Fülle offenbar werden soll, heute schon gegenwärtig macht. Die Spannung des "schon und noch nicht" löst sich genau im Wirken des Geistes in Klarheit auf.

Jesus: "Wenn ich aber im Geist Gottes die Dämonen austreibe, dann ist das Reich Gottes schon zu euch gekommen." (Mt 12,28)

Paulus: "Weil ihr aber Söhne seid, sandte Gott den Geist seines Sohnes in unsere Herzen, den Geist, der ruft: Abba, Vater. Daher bist du nicht mehr Sklave, sondern Sohn; bist du aber Sohn, dann auch Erbe, Erbe durch Gott." (Gal 4,6-7)

 

Für Paulus ist das Reich bzw. die Herrschaft Gottes bereits hier, weil und insofern uns der Heilige Geist geschenkt ist (vgl. 1Kor 6,9-11!). Dass Paulus mehr vom Geist als vom Reich spricht, ergibt sich daraus, dass er nach Pfingsten lebt und spricht: Der Geist ist schon gekommen, den Jesus verheißen hat.

Der gern behauptete Gegensatz existiert nicht. Paulus verkündet, genau wie Jesus, das Reich Gottes. Nur benutzt Paulus diesen Ausdruck seltener, weil er stattdessen an die konkret gelebte Erfahrung des Geistes im Leben der Christen anknüpfen kann. Im Übrigen ist letztlich Jesus selbst die Herrschaft Gottes in Person (er ist mächtig, er gebietet, vergibt, wird richten, ist Herr), daher ist es wenig verwunderlich, dass Paulus anders darüber spricht als Jesus es tat: Für den Apostel ist Gottes Reich da, wo Jesus ist (und, im und durch den Geist, angenommen wird).

Freitag, 14. Oktober 2022

Akrobatik mit dem Wort Gottes

Auf kath.ch war dieser Tage eine Story, die sehr schön illustriert, wie man das Wort Gottes auf geradezu akrobatische Weise verdrehen muss, um bestimmte Anliegen zu "stützen". Die Überschrift: "LGBTQ-Gottesdienst in Biel: Jesus ist Vorbild für queere Menschen" (hier).


Besonders krass fand ich bei dieser Gelegenheit das Motto des ganzen, das nämlich ein Bibelzitat ist, aus dem Evangelium vom vergangenen Sonntag (Lk 17,11-19): "Geht, zeigt euch!"(V. 14)

Im Kontext ist interessant: Die Kranken nähern sich Jesus in tiefster Ehrfurcht und Vorsicht, nicht nur, weil sie Aussätzige waren, sondern auch, weil sie offensichtlich Jesu Autorität und Vollmacht erkannten, sonst würden sie ja nicht gezielt an ihn herantreten: "Sie blieben in der Ferne stehen und riefen: Jesus, Meister, hab Erbarmen mit uns!" (VV. 12-13)

Jesus tut scheinbar nichts weiter, als sie zu den Priestern zu schicken. Der Sinn ist ein mehrfacher: Eine Heilung von Aussatz musste laut dem Gesetz von den Priestern bestätigt werden, die Geheilten mussten ein Opfer zum Dank darbringen (Lev 14,1-32), und zugleich zeigte Jesus durch diese Aufforderung, dass er das Gesetz befolgt.

Der Evangelist, der uns diese Episode berichtet, hebt nun besonders auf den einen Geheilten ab, der zu Jesus zurückkehrt, und sich bedankt, der nämlich ein Samaritaner war, mit dem die Juden also nichts zu tun haben wollten, der den Juden - ob gesund oder krank - als Ausgestoßener galt.


Frage: Wie lässt sich das im Evangelium Berichtete mit einem LGBTQ-Gottesdienst unter dem Motto "Geht, zeigt euch!" vereinbaren?

Die Situation ist vertrackt, denn die Prämisse des Gottesdienstes ist ja gerade, dass queere Menschen angeblich (von der Kirche) "abgelehnt" werden, wie die Juden auch Samaritaner und Aussätzige, also erst recht aussätzige Samaritaner abgelehnt haben. Die Parallele ist sehr offensichtlich und böte sich an. Aber mit diesen Kranken/Geheilten sollen sich die Gottesdienstteilnehmer gerade NICHT identifizieren, denn eine "Heilung" darf ja für sie nicht in Frage kommen (aus dem Artikel: "Konversionstherapien können Menschen aus der LGBT-Communitiy unglaublich schaden"). Also, Problem: Die Evangelienperikope eignet sich eigentlich gar nicht für das, was der Gottesdienst "bringen" soll.

Wie schaffen es also die Veranstalter trotzdem, den Bibeltext nutzbar zu machen? Klar: Das Wort Gottes wird hier akrobatisch verdreht. Das "Geht, zeigt euch!" ist jetzt nicht mehr Jesu Antwort auf von schwerem Leid Befreite, die in tiefer Ehrfurcht den Herrn um Erbarmen (Heilung) angefleht haben, sondern es soll stattdessen besagen: "Seid stolz auf eure sexuelle Orientierung, versteckt euch nicht, zeigt euch den Menschen so, wie ihr seid; das Letzte, was ihr braucht, ist eine 'Heilung'!"

Wenn also nicht die Geheilten die Identifikationsfiguren für die Gottesdienstteilnehmer sind, wer dann? Im Titel des Beitrags auf kath.ch steht es schon: "Jesus ist Vorbild für queere Menschen".

In einer wahrlich kühnen Verdrehung des Bibeltextes wird nämlich der Ruf Jesu an die Aussätzigen/Geheilten umgedreht, und als eine Art Lebensmotto Jesu ausgegeben: "Er ist hinaus gegangen und hat sich gezeigt. Er hat gesagt, wer er ist und wofür er steht." (kath.ch)

Queere Menschen sind wie Jesus. Jesus ist wie die queeren Menschen.

Das hat natürlich mit dem Jesus, der uns in den Evangelien begegnet, nichts zu tun. Dieser Jesus in den Evangelien hat nicht sein Menschsein oder gar seine sexuelle Orientierung ins Rampenlicht gestellt und angepriesen, er hat keine ihm eigene, menschliche Agenda verkündet "für die er steht", sondern er verwies stets auf den Vater, von dem er kommt, und ohne den er nichts ist: "Was nennst du mich gut? Niemand ist gut als nur einer, Gott." (Lk 18,19) Jesus sagt genau das Gegenteil von dem, was die Botschaft jenes Gottesdienstes sein sollte: "Wenn ich über mich selbst Zeugnis ablege, ist mein Zeugnis nicht wahr; ein anderer ist es, der über mich Zeugnis ablegt, und ich weiß: Das Zeugnis, das er über mich ablegt, ist wahr." (Joh 5,31-32) Und: "Denn ich habe nicht von mir aus gesprochen, sondern der Vater, der mich gesandt hat, hat mir aufgetragen, was ich sagen und reden soll." (Joh 12,49)


Diese Verdrehung von Jesu Selbstverständnis als ganz vom Vater kommend hin zu einem bornierten "Ich!" wird natürlich auch dadurch nicht besser, dass Jesu Verkündigung verglichen wird mit dem Stolz auf etwas, was die Bibel einhellig (AT und NT) als Gräuel, der vom Reich Gottes ausschließt, verurteilt (vgl. hier). Denn natürlich geht es nicht um die Menschen an sich, die die Kirche ja keineswegs ausschließt, sondern eben um das wofür sie "stehen", um das, was sie wollen: Anerkennung, ja sogar Wertschätzung ihrer ("queeren") Handlungen. Diese Anerkennung zu Fordern wird mit der Verkündigung Jesu verglichen!

Und natürlich geht es im Letzten wie immer um das Selbe: "Wir setzen uns für eine Kirche ein, die alle so akzeptiert, wie sie sind"... ob sie das auch über pädophile Priester und Völkermörder sagen würden, weiß ich nicht. Aber natürlich bleibt das alte Problem: So eine Kirche wäre nicht die Kirche Jesu, denn der hat an keiner Stelle zu irgendwem gesagt "Ich akzeptiere dich so, wie du bist"... Nein, Jesus hat stets zur Umkehr aufgerufen, zu einer Veränderung der Gesinnung, des Handelns, des Lebens. Auch wer scheinbar sündenlos lebte, weil er alle Gebote penibel befolgte, bekam von Jesus kein "Toll, bleib so!" zu hören, sondern: "Wenn du vollkommen sein willst, geh, verkauf deinen Besitz und gib ihn den Armen" (Mt 19,21).


Am Ende müssen wir uns wohl grundsätzlich die Frage stellen: Wenn ein Anliegen (egal was), das wir als Christen vertreten, eine solche Verdrehung und Verfälschung des Wortes Gottes und der darin bezeugten Identität Jesu erfordert, um es überhaupt noch irgendwie mit der Bibel zu "stützen", kann es dann richtig sein? Kann dieses Anliegen echt und wahr sein, dem Willen Gottes entsprechen?

Montag, 3. Oktober 2022

Das Fragen nach dem Zölibat

»Ist das heute im Klerus - unverhohlen oder im geheimen - umsichgreifende Verlangen nach der Ehe ein Zeichen des Glaubens, jenes Glaubens, der konkret und ernsthaft, als "Ärgernis" und in "Torheit" das wirkliche Leben an die Hoffnung des Glaubens wagt? Oder ist es ein Symptom der Glaubensschwäche, eines Glaubens, der auf jeden Fall denkt: "Was man hat, das hat man"? Ist es ein Glaube, den man zwar noch als ideologischen Überbau und Zusatz - und das aus Tradition - hinnimmt, der aber ja sich nicht anmaßen darf, das Leben selbst radikal umzubauen und von Grund auf zu revolutionieren, jenes Leben, so wie es auch ohne die Hoffnung des Glaubens sonst geführt wird?«


So fragte Karl Rahner 1967 (Der Zölibat des Weltpriesters im heutigen Gespräch. Ein offener Brief, in: Geist und Leben; wieder abgedruckt in "Knechte Christi"). Ich habe (wie Rahner damals) keinen Grund zu der Annahme, die Infragestellung des Zölibats geschähe aus einem tiefen Glauben heraus. Dort wo sie geschieht, ist der Bankrott des Glaubens und der Glaubenspraxis das stets gleichbleibende Charakteristikum. Später hat Rahner seine Meinung, wie in vielen Bereichen, geändert, aber 1967 war er noch emphatisch und klar: 

»Ich wünsche und erwarte nicht, daß die Kirche für unsere abendländischen Räume ihr "Zölibatsgesetz" ändert [...] ich hoffe, daß die Kirche den heiligen Mut behält, Priestern auch im Weltklerus den Zölibat zuzumuten.«


In den Diskussionen über die immer gleichen Themen "in Kirche" ist es wichtig, die eigene Wahrnehmung zu schulen. Ein wichtiger Punkt ist die Formulierung von Fragen: Wie wird der in Diskussion stehende Gegenstand befragt? Eine schöne Lektion dazu erteilte bereits vor bald 200 Jahren Johann Adam Möhler im Blick auf die auch damals schwelende Diskussion um die Abschaffung des Zölibats der katholischen Kleriker. Möhler (Vom Geist des Zölibats, Paderborn 1992, 76):

»Der allgemeinste und überall wiederkehrende Einwurf gegen den Zölibat der katholischen Priester wird aus ihm als einem Zwangsgebot abgeleitet, das die härteste Beschränkung der persönlichen Freiheit verhänge. Daher wird gewöhnlich die für unauflöslich gehaltene Frage gestellt: Wie kann sich die Kirche berechtigt glauben, so viele Männer, einen ganzen Stand zu zwingen, der Ehe zu entsagen? Göttliche und menschliche Rechte streiten gegen sie. Vor allem leugne ich [d.i. Möhler], daß die Frage die rechte Fassung hat und verlange, daß sie vielmehr in dieser Form aufgeworfen werde: Hat die Kirche das Recht, nur jenen die priesterliche Weihe zu erteilen, deren Geist mit der höchsten religiösen Weihe schon gesalbt ist, in denen sich die reinste und schönste Blüte gottseligen Lebens entfaltet, die ganz und ungeteilt dem Herrn leben, wie der Apostel sich ausdrückt, oder die, wenn wir es in einem Worte mit demselben Apostel bezeichnen wollen, die Gabe der Jungfräulichkeit erhalten haben?«


Die erste Frageform ist für Christen eigentlich unzulässig, weil sie losgelöst von dem gestellt ist, was Christen glauben: Kein Bezug zu Christus, zur Liturgie, zur Hoffnung auf das ewige Leben etc... nichts. Rein soziologisch, psychologisch, weltlich. Und das müsste eigentlich klar sein: Eine Anfrage an eine spezifische christliche Lebensweise ohne Bezug zum christlichen Glauben beantworten zu wollen/sollen, ist Unsinn.

Nein, die Frage ist nur aus dem Glauben zu beantworten, aber dafür muss sie erst einmal anders gestellt werden! Genau auf dieser Linie fragte Rahner (an selber Stelle, 1967): 

»Warum soll die lateinische Kirche nicht bloß jenen ihr Amtspriestertum geben dürfen, die ihr sagen, sie hätten diese Berufung zum Zölibat vernommen? [...] Warum sollte die Kirche also nicht auch in Zukunft Priester gerade aus denen wählen, die sich mit Gottes Gnade trotz ihrer Schwachheit, in der sich Gottes Gnade mächtig erweist, zum Zölibat entschließen und als solche die Weihe empfangen? Die bergende Kraft, aus der heraus der Zölibat gelebt werden kann und muß, und das "Motiv", das für die Kirche selbst für dieses "Gesetz" im Vordergrund steht, müssen nicht identisch sein, obwohl beides nicht getrennt werden darf. Und so meine ich: Die Kirche tut recht daran, wenn sie auch den Zölibat will, damit wir nicht zu Beamten eines rituellen Betriebs degenerieren, sondern durch unser Leben bezeugen, wovon wir reden und was wir kultisch verrichten.«


Die Art und Weise des Fragens offenbart also allzu oft schon, wo der Fragende steht (im Glauben oder außerhalb davon) und was er als Antwort hören möchte. Natürlich kann es sein, dass eine tendenziös klingende Frage auch einfach darauf zurückzuführen ist, dass der Fragende schlicht so uninformiert und unreflektiert in der Sache ist, dass er nicht weiß, wie er danach zu fragen hat. Allerdings haben wir heutzutage (?) das Problem, dass gerade die Uninformierten die lautesten Meinungen zu haben pflegen, also gibt es hier eine großflächige Überschneidung.

Ob die Frage nun bewusst tendenziös ist - also die Absicht des Fragenden offenlegend - oder auf Uninformiertheit beruht, die ernsthaft nach Antworten sucht, in beiden Fällen kann es hilfreich sein, aus der gläubigen Perspektive die Frage neu zu formulieren, denn andernfalls wird der Blick meist unüberwindbar verstellt. Wenn das Gegenüber darauf besteht, die Frage nach dem priesterlichen Zölibat unter Absehung vom christlichen Glauben zu beantworten, würde ich von einem Antwortversuch abraten und im Gegenzug darauf hinweisen, dass die priesterliche Berufung unter solcher Absehung nicht existiert, und sich die Frage darum erübrigt. Wie die Antwort, so muss auch die Frage im christlichen Kontext gestellt werden können, denn - wie so oft - losgelöst davon ist es "Torheit".


PS. In jenem Brief von 1967 formuliert Rahner auch eine herrlich klare, fast vulgäre Absage an den nach wie vor grassierenden, pseudo-wissenschaftlichen Umgang mit der Heiligen Schrift zur Unterfütterung selbst der schrägsten theologischen Ergüsse (Rahner selbst entging weitestgehend dieser Versuchung, weil er die Schrift in späteren Jahren einfach weiträumig ignorierte, sein "Grundkurs des Glaubens" etwa, kommt fast gänzlich ohne die Bibel aus): 

»Ihr jungen Leute ruft heute energisch nach der Schrift. Schön und gut. Es ist wunderbar, daß das Wort der Schrift Euch heute mehr gilt als ein Satz aus einem staubigen Schulbuch der Scholastiker, als die säuerliche Rede eines dürren und menschlich unterernährten Aszeten oder sogar mehr als eine päpstliche Enzyklika. Aber kann ich nicht mehr lesen oder können es manche junge Geistlichen nicht mehr? Im Neuen Testament ist der Verzicht auf die Ehe bezeugt als echte, hohe und heilige Möglichkeit des christlichen Daseins. Gewiß nur für solche, die es fassen können. Aber man muß es auch fassen wollen; es ist nicht für die Eunuchen gesagt, was da steht. Aber schon kommen die dreimal Gescheiten, die das kritische Instrumentarium der modernen Exegese handhaben zu können glauben: "Das ist zeitbedingt!" "Das ist Dualismus!" "Das hat der wirkliche Jesus selber nicht gesagt!" Man ruft nach "Formgeschichte" usf. und möchte die "Rejudaisierung" oder "Hellenisierung" Jesu ausmerzen. Solche Leute nehmen die Schrift nur dann ernst, wenn es ihnen paßt; andernfalls ist ihnen die Schrift wie eine Wachsnase, die sie nach jeder Richtung drehen können. Selbst wenn man einkalkuliert, daß auch in der Schrift in diesem Fall das eigentlich "Gemeinte" unter bestimmten Vorstellungsmodellen, in geschichtlich und soziologisch bedingten Situationen, unter nie ganz reflex verarbeiteten Voraussetzungen ergriffen wird, die nicht mehr einfach die unseren heute sind, - was beweist das gegen die Ehelosigkeit "um des Himmelreiches willen", die die Schrift eben doch "meint"? Selbst wenn ein gewisser "Dualismus" den latenten Hintergrund gebildet hätte, steckt nicht auch in ihm eine Menschheitserfahrung, die nur Oberflächliche billig ganz beiseite schieben? Ist das Gemeinte selbst von diesem "Dualismus" abhängig, weil dieser die Situation war, in der das Gemeinte (von dem ich noch schreiben muß) zuerst deutlich ergriffen werden konnte (aber eben um gehalten werden zu können)? Nein, es bleibt dabei: Die Schrift weiß als Gottes Wort mitten im Menschenwort, daß der Zölibat eine echte Möglichkeit des christlichen Daseinsvollzugs ist.«

Montag, 5. September 2022

Verkündigung als Irreführung

Bischof Bätzing hat am vergangenen Sonntag in Essen zur Feier der Ludgerustracht gepredigt… und bewiesen, dass er entweder die Menschen böswillig in den Unglauben führen möchte, oder, dass er keine Ahnung vom Katholizismus hat. Sogar sein eigenes, nachlesbares theologhischen Fachwissen scheint er über Bord geworfen zu haben. Schlimm, wirklich schlimm.

Er sagte u.a.:


Dass die Grabstätten von Heiligen so bedeutsam wurden, dass man sogar Reliquienübertragungen quer durch Europa vollzog, hängt mit der familienbezogenen religiösen Einstellung der germanischen Bevölkerung zusammen. Dort bezog man sich auf einen Stammvater der Sippe – und der wurde nun im wahrsten Sinne des Wortes durch den Bezug zu einem christlichen Heiligen neu gesetzt.

Einmal davon abgesehen, dass es soetwas wie einen Heiligenkult und insbesondere Reliquienverehrung auch weit jenseits des Christentums gab und gibt (etwa im Buddhiusmus schon im 5. Jhd. v. Chr., im Konfuzianismus im 2. Jhd. v. Chr., ebenso im Islam bis heute), dies also schwerlich auf germanische Eigenheiten zurückzuführen ist, ist das von Bätzing dargelegte natürlich grundfalsch.

Im Christentum gab es Jahrhunderte vor den ersten Versuchen der Germanenmission schon einen ausgeprägten und auch theologisch reflektierten Heiligenkult inklusive Reliquienverehrung; das früheste uns in aller Deutlichkeit bezeugte Beispiel für einen ausgesprochenen Kult um einen Heiligen/Märtyrer und seine Reliquien ist Polykarp von Smyrna (gest. ca. 155), der seit ältester Zeit als Schüler des Apostels Johannes gilt, und auch da gewinnt man nicht den Eindruck, dass dies etwas Neues oder Unübliches war.

Dass die Verehrung gerade der Grabstätten der Heiligen nicht „mit der familienbezogenen religiösen Einstellung der germanischen Bevölkerung zusamme[hängt]“, sondern wohl eher biblische Wurzeln hat (Propheten- und Patriarchengräber!), kommt Bätzing offenbar nicht in den Sinn. Er dreht den Spieß einfach um und tut so, als wäre unsere christliche Heiligenverehrung ein heidnisches (germanisches) Relikt, das die Christen übernommen haben. In der Wirklichkeit ist es andersherum: Die Germanen hatten einen leichteren Zugang zum Christentum, weil sie Elemente ihrer eigenen Kuktur darin (in von heidnischen Vorstellungen gereinigter Form) wiederfanden.

Schon biblisch ist die Verehrung heiliger Gräber reichlich bezeugt. Als Jesus den Pharisäern zurief „Ihr errichtet den Propheten Grabstätten und schmückt die Denkmäler der Gerechten“ (Mt 23,29), da tadelte er nicht diese Praxis, sondern die Heuschelei die daraus entsteht, dass sie die Propheten und Gerechten zwar äußerlich ehren, sie in ihrem Tun aber verraten. Auch die Kraft solcher Gräber ist bezeugt: So hatte etwa das Grab des Elischa die Kraft, Tote zum Leben zu erwecken (vgl. 2Kön 13,20-21). Und ebenfalls biblisch ist auch schon die Verlegung von bedeutenden Gräbern („Reliquienübertragung“) bezeugt (etwa Rahels Grab: 1Sam 10,2).

Germanische Eigenheiten?


Der Glaube der Germanen war kriegerisch. Ähnlich wie bereits im Römischen Reich war man durchaus bereit, einem siegreichen Gott Folge zu leisten. So wurde das Kreuz mehr und mehr zum Siegeszeichen und Christus zum Sieger; die „Torheit des Kreuzes“, zu der sich der Apostel Paulus bekannte, trat sehr in den Hintergrund.

Soso, das Kreuz als ruhmwürdiges Siegszeichen und Christus als Sieger ist also nicht paulinisch? Redet er von dem Apostel Paulus, der immer wieder von dem Sieg und dem Siegespreis redet, den wir durch Christus errungen haben (Röm 8,37; 1Kor 9,24; 15,54.57; Phil 3,14; Kol 2,18)? Jener Paulus, der sich „allein des Kreuzes Jesu Christi, unseres Herrn, rühmen“ möchte (Gal 6,14), und der die, die nicht glauben, als „Feinde des Kreuzes Christi“ (Phil 3,18) bezeichnet?

Bätzing versteht offenbar nicht, dass Paulus mit der „Torheit des Kreuzes“ den Vorwurf der Ungläubigen benennt: „Wir dagegen verkünden Christus als den Gekreuzigten: für Juden ein Ärgernis, für Heiden eine Torheit“ (1Kor 1,23), und dass er dem entgegen setzt: „für die Berufenen aber, Juden wie Griechen: Christus, Gottes Kraft und Gottes Weisheit.“ (V. 24) Insbesondere die Nennung der „Kraft“ ist hier aufschlussreich, denn sie weist in die gleiche von Paulus so geliebte „sportliche“ Bildsprache ([Wett]Kampf, Lauf etc.), wie die Rede vom „Sieg“. Nochmal: „Denn das Wort vom Kreuz ist denen, die verloren gehen[!], Torheit; uns aber, die gerettet werden, ist es Gottes Kraft.“ (1Kor 1,18)

Achja, Jesus: „Ich habe die Welt besiegt.“ (Joh 16,33) Insbesondere der Erste Johannesbrief und die Offenbarung des Johannes sind natürlich voll von „Siegesrhetorik“ darüber, was Jesus getan hat und wer er ist.

Germanische Eigenheiten?


Im Folgenden beklagt Bätzing dann noch, dass der Charakter der Eucharistie als Opfer „stärker in den Vordergrund“ getreten sei als die Danksagung, womit er nur, ganz vorne auf dem deutsch-theologischen Mainstream reitend, seinen eigenen Unmut über die faktische Entfaltung des Durchdringens der Offenbarung im Laufe der Kirchengeschichte zum Besten gibt – er selbst wünscht sich offenbar etwas anderes, aber zum Glück beten wir nicht „Bätzings Wille geschehe“. Und er kontrastiert seine romantisierte Vorstellung einer güldenen Anfangszeit, in der jeder einzelne Mensch ausschließlich aufgrund „persönlicher Umkehr“ zum Glauben kam, mit den offenbar schä(n)dlichen Einflüssen der Germanen, die seiner Ansicht nach erst eine Annahme des Glaubens als „Familienclan“ ermöglicht, und folglich „Zwangstaufen“ befördert hätten. *Hust* Apg 16,14-15 *hust*… offenbar wurden auch vorher schon ganze „Häuser“, sprich: Familien (und damit ist biblisch nicht die Kleinfamilie im schnuckligen Einfamilienhaus gemeint!) getauft.

Nach diesem Stakkato von falschen und irreführenden Aussagen fragt der Bischof doch allen Ernstes:

Liebe Geschwister im Glauben, hilft uns ein solcher Exkurs in die Lebens- und Glaubenswelt des hl. Liudger mit all ihren Herausforderungen?

Die Antwort muss wohl lauten: Nein. Kein Stück. Es sei denn, die Intention ist es, sich möglichst schnell vom katholischen Glauben und Leben zu verabschieden.

Im Übrigen muss man wohl hoffen, dass im Publikum nicht allzu viele „Geschwister im Glauben“ saßen, jedenfalls, wenn man es am sich hier ausdrückenden Glauben des Herrn Bätzing misst.

 

Alles Treiben um den suizidalen Weg und die Abschaffung von Priestertum, Hierarchie und kirchlicher Sexualmoral einmal beiseite gelassen, zeigt diese Predigt: Dieser „Bischof“ stärkt nicht die ihm anvertraute Herde, er belebt nicht die Freude am Glauben oder die Verehrung Gottes und seiner Heiligen, sondern er sät nur Falschheiten, Zweifel und Unglaube. Er übernimmt die dümmlichen und schlicht uninformierten (ignoranten) Vorurteile einer antichristlichen Welt und „verkündet“ sie als Wahrheiten von der Kanzel. Letztlich entmündigt er die Menschen, weil er sie offenbar für dumm verkauft und in die Irre führt.

Wie kann so jemand Bischof werden - und bleiben?

Montag, 29. August 2022

Amputierte Lesungen - Hebr 12

Die vielleicht wichtigste Errungenschaft der letzten Liturgiereform ist die sehr stark ausgeweitete Leseordnung, die nun weitaus mehr biblische Texte in die Heilige Messe bringt. Zugleich ist es eine der großen Schandtaten jener Liturgiereform, wie manchmal mit den Texten umgegangen wurde. Für mich schlimmstes Beispiel ist die Mahnung des Apostels Paulus vor dem unwürdigen Empfang der Eucharistie (1Kor 11,27-30), die konsequent ausgelassen wird (Gründonnerstag, Fronleichnam, Votivmesse Eucharistie). Das ist nicht nur dramatisch, weil es eine moralisch höchst anspruchsvolle Weisung ist, sondern es ist für Paulus DER Punkt auf den er hinaus will (denn es sind Ungereimtheiten und Streiterein um das Herrenmahl, die seinen Brief veranlasst haben!) und die Missachtung dessen ist lebensgefährlich: "Deswegen sind unter euch viele schwach und krank und nicht wenige sind schon entschlafen."

Wie dem auch sei. Die vergangenen zwei Sonntage bieten ein ähnliches Problem, diesmal ist der Hebräerbrief dem unseligen Kastrieren zum Opfer gefallen. Vor zwei Wochen war Hebr 12,5-7.11-13 die zweite Lesung, vergangenen Sonntag war es 12,18-19.22-24a. Es fehlen die Verse 4, 8-10, 14-17, 20-21 und Vers 24b.
Hebr 12,4-24 ist ein in sich geschlossener Sinnabschnitt, aus dem an diesen beiden Sonntagen vieles herausamputiert wurde, was inhaltlich durchaus schwer wiegt – und sicher nicht, weil es „zu lang“ geworden wäre, denn viel Masse ist es nicht.

Die Lesungen mit den herausgeschnittenen Versen hervorgehoben:

4 Ihr habt im Kampf gegen die Sünde noch nicht bis aufs Blut Widerstand geleistet
5 und ihr habt die Mahnung vergessen, die euch als Söhne anredet: Mein Sohn, verachte nicht die Erziehung des Herrn / und verzage nicht, wenn er dich zurechtweist!
6 Denn wen der Herr liebt, den züchtigt er; / er schlägt mit der Rute jeden Sohn, den er gern hat.
7 Haltet aus, wenn ihr gezüchtigt werdet! Gott behandelt euch wie Söhne. Denn wo ist ein Sohn, den sein Vater nicht züchtigt?
8 Würdet ihr nicht gezüchtigt, wie es doch bisher allen ergangen ist, dann wäret ihr keine legitimen Kinder, ihr wäret nicht seine Söhne.
9 Ferner: An unseren leiblichen Vätern hatten wir harte Erzieher und wir achteten sie. Sollen wir uns dann nicht erst recht dem Vater der Geister unterwerfen und so das Leben haben?
10 Jene haben uns für kurze Zeit nach ihrem Ermessen in Zucht genommen; er aber tut es zu unserem Besten, damit wir Anteil an seiner Heiligkeit gewinnen.
11 Jede Züchtigung scheint zwar für den Augenblick nicht Freude zu bringen, sondern Leid; später aber gewährt sie denen, die durch sie geschult worden sind, Gerechtigkeit als Frucht des Friedens.
12 Darum macht die erschlafften Hände und die wankenden Knie wieder stark,
13 schafft ebene Wege für eure Füße, damit die lahmen Glieder nicht ausgerenkt, sondern vielmehr geheilt werden!

14 Trachtet nach Frieden mit allen und nach der Heiligung, ohne die keiner den Herrn sehen wird!
15 Seht zu, dass niemand von der Gnade Gottes abkomme, damit keine bittere Wurzel aufsprosst, Schaden stiftet und viele durch sie verunreinigt werden,
16 dass keiner unzüchtig ist oder gottlos wie Esau, der für eine einzige Mahlzeit sein Erstgeburtsrecht verkaufte!
17 Ihr wisst auch, dass er verworfen wurde, als er später den Segen erben wollte; denn er fand keinen Raum zur Umkehr, obgleich er unter Tränen danach suchte.

18 Denn ihr seid nicht zu einem sichtbaren, lodernden Feuer hinzugetreten, zu dunklen Wolken, zu Finsternis und Sturmwind,
19 zum Klang der Posaunen und zum Schall der Worte, bei denen die Hörer flehten, diese Stimme solle nicht weiter zu ihnen reden;
20 denn sie ertrugen nicht den Befehl: Sogar ein Tier, das den Berg berührt, soll gesteinigt werden.
21 Ja, so furchtbar war die Erscheinung, dass Mose rief: Ich bin voll Angst und Schrecken.
22 Ihr seid vielmehr zum Berg Zion hinzugetreten, zur Stadt des lebendigen Gottes, dem himmlischen Jerusalem, zu Tausenden von Engeln, zu einer festlichen Versammlung
23 und zur Gemeinschaft der Erstgeborenen, die im Himmel verzeichnet sind, und zu Gott, dem Richter aller, und zu den Geistern der schon vollendeten Gerechten,
24 zum Mittler eines neuen Bundes, Jesus, und zum Blut der Besprengung, das mächtiger ruft als das Blut Abels.


Ein wirklich sehr kurzer, überhaupt nicht erschöpfender Kommentar zu den amputierten Versen, und warum sie wichtig sind.

Vers 4: Das Fehlen dieses Verses entmündigt die Zuhörer, denn ihnen wird das eigentliche Thema des Abschnitts vorenthalten. Und leider hat das den gegenteiligen Effekt von dem, was wohl angestrebt war: Die Passage über die Züchtigung durch Gott wird dadurch nicht entschärft, sondern in ein ganz falsches Licht gerückt. Denn Vers 4 macht deutlich, dass es um die Nachfolge Jesu geht, der vor allen anderen „bis aufs Blut gelitten“ hat. Außerdem wird klar, dass es nicht einfach um irgendwelche, willkürlich zugefügten Leiderfahrungen geht, sondern um Leid, das in Kauf genommen wird, um nicht zu sündigen (man denke etwa an die Wahl der Märtyrer, den Götzen zu Opfern oder von Löwen zerfetzt zu werden). Ohne Vers 4 entsteht hier ein ganz irriger Eindruck.

Vers 8: Es wird deutlich, was man gerne vergessen möchte, dass es auch illegitime Söhne Gottes gibt, so wie es auch Ehebrecher in Bezug auf Gott gibt (nämlich: Götzendiener). Mir scheint hier die Sinnspitze des Abschnitts betroffen: Der Autor möchte die Züchtigungen als etwas Unvermeidliches darstellen, und kontrastiert dies damit, dass es noch viel schlimmer für seine Zuhörer wäre, wenn sie sich dem entziehen wollten, weil sie dann keine legitimen Söhne mehr wären.

Verse 9-10: Das ist heute nicht mehr zeitgemäß. Umso verwunderlicher, dass die Stoßrichtung des Abschnitts beibehalten wurde: Der Hinweis auf die zu erwartende Züchtigung. Hätte man hier bloß Missverständnisse vermeiden wollen (dass manche Zuhörer, insbesondere in nicht-europäischen Kulturen, dies zum Anlass für häusliche Züchtigungen nehmen), hätte man den ganzen Abschnitt dazu weglassen müssen. Gerade die Verse 9-10 hätten dem heutigen Leser deutlich machen können, woher diese Bildrede von der Züchtigung durch Gott in Hebr stammt.

Verse 14-17: Das gehört zweifelsohne zur Kernbotschaft Christi: Gefordert wird „Heiligung, ohne die keiner den Herrn sehen wird“. Es geht letztlich um nichts weniger als die Angleichung an Jesus (siehe Vers 4!). Johannes hilft zum Verständnis: „Jeder, der diese Hoffnung auf ihn setzt, heiligt sich, so wie er heilig ist.“ (1Joh 3,3) Ähnlich wie Vers 8, ist wohl auch hier das Anstößige, das zur Amputation geführt hat, dass Hebr die Möglichkeit des Abfalls thematisiert. Mehr noch: Es wird die Gefahr der Fäulnis innerhalb der Gemeinde angesprochen, die um sich greifen kann: „damit keine bittere Wurzel aufsprosst, Schaden stiftet und viele durch sie verunreinigt werden“. Das will man natürlich heute nicht hören, das ist nicht nett.

Verse 20-21: Wieder ist die Sinnspitze des Abschnitts getroffen, diesmal aber noch krasser, denn der Passage fehlt damit die Spitze gleich ganz, sie wird nicht nur unverständlicher, wie im vorherigen Abschnitt. Was ist diese Sinnspitze? Nun, das sichtbare, lodernde, zu dem wir nicht „hingetreten“ sind, ist reichlich vage – was meint der Autor, worauf spielt er an? Natürlich: Es sind verschiedene Offenbarungen Gottes im Alten Bund (Dornbusch, Wolkensäule etc.). Aber so, wie die Passage im Lektionar steht, fehlt die eigentliche Wucht, denn die wichtigste, gewaltigste und für Israel unüberbietbare Offenbarung fehlt. Die Verse 20-21 spielen ziemlich deutlich genau darauf an: Es geht um die Offenbarung Gottes auf dem Sinai („Berg“, „Mose“). Hebr will sagen: Wozu wir hingetreten sind, ist noch weit mehr als alle Offenbarungen, sogar mehr als jene Offenbarung am Sinai!

Vers 24b: Da man Vers 4 weggelassen hat, ist man hier wenigstens konsequent, und lässt auch diese Anspielung auf Jesu Leid „bis aufs Blut“ weg. Schade, damit ist auch der Hinweis zerstört, der das Christusereignis in die gesamte Menschheitsgeschichte (von Abel an) einbindet.

In Summe macht Hebr deutlich: Was wir hier in Jesus haben, der für uns starb und dem wir uns auch im Leid angleichen sollen, ist mehr als alle früheren Offenbarungen Gottes an die Menschen, und auch mehr als alle früheren Hinwendungen (Schreie) der Menschen zu Gott. Leider hat man es offenbar den Gläubigen (und den Predigern) nicht zugetraut, dieses Große ganz vor das geistige Auge gestellt zu bekommen...