Eine zentrale Textstelle dafür ist ein zugegebenermaßen schwieriger Text aus dem Ersten Brief an die Korinther. Der Text ist in der gegenwärtigen Leseordnung fein säuberlich ausgespart worden. Ob er im alten Messbuch auftaucht, konnte ich noch nicht klären. Es geht um die Anweisungen des Paulus zum Verhalten der Frauen beim Gottesdienst (1Kor 11,1-16). Dieses "eigentliche Thema" lasse ich mal unberücksichtigt und kümmere mich nur um die erklärenden Einschübe.
»3 Ihr sollt aber wissen, dass Christus das Haupt des Mannes ist, der Mann das Haupt der Frau und Gott das Haupt Christi. [...]
7 Der Mann darf sein Haupt nicht verhüllen, weil er Abbild und Abglanz Gottes ist; die Frau aber ist der Abglanz des Mannes.
8 Denn der Mann stammt nicht von der Frau, sondern die Frau vom Mann.
9 Der Mann wurde auch nicht für die Frau geschaffen, sondern die Frau für den Mann.«
Diese Passage kann als hauptverantwortlich dafür gelten, dass in der Geschichte des Christentums die Frau lange Zeit "entwertet" wurde. Aber natürlich nicht nur dort, auch die säkulare Philosophie beherrscht dieses Spielchen; ein prominenter Vertreter ist hier sicherlich Arthur Schopenhauer.
Es ist eine Steile These, die Paulus hier bringt: Der Mann ist Abbild Gottes, die Frau "nur" Abbild des Mannes. Daraus zogen schon die Kirchenväter den Schluss, dass die Frau nicht Abbild Gottes ist (trotz der klaren Aussage in Genesis 1: Gott schuf den Menschen als Mann und Frau nach seinem Bilde). Man sah darin fast so etwas wie einen wesensmäßigen Unterschied zwischen Mann und Frau. Bis ins 20. Jahrhundert wurde so auch hauptsächlich die Unmöglichkeit einer sakramentalen Weihe von Frauen begründet (auf der Grundlage von Thomas).
Ich fühle mich nun genötigt, Paulus wiedermal in Schutz zu nehmen. Ein Versuch. Dass damit nicht alles geklärt sein wird, ist mir klar.
Verse 3 und 7. Steigen wir direkt ein mit der brisantesten Frage, nämlich wer hier Abbild Gottes ist und wer (angeblich) nicht.
Zu sagen, Paulus behaupte, die Frau sei nicht Abbild Gottes, nur der Mann, scheint mir doch sehr oberflächlich und irrwitzig zu sein. Für Paulus ist die Beziehung Gottes zu seiner Schöpfung offenbar hierarchisch und mehrfach gestuft aufgebaut. In "absteigender" Linie wird das mit dem "(Ab)Bild von" oder "(Ab)Glanz von" angezeigt (im Griechischen steht hier doxa, was die Vulgata mit "gloria" wiedergibt), in "aufsteigender" Betrachtung mit "Haupt von" (im Griechischen ist das kephale, Kopf).
Ganz oben Steht für Paulus Gott (der Vater), der, von "unten" besehen, "das Haupt Christi" ist; in absteigender Sicht ist Christus dementsprechend "Bild des unsichtbaren Gottes" (Kol 1,15). Der Sohn, Christus, ist wiederum, so Paulus von "unten" in der aufsteigenden Perspektive, das "Haupt des Mannes" und der Mann dann folglich, von "noch weiter unten" betrachtet, das "Haupt der Frau". Von "oben" her betrachtet gilt dies umgekehrt in der Abfolge der "(Ab)Bilder".
Daraus kann man nun aber keineswegs schließen, dass die Fau nicht Christus zum Haupt hätte oder nicht sein Abbild sei, bloß weil Paulus in der Textkomposition noch je den Mann quasi dazwischengeschaltet hat.
Wollte sich die Frau beschweren: der Mann habe Christus zum Haupt, sie aber "nur" den Mann, oder: sie sei nur Abbild des Mannes und nicht etwas Bild Christi, so wäre das in etwa so, als würde sich der Mann beschweren, dass Gott Vater nur dem Sohn als Haupt gegeben ist, nicht aber ihm. Und als sei folglich er, der Mann, "nur" Abbild Christi, nicht aber auch Abbild Gottes des Vaters. Solch eine Beschwerde wäre aber Nonsens.
Die Lösung ist, dass diese angedeuteten "Stufen" offensichtlich nicht regelmäßig verlaufen. Zwischen Gott und Mensch, Vater/Sohn und Mann/Frau besteht ein Bruch, ein Abgrund geradezu. Zugleich besteht jeweils auf der menschlichen wie auf der göttlichen Seite dieses Abgrundes eine deutliche Verschrenkung der auf den ersten Blick scheinbar so schroff unterschiedenen "Stufen". Denn natürlich hat auch der Mann Gott Vater zum Haupt (wenn auch anders geartet, als Christus) und die Frau hat natürlich auch Christus zum Haupt.
Alle Menschen, Mann und Frau, sind nach der Lehre des Paulus gleichermaßen Abbild Gottes. Gottebenbildlichkeit bedeutet für Paulus immer Christusebenbildlichkeit. So kann Paulus sagen: "Denn die er vorher erkannt hat, die hat er auch vorherbestimmt, dem Bilde seines Sohnes gleichförmig zu sein" (Röm 8,29). Paulus glaubt sicherlich nicht, dass nur Männer von Gott erkannt wurden.
Wie eng diese Verschrenkung der scheinbar getrennten "Stufen" auf der Seite des Menschen sind, sagt Paulus in der selben Textstelle, in Vers 11 auch sehr deutlich: "Doch im Herrn gibt es weder die Frau ohne den Mann noch den Mann ohne die Frau." (1Kor 11,11)
Was die Verse 8 und 9 betrifft, so darf hier gleichfalls keine wesensmäßige Hierarchisierung und damit eine Abwertung der Frau herausgelesen werden, da diese Verse lediglich die Chronologie von Genesis 2 wiedergeben. Schließlich weiß auch ein Paulus, dass alle Menschen, auch die Männer, von Frauen geboren werden, also der Mann durchaus "von der Frau stammt". Und er sagt dies auch ausdrücklich und löst damit diesen kurzen Nachvollzug der Chronologie von Genesis 2 abrupt auf, wenn es in Vers 12 der selben Textstelle heißt: "Denn wie die Frau vom Mann stammt, so kommt der Mann durch die Frau zur Welt; alles aber stammt von Gott." (1Kor 11,12)
"Bild" bzw. "Abglanz des Mannes" (Vers 7) kann übrigens problemlos auch im Lichte dieser Chronologie gedacht werden. Und eben nicht so, als seien Frauen irgendwie weiter von Gott entfernt als Männer...
In Genesis 2 wird erzählt, dass Gott dem Menschen die Tiere zuführt, weil er nicht will, dass der Mensch alleine ist. Aber unter den Tieren findet er kein Gegenüber, nichts, was ihm "entspricht", kein Abbild. Gott schafft also, aus der Seite des Menschen, die Frau: Sie "entspricht" ihm, sie ist sein "Bild", sie ist Mensch wie er: "Das endlich ist Bein von meinem Bein und Fleisch von meinem Fleisch." Der Mann erkennt sich in der Frau als Mensch und vice versa.
Eine Hierarchisierung kann man aus dem zweiten Schöpfungsbericht zwar herauslesen, man muss es aber nicht. Und tatsächlich wurde das in der jüdischen Tradition auch unterschiedlich getan. Paulus greift diesen Bericht auf, ohne damit eine Wertung zu verknüpfen. An anderer Stelle wird jedoch evident, dass Paulus gerade nicht "diskriminiert". Eine solche "Diskriminierung" würde seinem Denken ja auch völlig zuwiderlaufen (wie wir das auch heute in der zweiten Lesung hörten): »Denn ihr seid alle durch den Glauben Gottes Kinder in Christus Jesus. Denn ihr alle, die ihr auf Christus getauft seid, habt Christus angezogen. Es gibt nicht mehr Juden und Griechen, nicht Sklaven und Freie, nicht Mann und Frau; denn ihr alle seid "einer" in Christus Jesus.« (Gal 3,26-28)
Wie ist aber nun diese "Unter-" oder vielleicht besser "Nachordnung" der Frau zu erklären? Was sagt sie aus? Auch das ist weniger dramatisch, als es zunächst scheint.
Paulus erweist sich hier als Kind seiner Zeit und seiner jüdischen Kultur. Und er gerät dadurch keineswegs in Konflikt mit der Botschaft Jesu, dessen "Fraunfreundlichkeit" allzuoft deftig überzeichnet wird. Jesus hat ja keineswegs die bestehenden Geschlechterrollen abgeschafft (wer das anders sieht, möge mir die ensprechende Schriftstelle Zeigen). Jesus war außerordentlich offen und herzlich zu Frauen und gerade auch zu den notleidenden und "Unreinen". Er war gewiss auch von zahlreichen, wir wir heute sagen würden, "emanzipierten" Frauen umgeben, die ihm nachfolgten oder ihn (z.B. finanziell) unterstützen (vgl. Lk 8,1-3). Er hat dadurch so mache Konventionen gebrochen. Aber die damals übliche Stellung der Frau zum Mann zog er nicht in Zweifel. Das kann man beispielsweise andeutungsweise an dem sehen, was ich neulich im Zusammenhang mit der Frage nach der Ehescheidung erwähnte (hier): Eine Frau aus der Ehe zu entlassen heißt, so Jesus, sie dem Ehebruch auszuliefern: "Wer seine Frau aus der Ehe entläßt, liefert sie dem Ehebruch aus." (Mt 5,32) Denn um (etwa finanziell) überleben zu können, muss sie sich einen neuen Mann suchen. Dass die Dinge in der damaligen Gesellschaft derart geordnet sind, kritisiert Jesus nicht.
Dies gesagt, können wir das Urteil des Paulus in dieser Hinsicht nicht plump als "unchristlich" abtun, sondern müssen vielmehr sehen, dass das Christentum in dieser Hinsicht keine Revolution gebracht hat. Jesus war ein Jude unter Juden und Paulus nicht minder: "Ich wurde am achten Tag beschnitten, bin aus dem Volk Israel, vom Stamm Benjamin, ein Hebräer von Hebräern, lebte als Pharisäer nach dem Gesetz" (Phil 3,5). (Wesentliche Merkmale, die den Juden zum Juden machen: 1. Von einer jüdischen Mutter geboren. Check. 2. Unter dem Gesetz erzogen [v.a.: beschnitten]. Check. Paulus war Jude durch und durch. Jesus auch.)
Auf diesem, von seinem jüdischen Herkommen aus besehen selbstverständlichen Standpunkt, breitet nun Paulus in 1Kor 11 seine Ansichten (!) über das Verhalten der Frauen beim Gottesdienst aus. Und er verkündet hier übrigens auch schwerlich ein göttliches Gebot oder dergleichen... es hat eher was mit (jüdischer!) Gewohnheit und "gutem Ton" zu tun, was dadurch offensichtlich wird, dass er in seiner "Argumentation" dazu kommt zu sagen: "Urteilt bei euch selbst, ob es sich ziemt..." (1Kor 11,13). Paulus schließt denn auch seine Erläuterungen ganz locker ab, wenn er schreibt: "Ist aber jemand unter euch, der Lust hat, darüber zu streiten, so soll er wissen, dass wir diese Gewohnheit nicht haben, die Gemeinden Gottes auch nicht" (Vers 16).
Was uns aber die Ausführungen des Paulus mit ihren "Nachordnungen" dennoch lehren können ist dies: Der Gehorsam gegen Gott in Christus gilt absolut: "Alles hat er ihm zu Füßen gelegt und ihn, der als Haupt alles überragt, über die Kirche gesetzt." (Eph 1,22) Und dieser Gehorsam gilt auch im irdischen und alltäglichen Bereich: Da wo uns Gott will, wo er uns hinstellt. Sei es im priesterlichen Amt oder in der Ehe und der Familie. Der Gehorsam gegen Gott MUSS sich im konkreten Gehorsam gegenüber den Menschen äußern, wo wir diesen Menschen, und diese Menschen uns, zur Hilfe, zum Dienst, zur Liebe anvertraut sind. Das betrifft in besonderer Weise die Eheleute - und zwar alle beide! "Der Mann soll seine Pflicht gegenüber der Frau erfüllen und ebenso die Frau gegenüber dem Mann. Nicht die Frau verfügt über ihren Leib, sondern der Mann. Ebenso verfügt nicht der Mann über seinen Leib, sondern die Frau." (1Kor 7,3-4)
Paulus führt das in Eph 5,21-25 breit aus:
»21 Einer ordne sich dem andern unter in der gemeinsamen Ehrfurcht vor Christus.
22 Ihr Frauen, ordnet euch euren Männern unter wie dem Herrn (Christus);
23 denn der Mann ist das Haupt der Frau, wie auch Christus das Haupt der Kirche ist; er hat sie gerettet, denn sie ist sein Leib.
24 Wie aber die Kirche sich Christus unterordnet, sollen sich die Frauen in allem den Männern unterordnen.
25 Ihr Männer, liebt eure Frauen, wie Christus die Kirche geliebt und sich für sie hingegeben hat«.
Der Schlüssel zum Verständnis ist hier der erste Satz: "Einer ordne sich dem andern unter in der gemeinsamen Ehrfurcht vor Christus." Oder, wie Luther und die Elberferlder Bibel es übersetzen: "Ordnet euch einander unter". Paulus geht natürlich von einer Unterordung der Frau unter den Mann aus, wie es in seiner Zeit allgemein üblich war, aber er bringt insofern eine großartige Neuerung, als er eine Reziprozität einführt, die in seiner Umwelt sonst unbekannt ist. Diese Wechselseitigkeit, die letztlich auch den Mann zur "Unterordnung" unter die Frau verpflichtet, ergibt sich aus der Liebe, die alle Glieder des Leibes Christi für einander pflegen müssen: "Bleibt niemand etwas schuldig; nur die Liebe schuldet ihr einander immer. Wer den andern liebt, hat das Gesetz erfüllt." (Röm 13,8)
Dass er diesen Aspekt in jenen Ausführungen über das Verhalten im Gottesdienst nicht benennt, mag schlicht daran liegen, dass dieses Verhältnis von Frau und Mann, wie schon gesgat, nicht Thema seiner Ausführungen ist; ihm geht es dort um das konkrete Geschehen beim Gottesdienst, nicht um den anthropologischen Unterbau. Anders, in der eben angeführten Stelle aus dem Epheserbrief.
Dass dieser schwierige Text nicht (mehr?) in der Perikopenordnung der römischen Messe auftaucht, ist auffällig. Es drückt sich darin aber wohmöglich eine gewisse Scham darüber aus, dass dieser Text jahrhundertelang dazu missbraucht wurde, der Frau regelrecht ihre Gottebenbildlichkeit abzusprechen; von ihrer Unterdrückung durch den Mann ganz zu schweigen.
Im tridentinischen Missale kommt die Passage ebenfalls nicht vor!
AntwortenLöschenBeste Grüße,
Simplicius
Allerdings dient die Eph-Stelle als Perikope in der Brautmesse - aber erst ab Vers 22 (bis 33) ...
AntwortenLöschenI know, und ich find das auch sehr schade, dass Vers 21 rausgelassen wurde.
LöschenVielleicht sollte man aber auch bemerken, dass man sich für die alte Messe nicht vorgenommen hatte, die ganze hl. Schrift durchzuexerzieren...
AntwortenLöschenFür die neue Messe doch auch nicht. ;)
LöschenEs ist aber doch bemerkenswert, dass dieser entscheidende Vers rausgelassen wurde, was dann einem eklatanten Ungleichgewicht Tür und Tor öffnete.
Der Tisch des Wortes sollte reicher gedeckt werden, alle "wichtigen und essenziellen Teile" Eingang in die Liturgie finden. Hier hat man aber zugedeckt ;-) Deshalb meine Kritik der Diskrepanz zwischen Sagen und Tun.
LöschenEin sehr ähnlicher Text (zumindest für die heiklen Passagen mit dem Unterordnen) ist allerdings in der Leseordnung vorgesehen: 3 Kol 12-21
AntwortenLöschenhttp://www.erzabtei-beuron.de/schott/register/weihnachtszeit/schott_anz/index.html?file=weihnachtszeit%2Fheilige_familieC.htm
Leider werden die letzten paar Verse oft unterschlagen (habe schon etliche Lektionare gesehen, wo sie eingeklammert waren).
Die Frage ist allerdings, was man daraus macht, daß Paulus manche Dinge aus seiner Zeit und mit seiner Gesellschaft im Hintergrund geschrieben hat. Man sollte es nicht im Gottesdienst unkommentiert stehen lassen, denn das führt zu Mißverständnissen. Leider habe ich noch nie eine Predigt am Fest der Hl. Familie gehört, wo schlüssig erklärt wurde, was das mit dem Unterordnen uns heutzutage sagen soll. Das Bild "Mann entspricht Christus, Frau entspricht Kirche", daher die Unterordnung, finde ich sehr schwierig, denn ich denke eigentlich, daß Christus hierarchisch gesehen über der Kirche steht, nicht aber der Mann über der Frau - oder habe ich den Text falsch verstanden?
Selbstverständlich sind Mann und Frau nicht gleich, aber gleichwertig, und nur weil es in der Gesellschaft zu Zeiten des Paulus nicht so war, soll es so bleiben? (und ich rede hier nicht von Frauenordination, sondern von Gleichberechtigung in der Ehe!)