Freitag, 13. Juli 2012

Sprachliche Notizen zu "pro multis"

Selbst noch nach der Entscheidung des Papstes, an der kein Weg vorbei führt, lassen es sich einige Theologen nicht nehmen, alte Kamellen aufzuwärmen. Ein paar derjenigen Kamellen, die am lautesten "Dummheit" schreien, will ich hier kurz skizzieren. Daran kann man sehen, auf welchem Niveau zuweilen in der Theologie gearbeitet wird.

Zunächst sei festzuhalten: "für viele" ist die einzige mögliche Übersetzung der Formel, die sowohl mit dem lateinischen Original unseres Messbuches, als auch mit dem griechischen NT übereinstimmt.

Nun mag man "pro multis" auch mit "für die vielen" wiedergeben, eingedenk der Tatsache, dass das lateinische keine Artikel hat und darum diese Übersetzung vom lateinischen her möglich ist.
Aber die Formel "mein Blut, das für euch und für viele vergossen wird" ist ein Schriftzitat (nämlich eine uralte Kombination aus Mt und Lk) und das Griechische kennt sehr wohl Artikel, und auch dort findet sich kein solcher. Also kann es nur "für viele" heißen. Nicht "für die vielen" und erst recht nicht "für alle".

Um das abzukürzen:
pro multis = für viele (steht so im Original)
pro omnibus = für alle (steht nicht im Original)

peri pollon = für viele (steht so im Original)
peri panton = für alle (steht nicht im Original)

Nun wenden aber manche Leute ein, im Hebräischen/Aramäischen gäbe es kein Wort für "alle" und hier habe der Evangelist einen Semitismus verwendet. Zum einen ist das falsch, denn das hebräische kann sehr wohl zwischen "alle" (kol/kûl)  und "viele" (rabbim/sagî) unterscheiden.
Aber selbst wenn der Evangelist hier auf irgend eine Weise einen Semitismus verwendet hätte: Wieso? Im Griechischen, einer Sprache die z.B. Lukas glänzend beherrschte, gibt es doch die Möglichkeit sehr klar zu differenzieren. Wenn es der Intention Jesu entsprochen hätte, wenn Er "alle" gemeint hat - und wer, wenn nicht der Evangelist, wüsste darüber besser bescheid? -, warum hat der Evangelist es dann nicht so geschrieben?

Ratzinger hat recht wenn er sagt "der Glaube ist einfach"... so auch diese (warum auch immer) landauf, landab diskutierte Frage: Im Grunde tut man nichts anderes, als dem Evangelisten etwas zu unterstellen. Jedes Plädoyer für eine andere Übersetzung als "für viele" lässt sich ultimativ auf folgendes "Argument" reduzieren:
»Ja, es steht zwar "für viele" geschrieben, aber eigentlich müsste da stehen "für alle". Woher wir das wissen? Och... so halt.«

Schließlich bleibt zu sagen, dass es vollkommen egal ist, was bei dieser Schrifstelle gemeint sein könnte: Es ist zunächstmal unsere Pflicht, die Worte der Evangelien zu bewahren und authentisch zu bezeugen. Wie wir das was de facto da steht(!) dann interpretieren oder welche tieferliegenden Sinnschichten es gibt, das ist etwas Sekundäres, das ist Teil der Verkündigung und Lehre. Würden wir anders handeln, würden wir den Reichtum der Schrift, die zu allen Zeiten und in jeder Kultur Gültigkeit beansprucht, brutal kastrieren. Würde jede Generation das Schriftwort nur so bewahren, wie sie es gerade interpretiert, dann hätten wir schon lange keine Bibel mehr...

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Ich freue mich über Meinungen, (sinnvolles) Feedback und Hinweise aller Art. Fragen sind auch immer willkommen, eine Garantie ihrer Beantwortung kann ich freilich nicht geben. Nonsens (z.B. Verschwörungstheorien, atheistisches Geblubber und Esoterik) wird gelöscht. Trolle finden hier keine Nahrung.