Wir alle stehen in der Gefahr, uns an vielen Stellen nur noch mit den politischen "Implikationen", vermeintliche hintergründigen "Intentionen" und oberflächlischen "Wirkungen" zu beschäftigen, ohne den wirklichen Sinn etwa eines Jubeljahres der Barmherzigkeit zu erkennen und das eigentliche Ziel allen kirchlichen Tuns zu beachten: Das ewige Heil der Seelen.
Papst Franziskus sagt beispielsweise - so auch vor wenigen Tagen wieder zu den Priestern (hier) -: "Bitte seid große Vergeber" und er meint damit ausdrücklich das Wirken des Priesters im Beichtstuhl. Es geht hier also nicht um ein billiges "Vergeben" mit dem Slogan "Ist schon gut. Weitermachen!", gar um das Gutheißen irgendwelcher Handlungen, sondern um das Treten vor das ehrfurchtgebietende Antzlitz Gottes, des Arztes unserer Seelen und des Richters über Heil und Unheil, um ihn "mit zerknirschtem Herzen und reumütigem Sinn" um Verzeihung für die von uns begangenen Sünden zu bitten (die pastorale Einführung für die Feier der Buße hält denn auch völlig zu Recht daran fest, den Beichtvater als Arzt und als Richter zu identifizieren).
Nicht wenige Zeitgenossen, auch innerhalb der Kirche, wollen hier aber heraushören, der Papst würde die Schwere der Sünde herunterspielen oder sie gar gutheißen. Ich erlebe solche Deutungen von Franziskus' immer wiederkehrenden Rufen zur Versöhnung sogar unter Theologiestudenten. Dabei ist das Gegenteil wahr.
Das wurde mir kürzlich wieder besonders krass vor Augen geführt, als ein Kommentator auf diesem Blog auf die Erleichterung des Zugangs zum Sakrament der Beichte (zum Zwecke des Erwerbs des Jubiläumsablasses) im Falle der Beteiligung an einer Abtereibung während des außerordentlichen Heiligen Jahres der Barmherzigkeit durch Papst Franziskus, mit der "Deutung" reagierte, der Papst wolle hier "Signale" senden, gar noch solche "gegen militante Lebensschützer". (Man lese hier im Kommentarbereich, gleich der erste Kommentar.)
Aus meiner letzten Antwort auf diese Thesen des Kommentators:
»Es ist sehr bedauerlich, dass deine Perspektive so eisern horizontal ist. Du siehst scheinbar ausschließlich die "politische Botschaft", die der Papst angeblich senden will, übersiehst aber völlig das große Ganze, das eigentlich direkt vor Augen ist (den Wald vor lauter Bäumen...): Dass es bei diesen Äußerungen des Papstes einzig um die Versöhnung der verwundeten Seele mit Gott im Sakrament der Beichte geht.
Es geht somit um nichts weniger als um den wahren Kern des christlichen Glaubens: "Denn Gott war in Christus und versöhnte die Welt mit sich selber und rechnete ihnen ihre Sünden nicht zu und hat unter uns aufgerichtet das Wort von der Versöhnung." (2Kor 5,19)
Franziskus hat es in seinem Pontifikat immer unermüdlich gepredigt und ist immer, das "Protokoll" brechend, mit gutem Beispiel voran gegangen: Lasst euch versöhnen in der Beichte! Ich erinnere mich noch an die Bilder, wie ihn sein Zeremoniar den Beistuhl zeigt, den er besetzen soll, und Franziskus lässt ihn links liegen, läuft einfach geradeaus weiter, am Kameramann vorbei, auf die andere Seite des Ganges und geht selber erstmal beichten.
Ich habe das Gefühl, als sei dir diese ganze sakramentale Dimension der Versöhnung, die unzweifelhaft im Zentrum der Verkündigung dieses Papstes steht, völlig egal... es geht dir nur um die Politik, um das "Senden" von "Botschaften". Deine Ausführungen könnten 1 zu 1 von irgendeinem Reporter stammen, der überhaupt keinen Bezug zum Glauben der Kirche hat, und der, so völlig "außen" stehend, versucht, die "Signale" zu deuten, die "das Oberhaupt der katholishen Kirche" an die Welt "sendet". Wo er doch in Wahrheit nur die Katholiken(!) zum Empfang des Bußsakramentes ermutigen will.«
Wie konnte es dazu kommen? Wie konnte es dazu kommen, dass Menschen, auch Katholiken, den Ruf zur Versöhnung (der immer ein Weg der Umkehr und der Lebensänderung ist) mit einer Verharmlosung der Schuld oder gar, wie es in den Medien ablesbar ist und wie ich es auch in Gesprächen erlebt habe, einem Freibrief zur Sünde verwechseln? Den Fehlschluss könnte man vielleicht so formulieren: "Wenn es mir vergeben werden kann, dann darf ich es also guten Gewissens tun" (wobei das mit dem Sakrament der Beichte dabei allerdings ausgeblendet wird). Irgendetwas ist ganz gehörig kaputt im moralischen und geistlichen Empfinden auch vieler Katholiken. (Vgl. meinen Beritrag über das moralische "Be-Urteilen".)
Wenn das ewige Heil der Seelen aus dem Blick gerät und nurmehr politische Botschaften und die möglichst vorteilhafte Positionierung innerhalb aktueller gesellschaftlicher Debatten von Belang sind, die nur das (vorgebliche) irdische Glück der Menschen betreffen (das erlebe ich leider auch immer häufiger bei nicht wenigen deutschen Bischöfen); wenn die Warnung vor der Sünde als Diskriminierung und zugleich der Ruf zur Versöhnung (der immer auch eine Warnung vor der Sünde beinhaltet!) als Duldung oder gar Anerkennung von Sünde missverstanden wird; wenn der Ruf "geht zur Beichte!" als ein "ach, regt euch nicht auf, so schlimm ist das doch nicht" aufgefasst wird - dann leben wir ganz sicher nicht in einer Welt, in der sich der Wille Gottes im Handeln der Menschen zeigt. Dann ist diese Welt, und die Akteure in ihr, weit, weit Weg von den Wegen Gottes.
[Kategorien wie "irdisches Glück" und "Zufriedenheit", sind denn auch der Maßstab, nach dem immer mehr Katholiken die Kirche beurteilen und wie nicht wenige Bischöfe sie sehen wollen, weswegen sie dann Marketing-Strategen zu Rate ziehen, die auf der Grundlage entsprechender Zufriedenheitsstudien "Verbesserungen" herbeiführen sollen... Wenn die Kirche zur NGO wird.]
Die traurige Ironie bei alledem ist, dass wir es hier mit exakt der gleichen Situation zutun haben, mit der auch Jesus Christus konfrontiert war (nichts Neues unter der Sonne...): Auch seine ständigen Rufe zu Umkehr und Versöhnung mit Gott wollte die Mehrheit seiner Zuhörer nur in Kategorien "politischer Botschaften" und "Signale" verstehen, weswegen sie ihn, als er diesen gesellschaftlich-politischen Erwartungen nicht gerecht wurde (Israel von der römischen Besatzung zu befreien), loswerden wollten. Der Ruf zur Umkehr war für die Menschen damals so unerträglich wie er es für uns Heutige auch ist. Da tut es gut, solche Rufe nur in gesellschaftspolitischen Kategorien aufzufassen... das ist einfach, weil es dann nur um Meinungen, Standpunkte und Debatten geht. Mit mir und meiner Lebensweise hat das dann im Grunde nichts zutun, also muss ich da auch nichts ändern, geschweigedenn, zur Beichte gehen. Die Horizontalität schützt vor einer Infragestellung der eigenen Bequemlichkeit. Den wenigen Hirten, die unbeirrt weiter zur Umkehr rufen, der prominenteste unter ihnen ist derzeit Papst Franziskus, wird es am Ende wohl nicht anders ergehen, als es Jesus erging. Wenn dann der Papst, wie zu erwarten ist, nicht die hohen Erwartungen der "Welt" (!) an ihn erfüllt, werden sie ihn medial kreuzigen, wartets nur ab!
Man muss sich nur mal die Berichte über die Synode auch in katholischen Medien ansehen: Es wird dort nicht nach dem Willen Gottes gefragt, sondern nach den Erwartungen der Menschen. Unentwegt begegnen einem Stimmen, die irgendetwas "von der Kirche" fordern, überall werden "Erwartungen an die Synode" formuliert. Immer geht es um ein fast schon störrisches "Ich will!". Nur äußerst selten wagt es jemand, die Frage in den Raum zu werfen "Was will eigentlich Gott?". Denn Gott ist nurnoch der Alibigeber, der uns ja "Freiheit" und ein "Gewissen" gegeben habe und der deswegen alles toll zu finden hat, was wir "frei" und "gewissenhaft" tun wollen. Aber das ist ein Hirngespinst, weil so eine Einstellung in der ganzen Heilsgeschichte kein Vorbild hat: Nie war das, was die Menschen in der Mehrheit wollten identisch mit dem Willen Gottes. Deswegen bedurfte es immer der Rufe zur Umkehr zu Gott, von denen die Bibel voll ist.
Es ist eine grenzenlose Arroganz (war es zu allen Zeiten), dass wir meinen, es nicht mehr nötig zu haben umzukehren - ausgerechnet heute, da wir merken, dass wir noch nie in der Geschichte den Menschen so effizient töten und ausbeuten konnten, wie es heute getan ist, sei es im Krieg oder im Mutterleib. Wir leben wahrlich in einer "Kultur des Todes", und der Ruf danach, die vorfindliche "Lebenswirklichkeit" als Maßstab für die Wahrheit zu nehmen, ist einfach nur ekelerregend zynisch.
Es ist traurig, weil die, die nach "Änderungen in der Kirche" rufen, die ihren Wünschen entsprechen, nichts mehr von Gott erwarten. Sie erwarten alles vom Menschen, vom irdischen Leben, wollen hier alles Glück und alle Freiheit. Der Leser möge es selbst mal testen: Alles, was derzeit öffentlich an "Forderungen" gebracht wird, funktioniert auch ganz ohne Gott. Man kann "Gott" herausnehmen, ohne jedwede inhaltliche Beeinträchtigung. Die ganzen Reformpläne, Aufrufe, Arbeitspapiere und Beschlüsse haben Gott nur noch marginal, als Alibi drin (wenn überhaupt), nie als entscheidenden Faktor, gar als bestimmendes Merkmal, als Ursprung oder als Ziel des Handelns. Ob nun Ungehorsmsaufrufe, Dialogprozesse oder dergleichen mehr, sie alle zeichnen sich durch einen intrinsischen Atheismus aus.
Die wahren "Reformen", zumal die Reformgestalten in der Kirchengeschichte, erkannte man immer an ihrer Heiligkeit und ihrer unbedingten Ausrichtung auf Gott und seine Wahrheit. Immer auch im Dienst am Menschen, ja, aber seiner von Gott geschenkten Berufung gemäß, nicht seinen eigenen Wünschen!
»So sind wir nun Botschafter an Christi statt, denn Gott ermahnt durch uns; so bitten wir nun an Christi statt: Lasst euch versöhnen mit Gott!« (2Kor 5,20)
Mir scheint der ganze Trubel, als schauten wir in ein dunkles Dickicht, auf bedeutungslose Baumstümpfe, und als seien wir unfähig, nach oben zu blicken und den Wald zu erkennen, das Licht zu sehen und die Verheißung, die an uns erging: "Nun ist das Heil und die Kraft und das Reich unseres Gottes geworden und die Macht seines Christus!" (Offb 12,10)
Chapeau!
AntwortenLöschenUnd danke auch für viele andere Beiträge hier.