Mittwoch, 17. Juli 2013

Der Dornbusch

Beate Heinen, Mose vor dem brennenden Dornbusch
»Eines Tages trieb er das Vieh über die Steppe hinaus und kam zum Gottesberg Horeb. Dort erschien ihm der Engel des Herrn in einer Flamme, die aus einem Dornbusch emporschlug. Er schaute hin: Da brannte der Dornbusch und verbrannte doch nicht. Mose sagte: Ich will dorthin gehen und mir die außergewöhnliche Erscheinung ansehen. Warum verbrennt denn der Dornbusch nicht? Als der Herr sah, dass Mose näher kam, um sich das anzusehen, rief Gott ihm aus dem Dornbusch zu: Mose, Mose! Er antwortete: Hier bin ich. Der Herr sagte: Komm nicht näher heran! Leg deine Schuhe ab; denn der Ort, wo du stehst, ist heiliger Boden.« (Ex 3,1b-5)

Warum eigentlich ausgerechnet ein Dornbusch? Warum nicht etwas "Edleres"... vielleicht ein Feigenbaum... oder eine Zeder? Musste es ausgerechnet ein Gewächs sein, mit dem man nicht wirklich viel anfangen kann, dass eher nur als störend, hinderlich oder gefährlich gelten kann?

Dass es sich ausgerechnet um einen Dornbusch handelt, ist überaus angemessen. Denn worum es geht (und was die Leseordnung, heute Ex 3,1-6.9-12, aus unerfindlichen Gründen rausgekürzt hat: die Verse 7 und 8 fehlen im Lektionar), ist dies: »Der Herr sprach: Ich habe das Elend meines Volkes in Ägypten gesehen und ihre laute Klage über ihre Antreiber habe ich gehört. Ich kenne ihr Leid.« (V. 7)
Das Volk ist unterdrückt, im Elend, es schreit zu Gott aus seiner Pein.
Der Dornbusch ist daher sinnbildlich überaus angemessen: Gott kennt ihr Leid. Dass der Busch brennt, mag noch mehr das Leid des Volkes symbolisieren. Dass der Busch nicht verbrennt, findet seinen Widerhall unmittelbar anschließend (im zweiten Vers, den das Lektionar ausgespart hat): »Ich bin herabgestiegen, um sie der Hand der Ägypter zu entreißen und aus jenem Land hinaufzuführen in ein schönes, weites Land, in ein Land, in dem Milch und Honig fließen, in das Gebiet der Kanaaniter, Hetiter, Amoriter, Perisiter, Hiwiter und Jebusiter.« (V. 8)
Es ist also ein Ende des Leids und schließlich Heil verheißen. Und nicht nur das: Die Verheißung gilt dem gesamten Volk. Diese Vollständigkeit ist in der Siebenzahl der aufgezählten Stämme ausgedrückt (wovon allerdings in dieser Aufzählung einer, nämlich der Stamm der Girgaschiter, fehlt; vgl. Dtn 7,1). Das Volk, obzwar es leidet, obzwar es "brennt", wird doch nicht sterben, es wird nicht verbrennen, sondern hat die Verheißung, zu überdauern, zu leben.
Es ist eine tröstliche Botschaft, auch wenn wir heute das Glück haben, nicht in der Sklaverei zu leben, bleiben wir angefochten und bedrängt. Gott hält uns.


Zwei Anmerkungen zur überkritischen Bibelexegese: 
a. Dass es nicht angehen kann, diese Begebenheit "entmythologisierend" zu dekonstruieren und (wie in dem Film "Kingdom of Heaven" angedeutet) als ein banales Naturphänomen (dass in der Wüste mal was brennt) zu sehen, das religiös überhöht gedeutet wurde, ist aus dem Bericht ziemlich deutlich: Dass da etwas brennt, verwundert Mose offensichlich nicht. Erst als er merkt, dass da etwas brennt, aber nicht verbrennt, wird er neugierig: "Warum verbrennt denn der Dornbusch nicht?" So einfach ist es also nicht.
b. Es wurde auch von ernsthaften Exegeten behauptet, es habe sich lediglich um einen blühenden Busch gehandelt, der bei Dämmerung so aussehen konnte, als würde er brennen. Ja ne, is klar: Weil ein Mann, der seit Jahren in der Wüste lebt (inzwischen auch ein Kind bekommen hat: Ex 2,22) und sein Vieh weidet, nicht zwischen einem blühenden und einen brennenden Busch unterscheiden kann... war Mose vielleicht stark kurzsichtig?

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