Donnerstag, 6. September 2012

Ökumene der Wörter - Teil 2

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Noch ein paar Notizen zur Sprache des Dokuments.

»Ökumene jetzt: ein Gott, ein Glaube, eine Kirche«
So offen und Unklar wie möglich:
1) Was verstehen die Autoren unter "Ökumene"? Ist Ökumene für sie ein Synonym für eine "geeinte Kirche"? Das Wort Ökumene bezeichnet zunächstmal den bewohnten Lebensraum der Erde und davon abgeleitet die Gesamtheit der Christenheit. Die "ökumenische Bewegung" wiederum kümmert sich um Zusammenarbeit und v.a. ein gemeinsames Bekenntnis aller Christen. So gesehen ist "die Ökumene" nichts was es zu erreichen gibt, sondern etwas das schon gegeben ist. Es ist sozusagen der "Weg zur Einheit".
2) Was soll dann aber mit dem "jetzt" ausgedrückt werden? Denkt irgend ein theologisch gebildeter Mensch, dass eine Einheit der Kirche(n) "jetzt" geschehen kann?
Mir scheint, hier wurde einfach das Schlagwort Ökumene, dessen Bedeutung schon lange in einem Sumpf aus Emotion und Populismus versunken ist, gebraucht um anzuregen und mehr nicht.

"Ein Gott" ist klar.
"Ein Glaube" schon weniger (s.u.).
"Eine Kirche", als Klimax dieses Slogans, ist das gewünschte Ziel. Ein erster Gedanke dazu: Eigentlich können nur Katholiken und Orthodoxe von "Kirchen" im Plural sprechen, denn nur sie lehren die Existenz (und göttliche Stiftung) einer sichtbaren Kirche. Aus protestantischer Perspektive kann es den Plural eigentlich nicht geben, denn da die Kirche eh unsichtbar ist (und der Protestantismus in seiner relativ kurzen Geschichte in unzählbare Klein- und Kleinstgrüppchen zerfallen ist), kann man sich auch nicht von ihr "trennen". Eine "Kirchenspaltung" existiert also im Prinzip nur, wenn man katholisch denkt, und das hat zur Folge, dass die Katholiken mit ihrer (seit Anfang bestehenden) Lehre automatisch die Bösen sind, denn sie behaupten eine Trennung (und legen Ausschlusskriterien fest), die dann als hinderlich empfunden werden. Die pösen Katholiken!

»„Bemüht euch, die Einheit des Geistes zu bewahren durch den Frieden, der euch zusammenhält. Ein Leib und ein Geist, wie euch durch eure Berufung auch eine gemeinsame Hoffnung gegeben ist; ein Herr, ein Glaube, eine Taufe, ein Gott und Vater aller, der über allem und durch alles und in allem ist.“ (Paulus-Brief an die Epheser 4, 3–6)«
Witzig finde ich, dass im ersten Satz (im Vers direkt vorher; das Zitat schneidet mitten in den Satz und seinen Sinn rein!) von Geduld die Rede ist und Wolfgang Thierse das Teil als "Dokument unserer Ungeduld" bezeichnet hat. (Der Text ist aus der Einheitsübersetzung genommen. Wie nett.)

»In den kommenden Jahren erinnern die Christen in der ganzen Welt an zwei herausragende Ereignisse der Kirchengeschichte:
50 Jahre Zweites Vatikanisches Konzil,
500 Jahre Reformation.«
Immer diese symbolträchtigen Zahlen und ihre Instrumentalisierung... ich kann's nicht mehr ab. Und dann auch noch der hingezwungene Parallelismus zwischen Konzil und Reformation... pff... sagt mir nix, gibt mir nix. Wieso wurde nicht noch "100 Jahre Untergang der Titanic" oder "200 Jahre Russlandfeldzug Napoleons" mit aufgenommen?

»In Deutschland soll die „Luther-Dekade“ der Vorbereitung und Würdigung eines historischen Datums dienen, das im Rückblick eine Zäsur in der Geschichte nicht nur unseres Landes darstellt. Beide Ereignisse betreffen nicht nur jeweils eine Konfession, sondern sind eine Herausforderung an alle und eine Angelegenheit insbesondere, aber nicht nur der Kirchen.«
Historisch. Ereignis. Herausforderung. Angelegenheit.
Ja? Und?

»Wir werden uns an der Vorbereitung und Durchführung von Veranstaltungen, Ausstellungen, Publikationen und Gottesdiensten zur Erinnerung und Würdigung des Zweiten Vatikanischen Konzils wie der Reformation engagiert beteiligen,...«
Lieber alles doppelt und dreifach sagen... 
- "Veranstaltungen und Ausstellungen" (denn eine Ausstellung [oder ein Gottesdienst] ist keine Veranstaltung?). 
- "Erinnerung und Würdigung" (sorry, nicht genug political correctnes: "Würdigung der Reformation" ist mir immer noch zu tendenziös). 
- "Engagiert beteiligen" (weil eine unengagierte Beteiligung die Tinte nich wert ist...).

»... und wir wollen alles tun, dass nach den Jubiläen nicht alles so bleibt, wie es vorher war.«
Wie "war" es denn?
Und was soll "Erinnerung und Würdigung" bitteschön ändern? Beides sind Aktivitäten die mit erstaunlich wenig Aktion und Tat auskommen. Ich kann auch daheim auf dem Sofa "erinnern und würdigen". Irgendwelche "konkreten" Vorschläge? nein? Ok...
Das passiert, wenn man Begriffe sucht die jedem Ohr schmeicheln sollen: Die Sätze verlieren jeglichen Inhalt.

»Weil uns Gott in der Taufe Gemeinschaft mit Jesus Christus geschenkt hat, sind Getaufte als Geschwister miteinander verbunden. Sie bilden als Volk Gottes und Leib Christi die eine Kirche, die wir in unserem Credo bekennen. Deshalb ist es geboten, diese geistliche Einheit auch sichtbar Gestalt gewinnen zu lassen.«
Aha! Also doch eine "Rückkehr Ökumene" in den Schoß der (sichtbaren!) Katholischen Kirche? Ansonsten: Siehe Teil 1.
Dass die Taufe per se alles verbindet ist protestantische Lehre (eine Trennung ist eigentlich nicht möglich, s.o.). Aber schon die Schrift und die Väter bezeugen, dass auch Getaufte aus der Gemeinschaft der Kirche herausfallen können.

»Martin Luther wollte die Kirche erneuern, nicht spalten. Er wollte die Einheit der Kirche, damit die Welt glaubt (vgl. auch Joh 17,9-23).«
Ein Hinweis auf eine Schrift Luthers in der er diesen seinen Willen zum Ausdruck brachte wäre wünschenswert. Mir fällt keine Stelle ein... bin aber auch kein Lutherexperte.

»Die Einführung konfessioneller Vielfalt innerhalb eines Gebietes hielt er ausdrücklich für undurchführbar und unangemessen.«
Ich nehm das jetzt mal at face value. Die "Undurchführbarkeit" ist ja nun wohl widerlegt. Übrigens war sie das schon zu Luthers Lebzeiten... genau genommen, war sie das schon immer, denn schon immer lebten sogar Angehörige unterschiedlicher Religionen (ja, echt!) in ein und dem selben Gebiet zusammen. Und die Unangemessenheit... achgottchen... lieblich und nichtssagend. 
Was haben nun aber eine widerlegte "Undurchführbarkeit" und eine geschmacksabhängige "Unangemessenheit" mit dem Glauben und der Kirche zu tun?

»Auch die lutherische Bekenntnisschrift Confessio Augustana betont die Notwendigkeit der Einheit der Kirche: „Denn das genügt zur wahren Einheit der christlichen Kirche, dass das Evangelium einträchtig im reinen Verständnis gepredigt und die Sakramente dem göttlichen Wort gemäß gereicht werden.“ (Confessio Augustana 7)«
Nach protestantischer Lehre: Ja. Nach katholischer Lehre reicht das aber nicht bzw. es bedarf dafür gewisse Voraussetzungen, die die Confessio leugnet (und was heißt "dem göttlichen Wort gemäß"? Sola scriptura!)
Wenn man nun protestantische Lehre als normativ hinstellt: Ist das jetzt das offene Eingeständnis, dass eine Protestantisierung des Katholizismus das eigentliche Ziel ist?
Scheint so:
 
»Dennoch kam es zur Kirchentrennung.«
Weil diese (protestantische) Lehre einen Abfall von der beständigen Lehre der katholischen Kirche bedeutet:  Nicht "dennoch", sondern "darum"!

»Es gab gravierende Differenzen und Missverständnisse, aber die Spaltung hatte nicht nur theologische, sondern auch handfeste politische Gründe: Nicht die Glaubensüberzeugung führte dazu, dass man evangelisch oder römisch-katholisch wurde, sondern der Wohnsitz.«
Schaumschlägerei und Ablenkungsmanöver: Es geht doch aber garnicht um die politischen Gründe! Offenbar war das Unterscheidende nicht der Wohnsitz, sondern der Glaubensinhalt, andernfalls hätte es ja keinen Unterschied gegeben!

»Die Herrscher einer Region bestimmten die Konfession ihrer Einwohner. Für die dauerhafte Trennung der Kirchen wurden Machtfragen wichtiger als Glaubensfragen.«
Prominenter vielleicht, aber dass es gravierende Unterschiede im Glauben und im Vollzug gab, bildete auch für die politische Instrumentalisierung den Untergrund.
Mir scheint, diese Schaumschlägerei soll im Leser den Eindruck vermitteln, dass das alles eigentlich nur politisch motiviert war und es in Wahrheit nie wirklich Gründe für eine Unterscheidung gab (s.u.). Desinformationn ist da noch ein Euphemismus.

»Es war daher eine logische Konsequenz, dass das Anliegen, eine einzige christliche Kirche zu sein, auch nach der Kirchentrennung immer wieder aufgenommen worden ist, wenn auch in unterschiedlicher Intensität.«
Non sequitur: Politische Instrumentalisierung soll der Grund für religiöse Einigungsgedanken sein? Wieso sollte religiöse Bewegung die Politik als Ursache haben?
Und erst diese butterweiche Formulierung: "Das Anliegen wurde aufgenommen." <--- Dieser Satz enthält keine Information.

»Eine besondere Ausprägung erfuhr das Streben nach der Einheit der Kirchen mit dem Zweiten Vatikanischen Konzil (1962-1965), das nicht nur zur pastoralen, sondern auch zur ökumenischen Erneuerung einberufen wurde.«
Was ist "ökumenische Erneuerung"? Was sollte hier erneuert werden? Lieber zitiert man den einleitenden Satz aller vom Konzil verabscheideten Texte nicht, das wäre nicht political correct. Es sei hier nachgeholfen: "Das Heilige Konzil hat sich zum Ziel gesetzt, das christliche Leben unter den Gläubigen mehr und mehr zu vertiefen, die dem Wechsel unterworfenen Einrichtungen den Notwendigkeiten unseres Zeitalters besser anzupassen, zu fördern, was immer zur Einheit aller, die an Christus glauben, beitragen kann, und zu stärken, was immer helfen kann, alle in den Schoß der Kirche zu rufen." (SC 1)
Auch der zweite Satz ist "ökumenisch" wohl nicht belastbar: "Darum hält es das Konzil auch in besonderer Weise für seine Aufgabe, sich um Erneuerung und Pflege der Liturgie zu sorgen." (Wer interessiert sich schon für Liturgie... ist nicht das der Zankapfel schlechthin?)

»Ein zentrales Dokument des Konzils, das Dekret über den Ökumenismus (Unitatis Redintegratio), nimmt die Christinnen und Christen in die Pflicht, sich für die Wiederherstellung der Einheit der Kirche einzusetzen: [...] (Vatikanum II, Unitatis Redintegratio Nr. 1) 
Damit steht das römisch-katholische Dekret nicht nur in der Tradition des Apostels Paulus, sondern auch in der Fortsetzung des lutherischen Anliegens.«
Schade, HIER wäre ein Zitat des weisen Luther sehr angebracht gewesen! Nein? Ok... dann nich...

»Es benennt zugleich, wo die Verantwortung für das Streben nach der Einheit zu suchen ist.
Nicht nur die Hirten, sondern auch und gerade die Gläubigen sind zur Sorge um die Wiederherstellung der Einheit aufgefordert. „Die Sorge um die Wiederherstellung der Einheit ist Sache der ganzen Kirche, sowohl der Gläubigen wie auch der Hirten, und geht jeden an, je nach seiner Fähigkeit, sowohl in seinem täglichen christlichen Leben wie auch bei theologischen und historischen Untersuchungen.“ (Vatikanum II, Unitatis Redintegratio Nr. 5)«
Diese Hervorhebung der Gläubigen ("auch und gerade") scheint mir suggestiv: Als würde Unitatis redintegratio den "Hirten" eine nachrangige Bedeutung zumessen die im Notfall auch übergangen werden kann. Was nicht stimmt ("ad fideles quam ad pastores"). Passt aber wunderbar ins Gesamtbild des Aufrufs.

»Wir können und müssen die Sorge um die Einheit der ganzen Kirche nicht ruhen lassen, bis eine theologische Einigung über das Amts- oder Abendmahlsverständnis zwischen den Kirchenleitungen erreicht worden ist.«
"Die Sorge nicht ruhen lassen"... toll! Ähnlich wie beim "Erinnern und Würdigen" ist auch hier das Fehlen jeglicher Tat bestechend. Man kann nämlich auch dann, wenn einen stets eine Sorge umtreibt, auf unbestimmte Zeit garnichts tun. Und das tut ja auch keiner (also die Sorge ruhen lassen); wieso auch?
Und was die "theologische Einigung" betrifft... "theologisch" wird hier ziemlich despektierlich gebraucht, als sei die Theologie störendes Beiwerk, der Kaugummi am Schuh, Potpourri aus dem Elfenbeinturm. Tatsächlich handelt es sich aber um ganz fundamentale Dinge: Die katholische Kirche bezieht ihre Autorität (ihren Anspruch und ihre Identität) aus der realen (von der Physis getragenen) apostolischen Sukzession, nicht aus einer bloß ideellen Orientierung an etwas Vergangenem. 
Aber in einem Punkt kann man die Autoren beruhigen: Es herrscht keinerlei Differenz im Abendmahlsverständnis, denn wir Katholiken feiern garkein Abendmahl -- wir feiern Eucharistie! (Wer den Unterschied nicht kennt, hat keine Berechtigung, bei dieser Diskussion mitzureden.)

»Und wir dürfen uns auch nicht mit dem Ziel zufrieden geben, dass Kirchen sich gegenseitig als Kirchen anerkennen.«
Das Wort "gegenseitig" sticht ins Auge (s.o.). Jeder weiß doch, dass hier nur die Katholische Kirche (Orthodoxe tauchen im Gedankenhorizont des ganzen Brimboriums eh nicht auf) gemeint ist: Die pösen Katholiken sind schuld!

»Selbst wenn wir davon gegenwärtig noch entfernt sind: Dieses Ziel ist notwendig, aber zu klein!« 
Also anstatt auch nur den leisesten konkreten Vorschlag zu machen (s.o.), ereifert man sich, zu bestimmen, was ein angemessenes Ziel ist und was nicht. Sehr sinnvoll. Olympisch könnte man formulieren: "Ich weiß zwar nicht, was wir tun können, um erfolgreicher zu sein, aber unter 10 Goldmedaillen kommt ihr mir nicht zurück!"

»Wir wollen nicht Versöhnung bei Fortbestehen der Trennung, sondern gelebte Einheit im Bewusstsein historisch gewachsener Vielfalt.«
Die Parade der Substantive: "Versöhnung.  "Fortbestehen" "Trennung" "Einheit" "Bewusstsein" "Vielfalt"
 Wenn in einem Satz (mehr als) jedes dritte Wort ein Substantiv ist, sollten bei jedem die Alarmglocken losgehen. Nicht nur bei Despoten und Tyrannen, auch im profanen Bereich bedeutet das meist nichts Gutes. (Abgesehen davon, dass man eigentlich schon in der Schule lernt, lieber auch mal Verben statt Substantive zu verwenden. Alles andere ist schlechtes Deutsch.) 
Viele Substantive ohne sie beschreibende Adjektive bleiben leer und deutungsoffen und können so beliebig zur Lenkung der Massen verwendet werden. Später lassen sich solche Textfetzen dann auch beliebig umdeuteln und verdrehen.

»Heute ist die Kirchenspaltung politisch weder gewollt noch begründet.«
Der Kreis schließt sich: Nun ist jedem uninformierten Leser klar, dass eine Trennung nicht mehr haltbar ist, da ihr Ursprung rein politisch war und das ja heute nicht mehr gegeben ist. Die Wahrheit ist: Diese Bemerkung ist bullshit. Nonsens. Überflüssig.
Und sie stellt unmissverständlich klar: Die Politik sagt, wo es lang geht!
Es ist wahr, dass die konfessionellen Gräben (v.a. die emotionalen, nicht die theologischen!) durch die politische Instrumentalisierung vertieft wurden... und hier versucht nun die Politik durch erneutes Eingreifen etwas zu ändern? Mehr vom gleichen Falschen? Prost!

»Reichen theologische Gründe, institutionelle Gewohnheiten, kirchliche und kulturelle Traditionen aus, um die Kirchenspaltung fortzusetzen?«
Schon wieder dieses despektierliche "theologisch"... Reichen denn die "theologischen Gründe" die uns vom Islam oder vom Judentum unterscheiden aus, um eine Trennung fortzusetzen?
Und wieder (siehe Teil 1) wird ein wichtiger theologischer Begriff unreflektiert in die Manege geworfen: Tradition. Aber eigentlich nicht: Hier ist von "Traditionen" die Rede... Das ist sowas wie "Bräuche"... Fakt ist: "Traditionen" sind etwas gänzlich anderes als "die Tradition". Letzteres, die Überlieferung (gr. paradosis) ist eine der zwei Offenbarungsquellen und zwar die, die von Protestanten nicht anerkannt wird!
Dieser Satz klingt nett, ist aber theologischer Nonsens; ebenso könnte man fragen, ob unterschiedliche heilige Schriften ein Trennungsgrund seien (siehe Islam).

»Das glauben wir nicht.«
Schön für euch. Wenn ihr jetzt noch wüsstet, worüber ihr da redet, würde ich das sogar irgendwie schätzen!

»Offensichtlich ist, dass katholische und evangelische Christen viel mehr verbindet als unterscheidet.«
So offensichtlich ist das anscheinend nicht, denn darüber kann man durchaus unterschiedlicher Ansicht sein!

»Unbestritten ist, dass es unterschiedliche Positionen im Verständnis von Abendmahl, Amt und Kirchen gibt.«
Wie gesagt, bzgl. Abendmahl gibt es sowas wie "unterschiedliche Positionen im Verständnis" nicht. Das ist übrigens auch wieder eine schöne Konstruktion: "Positionen im Verständnis von etwas". Es gibt also im Grunde nur ein Verständnis davon, aber in diesem einen Verständnis gibt es wiederum unterschiedliche Positionen? Und wahrscheinlich gibt es dann in den jeweiligen Positionen wieder verscheidene Parteien, Lager, Splittergruppen und Konfessionen (entsteht hier gar ein semantisches Fraktal?). Augenwischerei! Sagt es doch frei heraus: Es gibt bei diesen Dingen ein jeweils sehr unterschiedliches Verständnis!
Der Plural "Kirchen" ist auch interessant: geht es hier um die bloße Betrachtung anderer Konfessionen ("Kirchen") und was man über sie denkt, oder um das Ding "Kirche" an sich? Die ganze Schose dreht sich um die "Einheit der Kirche", wenn nun, wie die Autoren eingestehen, es aber Unterschiede beim Verständnis ("Poitionen im Verständnis") dessen gibt, was überhaupt "Kirche" ist, wie kann es da sein, dass das nicht ins Gewicht fällt?

»Entscheidend ist jedoch, dass diese Unterschiede die Aufrechterhaltung der Trennung nicht rechtfertigen.«
Sagt wer?
Ich kenne viele Katholiken und Protestanten, die das ganz anders sehen.

»In beiden Kirchen ist die Sehnsucht nach Einheit groß. Die Folgen der Spaltung werden im Alltag von Christinnen und Christen schmerzlich empfunden.«
Stimme ich zu.

»Wir würdigen die Anstrengungen um die Fortschritte der Ökumene in den letzten Jahrzehnten.«
Wie gnädig, dass Euer Gnaden sich dazu herabgelassen hat, dies zu würdigen?

»Wir sind dankbar, dass die Erfahrung der Gemeinschaft im Glauben und die praktische Zusammenarbeit katholischer und evangelischer Gemeinden vor Ort sich schneller entwickelt als der institutionelle und theologische Klärungsprozess.«
Zu dem despektierlichen "Theologisch" gesellt sich nun sein verschollener Halbbruder, "Institutionell". Alles eine Saubande! Hier ist also ganz klar nicht die Rede von konfessionsübergreifender Freundschaft und vom gemeinsamen Bekenntnis, hier geht es um alles was Medienwirksam ist: Nicht selten geschieht das wofür Ihro Gnaden so dankbar sind auf Kosten der Glaubwürdigkeit und der eigenen Identität. Zuweilen durch offenen Missbrauch, Ungehorsam und mit dem Risiko einer Spaltung in den eigenen Reihen ("schneller als Theologie und Institution"). Dankbarkeit ist nicht das, was ich dabei empfinde.

»Wir appellieren an die Kirchenleitungen, die tatsächlichen Entwicklungen in den Gemeinden vor Ort so zu begleiten, dass die Ökumene nicht in ein Niemandsland zwischen den Konfessionen abwandert, sondern die Trennung unserer Kirchen überwindet.«
Achso: "Ökumene" ist also eine selbsterhaltende Entität, die auch in einem "Zwischenraum" existieren kann, in dem es keinerlei "Kirche(n)" (und also: Menschen) gibt? Interessant.
Na, da können die "Kirchenleitungen" aber froh sein, dass sie euch haben!

»An die Gemeinden appellieren wir, die Ökumene weiter voran zu treiben, kirchliches Leben miteinander zu gestalten, Räume gemeinsam zu nutzen und die organisatorische Einheit anzustreben.«
Hier verrät sich das Dokument am Ende also doch noch: Es geht ihnen um die Organisation, sprich: Es geht um Strukturen. Aber ja, jetzt ergibt alles einen Sinn: "Kirche" ist nach Ansicht der Autoren nur eine Ansammlung von Strukturen (und das  "gemeinsame Nutzen von Räumen")! Hätt' ich das vorher gewusst...

»Als Christen im Land der Reformation stehen wir in der besonderen Verantwortung, Zeichen zu setzen und dazu beizutragen, den gemeinsamen Glauben auch in einer gemeinsamen Kirche zu leben.«
Und überall da, wo der Glaube nicht "gemeinsam" ist (also bei solchen Nebensächlichkeiten wie: Sakramente, Kirche, Amt etc.), braucht es dann auch die Kirche nicht zu sein... Logisch.




Ein Wort eines Kirchenvaters:

»Katholische Kirche, du Mutter der Christen im wahrsten Sinne des Wortes, du nimmst alle in Zucht und Lehre, [...] je nachdem wie bei einem jeden nicht nur das leibliche Alter, sondern auch die geistige Reife gegeben ist. [...] Wem Ehre gebührt, wem Trost, wem Ermahnung, wem Züchtigung, wem Erziehung, wem Tadel, wem Strafe, das lehrst du unermüdlich und zeigst dabei, wie nicht allen alles, aber doch allen Liebe gebührt und niemand Unrecht.«
(Augustinus)

Gute Nacht.

PS. Teil 1, Teil 3.

1 Kommentar:

  1. Die Feste feiern, wie sie fallen:
    50 Jahre II. Vat. K.
    500 Jahre Refo
    5000 Jahre Ultramontanismus (Ötzi)
    usw.

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