»Die Kirche, der [der geweihte Amtsträger] dient, ist in ihrer Gesamtheit wie in jedem ihrer Glieder vom Geist beseelt und bewegt, da jeder Getaufte „vom Geist belehrt“ ist (1 Thess 4,9; vgl. Hebr 8,11ff.; Jer 31,33ff.: 1 Joh 2,20; Joh 6,45). Der priesterliche Dienst kann ihm somit nur mit Autorität in Erinnerung rufen, was anfangshaft schon in seinem Taufglauben eingeschlossen war, dessen Fülle er aber hienieden niemals ausschöpfen kann. Entsprechend muss der Gläubige seinen eigenen Glauben und sein eigenes christliches Leben durch die sakramentale Vermittlung des göttlichen Lebens nähren. Die Norm des Glaubens – die wir in ihrem formalen Charakter als regula fidei bezeichnen – ist ihm durch das Wirken des Geistes immanent und bleibt ihm im Bezug zum Menschen dennoch transzendent, denn sie kann niemals rein individuell sein, sondern ist wesenhaft kirchlich und katholisch.
In der Glaubensregel ist die Unmittelbarkeit des göttlichen Pneuma zu jeder Person notwendig mit der gemeinschaftlichen Form dieses Glaubens verbunden. Die Aussage des Paulus: „Keiner kann sagen ‚Jesus ist der Herr‘, außer im Heiligen Geist“ (1 Kor 12,3), bleibt immer gültig; ohne die Bekehrung, die allein der Geist den Herzen gewährt, kann niemand Jesus in seiner Qualität als Sohn Gottes erkennen, und nur wer ihn als Sohn erkennt, wird wahrhaft den erkennen, den er „Vater“ nennt (Joh 14,7; 8,19 usw.). Weil uns also der Geist die Erkenntnis des Vaters durch Jesus mitteilt, ist der christliche Glaube trinitarisch: seine pneumatische Form schließt diesen Inhalt notwendig in sich, der sich in der trinitarischen Taufe sakramental ausdrückt und verwirklicht.
Die Glaubensregel, das heißt die Form der Taufkatechese, in der sich der trinitarische Inhalt entfaltet, bildet in ihrer Einheit von Form und Inhalt den bleibenden Angelpunkt der Apostolizität und der Katholizität der Kirche. Sie verwirklicht die Apostolizität, weil sie die ersten Boten des Glaubens an die christologisch-pneumatologische Regel bindet; sie sprechen nicht in ihrem eigenen Namen, sondern bezeugen, was sie gehört haben (Joh 7,18; 16,13 usf.).
Jesus Christus erweist sich als der Sohn, insofern er verkündet, was vom Vater kommt. Der Geist erweist sich als der Geist des Vaters und des Sohnes, weil er nicht aus dem Eigenen schöpft, sondern sie offenbart und in Erinnerung ruft, was vom Sohn kommt (Joh 16,13f.). Dies wird im Weiterwirken des Sohnes und seines Geistes zum unterscheidenden Merkmal der apostolischen Sukzession. Das kirchliche Lehramt unterscheidet sich sowohl von einem bloßen Lehramt von Doktoren wie von einer autoritären Macht. Wo das Lehramt des Glaubens an die Professoren überginge, wäre der Glaube an die intellektuelle Einsicht von Individuen gebunden und damit zu einem großen Teil dem Zeitgeist ausgeliefert. Und wo der Glaube von der despotischen Macht gewisser Einzel- oder Kollektivpersonen abhinge, die von sich her dekretierten, was normativ ist, wäre die Wahrheit durch eine Willkürmacht ersetzt. Das wahre apostolische Lehramt dagegen ist an das Wort des Herrn gebunden und führt dadurch alle, die es hören, in die Freiheit
Nichts in der Kirche entgeht der apostolischen Vermittlung: weder die Hirten noch ihre Herde, weder die Glaubensaussagen noch die Vorschriften christlichen Lebens. Das ordinierte Dienstamt ist sogar doppelt auf diese Vermittlung bezogen, da es selbst einerseits der Regel der christlichen Ursprünge unterworfen ist, und andererseits – nach einem Wort des Augustinus – gehalten ist, sich durch die Gemeinschaft der Gläubigen belehren zu lassen, die es selber zu belehren verpflichtet ist.«
(aus: Internationale Theologische Kommission, Der apostolische Charakter der Kirche und die Apostolische Sukzession, 1973; hier nachzulesen.)
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