»Die Tatsache, dass [die Konstitution Sacrosanctum Concilium über die heilige Liturgie] der erste Text war, der [vom Zweiten Vatikanischen Konzil] veröffentlicht wurde, weist darauf hin, dass es dogmatisch und pastorale Motive von erstrangiger Bedeutung gab. Vor allen anderen Dingen gibt es in der Kirche die Anbetung; und folglich Gott. Dieser Anfang antwortet, so sagt Benedikt XVI., auf das erste und wichtigste Anliegen der Regel des heiligen Benedikt: "Nihil operi Dei praeponatur", "Nichts darf dem Gottesdienst vorgezogen werden". Doch wenn es eine Realität gibt, die allzu oft unbeachtet gelassen wird, dann ist es wohl der konsubstanzielle Bezug zwischen der Liturgie und Gott. Das Fundament der Liturgie muss die Suche nach Gott bleiben. Wir können nur bestürzt sein angesichts der tatsache, dass dieser Wille der Päpste Johannes XXIII. und Paul VI., wie auch der Wille der Konzilsväter, zu oft unter den Teppich gekehrt und, schlimmer noch, verraten wurde ...
[...]
Leider wurde unmittelbar nach dem Konzil die Konstitution über die Liturgie nicht vom grundlegenden Primat der Anbetung her aufgefasst, vom demütigen Niederknien der Kirche vor der größe Gottes her, sondern eher wie ein Rezeptbuch ... Wir haben alle möglichen kreativen Gestalter und Animateure erlebt, die eher nach Finessen suchten, um die Liturgie auf eine anziehende und kommunikativere Weise zu präsentieren, indem sie immer mehr Leute darin einbezogen, dabei jedoch vergaßen, dass die Liturgie für Gott geschaffen ist. Wenn Gott zum großen Abwesenden wird, dann sind alle Abwege möglich - angefangen von den banalsten bis hin zu den abstoßendsten.
Benedikt XVI. hat häufig daran erinnert, dass die Liturgie kein Werk einer persönlichen Kreativität sein könne. Wenn wir die Liturgie für uns selbst machten, entfernt sie sich vom Göttlichen; sie wird zu einem lächerlichen, gewöhnlichen und langweiligen Theaterspiel. Wir enden schließlich bei Liturgien, die Operetten oder einem sonntäglichen Fest ähneln, bei dem man sich nach einer arbeits- und sorgenreichen Woche vergnügt und gemeinsam heiterer Stimmung ist. Folglich kehren die Gläubigen nach der Eucharistiefeier wieder nach Hause zurück, ohne Gott persönlich begegnet zu sein und ihm auch nicht im Innersten ihres Herzens gehört zu haben. Es fehlt dieses kontemplative und stille Zwiegespräch mit Gott, das uns verwandelt und das uns die Energien wiedergibt, die dafür sorgen, ihn einer gegenüber spirituellen Fragen zunehmend gleichgültger gewordenen Welt zu offenbaren. Das Herzstück des eucharistischen Mysteriums ist die Feier vom Leiden, vom tragischen Tod Christi und seiner Auferstehung; wenn dieses Mysterium in langen rauschenden und überladenen Zeremonien ertränkt wird, ist das Schlimmste zu befürchten. Manche Messen sind dermaßen unruhig, dass sie sich nicht von einer Kirmes unterscheiden. Wir müssen wiederentdecken, dass das Wesen der Liturgie für immer durch das Bemühen der kindlichen Suche nach Gott geprägt sein wird.«
(Robert Kardinal Sarah, Präfekt der Kongregation für den Gottesdienst und die Sakramentenordnung, in dem biographischen Interviewband "Gott oder nichts")
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