Pro Spe Salutis setzt sich kritisch mit den Aussagen des neuen Präfekten der Glaubenskongregation zur Jungfräulichkeit Mariens während der Geburt (virginitas in partu) auseinander (Lektüre zum Verständnis dieses meines Beitrags erforderlich!). Dazu ein paar Anmerkungen.
Es ist an sich sehr gut auf den Punkt gebracht. Allein, ich halte Müllers Aussagen dennoch für legitim.
Ich will die beiden Teile der Aussaage Müllers, wie ich sie sehe, getrennt behandeln, darum hier erst den Anfang und den Schluss des von Pro Spe Salutis zitierten:»Es geht nicht um abweichende physiologische Besonderheiten in dem natürlichen Vorgang der Geburt (wie etwas die Nichteröffnung der Geburtswege, die Nichtverletzung des Hymen und der nicht eingetretenen Geburtsschmerzen) [...].
[...] Der Inhalt der Glaubensaussage bezieht sich also nicht auf physiologisch und empirisch verifizierbare somatische Details.«
Schmaus betont, die Geburt sei "ohne Verletzung der leiblichen Unversehrtheit" (107) geschehen, und dies sei Glaubenssatz. Dem Widerspreche ich nicht.
Schauen wir uns etwas um. Ludwig Ott schreibt: "Die nähere Bestimmung, worin die jungfräuliche
Unversehrtheit in der Geburt nach der physiologischen Seite besteht,
gehört nicht zum Glauben der Kirche." (245) Und Schmaus stimmt dem, wie ich meine, zu, wenn er Toledo zitiert und dieser Lehräußerung "größte Bedeutung" zuspricht (108f.). Dort heißt es: "Diese Jungfrauengeburt kann weder von der Vernunft erfasst, noch an einem Beispiel gezeigt werden" (nec ratione colligitur, nec exemplo monstratur; DH 533).
Insofern ist die Aussage Müllers m.E. völlig korrekt: Es geht nicht darum, physiologisch zu explizieren, was geschah oder nicht geschah. Ja, es ist tatsächlich nicht möglich, es gibt "kein Beispiel" dafür, d.h. unsere gängigen Kategorien (wie sie von Müller in der Klammer exemplifiziert wurden) sind nicht anwendbar. Nochmal Ott: "Die Art und Weise ihres Gebärens hatte darum den Charakter des Außerordentlichen an sich." (Ebd.)
Der zweite Teil der Aussage, die Pro Spe Salutis zitiert hat (erste eckige Klammer):
»... sondern um den heilenden und erlösenden Einfluß der Gnade des Erlösers auf die menschliche Natur, die durch die Ursünde "verletzt" worden war.«
Er hat einen größeren Abschnitt ausgelassen, aus dem ich einen
Satz zitieren will, der den Inhalt des ganzen Abschnittes ganz gut
zusammenfasst:
»Die Geburt beschränkt sich für die Mutter nicht lediglich auf einen biologischen Vorgang.«
Ich finde diese Unterscheidung sehr wichtig wenn es um die Beurteilung von Müllers These geht. Müller versucht hier m.E. einer Engführung der Frage nach der jungfräulichen Mutterschaft Mariens zuvorzukommen. Es geht eben nicht bloß um ein physiologisches Phänomen - welches wir, s.o., ohnehin nicht erfassen können! Müller bestreitet nirgends den physiologischen Aspekt der jungfräulichen Geburt. Er will aber zeigen, dass die physiologischen Deteils und überhaupt alle unsere Kategorien, unser Wissen (unsere "Beispiele") uns bei der Ergründung oder Betrachtung des Geheimnisses(!) keine Hilfe sind. Und damit stimmt auch Schmaus überein. Ott sowieso. (Zu Pohle kann ich nichts sagen, da ich den nicht da hab.)
Ich bin dankbar, dass Müller dieser Seite der Medaille größere Aufmerksamkeit widmet, in anderen Dogmatiken geht das zu gerne unter oder wird tatsächlich grenzwertig behandelt.
Es scheint mir doch etwas haarspalterisch, hier eine Unterlassung oder gar eine Vermischung getrennter Glaubensaussagen zu vermuten, zumal er jene andere Glaubensaussage später noch separat, und dann anthropologisch-gnadentheologisch, behandelt (S. 503ff.).
Die von Müller gebrauchte Formel von der "heilenden und erlösenden Gnade"
klingt auf den ersten Blick tatsächlich nach der unbefleckten Empfängnis. Aber wieso auch nicht?
Beides ist Frucht der einen Gnade die Maria zuteil geworden ist. Zwei Privilegien, aber eine Gnade und ein Erlöser. Ich sehe nicht, wo darin das Problem liegen soll.
Scheeben drückte einst die umfassende Wirkung des einen Geistes für die gewaltige Bedeutung der Jungfrau und Mutter besonders schön aus:
»Vor allem ist das [Bild des Heiligen Geistes] die Jungfrau der Jungfrauen, die zugleich durch die Kraft desselben Heiligen Geistes in übernatürlicher Weise Mutter geworden, und die, wie er zwischen dem Vater und seinem Sohne in der Gottheit, durch ihn und mit ihm das Liebesband zwischen dem Vater und seinem menschgewordenen Sohne ist.« (Mysterien 160)
Literatur:
Gerhard Ludwig Müller, Katholische Dogmatik, Freiburg 2005.
Michael Schmaus, Katholische Dogmatik Bd. 5, München 1955.
Ludwig Ott, Grundriss der katholischen Dogmatik, Freiburg 1961.
Matthias Joseph Scheeben, Die Mysterien des Christentums, Freiburg 1951.
Kann ich jetzt wieder nicht so ganz unterschreiben. Gerade an Ott will ich das deutlich machen, denn liest man bei Ott den gesamten Passus, so stellt man freilich unschwer fest, daß sich damit Müllers Position nicht stützen lässt.
AntwortenLöschenDie "nähere Bestimmung" der jungfräulichen Unversehrtheit (!) gehört deswegen nicht zum Glauben der Kirche, weil dieser Vorgang die Natur übersteigt und daher nicht näher bestimmt werden kann. Aber wenngleich das Prozedere (das "WIE") im Dunkel bleibt, so ist an der jungfräulichen Unversehrtheit, und das heißt: an der körperlichen Unversehrtheit (dem "WAS") mit der Verplichtung de fide festzuhalten.
Nicht von ungefährt betont Ott, ehe man zu irrigen Schlußfolgerungen gelangen könnte: "Die körperliche Unversehrtheit ist das materielle Element der Jungfräulichkeit in der Geburt" - und damit gehört dies durchaus zum Glauben der Kirche (übrigens durch die Jahrhunderte hindurch).
Man mag das "Engführung" nennen, aber Müller maiert mir diese Themen (physiologische Besonderheiten, um die es nicht gehe) zugunsten einer "ganzheitlichen" Sichtweise zu sehr ab. Nichts gegen Letzteres, aber nur auf dem Fundament das "WAS".
Agreed. Er maiert rum. Aber er leugnet nichts und lässt auch nichts weg. Der Vorwurf von rechtsaußen ist demnach haltlos und zielt einzig auf Provokation.
LöschenIch habe mir erlaubt, mich an der Diskussion zu beteiligen: http://summa-summarum.blogspot.de/2012/07/jungfrau-und-muller.html
LöschenBeste Grüße
Theodor
@ sophophilo17. Juli 2012 10:21
AntwortenLöschen"Agreed. Er maiert rum. Aber er leugnet nichts und lässt auch nichts weg."
Wenn Sie zu "ProSpeSalutis" sagen "agreed", können Sie aber nicht sagen, dass Müller nichts leugnete oder wegließe - denn das ist ja gerade - zu Recht - die Feststellung "ProSpeSalutis´".
Denn Müller eiert eben nicht nur rum - sondern leugnet bzw. läßt weg, was wesentlich ist:
Die phyisologischen Details.
Er sagt etwas ganz anderes als Ott oder Toledo.
Ott oder Tolede sagen, wie ProSpeSalutis richtig erklärt, nur, dass das genaue WIE der Details nicht von der Kirche festgelegt ist.
Hinzuzufügen wäre auch noch, dass Ott auch sagt, dass offen bleibt, WELCHE Details nun GENAU gemeint sind (und eben verbunden mit dem WIE dann).
Aber DASS es um physiologische Details geht, das wird nicht bestritten. Weder Ott noch Toledo etc.
Aber eben von Müller.
Es ist also durchaus ein Unterschied, ob ich sage: "Es geht zwar um Physiologie, um körperliche Unversehrtheit, also auch um physiologische Details -- aber um WELCHE GENAU und WIE, das bleibt offen."
Oder wie Müller: "Es geht NICHT um physiologische Details."
Das ist das kontradiktorische Gegenteil von dem, was Ott, Toledo etc. sagen - und was auch Lehre der Kirche ist!
Übrigens wird Müller in seiner Schrift "Was heißt geboren von der Jungfrau Maria? Eine theologische Deutung". Quaestiones Disputatae 119, Herder 1989, noch deutlicher.
AntwortenLöschenGerade diese Schrift, die sich ja ausführlich mit unserem Thema beschäftigt, sollte man neben der Dogmatik Müllers noch heranziehen.
Sie läßt an Klarheit letztlich (denn auch hier wird viel "herumgemaiert", "geschwurbelt", daher nur "letztlich") nichts zu wünschen übrig.
So schreibt Müller dort:
"Handelt es sich nun auch - von der Inkarnation her gedacht - um einen natürlichen Geburtsvorgang und nicht etwa um ein Verlassen des Mutterschoßes außerhalb der normalen Geburtswege und ohne die damit physiologisch notwendig gegebenen Begleiterscheinungen [...]" (S. 104)
oder:
"Darum ist ihre Geburt in der Ganzheitlichkeit ihrer personalen, geistigen und leiblichen Aspekte in der Tat ganz natürlich." (S. 106)
Und nur folgerichtig leugnet Müller auch die traditionell immer mitgelehrte Schmerzfreiheit der Geburt Jesu."
Wenn, wie zitiert, eben die Geburt in ihren "leiblichen Aspekte[n] in der Tat ganz natürlich ist" und um einen "rein natürlichen Geburtsvorgang handelt", "nicht ohne die damit physiologisch notwendig gegebenen Begleiterscheinungen" -- und sind eben die Wehen und Schmerzen eine solche Begleiterscheinung, dann ist nur logisch, wenn Maria auch diese Geburtschmerzen hatte.
Und so schreibt Müller (wie gesagt in sich folgerichtig) S. 104:
"Gewiß gehören die in der Geburt empfundenen Wehen zum natürlichen Vorgang der Geburt, sofern sie durch eine für den Geburtsvorgang notwendige Kontraktion des Mutterschoßes entstehen. In diesem Sinne kann von einer Schmerzfreiheit Marias auch nicht die Rede sein."
- Man vgl dies nur einmal mit unserem schönen Adventslied "Maria durch ein Dornwald ging", welches klar die Lehre der Tradition wiedergibt.
Aber das ganze Problem ist ja ein viel tiefer liegendes, also nicht einmal, dass Müller hier in einem konkreten Punkt einem Dogma der Kirche widerspricht, es völlig uminerpretiert.
AntwortenLöschenSondern eben in dem "Uminterpretieren".
Denn verbal bzw. nominell leugnet Müller ja das Dogma nicht, ja im Gegenteil, er versichert uns, die anzuerkennen.
Ja, mehr noch, sogar die körperliche Seite, die körperliche Unversehrtheit, gibt Müller zu, sei Teil des Dogmas.
Nur dann interpretiert er diese völlig um, so dass am Ende gar keine körperliche Unversehrtheit mehr übrig bleibt, sondern nur noch eine rein geistige.
Und das ist das tiefer liegende und grundlegende Problem.
Es geht hier nicht um die ein oder andere Häresie. Es geht um ein grundlegendes
hermeneutisches und philosophisches Problem, welches etwa Pius X in Pascendi oder auch im Antimodernisteneid deutlich macht:
Die modernen Theologen gefallen sich darin, zwar nominell die Dogmen anzerkenn, sogar den Wortlaut des Dogmas -- aber dann den Inhalt so umzuinterpretieren, dass er nichts mehr mit dem tradtionellen Inhalt, mit der traditionellen Bedeutung zu tun hat - außer eben der äußeren Worthülsen.
Und das exerziert uns ja Müller hier am Beispiel der virg. in partu vor.
Wie gesagt, natürlich spricht er davon, dass dies ein Dogama sei, was er auch voll anerkenne etc.
So etwa in besagter Schrift quaest. disp. 119, S. 100:
"[...] so kann doch [...] gesagt werden, dass die virginitas in partu zum sicheren Glaubensbewußtsein der Kirche gehört und vom ordentlichen und außerordentlichen Lehramt vorgetragen wird."
- er erkennt es also sogar als unfehlbare Lehre der Kirche an.
Aber eben mehr noch, auch den körperlichen Aspekt anerkennt Müller zunächst verbal-nominelle, er scheint ihn eben anzuerkennen - wobei schon deutlich erkennbar "herummaiernd" und "schwurbelnd", schreibt er doch weiter (S.100,101):
"Gewiß kann man auch hier nicht einfach zwischen einer geistigen und biologischen Seite eine glatte Trennungslinie ziehen. Wenn man von der Einheit in geistiger und leiblicher Existenz des Menschen ausgeht, ist die personale Bezeichnung der Jungfrau Maria als Mutter Christi auch so zu denken, dass sie einen leibhaftigen Ausdruck findet."
Aber dann kommt auch schon das "ABER" bzw. "DENNOCH".
Fährt Müller nämlich fort (S.101):
"Dennoch ist es schwierig, die integritas corporis der Jungfrau im Geburtsvorgang zu beschreiben [...]"
Zunächst sagt er hier aber ja nur, dass die körperliche Unversehrtheit "schwierig" zu "beschreiben" sei.
Aber dann, im Laufe der Abhandlung, bleibt am Ende gar nichts mehr von der körperlichen Unversehrtheit übrig, sondern nur noch eine rein geistige, gipfelnd in Sätzen wie bereits zitiert, etwa dass die Geburt auch in ihren "leiblichen Aspekte[n] in der Tat ganz natürlich" gewesen sei (S. 106, s.a. obiger Kommentar) und auch von Schmerzfreiheit im körperlich-biologischen Sinne daher nicht gesprochen werden könne (S.104, s. ebenfalls obiger Kommentar).
Also, zunächst nominelle Anerkenntnis des Dogmas, dann einräumen, die "Beschreibung" sei "schwierig", dann aber im Laufe des Textes völlige Uminterpretation, so dass am Ende auch vom ursprünglichen Inhalt nichts mehr bleibt -- aber die nominelle Anerkenntnis ist ja da!
Das ist Modernimus in Reinform, wie er auf dem (1.) Vat. bereits verurteilt wurde und dann bes. in Pascendi und im Anitmodernisteneid von Pius X.
DAS ist das Problem hier.
(Und daher ist der "Vorwurf von rechtsaußen" alles andere als "haltlos" und "einzig auf Provokation" zielend! - Abgesehen von der Frage, ob politische Begriffe, die zudem pejorativ sind, wie "rechtsaußen", hier richtig am Platz sind.)
Und übrigens, Müller exerziert das modernistische, von der Kirche mehrfach verurteilte uminterpretieren von Glaubenswahrheiten nicht nur in praxi durch, sondern gibt auch die theoretische Begründung dazu in eben diesem zitierten Werkt quaest. disp. 119, S. 74, wenn auch in recht schwierigen, langen Sätzen (auch hier könnte man von "Geschwurbel" sprechen!):
AntwortenLöschen"Weil der Glaube aber die kreatürliche Vergegenwärtigung der einen Selbstmitteilung Gottes ist in der Pluralität ihrer inneren Bezüge, darum hat der Glaube selber Prozesscharakter, indem er sich wegen der geschichtlichen Verfassung des des menschlichen Geistes selbstreflexiv in seinen eigenen Grund vortasten muss, sich sprachlich abklärt und in den kulturell bedingten Vorstellungskategorien - sie darin aber nochmal überbietend - zum Ausdruck bringen muß. Darum kennt schon das neue Testament verschiedene christologische Modelle. Denn der Glaube als transzendental-apriorische Eröffnetheit für das Geschichte gewordene Mysterium an sich kann sich auf der Ebene des reflexiven Ausdrucks nie adäquat sprachlich einholen.[...]"
Man sollte nicht so isoliert auf Müller herumhacken. Das Problem ist umfangreicher.
AntwortenLöschenIn der heutigen Weihnachtspredigt (Rotarier und Kirche) klingt ebenfalls die Jungfrauengeburt an.
http://gloria.tv/media/Ljwi8TXMczy