Samstag, 22. März 2014

Dürftige Theologie - 2 - Zollitsch und Kasper

Bitte die Einführung (hier) beachten!

Das berüchtigte Referat von Walter Kasper beim Konsistorium wurde vom Papst ausdrücklich gelobt. Dies nahm der geschiedene Freiburger Oberhirte Robert Zollitsch zum Anlass, zu erklären, dass der Kardinal ja nichts anderes dächte als das, was auch er (und damit die Freiburger Handreichung; siehe dazu hier, hier und hier) vertrete. Und weil der Papst Kardinal Kasper gelobt hat, hat er also indirekt auch Zollitsch gelobt?

Ich weiß nicht, ob Robert Zollitsch hier versucht die Illusion aufrecht zu erhalten, er würde nur tun, was der Papst (eigentlich) will, oder ob er wirklich von dem überzeugt ist, was er da sagt. Auf jeden Fall muss man aber sagen, dass es schlicht nicht stimmt! Und es ist nervig, dass inzwischen andere diesen Mythos übernommen haben... das gibt nachher viel enttäuschtes Schluchzen!


Aber erstmal einen Schritt zurück: Im Jahr 1993 verfassten die Bischöfe der Oberrheinischen Kirchenprozinz - Oskar Saier (Freiburg), Karl Lehmann (Mainz) und Walter Kasper (Rottenburg-Stuttgart) - ein gemeinsames Hirtenwort zum Thema der wiederverheirateten Geschiedenen, in dem sie im Grunde nichts anderes propagierten als das, was dann im letzten Jahr mit der dummdreisten Handreichung des Seelsorgeamtes in Freiburg wieder aufgekocht wurde (nein, es ist kein Eintopf, der mit jedem Mal Aufkochen besser schmeckt... die Brühe war beim ersten Mal schon fad und schmierig und wird nicht besser). Damals gab es ordentlich Rüge von Kardinal Ratzinger.

Zwar sehe ich in Kardinal Kaspers Referat beim Konsistorium so einige Fehler und Unstimmigkeiten (wird gewiss noch Thema sein), aber eines muss man ihm lassen: Er hat dazugelernt! Kasper vertritt nämlich keinesfalls die gleiche Position wie vor 20 Jahren.

Der neuralgische Punkt bei der Frage nach der Zulassung von Menschen in zweiter Zivilehe zur hl. Eucharistie ist im Hirtenwort von damals wie auch in der Freiburger Handreichung die Betonung einer "Gewissensüberzeugung", besonders im Hinblick auf die Gültigkeit der "ersten Ehe". 

Im oberrheinischen Hirtenwort von 1993 heißt es:
»Aber in dem klärenden seelsorglichen Gespräch der Partner einer zweiten ehelichen Bindung mit einem Priester, in dem die ganze Situation gründlich, aufrichtig und objektiv aufgehellt wird, kann sich im Einzelfall herausstellen, dass die Ehepartner (oder auch ein Ehepartner für sich allein) sich in ihrem (bzw. seinem) Gewissen ermächtigt sehen, an den Tisch des Herrn zu treten.«
»... wenn die Gewissensüberzeugung vorherrscht, dass die frühere, unheilbar zerbrochene Ehe niemals gültig war.«

Und in der Freiburger Handreichung von 2013 lesen wir:
»Ein seelsorglicher und theologisch fundierter Gesprächsprozess der Partner bzw. eines der Partner mit dem Pfarrer zielt darauf hin, dass das Paar bzw. einer der Partner für sich eine verantwortete wirkliche Gewissensentscheidung treffen kann. [...] In der Folge einer verantwortlich getroffenen Gewissensentscheidung kann [...] die Möglichkeit gegeben sein, die Sakramente [...] zu empfangen«.
»... die subjektive Gewissensüberzeugung, dass die frühere, unheilbar zerstörte Ehe niemals gültig war.«

Es ist haargenau das Gleiche. In 20 Jahren hat sich in den Köpfen einiger überhaupt nichts geändert.
Im Falle von Walter Kasper aber schon! Denn genau diesen entscheidenen Punkt bei allen früheren und dem ebenso gestrigen Freiburger Rückstoß, hat Kardinal Kasper offenbar aufgegeben. Diese Argumentation kommt in seinem Referat nicht vor. Eher das Gegenteil ist der Fall, denn in Kaspers Referat lesen wir:
»Da die Ehe als Sakrament einen öffentlichen Charakter hat, kann die Entscheidung über die Gültigkeit einer Ehe nicht allein dem subjektiven Ermessen der Betroffenen überlassen sein.«

Dieser Punkt ist wirklich wichtig für eine rechte Einordnung des kasperschen Textes! Vor allem zeigt dieser prominente Fall eines fehlenden "Gewissensarguments", dass wohl in Sachen "(verantwortete) Gewissensentscheidung" (siehe dazu hier) hoffentlich inzwischen ein notwendiges Umdenken stattfindet, denn heute ist das Gewissen oftmals, wie es der Staatsrechtler Josef Isensee pointiert ins Wort brachte, zu einer "billigen Legitimationsmünze" mutiert, und sollte überhaupt erst dann wieder im moraltheologischen Diskurs gebraucht werden, wenn man sich zuvor den Gewissensbegriff von Veritatis splendor (hier) angeeignet hat .


Bezüglich Kaspers Referat wird es einiges zu besprechen geben...


Zum Bild:
Dieser kunstvolle Wasserspeier (er hat übrigens zwei Köpfe!) am Freiburger Münster, zielt direkt auf das erzbischöfliche Palais (heute Domsingschule). Um die Gründe ranken sich verschiedenen Legenden... [Ich habe ein "eisiges" Bild gewählt, da in diesem Jahr in Freiburg der Winter komplett ausgefallen ist.]

1 Kommentar:

  1. Vielen Dank für den guten Beitrag, dem man weitestgehend zustimmen muss. Kasper hat sich hier wirklich bewegt und sein Beitrag zeigt ihn grundsätzlich als THEOLOGEN von Rang. Das ist ja das tieferliegende Problem der deutschen Diskussion, dass sie nicht wirklich als THEOLOGISCHE geführt wird. Bei EB Zollirisch muss man - so hart das klingen mag - wohl davon ausgehen, dass er dazu auch gar nicht in der Lage ist.

    Was mir an Kaspers Beitrag darüber hinaus gefällt, ist die Herstellung des größeren Kontexts. Seine Betonung der Familie als Hauskirche könnte ein bedeutender Schritt weg von dem aktuellen Gequatsche von der "evangelisierenden Gemeinde" sein. Die Gemeinde ist - zumindest in Deutschland - fast tot. Auch das klingt hart, ist aber so: ich kenne fast keinen Katholiken etwas jüngeren Alters, der seine religiöse Bindung in der Gemeinde hat. Es gibt immer wesentliche Bezüge in irgendwelchen Gemeinschaften, Gruppen, etc. Wie soll die Gemeinde "evangelisieren", wenn ca. 95% der Gemeindemitglieder nicht einmal in der Lage sind, ihren Glauben an die eigenen Kinder zu vermitteln? Da ist Kaspers Rückgriff auf die Hauskirche sicher ein Schritt in die richtige Richtung.

    Ansonsten haben Sie natürlich recht: seine Argumentation ist - obwohl auf gutem Niveau - an vielen Stellen fühlbar interessegeleitet und am Ende dann schlicht fehlerhaft, wenn er von der Reue über das "Versagen in der ersten Ehe" spricht. Das ist überhaupt nicht der Punkt der Diskussion und bei Licht besehen, ein künstlicher Popanz. Die Kirche hält den wiederverheirateten Geschiedenen nicht ihre Sünden aus der ersten Ehe vor (das wäre wirklich "unbarmherzig"), sondern die immer wieder aktualisierte Sünde gegen diese Ehe durch den Vollzug einer zweiten eheähnlichen Beziehung und die damit gegebene Nichtbereitschaft zu Reue und Vorsatz. Die von ihm angepeilte "individuelle pastorale Lösung" kann nur dort ansetzen und in den Betroffenen zumindest den Wunsch/Vorsatz nach einer Beendigung dieser Situation wecken - dann können auch wieder Barmherzigkeit und "Großzügigkeit" greifen.

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