Samstag, 15. März 2014

Über den Wunsch nach besonderen Gnaden


(Angeregt von hier.) In Zeiten von allerlei Erscheinungen und Privatoffenbarngen (samt gewisser Ausartungen etwa in Međugorje), von denen ich durchaus kein Fan bin und als Katholik auch nicht zu sein brauche (vgl. KKK 67), ist es sinnvoll, sich an die großen Autoritäten in Sachen Mystik und Aszese zu wenden, die Gott seiner Kirche geschenkt hat. Die wohl wichtigsten Lehrer in dieser Sache sind sicherlich jene Karmeliten die wir nicht nur als Heilige, sondern auch als Kirchenlehrer verehren.

Johannes vom Kreuz schreibt über den Wunsch nach übernatürlichen Gnadenerweisen, Erscheinungen, Visionen, Entrückungen, Privatoffenbarungen etc. (Aufstieg zum Berg Karmel, II. Buch, 22. Kapitel, Abschnitte 5-7; vgl. auch die Kapitel 18-20):
»Wer deshalb jetzt noch Gott befragen oder eine Vision oder Offenbarung von ihm wünschen wollte, beginge nicht nur eine Dummheit, sondern er würde Gott eine Beleidigung zufügen, weil er seine Augen nicht ganz und gar auf Christus richtet, ohne noch etwas anderes oder Neues zu wollen. Gott könnte ihm nämlich folgendermaßen antworten und sagen: Wenn ich dir doch schon alles in meinem Wort, das mein Sohn ist, gesagt habe und kein anderes mehr habe, was könnte ich dir dann jetzt noch antworten oder offenbaren, was mehr wäre als dieses? Richte deine Augen allein auf ihn, denn in ihm habe ich dir alles gesagt und geoffenbart, und du wirst in ihm noch viel mehr finden, als du erbittest und ersehnst. Du bittest nämlich um innere Ansprachen und Offenbarungen über Teilbereiche, doch wenn du deine Augen auf ihn richtest, wirst du es im Ganzen finden, denn er ist meine ganze Rede und Antwort, er ist meine ganze Vision und Offenbarung. Das habe ich euch schon gesagt, geantwortet, kundgetan und geoffenbart, als ich ihn euch zum Bruder, zum Gefährten und Lehrmeister, als Lösegeld und Lohn gab. Denn seit dem Tag, als ich auf dem Berg Tabor mitmeinem Geist auf ihn herabkam, und sagte Hic est filius meus dilectus, in quo mihi bene complacui, ipsum audite, das heißt: Dieser ist mein geliebter Sohn, an dem ich mein Wohlgefallen habe; auf ihn höret! habe ich meine Hand von all jenen Arten von Unterweisungen und Antworten zurückgezogen und sie ihm gereicht. Hört auf ihn, denn ich habe nicht noch mehr Glauben zu offenbaren, noch mehr Dinge kundzutun. Denn wenn ich früher sprach, war es, weil ich Christus verhieß, und wenn sie mich befragten, erbaten und erhofften sie mit ihren Fragen Christus, in dem sie alles Gute finden sollten, wie es jetzt die ganze Lehre der Evangelisten und Apostel zu verstehen gibt. Wer mich jetzt aber noch nach jener Methode befragen sollte und sich wünschte, daß ich zu ihm spreche oder ihm etwas offenbare, der würde mich gewissermaßen ein zweites Mal um Christus bitten und mich um mehr Glauben bitten, während er in dem, der in Christus bereits geschenkt ist, versagte. Und so würde er meinem geliebten Sohn schweres Unrecht zufügen, denn er würde damit nicht nur im Glauben versagen, sondern er zwänge ihn, nochmals Fleisch anzunehmen und sein erstes Leben und Sterben durchzustehen. Du wirst nichts finden, was du von mir erbitten, noch was du an Offenbarungen oder Visionen von mir ersehnen könntest. Schau ihn dir nur gut an, denn dort in ihm wirst du all das schon getan und gegeben finden, und noch viel mehr. 
Wenn du möchtest, daß ich dir mit einem Trostwort antworte, dann schau auf meinen Sohn, mir ergeben und aus Liebe zu mir hingegeben und gepeinigt, und du wirst sehen, wie viel er dir antwortet. Wenn du möchtest, daß ich dir manches verborgene Schalten und Walten erkläre, dann richte deine Augen allein auf ihn, und du wirst die verborgensten Geheimnisse und Weisheit und Wunder Gottes finden, die in ihm verschlossen sind, wie mein Apostel sagt: In quo sunt omnes thesauri sapientiae et scientiae Dei absconditi. Das ist: In diesem Sohn Gottes sind alle Schätze von Gottes Weisheit und Wissen verborgen (Kol 2,3). Diese Schätze der Weisheit sind für dich viel tiefer und köstlicher und nützlicher als das, was du wissen wolltest. Ihrer rühmte sich daher derselbe Apostel, als er sagte, daß er nichts anderes zu verstehen gegeben hatte noch anderes wisse als nur Jesus Christus, und zwar als den Gekreuzigten (1 Kor 2,2). Und wenn du noch andere gottgewirkte oder leibliche Visionen und Offenbarungen möchtest, dann schau auf ihn, der sogar Menschengestalt annahm, und du wirst darin mehr finden als du denkst. Denn der Apostel sagt weiter: In ipso habitat omnis plenitudo divinitatis corporaliter. Das will sagen: In Christus wohnt die ganze Fülle der Gottheit in leiblicher Gestalt (Kol 2,9). 
Also ist es nicht angemessen, Gott jetzt noch auf jene Weise zu befragen, noch ist es notwendig, daß er spricht, denn da er in Christus den Glauben in seiner Fülle endgültig ausgesagt hat, ist kein weiteres Glaubensgut mehr zu offenbaren, noch wird es das je wieder geben. Wer also jetzt noch irgendetwas auf übernatürlichem Wege empfangen wollte, würde, wie wir gesagt haben, in Gott einen Mangel bemerken, daß er nämlich in seinem Sohn nicht alles in ausreichendem Maß gegeben hätte. Denn selbst wenn er bei diesem seinem Tun auch den Glauben voraussetzt und daran festhält, so ist es dennoch Neugierde aus zu geringem Glauben. Von daher darf man auf übernatürlichem Weg keinerlei Belehrung oder sonst etwas erwarten.«

Auch Theresa von Avila hat dieses Thema mit großer Weisheit und Umsicht durchaus kritisch behandelt (Innere Burg, 6. Wohnung, 9. Kapitel, Abschnitte 14-16; vgl. auch Kapitel 8):
»Einen großen Gewinn erlangt die Seele durch diese Gnade des Herrn, und der ist, dass sie sich, sobald sie an ihn oder an sein Leben oder seine Passion denkt, an sein überaus sanftes und wunderschönes Antlitz erinnert, was ein riesiger Trost ist, wie wir ihn ja auch hier in größerem Maße haben, wenn wir einen Menschen, der uns viel Gutes tut, gesehen haben, als wenn wir ihn nie kennen gelernt hätten. Ich sage euch, dass eine so köstliche Erinnerung sehr tröstlich und hilfreich ist. Sie bringt noch viele weitere Güter mit sich; da aber über die Auswirkungen, die diese Dinge haben, schon so viel gesagt wurde und noch mehr zu sagen ist, will ich mich damit nicht ermüden und auch euch nicht müde machen, sondern nur sehr darauf hinweisen, dass ihr Gott niemals darum bitten noch von ihm wünschen solltet, euch auf diesem Weg zu führen, falls ihr erfahrt oder hört, dass er den Seelen diese Gnaden erweist.
Auch wenn er euch genau richtig vorkommen mag, und man ihn auch hochachten und in Ehren halten soll, so ist das aus folgenden Gründen doch nicht angebracht: Erstens, weil es ein Mangel an Demut wäre, wenn ihr wolltet, dass euch gegeben wird, was ihr niemals verdient habt, und von daher glaube ich, dass wer immer sich das wünscht, nicht viel davon hat. Denn so wie ein einfacher Bauer weit davon entfernt ist, sich nach der Königswürde zu sehnen, weil es ihm unmöglich erscheint, da er sie nicht verdient, genauso weit weg ist es ein demütiger Mensch von dergleichen Dingen. Und ich glaube auch, dass sie ihm niemals geschenkt werden, denn zuvor gibt der Herr eine tiefe Selbsterkenntnis, die diese Gnaden verursacht. Denn wie wird einer, der solche Gedanken hegt, in Wahrheit erkennen, dass ihm eine sehr große schon dadurch zuteil wird, da er nicht in der Hölle gehalten wird? Zweitens, weil es ganz sicher ist, dass er sich einem Betrug oder doch großer Gefahr aussetzte, da der Böse nicht mehr braucht als nur eine kleine Tür offen zu sehen, um uns tausenderlei Dinge vorzugaukeln. Drittens, die eigene Einbildung, also die Person selbst, bringt sich, wenn ein starker Wunsch da ist, in ihrem Erkennen so weit, dass sie sieht und hört, was sie sich wünscht, genauso wie es denen, die tagsüber mit Lust auf etwas umhergehen und viel daran denken, passiert, dass es ihnen im Traum unterkommt. Viertens ist es eine große Dreistigkeit, wenn ich den Weg wählen wollte, ohne zu wissen, welcher mir mehr zusagt, statt es dem Herrn – der mich ja kennt – zu überlassen, mich auf dem, der zu mir passt, zu führen, damit ich in allem seinen Willen tue. Meint ihr vielleicht, fünftens, dass diejenigen, denen der Herr solche Gnaden erweist, nur wenige Prüfungen zu erleiden hätten? Nein, riesengroße und von vielerlei Art! Was wisst ihr, ob ihr fähig seid, sie zu ertragen? Sechstens, dass ihr nicht durch eben das, wodurch ihr zu gewinnen meint, verliert wie Saul, obwohl er König war (1 Sam 15,10f.).  
Und schließlich, Schwestern, gibt es, abgesehen von diesen, noch weitere Gründe; glaubt mir, dass es am sichersten ist, nur zu wollen, was Gott will, der uns besser kennt als wir selbst und uns liebt. Geben wir uns in seine Hände, damit sein Wille an uns geschehe, und wir werden nicht irren können, wenn wir mit entschlossenem Willen uns immer daran halten. Ihr solltet auch bedenken, dass man deshalb, weil man viele solcher Gnaden empfangen hat, keine größere Herrlichkeit verdient, denn dafür ist man mehr verpflichtet zu dienen, weil man ja mehr empfängt. Da, wo man mehr verdient, nimmt uns der Herr nichts weg, da das in unserer Hand liegt; und so gibt es viele heilige Menschen, die nie erfahren haben, was es heißt, eine von jenen Gnaden zu empfangen, und andere, die sie empfangen, es aber nicht sind. Und glaubt nicht, dass das ständig so ist, denn für das eine Mal, das sie der Herr erweist, gibt es ganz viele Prüfungen, und so denkt die Seele gar nicht daran, ob sie noch mehr erhalten wird, sondern wie dafür zu dienen.«

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