Mittwoch, 30. Juli 2014

Dürftige Theologie - 12 - Horizontalisierung

Bitte die Einführung (hier) beachten!


Im vorangegangenen Teil dieser Serie habe ich das Thema "Lebensänderung" behandelt (hier) - und zwar dahingehend, dass in dieser Debatte, in der alle Nase lang auch vom Bußsakrament die Rede ist, eine wirkliche (und für den gültigen Empfang selbigen Sakramentes notwenige) Dimension meist vergessen wird: Das Bemühen um die Abkehr von der Sünde. "Man" möchte Leute zur Beichte schicken, ohne Reue über die begangene Sünde des Ehebruches und den Willen zur Unterlassung derselben zu verlangen. Die Spitze in jenem Beitrag:
»Die unbequeme Wahrheit ist, dass es nicht immer möglich ist, einen bequemen Ausweg aus einer Situation zu finden. Manchmal manövrieren wir Menschen uns in eine Situation, aus der nur ein wahrhaftiger "Kreuzweg" herausführt.«
Und ich endete den Text mit einem Ausblick:
»Die christliche Hoffnung richtet sich letztlich auf das Jenseits. Auch diese Perspektive fehlt in den Debatten föllig.  Es ist uns nicht vergönnt, hier auf Erden alle Bequemlichkeit und Sorglosigkeit zu haben [...]. Letztlich gilt Jesu Verheißung aber auch genau jenen, die in einer solch schwerwiegenden und schwierigen Lage sind, aus der es keinen einfachen Ausweg gibt.«

Nundenn.
Auf ungezählte Weisen belehrt uns die Bibel, dass unser Ziel als Christen und als Geschöpfe nicht hier auf Erden, im irdischen Bereich zu finden ist. Nichts kann uns hier endgültig erfüllen, nichts uns völlig befriedigen, nichts uns hier in der Welt ewiges Leben und ewige Liebe schenken. Wir sind immer Pilger auf Erden. Unser Ziel ist Gott, das ewige Leben in ihm.
»Denn wir haben hier keine Stadt, die bestehen bleibt, sondern wir suchen die künftige.« (Hebr 13,14)

Wie bei allen aktuellen ethischen Fragen, so wird auch in der innerkirchlichen Debatte um die zivil Geschiedenen und Wiederverheirateten die vertikale Perspektive i.d.R. nicht beachtet. Auch nicht von katholischen Moraltheologen. Man horizontalisiert das Thema, indem man es als eine rein menschliche Angelegenheit betrachtet, und ausnahmslos nach menschlichen "Bedürfnissen" und menschlichen "Möglichkeiten" fragt. Gott taucht allzuoft nur als der auf, der dann "barmherzig" alles abnicken und für gut befinden soll, ungeachtet der unmissverständlichen Aussagen der Bibel.
Das Schema ist bekannt: Die biblischen Vorschriften werden als "zeitbedingt" etikettiert und man gefällt sich darin, gleichgeschlechtliche "Ehen" zu segnen.

Es gibt keinen Zweifel darüber, dass Jesus eine zweite Eheschließung nach Scheidung kategorisch ausschließt und als schwere Sünde (Ehebruch) betrachtet. Dieses ausdrückliche Gebot Jesu ist das am häufigsten im Neuen Testament bezeugte Jesuswort, es taucht gleich fünf mal ohne jede widersprüchlchkeit oder Zweideutigkeit auf (bei Matthäus: 19,9 und indirekt in 5,27-32; bei Markus: 10,11-12; bei Lukas: 16,18; bei Paulus: 1 Kor 7,10-11; die Eindeutigkeit Jesu in Sachen Ehescheidung und Ehebruch berichtet auch der Evangelist Johannes, wenn Jesus etwa die Samaritanerin entlarvt mit den Worten: "Fünf Männer hast du gehabt, und der, den du jetzt hast, ist nicht dein Mann", Joh 4,18; oder wenn er der Ehebrecherin gebietet, nicht mehr zu sündigen, Joh 8,3-11; bezüglich der angeblichen "Unzuchtsklausel", empfehle ich meine Ausführungen hier).

Wenn Jesus, wie es die Kirche lehrt, für die Getauften die Ehe zum Sakrament erhoben hat, dann ist sie keine Angelegenheit mehr nur zwischen Menschen. Genau genommen war sie das noch nie, denn es ist Gott selbst, der Mann und Frau für einander geschaffen hat.
Genau hierin gründet gerade auch das Gebot Jesu, das nicht auf theologischer Spitzfindigkeit oder auf Meinung beruht, sondern den Schöpfungswillen Gottes kundtut.
»Am Anfang der Schöpfung aber hat Gott sie als Mann und Frau geschaffen. Darum wird der Mann Vater und Mutter verlassen, und die zwei werden ein Fleisch sein. Sie sind also nicht mehr zwei, sondern eins. Was aber Gott verbunden hat, das darf der Mensch nicht trennen.« (Mk 10,6-9)

Nicht zu vergessen: Der dies äußert ist das fleischgewordene Wort, jenes über das gesagt ist: "Alles ist durch das Wort geworden und ohne das Wort wurde nichts, was geworden ist." (Joh 1,3). Es ist auffällig, dass sich Jesus ansonsten für seine Gebote nicht explizit auf die von Gott von Anfang an gesetzte Ordnung beruft, obwohl er es sicherlich ohne Probleme tun könnte... ihm scheint dieses Thema besonders am Herzen zu liegen. Es ist der Apostel Paulus, der uns überaus prägnant sagt, warum das so ist:  
»Dies [d.i. die Ehe] ist ein tiefes Geheimnis; ich beziehe es auf Christus und die Kirche.« (Eph 5,32)

Die Ehe bildet die Beziehung Gottes zu den Menschen ab. Sie ist Vorahnung auf unser ewiges Ziel in Gott. Darum ist die Ehe aber auch mit besonderen Gnadengaben ausgestattet! Die wirken freilich nicht automatisch. Wie das mit der Gnade nunmal so ist, müssen wir durch unserer Freiheit (auch ein Geschenk Gottes) mitarbeiten... Die Gnade ist ein Geschenk, aber auspacken müssen wir es selbst!
Lässt man diese göttliche Dimension fahren, verlässt man nicht nur den Boden des Christerntums, sondern auch den Boden Israels... Die Ehe von Gott und seinen mehr als deutlichen Geboten entkoppeln zu wollen, etwas "Privates" daraus zu machen, ist, wie Klaus Berger sehr spitz aber richtig anmerkt, ein Rückfall in "pures Heidentum". 

Es ist eine große Schande und eine nicht zu unterschätzende Gefahr, in dieser ganzen Debatte und in den Bestrebungen, die beständige Lehre der Kirche zu ändern, dass diese wesentliche Dimension der Ehe zunehmend aus dem Blick gerät. Die Folgen sind kaum zu ermessen: Nicht nur, dass damit die Ehe als solche um ihren hohen Wert beraubt wird, nein auch die Kirche wird dadurch verarmen, denn es ist ja ihr Verhältnis zu Gott (und Gottes zu ihr), das in der Ehe abgebildet wird.
Es ist nicht einfach eine Verkürzung der Problemlage, wenn man das "Jenseits", die helfende (stärkende, heilende) Gnade Gottes und seine Gebote ausklammert, sondern man redet dann einfach völlig am Thema vorbei.
Die sakramentale Ehe zwischen Getauften nach bloß menschlichen, gesellschaftlichen Maßstäben messen und beurteilen zu wollen ist ein Fehler. Hier findet viel zu oft eine Vermischung und Verwirrung statt. Die Ehe ist nicht "von der Welt", sie ist keine menschliche Schöpfung oder Konvention. Sie ist von Gott eigesetzt. Sie gründet freilich, wie jede Gnade, auf der Natur, aber sie transfomiert und transzendiert sie. Das scheint man aber auch in der Kirche oft zu vergessen...

Natürlich ist dann eine "Lebensänderung" auch nicht mehr notwendig. Wenn Reue, Umkehr, Besserung abgeschafft werden und dafür eigene Bedürfnisse sowie das gesellschaftliche Empfinden zum alles entscheidenden Faktor werden, dann leidet darunter die ganze Beziehung der Kirche zu Gott. Dann entsteht Spaltung, Ungerechtigkeit, Verwahrlosung, Abfall uvm. Konkret veranschaulicht: Wenn die Kirche hier einknickt und zivile Zweitehen anerkennt und gar im Namen Gottes segnet (wie das in Freiburg illegalerweise bereits offiziell angeregt ist), dann ist nicht mehr plausibel zu machen, warum nicht auch andere Formen außerehelischer Sexualität abgesegnet werden sollten (inklusive praktizierte Homosexualität, in ein paar Jahren, wenn der gesellschaftliche Trend sich entsprechend wandelt, wohmöglich auch Pädophilie...).
Es fragt sich auch, wie denn überhaupt noch irgendwelche biblischen Moralvorschriften plausibel zu machen sind, wenn sich die Kirche über dieses spezielle Gebot Jesu hinwegsetzt, das so klar bezeugt ist wie kein anderes.

Eine Wiedergewinnung der Vertikalen Achse in dieser Thematik tut dringend Not. Wenn man den Menschen wieder von grundauf beibringen würde, dass ihre Ehe nicht die endgültige Erfüllung sein soll und sein kann, wenn ihnen die Abhängigkeit auch dieser Verbindung von der Gnade Gottes vermittelt werden würde, dann, so glaube ich, würde sich auch das Problem der zivilen Wiederheirat fast wie von selbst erledigen. (Dazu gehört auch: Es würden dann manche wohmöglich nicht mehr kirchlich heiraten, weil ihnen auffällt, dass es nicht das ist, was sie wirklich wollen. Der Sakramentenausverkauf trägt nämlich auch sehr zu diesem Problem bei! Ehevorbereitung und Zulassungsbedingungen zum Sakrament behandle ich - s.c.J. - bei einer späteren Gelegenheit.)
Es würde, wenn man nur diesen so zentralen Aspekt der Ehe wieder hervorkehrt, auch die Versöhnung eher geschehen können. Wenn klar würde, dass die lebenslange Treue nicht etwas ist, das man machen kann oder auch nicht, sondern etwas, das man ein für alle Mal hoch und heilig versprochen hat; wenn klar würde, dass man, ob einem danach ist oder nicht, man an diesen einen Menschen, dem man angetraut ist, bis zum Lebensende existentiell gebunden bleibt, weil Gott (der Schöpfer!) die Gatten verbunden hat, wie er sich selbst, sein Fleisch, mit der Kirche verbunden hat (sie sollen EIN Fleisch sein!)... Wenn das den Leuten wieder bekannt wäre, dann würden gewiss die Beteiligten alles ihnen Mögliche daran setzen zu verzeihen, Heilung zu finden und die Treue zu halten. 

Gott ist es, der Heilung zur Versöhnung und Kraft im Leiden schenkt! Ehesakrament? Sakramentsgnade? Aber der selbe Gott der Heilung schenkt, hat auch Gebote erlassen. Seine Heilung wird denen zuteil, die von den Irrwegen umkehren. Wer sich Tag um Tag neue Wunden reißt, weil er die Dornen nicht verlassen will, dessen Wunden kann auch Gott nicht verbinden. Es ist eine Illusion zu glauben, Gott würde den Weg der Sünde akzeptieren und irgendwann sogar segnen, wenn wir nur bockig genug sind, mit dem Fuß aufstampfen und uns immer fester ins Unterholz verheddern. Fromme Gefühle ändern daran nichts. Das Christentum ist keine der Seele schmeichelnde und uns in Bequemlichkeit wiegende Gefühlsreligion, sondern eine Offenbarungsreligion: Der Gute Hirte geht den verlorenen Schafen nach um sie zurückzuholen - nicht, um sie auf ihrem Irrweg zu begleiten!

Auch das darf nicht verschwiegen werden: Es muss wieder klar werden
- dass das Leben in der Sünde zugleich die Gemeinschaft mit Gott und mit der Kirche stört (darum: Ausschluss von den Sakramenten im Zustand schwerer Sünde, nicht nur bei Ehebruch!);
- dass Ehebruch eine ernste Angelegenheit ist, die die Seele in Gefahr bringt: "Bemüht euch mit allen Kräften, durch die enge Tür zu gelangen; denn viele, sage ich euch, werden versuchen hineinzukommen, aber es wird ihnen nicht gelingen." (Lk 13,24);
- dass Umkehr und Versöhnung eine Anstrengung ist und Opfer verlangt. Den bequemen Weg gibt es nicht. Gott mahnt uns auch, er warnt uns und zuweilen zerrt er uns mit aller Kraft aus dem Gestrüpp heraus. Das ist nicht angenehm und es geht auch nicht ohne unser Zutun.
Die Suche nach Glück und Sicherheit ist richtig und wichtig. Aber Glück zu suchen im Widerspruch zum göttlichen Gebot ist ein Wahn, und Sicherheit abseits der Wege Gottes zu vermuten ist einfach nur fahrlässig. Es gibt keine irdische Glückgarantie für den Christen und nirgendwo in der Bibel wird den Nachfolgern Jesu irdisches "Glück" verheißen (alles "unter Verfolgung", Mk 10,30)!
Es hat nichts mit Freiheit zutun, wenn man im Matsch stecken bleibt.
»Trachtet zuerst nach dem Reich Gottes und nach seiner Gerechtigkeit, so wird euch das alles zufallen.« (Mt 6,33)

Und schließlich: Auch in den schwierigen Situationen, in denen es wirklich "Opfer", wirklich Verlassene gibt die leiden, bietet diese (eigentlich DIE) Perspektive des "Trotzdem" der Treue zum Partner (und darin zu Gott) die einzig sinnvolle Antwort. Denn die Vollendung, die Glückseligkeit steht ja noch aus und das Leid um Gottes und seines Wortes Willen ist kein Verlust:
»Aber auch wenn ihr um der Gerechtigkeit willen leiden müsst, seid ihr selig zu preisen. Fürchtet euch nicht vor ihnen und lasst euch nicht erschrecken, sondern haltet in eurem Herzen Christus, den Herrn, heilig!« (1Petr 3,14f)
Glauben wir solchen Verheißungen noch? Wir sollten es. Wir müssen es!
Der Herr der Welt sagt von unserem irdischen Leid das wir in der Treue zu ihm tragen:
»Seid fröhlich und getrost; es wird euch im Himmel reichlich belohnt werden.« (Mt 5,12)

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