Samstag, 21. November 2015

Am deutschen Wesen...

... soll - nach dem Vernehmen gewisser deutscher Würdenträger in den letzten Monaten - die ganze Katholische Kirche genesen. Dass die deutsche Kirche aber wohl eher der Kranke Mann der Weltkirche ist, das hat wohl kaum jemand bisher so deutlich zum Ausdruck gebracht, wie ausgerechnet Papst Franziskus in seiner gestrigen Ansprache an die deutschen Bischöfe bei ihrem Ad-limina-Besuch: Verweltlichung, Überhang der Strukturen, Erosion des Glaubens; die Notwendigkeit der Treue zum Lehramt, von Mission, Beichte, Priestertum. Hier einige der für mich bedeutsamsten Passagen:

- Überall engagiert sich die Kirche professionell im sozial-caritativen Bereich und ist auch im Schulwesen überaus aktiv. Es ist darauf zu achten, dass in diesen Einrichtungen das katholische Profil gewahrt bleibt

- Wo in den Sechziger Jahren noch weiträumig fast jeder zweite Gläubige regelmäßig sonntags zu Heiligen Messe ging, sind es heute vielfach weniger als 10 Prozent. Die Sakramente werden immer weniger in Anspruch genommen. Die Beichte ist vielfach verschwunden. Immer weniger Katholiken lassen sich firmen oder gehen das Sakrament der Ehe ein. Die Zahl der Berufungen für den Dienst des Priesters und für das gottgeweihte Leben haben drastisch abgenommen. Angesichts dieser Tatsachen ist wirklich von einer Erosion des katholischen Glaubens in Deutschland zu sprechen.

- Denken wir nur an Priska und Aquila, die treuen Mitarbeiter des heiligen Paulus. Als Ehepaar verkündeten sie mit überzeugenden Worten (vgl. Apg 18,26), vor allem aber mit ihrem Leben, dass die Wahrheit, die auf der Liebe Christi zu seiner Kirche gründet, wirklich glaubwürdig ist. Sie öffneten ihr Haus für die Verkündigung und schöpften aus dem Wort Gottes Kraft für ihre Mission. Das Beispiel dieser „Ehrenamtlichen“ mag uns zu denken geben angesichts einer Tendenz zu fortschreitender Institutionalisierung der Kirche. Es werden immer neue Strukturen geschaffen, für die eigentlich die Gläubigen fehlen. Es handelt sich um eine Art neuer Pelagianismus, der dazu führt, unser Vertrauen auf die Verwaltung zu setzen, auf den perfekten Apparat. Eine übertriebene Zentralisierung kompliziert aber das Leben der Kirche und ihre missionarische Dynamik, anstatt ihr zu helfen (vgl. Evangelii gaudium, 32).

- Das Gebot der Stunde ist die pastorale Neuausrichtung, also „dafür zu sorgen, dass die Strukturen der Kirche alle missionarischer werden, dass die gewöhnliche Seelsorge in all ihren Bereichen expansiver und offener ist, dass sie die in der Seelsorge Tätigen in eine ständige Haltung des ‚Aufbruchs‘ versetzt und so die positive Antwort all derer begünstigt, denen Jesus seine Freundschaft anbietet“ (vgl. Evangelii gaudium, 27).

- Wir müssen bei den Menschen sein mit der Glut derer, die als erste das Evangelium in sich aufgenommen haben. Und „jedes Mal, wenn wir versuchen, zur Quelle zurückzukehren und die ursprüngliche Frische des Evangeliums wiederzugewinnen, tauchen neue Wege, kreative Methoden, andere Ausdrucksformen, aussagekräftigere Zeichen und Worte reich an neuer Bedeutung für die Welt von heute auf. In der Tat, jedes echte missionarische Handeln ist immer ‚neu‘“ (Evangelii gaudium, 11). Auf diese Weise können sich alternative Wege und Formen von Katechese ergeben, die den jungen Menschen und den Familien helfen, den allgemeinen Glauben der Kirche authentisch und froh wiederzuentdecken. 

- In diesem Zusammenhang der neuen Evangelisierung ist es unerlässlich, dass der Bischof seine Aufgabe als Lehrer des Glaubens, des in der lebendigen Gemeinschaft der universalen Kirche überlieferten und gelebten Glaubens, in den vielfältigen Bereichen seines Hirtendienstes gewissenhaft wahrnimmt. Wie ein treusorgender Vater wird der Bischof die theologischen Fakultäten begleiten und den Lehrenden helfen, die kirchliche Tragweite ihrer Sendung im Auge zu behalten. Die Treue zur Kirche und zum Lehramt widerspricht nicht der akademischen Freiheit, sie erfordert jedoch eine Haltung der Dienstbereitschaft gegenüber den Gaben Gottes. Das sentire cum Ecclesia muss besonders diejenigen auszeichnen, welche die jungen Generationen ausbilden und formen.

- Wenn wir ferner einen Blick auf die Pfarrgemeinden werfen, die Gemeinschaft, in der der Glaube am meisten erfahrbar und gelebt wird, so muss dem Bischof in besonderer Weise das sakramentale Leben am Herzen liegen. Hier seien nur zwei Punkte hervorgehoben: die Beichte und die Eucharistie. Das bevorstehende Außerordentliche Jubiläum der Barmherzigkeit bietet die Gelegenheit, das Sakrament der Buße und der Versöhnung wieder neu zu entdecken. Die Beichte ist der Ort, wo einem Gottes Vergebung und Barmherzigkeit geschenkt wird. In der Beichte beginnt die Umwandlung des einzelnen Gläubigen und die Reform der Kirche. Ich vertraue darauf, dass im kommenden Heiligen Jahr und darüber hinaus dieses für die geistliche Erneuerung so wichtige Sakrament in den Pastoralplänen der Diözesen und Pfarreien mehr Berücksichtigung findet.

- Desgleichen ist es notwendig, die innere Verbindung von Eucharistie und Priestertum stets klar sichtbar zu machen. Pastoralpläne, die den geweihten Priestern nicht die gebührende Bedeutung in ihrem Dienst des Leitens, Lehrens und Heiligens im Zusammenhang mit dem Aufbau der Kirche und dem sakramentalen Leben beimessen, sind der Erfahrung nach zum Scheitern verurteilt. Die wertvolle Mithilfe von Laienchristen im Leben der Gemeinden, vor allem dort, wo geistliche Berufungen schmerzlich fehlen, darf nicht zum Ersatz des priesterlichen Dienstes werden oder ihn sogar als optional erscheinen lassen. Ohne Priester gibt es keine Eucharistie. Die Berufungspastoral beginnt mit der Sehnsucht nach dem Priester im Herzen der Gläubigen.

- Ein nicht hoch genug zu einschätzender Auftrag des Bischofs ist schließlich der Eintritt für das Leben. Die Kirche darf nie müde werden, Anwältin des Lebens zu sein und darf keine Abstriche darin machen, dass das menschliche Leben von der Empfängnis bis zum natürlichen Tod uneingeschränkt zu schützen ist. Wir können hier keine Kompromisse eingehen, ohne nicht selbst mitschuldig zu werden an der leider weitverbreiteten Kultur des Wegwerfens. (von hier)

Dem Papst geht es ums Wesentliche. Er hält sich nicht auf mit politischen Statements, Floskeln oder wohlfeilen Lobhudeleien, sondern nennt das ganze Elend beim Namen und macht unmissverständlich klar, dass nur das katholische Proprium (Beichte, treue Bewahrung und Verkündigung des ganzen Glaubens der Kirche, missionarischer Eifer etc.) Abhilfe schaffen kann... genau das, was hierzulande weitestgehend brach liegt.
Natürlich wird nun wieder jeder sich das rauspicken, was ihm passt und gute Miene machen. Aber hier ist eigentlich kein Interpretationsspielraum. Mit Verlaub: Wenn etwa ein Bischof Bode über "andere priesterliche Formen" nachdenkt, was ziemlich sicher auf eine Einebung des Unterschieds zwischen Priestern und Laien hinausläuft; wenn die DBK die neue Gesetzeslage zur Sterbehilfe bejubelt, die für Christen eigentlich völlig unannehmbar ist; wenn verschiedentlich versucht wird, Eucharistie und Beichte zu entkoppeln (und Letztere faktisch zu desavouieren), wie etwa in der Freiburger Handreichung zu den wvG und zugleich über 50% der Priester und über 90% der Gemeindereferenten einmal oder seltener im Jahr zur Beichte gehen; wenn katholische Einrichtungen und besonders die theologischen Fakultäten sich in der Mehrzahl alle Mühe geben, nicht mehr als "katholisch" aufzufallen; wenn gewisse Kardinäle den Zentralismus in der Weltkirche anprangern, während sie selbst dafür sorgen, dass ein ekklesiologisch irrelevantes und alles in allem fiktives Organ namens "Bischofskonferenz" den Diözesanbischöfen (von denen jeder Einzelne einzig dem Papst untersteht) vorschreiben kann, wie der Hase zu laufen hat; wenn der Apparat an Strukturen, wie aktuell ausgerechnet im Erzbistum München, exorbitante Außmaße erreicht; wenn das Wort "Mission" aus dem Vokabular der Würdenträger restlos verschwunden ist... dann ist es an der Zeit, den Papst beim Wort zu nehmen und endlich mal den Ar*** hochzukriegen.  
Die Beispiele für Handlungen und Unterlassungen der deutschen "Amtskirche", die genau konträr zu dem laufen, was Franziskus ihnen gestern eingeschärft hat, ließen sich beliebig vermehren... Ich befürchte aber, dass man sich nun noch mehr auf die Fehlleistungen und Irrwege konzentrieren wird, die der Papst in seiner Ansprache nicht explizit angesprochen hat, mit dem ausgesprochenen oder unausgesprochenen Argument "dazu hat er ja nix gesagt".
Man wird sehen, wie die deutschen Bischöfe nun Handeln werden.

PS. Dass der Papst in seiner Ansprache ausgerechnet die KU Eichstätt so überdeutlich gelobt hat, lässt aufhorchen. Schon länger gibt es Überlegungen in der DBK, die dortige theologische Fakultät zu schließen, was gut dazu passt, die liberale (nicht selten ausgesprochen protestantisch-nationalkirchliche) Linie der katholischen Theologie in Deutschland weiter zu festigen. Wenn nun selbst der Papst ein Fan dieser Uni ist, dürften diese Überlegungen nun hoffentlich ein Ende haben. 

PPS. Papst Franziskus fordert eine "pastorale Neuausrichtung" in den deutschen Diözesen... Wenn Kardinal Marx ehrlich wäre und zu dem stünde, was er bisher immer wieder vollmundig verlauten ließ ("keine Filiale Roms"), müsste er in etwa so reagieren: Was fällt dem Papst eigentlich ein, sich derart in die Angelegenheiten hierzulande einzumischen? Wie war das noch mit Synodalität? Hieß das denn nicht, "Jeder kocht sein eigenes Süppchen"?
Nur son Gedanke... 

Samstag, 14. November 2015

"... notre combat sera impitoyable"

Mich hat es betroffen gemacht, dass der französische Präsident einen "erbarmungslosen Kampf" angekündigt hat (hier sagt er es). Der Mann will Blut sehen. Einen "kriegerischen Akt" nannte er es, was gestern geschehen ist... folglich zieht er nun in den Krieg... (in dem er schon seit vielen Monaten ohnehin knietief drinsteckt).Bravo. Das laizistische Frankreich ist nun endlich wieder in der guten alten Zeit angelangt, als Barmherzigkeit noch unbekannt war. Töten die 100 von uns, töten wir tausende von ihnen. Erbarmungslos. Soviel zum christlichen Abendland.

Die bislang bemerkenswerteste Äußerung kommt m.E. von Martin Schulz, dem Präsidenten des EU-Parlaments: "Das, was wir in Paris erlebt haben, ist in Homs, in Aleppo, in Damaskus Alltag" (hier). Was ich nun aber weniger im Blick auf die Beurteilung der Flüchtlinge verstehe, sondern v.a. im Hinblick auf die Scheinheiligkeit des "Westens"... denn den kümmerte es und kümmert es nach wie vor erstaunlich wenig, was dort abgeht... aber wenn sowas in Paris passiert, DANN erstrahlen überall in der westlichen Welt plötzlich die Wahrzeichen der Hauptstädte in Blau-Weiß-Rot...


Beten wir für die Opfer und für die, die verantwortlich sind.