Das passt irgendwie, hat doch die Kirche in ihrer Liturgie vergangenen Donnerstag das Gebet der Ester (Est 14,1.3-5.12-14) gelesen.
Aber immer der Reihe nach: Purim ist kein Fest, das in der Tora verankert ist. Wie Chanukka (siehe hier), ist auch dieses Fest erst nach dem babylonischen Exil entstanden. Und es geht genau auf jene Episode zurück, aus der die Kirche letzte Woche eine Schlüsselstelle gelesen hat: Wir befinden uns in der babylonischen Gefangenschaft. Weil der am Königshof in Dienst stehende Jude Mordechai sich nicht vor ihm beugen wollte, beschloß der Hofbeamte Haman alle Juden töten zu lassen. Aber die Königin Ester (eine Adoptivtochter Mordechais, die, als Jüdin!, auf Umwegen die Frau des babylonischen Königs Ahasveros wurde, nachdem dieser seine erste Frau verjagte) beschwor den König, der sie über alles liebte, es nicht zuzulassen und gibt sich vor ihm als Jüdin zu erkennen. Daraufhin wird Haman erhängt und die Juden erhalten das Recht, sich gegen die Anhänger und Helfer Hamans zu wehren (was sie auch tun, indem sie die umbringen, die sie umbriungen wollten). Diese Gelegenheit markiert den einzigen Fall, bei dem sich die Juden in der Dispora selbst retteten. Ein Grund zu feiern!
Das Fest ist sowas wie der jüdische Karneval, nur dass das Fasten vor der Ausgelassenheit steht (weil Ester zusammen mit den Juden fastete, bevor sie beim König vorstellig wurde). Nach dem Fasten geht es bunt her: Die Kinder kommen in bunten Kostümen (z.B. sind die Mädchen gern als Prinzessin verkleidet, die Buben als Könige und Sultane) zum Gottesdienst in die Synagoge (soviel zum Thema Karnevals-Messen!). Am Abend wird die Ester-Rolle vorgelesen und jedesmal wenn der Name Haman ertönt, verwandelt sich die Synagoge in einen regelrechten Hexenkessel: Die Kinder machen Lärm mit Rasseln und Klappern, ein riesen Spaß!, die Erwachsenen stampfen auf den Boden und schlagen auf die Tische. Haman ist das Sinnbild aller Feinde der Juden und wird entsprechend verachtet.
Es wird viel getrunken an diesem Tag: Der Talmud sagt, man solle soviel trinken, dass man "Verflucht sei Haman" nicht mehr von "Gesegnet sei Mordechai" unterscheiden kann.
Es wird auch viel geköstigt, v.a. Süßes. Bekannt sind die Haman-Taschen (siehe Bild): kleine dreieckige Hefeteigtaschen mit Nüssen, Mohn und Marmelade gefüllt.
Der Name Purim stammt übrigens daher, dass der babylonische König am Beginn des Jahres immer das Los (hebr. pur) zu werfen pflegte, um etwas über das neue Jahr zu erfahren; das Los fiel auf den 13. Adar, was der Tag des Genozids an den Juden werden sollte. Der Genozid trat nicht ein, also wird am 14. Adar, dem Tag danach, gefeiert was das Zeug hält.
Warum ich oben meinte, dass das Fest auch heute (am 17. März), am 15. Adar gefeiert wird (und dann Schuschan-Purim heißt): Weil die damalige persische Hauptstadt Susa (hebr. Schuschan) eine Stadtmauer besaß, wird das Fest in einer Stadt, die seit der Zeit Josuas eine feste Stadtmauer besitzt, einen Tag später gefeiert, was aber heute nur auf Jerusalem zutrifft... und aus irgend einem Grund feiert man wohl auch in Prag Purim am 15. Adar.
Happy Purim! ;)
Das Gebet der Ester wie es die Leseordnung der Kirche aufweist:
In jenen Tagen wurde die Königin Ester von Todesangst ergriffen und suchte Zuflucht beim Herrn, und sie betete zum Herrn, dem Gott Israels:
Herr, unser König, du bist der Einzige. Hilf mir! Denn ich bin allein und habe keinen Helfer außer dir; die Gefahr steht greifbar vor mir.
Von Kindheit an habe ich in meiner Familie und meinem Stamm gehört, dass du, Herr, Israel aus allen Völkern erwählt hast; du hast dir unsere Väter aus allen ihren Vorfahren als deinen ewigen Erbbesitz ausgesucht und hast an ihnen gehandelt, wie du es versprochen hattest.
Denk an uns, Herr! Offenbare dich in der Zeit unserer Not, und gib mir Mut, König der Götter und Herrscher über alle Mächte!
Leg mir in Gegenwart des Löwen die passenden Worte in den Mund, und stimm sein Herz um, damit er unseren Feind hasst und ihn und seine Gesinnungsgenossen vernichtet.
Uns aber rette mit deiner Hand! Hilf mir, denn ich bin allein und habe niemand außer dir, o Herr!
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