Donnerstag, 11. April 2019

Dominus vobiscum

"Ich begrüße Sie ganz herzlich zu unserer Eucharistiefeier!"

So oder ähmlich beginnen Landauf landab viele Heiligen Messen in deutschen Landen. Weil mich das schon seit sehr langer Zeit maßlos irritiert, möchte ich mir ein paar Gedanken dazu von der Seele schreiben.

Eigentlich beginnt die Messe nach dem Gesang zur Eröffnung (wobei der Introitus leider fast völlig aus dem Bewusstsein entschwunden ist) mit dem Kreuzzeichen "im Namen des Vaters etc.", denn in diesem Zeichen und nicht ohne dieses soll die Versammlung Jünger Jesu stattfinden: im Namen ihres Herrn.

Da somit die Seinsweise der Versammlung grundgelegt ist (in seinem Namen), können alle Beteiligten nunmehr in ihre ihnen jeweils zukommende Rolle (im Sinne von: Art und Weise der Mitwirkung) schlüpfen. Für den Priester bedeutet dies, dass er nicht als er selbst vor der Gemeinde steht, sondern nur dem Herrn seine Hände und seine Stimme leiht. Er tut hier nichts, als auf den Herrn zu verweisen: "Der Herr sei mit euch!" oder eine der im aktuellen deutschen Messbuch zahlreichen Alternativen, die allesamt durchaus den Charakter einer Zusage und Segensbitte haben: "Gnade und Friede von Gott, unserem Vater, und dem Herrn Jesus Christus sei mit euch!" Dadurch wird deutlich, dass es nicht um diesen Priester geht und er auch nicht der Gastgeber ist. Sondern es geht um den Herrn, den einzigen Gastgeber, mit dem hier Begegnung nicht nur behauptet und erbeten wird, sondern die in der Messe auch wirklich geschieht (in der Versammlung selbst, in der Person des Priesters, im Altar, im Wort der Heiligen Schrift, v.a. aber in seinem Leib und seinem Blut).

Mit jeder Silbe wird so der Charakter dieser Versammlung unausweichlich deutlich: Es ist eine Religiöse Versammlung der Jünger um ihren Meister. Es ist eine Versammlung von Betenden, die sich ganz ihrem Herrn verdankt und zu ihm hinstrebt. Die ganze Gemeinde ist hier hineingenommen in die Bewegung zu Christus hin und jeder Einzelne übt bereits an dieser Stelle sein Taufpriestertum aus, wenn er die Zusage und Segensbitte des geweihten Priesters aufnimt und zurückgibt: "Und mit deinem Geiste!"


Mit diesen kurzen Bemerkungen wird bereits deutlich, was mit jener obigen Begrüßung nicht stimmt. Vor allem ist es bemerkenswert, was für ein gewaltiger Graben sich dadurch zwischen dem Priester und der Gemeinde auftut (man könnte hier auch von [u.U. unbeabsichtigtem] Klerikalismus sprechen): Der Priester stellt nicht zu allererst den Herrn, den tatsächlichen Gastgeber, ins Zentrum, und er betet auch nicht für die Gemeinde und mit ihr, sondern er geriert sich selbst als Gastgeber der seine Gäste willkommen heißt. Wobei letztere eigentlich noch unter das Niveau von Gästen erniedrigt werden, da sie in der Regel die an sie gerichtete Begrüßung nicht erwidern (können): Sie sind Zuschauer bei einer Show.

Schließlich ist es auch eine krasse Verkennung der Heiligen Messe, wenn sie als "unsere" (was unweigerlich verstanden wird als: die der Anwesenden) charakterisiert wird... Es ist eben nicht "unsere", sondern es ist die Feier von Leid, Tod und Auferstehung des Herrn, es ist SEIN Paschamysterium, das vom ganzen mystischen Leib Christi (vor Ort, auf der Ganzen Erde, zu allen Zeiten und im Himmel) begangen wird.

Manchmal folgt noch ein "Schön, dass Sie gekommen sind" oder "Schön, dass wir zusammen Eucharistie feiern", wahlweise auch mit Orts- und sogar Zeitangabe der gerade begonnenen Veranstaltung. Abgesehen davon, dass die so Angesprochenen sich ziemlich dumm vorkommen müssen, weil ihnen offenbar nicht zugetraut wird, zu wissen wo sie sind und warum, möchte man doch auf so eine Anrede spontan mit "bitteschön, gern geschehen" antworten...
Eine solche Begrüßung ist, theologisch gesprochen, die exakte Antithese eines Rituals (das nämlich von einer Selbstverständlichkeit lebt, die keine Rahmeninformation, keinen Liveticker benötigt).
Und natürlich gibt es nicht selten das gleiche Trauerspiel am Ende der Messe.


Ich bin mir bewusst, dass auch bei "korrektem" Vollzug nicht automatisch jeder in mystischer Verzückung den Herrn lobpreist, aber wenigstens böte sich damit schonmal die beste Voraussetzung dazu. Auch ist mir klar, dass nach jener areligiösen "Begrüßung" oft noch die (mehr oder minder) korrekte Eröffnung der Messe folgt. Trotzdem wird damit ein Störfaktor eingebracht, der allem Nachfolgenden etwas von seiner Ernsthaftigkeit und v.a. von seiner Glaubwürdigkeit (eines religiösen Aktes) nimmt.


[Ein Lektüretipp dazu, wo die Frage der verminderten Glaubwürdigkeit eigenmächtig umgestalteter Rituale auf empirischer Basis erkundet wird: Christian Rentsch, Ritual und Realität: Eine empirische Studie zum gottesdienstlichen Handeln des Priesters in der Meßfeier, Regensburg 2013.]

2 Kommentare:

  1. Endlich formuliert mal einer was in diese Richtung! Sehr gut! Schon lange hängt mir das nett gemeinte Begrüßungsgeschwurbel zum Halse raus.

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  2. Die permanente Gemeinschaftshuberei ist ärgerlich, keine Frage. Aber ist dies nicht in den letzten Jahrzehnten absehbar gewesen, nach der Übernahme des aus dem Protestantismus kommenden „Gemeinde“-Gedankens samt vielfältiger liturgischer Laien-Funktionen? Führt nicht der von Seiten der Kirche überall proklamierte „Mahl“-Gedanke zwingend zur heutigen „Gestaltung“ von Event-Messen? Hat nicht die zunehmende Aufnahme von aktueller Tagespolitik, Gemeinschaftsfolklore und Entertainment-Elementen wie Gesangsvortrag oder klassischen Musikstücken ihre Ursache in der spirituellen Sterilität der neuen Liturgie?

    Immer versuchen die „gestaltenden Akteure“, ein „starkes Gemeinschaftsgefühl“ zu kreieren – oder, wenn dies partout nicht gelingen will, es halt krampfhaft herbeizureden. So auch das in der Regel planlose Umher-Gerenne und wahllose Händeschütteln beim sog. „Friedensgruß“ - die Gemeinde feiert nicht die Messe, sondern sich selbst.

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