Dienstag, 29. September 2015

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Heiliger Erzengel Gabriel,
du starker Held Gottes,
steh mir in meiner Bedrängnis bei,
wie du einst in den Kampf zogst
gegen die Bedränger Israels.

Wie du dem Propheten Daniel
den Willen Gottes offenbart hast,
und die Zeichen zu deuten halfst,
so hilf jetzt auch mir,
dass ich die Zeichen erkenne
und den Willen Gottes tue,
auf dass ich Ihm gefalle.

Wie du die Geburt des Vorläufers
dem Zacharias verkündet,
und der heiligsten Jungfrau Maria
die Menschwerdung unseres Herrn
Jesus Christus
kundgetan hast,
so erleuchte auch mich,
dass ich immer mehr
zu dem Menschen werde,
den Gott in mir erdacht hat
und den Er jetzt schon in mir liebt.

Amen.

bzgl. Frauenpriestertum

Papst Franziskus wurde auf seinem Rückflug aus den USA nach dem Weiheamt für Frauen gefragt und sagte mit Berufung auf Johannes Paul II. in aller Deutlichkeit "Nein". Oh Wunder. Man reibt sich in den Medien die Augen. Der Papst vertritt eine katholische Position. Dazu ein längeres Zitat - es sind die einleitenden zwei Seiten eines kleinen netten Buches zu diesem Thema:


»"Deinen Vorschriften neige mein Herz zu, doch nicht der Habgier!", so ruft der Beter von Ps. 119 (36). Es mag absurd erscheinen, mit seinen Worten eine Brücke schlagen zu wollen zu unserem Thema "Priestertum der Frau". Und doch gibt dieser Vers, wie mir scheint, erste Denkanstöße. Ja, er regt an zu einigen provokativen Fragen.
Deinen Vorschriften neige mein Herz zu. "Vorschriften?" Schon bei dem Wort sehen viele heute 'rot'. Vorschriften: das klingt nach Unterdrückung! Unser Schlachtruf in Welt und Kirche heißt "Befreiung!" Wer gar noch von "Vorschriften Gottes" zu reden wagt, der gehört ins vorige Jahrhundert. Der ist konservativ, traditionalistisch, vorkonziliar, von gestern, erledigt! Und wer hat heute noch den Mut, ein derart miserables Image auf sich sitzen zu lassen? Der Hinweis auf Vorschriften Gottes ist zudem (um gleich 'in medias res' zu springen) von fortschrittlichen Theologinnen und Theologen längst entlarvt worden als Feigenblatt einer patriarchalisch strukturierten Kirche, deren Priester zwar viel von gesellschaftlicher, wirtschaftlicher und politischer Gleichberechtigung der Frau reden, sie aber weit von sich weisen, wenn es um die innerkirchliche berufliche Gleichberechtigung geht.
Abgesehen davon: Wo steht denn eigentlich geschrieben, daß Frauen nicht Priesterinnen werden dürfen? Und gibt es überhaupt "Vorschriften Gottes", also so etwas wie eine ewig gültige Ordnung? Besteht nicht alle Ordnung unter Menschen, also auch in der Kirche, aus soziologisch-kulturell bedingten Übereinkünften, die sich je nach den Verhältnissen wandeln? Was aber hat sich tiefgreifender gewandelt als Bild und Stellung der Frau? Das Gerede von der "Ewigen Frau" ist doch bloßer "Mythos", einer Dichterin wie G. V. Le Fort allenfalls zuzugestehen, für das konkrete Leben auf Erden, für die Realität jedoch unbrauchbar!
"Deinen Vorschriften neige mein Herz zu..." Wie denn das? Vorschriften akzeptiert man mit dem Verstand, allenfalls zähneknirchend. Aber eine Bejahung von Vorschriften, und seien es Vorschriften Gottes, mit dem Herzen - das dürfte doch wohl zu weit gehen! Das ist Romantik, unbrauchbar fürs Leben! 
"Deinen Vorschriften neige mein Herz zu, doch nicht der Habgier!" Gewiß zielt Habgier zuerst auf materiellen Besitz. Doch gibt es dieses Laster auch im Blick auf andere Güter, die man nicht hat, aber haben will: Ämter, berufliche Stellung, Macht, Ruhm u.a.m. 'Haben-wollen' um jeden Preis unter Verneinung jeder Grenze! Darum der Ruf nach Egalität, nach Gleichheit für alle. Wenn sie erreicht ist, dann, so meinten schon die Väter der französischen Revolution und die des Kommunismus erst recht, - gibt es das von Menschen gemachte Weltfriedensreich auf Erden.«

(Barbara Albrecht, Vom Dienst der Frau in der Kirche, 1980)


Wenn ich die Zeit finde, werde ich demnächst mal eine detailliertere Auseinandersetzung zu dem Thema schreiben. Obwohl im Grunde die Lage klar ist, denn biblisch, kirchen-, kirchenrechts- und dogmengeschichtlich können sich die Befürworter nur auf Fiktionen und Fälschungen berufen.

Sonntag, 27. September 2015

Wenn die Propheten einbrächen

Wenn die Propheten einbrächen
durch Türen der Nacht,
den Tierkreis der Dämonengötter
wie einen schauerlichen Blumenkranz
ums Haupt gewunden -
die Geheimnisse der stürzenden und sich hebenden
Himmel mit den Schultern wiegend -

für die längst vom Schauer Fortgezogenen -

Wenn die Propheten einbrächen
durch Türen der Nacht,
die Sternenstraßen gezogen in ihren Handflächen
golden aufleuchten lassend -

für die längst im Schlaf Versunkenen -

Wenn die Propheten einbrächen
durch Türen der Nacht
mit ihren Worten Wunden reißend
in die Felder der Gewohnheit,
ein weit Entlegenes hereinholend
für den Tagelöhner

der längst nicht mehr wartet am Abend -

Wenn die Propheten einbrächen
durch Türen der Nacht
und ein Ohr wie eine Heimat suchten -

Ohr der Menschheit
du nesselverwachsenes,
würdest du hören?
Wenn die Stimme der Propheten
auf dem Flötengebein der ermordeten Kinder
blasen würde,
die vom Märtyrerschrei verbrannten Lüfte
ausatmete -
wenn sie eine Brücke aus verendeten Greisenseufzern

baute -

Ohr der Menschheit
du mit dem kleinen Lauschen beschäftigtes,
würdest du hören?

Wenn die Propheten
mit den Sturmschwingen der Ewigkeit hineinführen
wenn sie aufbrächen deinen Gehörgang mit den Worten:
Wer von euch will Krieg führen gegen ein Geheimnis
wer will den Sterntod erfinden?

Wenn die Propheten aufständen
in der Nacht der Menschheit
wie Liebende, die das Herz des Geliebten suchen,
Nacht der Menschheit
würdest du ein Herz zu vergeben haben?


(Nelly Sachs)

Donnerstag, 24. September 2015

... apostolische Kirche

»Die Kirche, der [der geweihte Amtsträger] dient, ist in ihrer Gesamtheit wie in jedem ihrer Glieder vom Geist beseelt und bewegt, da jeder Getaufte „vom Geist belehrt“ ist (1 Thess 4,9; vgl. Hebr 8,11ff.; Jer 31,33ff.: 1 Joh 2,20; Joh 6,45). Der priesterliche Dienst kann ihm somit nur mit Autorität in Erinnerung rufen, was anfangshaft schon in seinem Taufglauben eingeschlossen war, dessen Fülle er aber hienieden niemals ausschöpfen kann. Entsprechend muss der Gläubige seinen eigenen Glauben und sein eigenes christliches Leben durch die sakramentale Vermittlung des göttlichen Lebens nähren. Die Norm des Glaubens – die wir in ihrem formalen Charakter als regula fidei bezeichnen – ist ihm durch das Wirken des Geistes immanent und bleibt ihm im Bezug zum Menschen dennoch transzendent, denn sie kann niemals rein individuell sein, sondern ist wesenhaft kirchlich und katholisch.
In der Glaubensregel ist die Unmittelbarkeit des göttlichen Pneuma zu jeder Person notwendig mit der gemeinschaftlichen Form dieses Glaubens verbunden. Die Aussage des Paulus: „Keiner kann sagen ‚Jesus ist der Herr‘, außer im Heiligen Geist“ (1 Kor 12,3), bleibt immer gültig; ohne die Bekehrung, die allein der Geist den Herzen gewährt, kann niemand Jesus in seiner Qualität als Sohn Gottes erkennen, und nur wer ihn als Sohn erkennt, wird wahrhaft den erkennen, den er „Vater“ nennt (Joh 14,7; 8,19 usw.). Weil uns also der Geist die Erkenntnis des Vaters durch Jesus mitteilt, ist der christliche Glaube trinitarisch: seine pneumatische Form schließt diesen Inhalt notwendig in sich, der sich in der trinitarischen Taufe sakramental ausdrückt und verwirklicht.
Die Glaubensregel, das heißt die Form der Taufkatechese, in der sich der trinitarische Inhalt entfaltet, bildet in ihrer Einheit von Form und Inhalt den bleibenden Angelpunkt der Apostolizität und der Katholizität der Kirche. Sie verwirklicht die Apostolizität, weil sie die ersten Boten des Glaubens an die christologisch-pneumatologische Regel bindet; sie sprechen nicht in ihrem eigenen Namen, sondern bezeugen, was sie gehört haben (Joh 7,18; 16,13 usf.).
Jesus Christus erweist sich als der Sohn, insofern er verkündet, was vom Vater kommt. Der Geist erweist sich als der Geist des Vaters und des Sohnes, weil er nicht aus dem Eigenen schöpft, sondern sie offenbart und in Erinnerung ruft, was vom Sohn kommt (Joh 16,13f.). Dies wird im Weiterwirken des Sohnes und seines Geistes zum unterscheidenden Merkmal der apostolischen Sukzession. Das kirchliche Lehramt unterscheidet sich sowohl von einem bloßen Lehramt von Doktoren wie von einer autoritären Macht. Wo das Lehramt des Glaubens an die Professoren überginge, wäre der Glaube an die intellektuelle Einsicht von Individuen gebunden und damit zu einem großen Teil dem Zeitgeist ausgeliefert. Und wo der Glaube von der despotischen Macht gewisser Einzel- oder Kollektivpersonen abhinge, die von sich her dekretierten, was normativ ist, wäre die Wahrheit durch eine Willkürmacht ersetzt. Das wahre apostolische Lehramt dagegen ist an das Wort des Herrn gebunden und führt dadurch alle, die es hören, in die Freiheit
Nichts in der Kirche entgeht der apostolischen Vermittlung: weder die Hirten noch ihre Herde, weder die Glaubensaussagen noch die Vorschriften christlichen Lebens. Das ordinierte Dienstamt ist sogar doppelt auf diese Vermittlung bezogen, da es selbst einerseits der Regel der christlichen Ursprünge unterworfen ist, und andererseits – nach einem Wort des Augustinus – gehalten ist, sich durch die Gemeinschaft der Gläubigen belehren zu lassen, die es selber zu belehren verpflichtet ist.«

(aus: Internationale Theologische Kommission, Der apostolische Charakter der Kirche und die Apostolische Sukzession, 1973; hier nachzulesen.)

Dienstag, 22. September 2015

Liturgie ist Anbetung

»Die Tatsache, dass [die Konstitution Sacrosanctum Concilium über die heilige Liturgie] der erste Text war, der [vom Zweiten Vatikanischen Konzil] veröffentlicht wurde, weist darauf hin, dass es dogmatisch und pastorale Motive von erstrangiger Bedeutung gab. Vor allen anderen Dingen gibt es in der Kirche die Anbetung; und folglich Gott. Dieser Anfang antwortet, so sagt Benedikt XVI., auf das erste und wichtigste Anliegen der Regel des heiligen Benedikt: "Nihil operi Dei praeponatur", "Nichts darf dem Gottesdienst vorgezogen werden". Doch wenn es eine Realität gibt, die allzu oft unbeachtet gelassen wird, dann ist es wohl der konsubstanzielle Bezug zwischen der Liturgie und Gott. Das Fundament der Liturgie muss die Suche nach Gott bleiben. Wir können nur bestürzt sein angesichts der tatsache, dass dieser Wille der Päpste Johannes XXIII. und Paul VI., wie auch der Wille der Konzilsväter, zu oft unter den Teppich gekehrt und, schlimmer noch, verraten wurde ...
[...]
Leider wurde unmittelbar nach dem Konzil die Konstitution über die Liturgie nicht vom grundlegenden Primat der Anbetung her aufgefasst, vom demütigen Niederknien der Kirche vor der größe Gottes her, sondern eher wie ein Rezeptbuch ... Wir haben alle möglichen kreativen Gestalter und Animateure erlebt, die eher nach Finessen suchten, um die Liturgie auf eine anziehende und kommunikativere Weise zu präsentieren, indem sie immer mehr Leute darin einbezogen, dabei jedoch vergaßen, dass die Liturgie für Gott geschaffen ist. Wenn Gott zum großen Abwesenden wird, dann sind alle Abwege möglich - angefangen von den banalsten bis hin zu den abstoßendsten.
Benedikt XVI. hat häufig daran erinnert, dass die Liturgie kein Werk einer persönlichen Kreativität sein könne. Wenn wir die Liturgie für uns selbst machten, entfernt sie sich vom Göttlichen; sie wird zu einem lächerlichen, gewöhnlichen und langweiligen Theaterspiel. Wir enden schließlich bei Liturgien, die Operetten oder einem sonntäglichen Fest ähneln, bei dem man sich nach einer arbeits- und sorgenreichen Woche vergnügt und gemeinsam heiterer Stimmung ist. Folglich kehren die Gläubigen nach der Eucharistiefeier wieder nach Hause zurück, ohne Gott persönlich begegnet zu sein und ihm auch nicht im Innersten ihres Herzens gehört zu haben. Es fehlt dieses kontemplative und stille Zwiegespräch mit Gott, das uns verwandelt und das uns die Energien wiedergibt, die dafür sorgen, ihn einer gegenüber spirituellen Fragen zunehmend gleichgültger gewordenen Welt zu offenbaren. Das Herzstück des eucharistischen Mysteriums ist die Feier vom Leiden, vom tragischen Tod Christi und seiner Auferstehung; wenn dieses Mysterium in langen rauschenden und überladenen Zeremonien ertränkt wird, ist das Schlimmste zu befürchten. Manche Messen sind dermaßen unruhig, dass sie sich nicht von einer Kirmes unterscheiden. Wir müssen wiederentdecken, dass das Wesen der Liturgie für immer durch das Bemühen der kindlichen Suche nach Gott geprägt sein wird.«

(Robert Kardinal Sarah, Präfekt der Kongregation für den Gottesdienst und die Sakramentenordnung, in dem biographischen Interviewband "Gott oder nichts")

Sonntag, 20. September 2015

Gebet von Sünde und Gewissen

Herr Jesus Christus, Du bist verborgen im Sakrament Deines Todes, durch den Du die Sünden der Welt gebüßt und uns den Frieden des Herzens gebracht hast. Ich knie vor Dir nieder und bete Dich an. Die alten Christen haben Dich in diesem Sakrament genannt: Arznei der Unsterblichkeit, Gegengift gegen das Sterbenmüssen. So oft schon habe ich Dich als das Brot des Lebens in mich aufgenommen, und man hat mir dabei gesagt: Der Leib Unseres Herrn Jesus Christus bewahre Deine Seele zum ewigen Leben. Siehe, da bin ich nun vor Dir und ich bin ein Sünder. Ein noch leiblich lebender Mensch, in dessen innerste Gewissensmitte schon einmal, ja vielleicht schon oft, der ewige Tod eingebrochen ist. Auch dann, wenn Du mich, der ich innerlich tot war, wieder lebendig gemacht hast durch das unbegreifliche Sakrament Deiner Versöhnung, auch wenn die heilige Gnade wieder in mir lebt, muß ich es täglich erfahren: Noch steht der seeliche Tod vor der Tür meines Herzens. Noch lebe ich in meinem zur Sünde hingierenden Fleisch. Noch dräut jener Feind, dessen Werke aufzulösen Du zu uns gekommen bist im Advent deiner Menschwerdung, den Du hinausgeworfen hast in der ohnmacht Deines Kreuzestodes. Noch ist das Geheimnis der Bosheit am Wirken. Ich spüre es in den Versuchungen meines Leibes, in den Zweifeln meines Geistes. O heilbringende Opfergabe, noch dräut der Krieg des Feindes. Ich habe den Kampf gegen Fleisch und Blut, gegen Welt und Satan noch nicht endgültig bestanden. Noch ist für mich Niederlage möglich, Seelentod, ewige Hölle.
Aber ich weiß es im Glauben, ich bekenne es vor dem Sakrament Deines Blutes: Du hast mich erlöst. Du hast meinem Herzen Deine Liebe wiedergeschenkt im Blut Deines durchbohrten Menschenherzens. Du hast die tödliche sieche Menschheit angehaucht und ihr Menschen gesandt, zu denen Du sprachst: "Empfanget den Heiligen Geist. Wem ihr die Sünden nachlasst, dem sind sie nachgelassen" (Joh. 20,22). Seitdem ist es wahr geworden: "Du sendest Deinen Geist und alles wird neu, und Du wirst umgestalten das Antlitz der Erde" (Ps. 103,30). 
Bilde darum auch das Antlitz meines Herzens um. Gib mir den christlichen Geist der lauteren und schönen Gewissensklarheit. Gib mir die von Deiner Gnade geschenkte und von Deinem Gesetz gelenkte Freiheit des Christenmenschen. Gib mir Deine eigene Ehrfurcht vor der Majestät des Gewissens in mir und in den anderen. Laß mich in den Entscheidungen meines Herzens nie das Wort Gottes überhören, Dein Wort, Du im Sakrament so stummes und unüberhörbares Wort Gottes.
Laß mich Deinen Willen erkennen, Deinen Willen für mich, Deinen Willen gerade jetzt und hier in diesem Augenblick meines Lebens. Ich weiß, Herr, daß ich immer wieder Deinen Willen umzubiegen suche nach meiner Laune. Mein Herz kennt die tausend Kunststücke der Dialektik des sündiogen Menschen, solange mit meinem Gewissen zu handeln und zu feilschen, bis es nachgibt und nur noch das befiehlt, was ich will und gerne tue. Von den vorentschiedenen Leitbildern meines Lebens befreie mich. Erleuchte mich. Gib mir den Mut, mit unerwarteten Forderungen von Dir zu rechnen, den Mut, mir von Dir etwas zutrauen zu lassen, wozu meine Kräfte nicht auszureichen scheinen, den Mut, an Deine Kraft in meiner Schwachheit zu glauben und nach Deinem Willen zu fragen. Gib mir die Nüchternheit des wahren und ehrlichen Knechtes, der weiß, daß in Deinem Dienst eine kleine Tat mehr wiegt, als ein großes Gefühl und tausend hochgemute Vorsätze. Du kannst über mich verfügen, wie es dir gefällt, o Herr. Du kannst die Wunder Deiner überströmenden Gnade auch in der mittelmäßigen Gewöhnlichkeit des Lebens von jedermann bergen, Deinen Schatz in irdenen Gefäßen. Aber laß diese Wahrheit mir nicht zum Vorwand werden, hinter dem mein Herz seine Feigheit, Trägheit und Mittelmäßigkeit versteckt. Solches ist nie Dein Wille. Zeige mir Deinen Willen. Gib mir Kraft, als guter und getreuer Knecht Deinen Willen zu sehen und allezeit zu erfüllen.
Gib mir Deinen Segen und laß in meinem Herzen etwas aufbrennen von jenem Frieden, den die Welt nicht kennt, von jener unsäglichen Freude der Erlösten, denen die Sünden vergeben sind und deren Gewissen in lauterer Klarheit vor Gott steht. Ich möchte mit dem bekehrten Augustinus beten: "Nicht mit zweifelsschwangerem Herzen, nein, mit sicherem Gewissen liebe ich Dich, o Herr, Du hast mein Herz durchbohrt mit Deinem Wort" (Bekenntnisse 10,6). Selbst wenn meine Sünden röter wären als Scharlach, so bitte ich Dich doch: Sei meinem Gewissen die Unruhe, ohne die es keinen Frieden gibt. "Spät habe ich Dich geliebt, o Du Schönheit, so alt und doch so neu, spät habe ich Dich geliebt. Aber Du hast gerufen und meine Taubheit gespalten. Du hast geblitzt und gestrahlt und meine Blindheit in die Flucht geschlagen. Du hast geduftet, und ich habe den Hauch eingeatmet und lechze nun nach Dir. Du hast mich angerührt, nun bin ich entbrannt in Sehnsucht nach Deinem Frieden" (Bekenntnisse 10,27).
Laß mich in Deiner erlösenden Gnade ein fröhlicher Mensch sein, erfüllt von der Freude, die da ist die schönste Gabe Deines heiligen Evangeliums.
Amen.

(Hugo Rahner)

Freitag, 18. September 2015

Der transparente Priester


Gedanken eines Laien.

»Es gibt eine spezifische Liebe des Gläubigen zu guten Priestern, die wahrscheinlich nur im katholischen Raum vorkommt - eine qualitativ durchaus eigene Liebe, nämlich im Grund die dem Göttlichen zugewandte. Sie erfasst seinen Widerschein im "Transparent"; aber nicht "nur" wie im sonstwie frommen Menschen, sondern schon ausgesprochen in der Partizipation durch den charcter indelebilis. Jedoch auch wieder nicht "unpersönlich", durch den Menschen hindurch oder über ihn hinüber Gott allein "meinend". Der Mensch wird mit sehr persönlicher Liebe gemeint und umfaßt: mit der complacentia - dem Wohlgefallen - über die Schönheit des Widerscheins, mit glühender Dankbarkeit dafür, daß er durchsichtig ist und halbwegs "würdiger" Träger, mit großer Sehnsucht nach irgend einer Form der Nähe und Teilhabe, weil dies ja Annäherung zu verheißen scheint an Das, oder vielmehr Den, den er trägt, mit inniger benevolentia, die ihm sorgend und hoffend wünscht, er möge die Durchsichtigkeit und die Ähnlichkeit und alles, was dazu gehört, behalten und darin wachsen.
Aber diese Liebe, so sehr sie den Einzelnen angeht, bezieht sich eben tatsächlich in jedem Punkt auf das Göttliche, das da sichtbar wird, und so ist sie wahrscheinlich einfach ein Teil und ein Ausdruck der Unendlichen, unstillbaren Sehnsucht nach der visio betifica.«

Was Ida Friederike Görres in diesen Zeilen vom November 1944 ausdrückt, ist für viele Katholiken heute schwer verständlich. Es setzt eine gewisse Intensität der Frömmigkeit und, im Hinblick auf die vorzügliche und dem Priester eigentliche Tätigkeit in der Feier der hl. Messe, ein Gewahrsein der Wirklichkeit des eucharistischen Opfers voraus, welches das Zweite Vartikanische Konzil fons et culmen, Quelle und Höhepunkt des ganzen christlichen Lebens genannt hat (LG 11). Überhaupt ist ein tieferes Verständnis von Priestertum oder Eucharistie ohne das jeweils andere nicht denkbar. Von Johannes Paul II. wissen wir, dass der Priester zu allererst ein Diener der Eucharistie ist (vgl. EE 9 und das Schreiben der Glaubenskongregation Sacerdotium ministeriale "über den Diener der Eucharistie"), weil sich hier sein priesterliches Wesen am deutlichsten zeigt und ausdrückt.

Ein Priester der mit seiner priesterlichen Identität hadert - sei es, dass er gegenüber den Laien "nichts Besonderes" sein möchte (auch in seiner Kleidung), sei es, dass er mit den liturgischen Vorgaben, die die Feier der Sakramente regeln, allzu "kreativ" umgeht -, wird nicht durchsichtig für das Ewige, das er für die ihm anvertraute Herde "einholen" soll. Er bleibt bloß er selbst und was man an ihm sieht ist wahlweise ein Entertainer (vgl. hier), ein Blender oder einfach echt netter Kerl, der in bester Absicht handelt.

Der Priester, der die liturgischen Normen nach eigenem Gutdünken ignoriert, fällt auf. Er zieht die äußeren wie inneren Sinne auf sich. Wenn man über ihn redet, auch unter seinen "Fans", ist wirklich er und nur er gemeint.

Der Priester aber, der sein Priestertum aus der Fülle lebt, den kann man v.a. in der Feier der Liturgie, ob nun Messe, Stundengebet oder bei etwaigen Andachten, als Fenster zum Ewigen erfahren. Ein Priester, der sich ganz als Diener der Eucharistie versteht, der zugleich aber nicht einfach nur rite et recte zelebriert, sondern auch würdig und authentisch spricht, sich bewegt und ggf. predigt, der gibt den Blick frei zu Dem, für Den er mit seinem Leben einsteht. Wenn über ihn gesprochen wird ("der feiert die Messe so schön"), dann ist er als Person zwar irgendwie auch gemeint, aber das dieser Rede zugrundeliegende "erhobene" Empfinden richtet sich auf Gott, richtet sich auf Den, um Den es eigentlich geht. Da war dann Gott nicht nur als Lippenbekenntnis "in der Mitte" - da war der Herr wirklich da, hat Sich gezeigt, durch den Priester hindurch, und konnte dann auch unverstellt in Seinem Leib und Seinem Blut angebetet werden.

Die Priester die ich "toll" finde, sind genau solche. Sie machen nicht groß Aufhebens um die Gestaltung der Liturgie, sondern sie feiern sie einfach: würdig, und so wie es vorgeschrieben ist. Und dann passieren zwei erstaunliche Dinge: Es ist dann nämlich nichts zu merken von einem starren Befolgen von Regeln, vor dem die zuvor behandelte Gruppe von Priestern solche Angst zu haben scheint. Etwas pointiert gesagt: Wird die Messe würdig und den Rubriken folgend gefeiert, dann verschwinden die Rubriken. Sie werden selbstverständlich. Die Vorschriften lösen sich geradezu auf und geben den Raum frei für den zu den Menschen kommenden Gott. Und zugleich tritt auch der Zelebrant ganz in den Hintergrund, wird fast nicht mehr als Person wahrgenommen. Die Worte, die der Priester spricht, scheinen fast aus dem Off zu kommen, die Worte des Herrn derweil wirklich von Diesem selbst ausgesagt. (Mutatis mutandis gilt das alles natürlich auch für die verschiedenen liturgischen Laiendienste!) Dann steht plötzlich nur noch die Seele vor ihrem Gott, Aug in Aug. Man schaut Ihn, lauscht Ihm, verkostet Ihn. Participatio actuosa in Reinform: Geist und Seele sind hoch aktiv, dabei, mittendrin... hach...

Wo hingegen mit viel Akribie Rubriken übergangen, Texte geändert, hinzugefügt oder weggelassen werden (vgl. SC 22, wo dies vom Konzil aufs Schärfste verboten wird), da bleibt die Person des Liturgen immer gut sichtbar und hörbar... Bei jeder eigenmächtigen "Anpassung" (ließ: Manipulation) in Formulierung, Aussprache, oder Gestik und Auftreten, wird die sich zu Gott ausstrecken wollende Seele fast schon gewaltsam herabgerissen. Festgetackert. Der Liturge bleibt geradezu als Hindernis zwischen der Seele und Gott stehen. Die Relationen zirkulieren horizontal (zu Deutsch: man dreht sich im Kreis), es bleibt beim vis-à-vis zwischen Liturge und "Volk". Eine echte participatio actuosa wird hier verunmöglicht, weshalb sie auch in Gemeinden mit solchen Liturgen als Aktionismus umgedeutet und damit gänzlich missverstanden werden muss.


Die bereits angeklungenen Problematiken will ich noch in einigen Punkten etwas vertiefen:

- Der Vorwurf, sich hier an Äußerlichkeiten zu klammern, trifft den Vorwerfenden: Wir Menschen sind nunmal leib-geistige, körperliche Sinneswesen. Das "Äußere" ist das, worüber wir wahrnehmen und in Beziehung treten. Der ganze Sinn etwa einer Ikone ist ja, durch das Sichtbare zum Unsichtbaren zu geleiten. Und so kann denn auch etwas so äußerliches wie beispielsweise das liturgische Gewand innerhalb der liturgischen Feier durchaus hindernd oder fördernd für die Hinwendung zu Gott wirken: Wenn der Liturge im grauen "Betsack" mit Regenbogenstola daherkommt, statt, wie von den Rubriken gefordert, in würdiger, edler und dem Anlass entsprechender liturgischer Kleidung, dann ist er der dem Äußerlichen Verhaftete. (Appropos: Die Eucharistie gibt Anteil am himmlichen Hochzeitsmahl... Wie erging es noch gleich dem Gast in Jesu Gleichnis, der kein Hochzeitsgewand trug?...) Wer dieses Argument äußert um seinen grauen Betsack zu rechtfertigen (oder gleich den Verzicht auf spezielle liturgische Gewandung), ist in Wahrheit derjenige, der an Äußerlichkeiten hängen bleibt, denn er überlegt sich ja, wie er mit seiner Kleidung ein Statement abgeben kann, anstatt einfach nur, in Bescheidenheit, dem ihm (per Gesetz) Vorgegebenen zu folgen.
Der "gute" Priester, den ich meine, befolgt die Regeln, weil es seinem Wesen als Priester, als Diener des unaussprechlichen Mysteriums, entspricht. Und er tritt dann hinter dem liturgischen Gewand auch zurück. Er trägt es ja auch nicht zu seiner Ehre, sondern zur Ehre Gottes... und spätestens wenn er dann, angetan mit Rauchmantel und Velum, den eucharistischen Segen spendet, verschwindet er auch rein äußerlich betrachtet restlos unter dem Gewand und hinter Dem, um Den es eigentlich geht. Wer die Regeln bewusst missachtet, möchte aber nur sich selbst positionieren um damit irgendetwas - also letztlich wieder: sich selbst - auszusagen. 

- Die eigentliche Zelebrationsrichtung auch des gegenwärtigen Römischen Messbuchs ist ad orientem (vgl. meine Ausführungen dazu hier). Diese Zelebrationsrichtung vermag jene "Transparenz" noch zu verstärken, weil der Priester als Individuum dann sogar topographisch "abnimmt", getreu dem Wort des Johannes: "Er muss wachsen, ich aber muss abnehmen."

- Entsprechend dem Grundsatz lex orandi, lex credendi entspricht das "Gesetz des Betens" dem "Gesetz des Glaubens" (vgl. meine Ausführungen dazu hier). Das Römische Messbuch enthält den ganzen Glauben der Kirche. Wenn nun ein Zelebrant nach eigenem Dafürhalten die in diesem Messbuch enthaltenen Gebete umformuliert, was sagt dass dann über seinen Glauben aus? Und was bedeutet das für die feiernde Gemeinde, die das dann oktroyiert bekommt? Die Liturgie ist etwas Vorgegebenes, an dem aus gutem Grund niemand rumwerkeln darf. Zur Erinnerung: Die liturgischen Vorschriften, Rubriken, sind Gesetze. Dass sie nicht im CIC stehen hat gute Gründe, aber nichts desto trotz sind es Gesetze der Kirche, die gewissenhaft zu befolgen alle Glieder der Kirche, insbesondere die Priester, verpflichtet sind (das wiederum steht im CIC). Eine würdige und den Vorgaben der Kirche gemäß gefeierte Liturgie ist ein einklagbares Recht jedes Gläubigen. Ein Priester der an der Liturgie rumbastelt, bricht das Gesetz und beraubt die Gläubigen ihrer Rechte. Vom spirituellen Schaden, um den es mir hier geht, ganz zu schweigen.

- Besonders krass wird die Horizontalisierung und Selbstbezogenheit der Liturgie feiernden Gemeinde in jeder Form der Anbiederung und des Gekünstelten, in der Ausrichtung auf eine bestimmte Zielgruppe, oder bei der "thematischen" Gestaltung einer Messe. Eine hl. Messe darf nicht "Rahmen" für irgendein "Thema" sein oder in irgendeiner Weise "partikular" ausgerichtet sein, denn sie ist selbst das Herzstück der Kirche und des Lebens in ihr. Nur wenn der Gottesdienst um seiner selbst (also: um Gottes) Willen vollzogen wird, ist er "echt", und dort kann sich dann auch jeder in jeder Lage einfinden. (Kleines Gedankenexperiment: Wenn ich z.B. gerade in einer Lebenskrise stecke und dann, in der Messe trostsuchend, mit dem Thema "Naturschutz" oder "Frauenrechte" als Grundton der Feierlichkeit berieselt werde (siehe ein besonders krasses Beispiel hier), dann geh ich da kein zweites Mal hin...) Und, nein: Die der Liturgie immanenten Besonderheiten (Votivmessen, liturgische Feste und Heiligengedenktage) unterscheiden sich von jenen "Themen" insofern, als sie immer den Blick auf das Heilsmysterium lenken... und sie sind Teil der lex orandi und damit der lex credendi der Kirche, denn sie kommen nicht zur Liturgie "hinzu" wie jegliche "(aktuellen) Themen", sondern sind integraler Bestandteil von ihr.
 
- Wenn der Priester "sein Ding" macht und man sich nicht von ihm festtackern lassen (nicht horizontal zirkulieren, sondern in Gemeinschaft mit Gott treten) will, bleibt einem oft nichts anderes übrig, als das zu tun, was man sich in bestimmten Kreisen immer befleißigt an der "alten" Messe zu kritisieren, was einem dann aber plötzlich und etwas von oben herab als zu tun empfohlen wird: Selber auch sein eigenes Ding zu machen, den Zelebranten und was "da vorne" geschieht zu ignorieren und sich, irgendwie davon abgekoppelt, nach eigener Façon zu Gott aufzuschwingen... was aber definitiv nicht Sinn der Sache ist. 

- Auch die Gläubigen sind nicht zu vergessen. Ich begann ja meine Ausführungen mit einem Anspruch, den die Gläubigen erfüllen müssen. Das Wunderbare ist, dass eine Liturgie, die einfach nur Liturgie der Kirche ist (ohne "Thema", ohne Entertainer etc.) einen Raum schafft, in dem sich jeder hineinfinden kann - oder auch nicht (auch Jesus ist ja wahrlich nicht jeder nachgefolgt). Das kann sehr unterschiedlich ausfallen und nicht jedem behagt jeder Aspekt. Aber der Unterschied zwischen authentisch gefeierter Liturgie und thematischen oder sonstwie verunstalteten Messen besteht darin, dass in ersterer der Einzelne sich der Kirche mit ihrem zweitausendjähreigen Erbe (und ihrer von Gott zugesicherten Autorität) gegenüber verhalten muss: letztlich also dem Glauben der Kirche gegenüber, der sich in ihrem Beten ausdrückt (lex orandi, lex credendi) - und er nicht, wie in letzterem Fall, der Laune des Pfarrers oder den "tollen Ideen" einer Pastoralassistentin ausgeliefert ist.

- Es sei auch nicht unerwähnt gelassen, dass natürlich auch das penible Befolgen der Rubriken problematisch sein kann. Es kann für manchen regelrecht zum Fetisch werden. Weswegen ich bei dem bisher Dargelegten - was etwa Anbiederung, Künsteleien, "viel Aufhebens machen" und dergleichen anbelangt - durchaus auch die Fälle im Blick habe, wo dies etwa unter dem Mäntelchen von Summorum pontificum betrieben wird. Auch Rubrizismus gilt es zu vermeiden, das Stichwort lautet auch hier: Gelassenheit. Ein authentischer Priester ist dies aus sich heraus und um Gottes und des Heils der ihm anvertrauten Seelen Willen, nicht um irgendwelchen Menschen zu gefallen. Er wird transparent auf das Göttliche hin, wenn er selbst echt und authentisch (ungekünstelt) Priester ist.

- Noch eine persönliche Note (das Geschilderte stammt alles aus persönlicher Erfahrung, aber jetzt kommt noch etwas Persönlicheres): In der Zeit zwischen meiner Bekehrung zum Christentum und meiner Taufe, als ich noch nicht wusste, ob ich katholische werden will, habe ich im Umkreis meiner damaligen Wohnstatt sehr bald die Messen gemieden, weil ich das selbstreferentielle Gehabe und die Flachheit nicht aushielt, die mir dort entgegenbrandete (heute, nach einigen Jahren des Theologiestudiums, weiß ich, dass so manche dieser Messen sehr wahrscheinlich nichtmal gültig waren). Ich habe zuweilen weite Strecken in Kauf genommen, um am Beten der Kirche teilhaben und so ihren Glauben kennenlernen zu können (ich verbrachte auch viel Zeit in "konservativen" evangelischen Kreisen... bis heute erhalte ich von dort viele wertvolle Impulse). Hätte ich nur diese Gemeinden und ihr quasiliturgisches Treiben als Referenzpunkte, als Orte des Kontaktes mit dem Katholizismus gehabt - ich wäre niemals katholisch geworden. Heute weiß ich leider auch, dass es solche Gemeinden überall gibt und es alles andere als Ausnahmen waren... und es graust mir... DORT findet man nicht - oder nur sehr schwer - zur Kirche. Aber da, wo gute Priester ihre Berufung wirklich als solche ausüben, da werden die Menschen berührt, da finden Bekehrungen statt, da strahlt Gott in die Gemeinde... das hab ich am eigenen Leib erfahren dürfen und ich erfahre es bis heute.

- Der thematische Kreis (*g*) schließt sich: Es kommt hier nämlich auch das Thema der (Ordens- wie Priester)Berufungen ins Spiel: Viele der hier geschilderten Problematiken rühren daher oder führen dazu, dass man den Priester oft nurmehr auf seine Funktionen reduzieren (ihn "funktionalisieren") will, die dann auch Laien übernehmen können sollen (auch die Idee, Frauen zu "weihen", obwohl wir wissen, dass es nicht geht, hat hier ihren locus). Wo das der Fall ist, wird aber weder das Priestertum, noch die Eucharistie, noch die Kirche, noch überhaupt "Sakramente" verstanden. Priester wird man nicht, weil man dies möchte, sondern weil man von Gott berufen ist. Und es obliegt der Kirche, festzustellen (und Kriterien dafür festzulegen), ob die Berufung echt ist. Wer aber den Priester nur unter dem Aspekt seiner (äußerlichen) Funktionen betrachtet, dem fehlt offenkundig die hier lang und breit beschriebene Erfahrung der Transparenz des Priesters für das Göttliche; für den ist eine hl. Messe u.U. nur wenig mehr als ein gemeinschaftliches Singspiel.
Jeder Priester oder vielversprechende Priesteramtskandidat den ich kenne (und derer sind viele), hat im Hintergrund seiner Berufung einen authentischen Priester, in etwa wie ich ihn oben beschrieben habe. Priester, so sagt man augenzwinkernd, können sich nur selbst fortpflanzen: Nur wo ein Priester sein Priestersein authentisch lebt - und dessen Zentrum, Quelle und Höhepunkt ist nunmal die feier der Eucharistie - werden junge Männer in-spiriert, auch selbst diesen Weg einzuschlagen (gratia supponit naturam auch hier). Priester wird man nicht, weil man auf der Diözesanhomepage sich nach nem Job umgesehen hat (siehe meine Analyse davon hier). Priester wird man, weil man erlebt hat, wie Priestersein ist, was es ausmacht, wie es gelingt: Vorbilder. Das sind in aller Regel auch die Priester, die in der beschriebenen Weise transparent sind für Den, Dem sie ihr Leben geweiht haben. (In meiner Gemeinde, in der seit Jahren großer Wert auf eine würdige Liturgie gelegt wird, haben wir z.Z. fast schon eine regelrechte Schwemme an Ordens- und Priesterberufungen - und das liturgische Leben spielt dabei eine entscheidende Rolle... sehr spannend!)

... 
Gott sei Dank haben wir das sakramentale Priestertum. Dass auch Priester am Ende des Tages bloß Menschen sind, ist klar. Aber den Anspruch dürfen die Laien haben, dass der Priester sich nach Kräften darum bemüht, das zu tun, was er bei seiner Weihe versprochen hat: "in der Verkündigung des Evangeliums und in der Darlegung des katholischen Glaubens den Dienst am Wort Gottes treu und gewissenhaft zu erfüllen", "die Mysterien Christi, besonders die Sakramente der Eucharistie und der Versöhnung, gemäß der kirchlichen Überlieferung zum Lobe Gottes und zum Heil seines Volkes in gläubiger Ehrfurcht zu feiern" und sich "Christus, dem Herrn, von Tag zu Tag enger zu verbinden und so zum heil der Menschen für Gott zu leben" in "Ehrfurcht und Gehorsam" gegenüber dem Bischof. Dann kann sich auch verwirklichen, was der Bischof ihm nach diesen feierlichen Versprechen sagt: "Gott selbst vollende das gute Werk, das er in dir begonnen hat." Dann kann dieser Priester auch transparent werden für Gottes Wirken in seiner Kirche, wofür wir ihn lieben.
Heiliger Jean-Marie Vianney, bitte für uns.

... ich bin übrigens der Meinung, dass das Buch von Michael Kunzler (R.I.P.) "Liturge sein: Entwurf einer Ars celebrandi" *hint* für jeden Priester und Priesteramtskandidaten Pflichtlektüre sein sollte...

Dienstag, 15. September 2015

Mitis Iudex Dominus Iesus

Papst Franziskus hat in seinem Motu proprio "Mitis Iudex Dominus Iesus", kurz Mitis, das dieser Tage veröffentlicht wurde (hier, bisher nur auf Latein und Italienisch verfügbar), im Wesentlichen zwei Änderungen für das Kirchenrecht im Hinblick auf Ehenichtsgkeitsprozesse verfügt (das sonstige Kleinklein lass ich hier mal unbehandelt): 
1) Die bisher immer erforderliche Zweite Instanz soll wegfallen (bisher war es so: Wenn die zweite Instanz zu einem anderslautenden Urteil kam, ging das ganze an die dritte Instanz - Rom - deren Urteil dann galt; als Berufungsinstanz bleibt sie erhalten). 
2) Es soll ein "beschleunigtes Verfahren" eingeführt werden für Fälle, in denen es evidente Gründe für die Nichtigkeit der Ehe gibt und wenn sich die Gatten einig sind (in allen anderen Fällen bleibt das Verfahren wie gehabt).

Zunächst: Mancherorts ließt man nun, der Papst habe in Mitis "neue Nichtgkeitsgründe" eingeführt (so z.B. hier). Ist das so?
Richtig ist, dass der Papst in den an sein Motu proprio angehängten prozessualen Regeln einige Punkte aufführt, die ein "beschleunigtes Verfahren" ermöglichen sollen. Dahinter steht folgende Überlegung: Wenn es offensichtliche Anhaltspunkte für eine (beweisbare!) Nichtigkeit einer Ehe gibt, dann soll ein beschleunigtes Verfahren möglich sein. Wo diese Anhaltspunkte nicht vorliegen, ist das beschleunigte Verfahren nicht möglich.
Der Papst nennt nun einige beispielhafte Gründe, die ein solches beschleunigtes Verfahren ermöglichen sollen. Unter den ganannten Faktoren finden sich weitläufig bekannte Ehenichtigkeitsgründe, etwa Konsensmängel (cc. 1095 bis 1107 CIC) wie "Simulation" und "willensbestimmender Irrtum" (simulationem consensus vel errorem voluntatem determinantem), aber auch Faktoren, die auf den ersten Blick so garnicht wie Ehenichtigkeitsgründe wirken: Das Vorliegen einer ungeplanten Schwangerschaft, kurzes eheliches Zusammenleben und das Bestehen einer außerehelichen Beziehung zum Zeitpunkt der Hochzeit oder unmittelbar danach.
Auf diese letzteren will ich kurz im Einzelnen eingehen.
- Unvorhergesehene Schwangerschaft der Frau (haud praevisa praegnantia mulieris): Es geht hier natürlich nicht darum, dass eine schwangere Frau keine gültige Ehe schließen kann oder darum, dass eine ungeplante Schwangerschaft per se eine Ehe ungültig macht. Sondern es geht darum, mit welcher Intention die Ehe geschlossen wurde und noch konkreter: ob der Ehekonsens wirklich frei erfolgte. Eine ungeplante Schwangerschaft kann nämlich durchaus dazu führen, dass man das Heiraten überstürzt. Der soziale Druck kann aufgrund der Schwangerschaft so groß sein, dass man schwerlich von der Freiwilligkeit des Entschlusses sprechen kann. Und auch wenn der Entschluss frei erfolgte, bleibt noch die Frage, was hier (frei) gewollt wurde: Wenn die Ehe nur gewollt wurde wegen der Schwangerschaft (nicht sozialer Druck also, sondern eigener Antrieb), ist auch dieser Wille nicht hinreichend für das Zustandekommen des Sakraments.

- Kürze des ehelischen Zusammenlebens (brevitas convictus coniugalis): Es ist hier nicht ausgesagt, dass eine Ehe eine bestimmte Zeit nach der Eheschließung per se noch für ungültig erklärt werden kann (das wäre grenzdebil). Hier geht es darum, dass, wenn eine Ehe schon nach kurzer Zeit zerrüttet ist, die Frage gestellt werden kann und muss, ob überhaupt jemals ein gemeinsamer Wille und/oder ein wechselseitiges Kennen bestand.

- Das Verharren in einer außerehelischen Beziehung zum Zeitpunkt der Eheschließung oder unmittelbar anschließend (permanentia pervicax in relatione extraconiugali tempore nuptiarum vel immediate subsequenti): Wer zum Zeitpunkt der Eheschließung noch eine andere sexuelle Beziehung unterhält, kann keinen gültigen Ehewillen (der notwendig den Willen zur Treue einschließt) formen. Wer nicht zur Treue fähig ist auch nicht.

Die genannten Faktoren sind keine "neuen Nichtigkeitsgründe", sondern es sind, wenn man so will, einige mögliche Manifestationen von Ehenichtigkeitsgründen.
Das Problem, das ich hier sehe, ist Folgendes: Die Aufzählung endet mit einem et cetera, erhebt also keinen Anspruch auf Vollständigkeit (was logisch ist). Die ganannten Anhaltspunkte, die auf eine mögliche Nichtigkeit der Ehe hinweisen können, könnten nun aber von manchen Leuten missverstanden werden als Beweise für das faktische Vorliegen einer Nichtigkeit. Die Gefahr besteht, dass hier Menschen Zweifel ob der Gültigkeit ihrer Ehe bekommen könnten, obwohl in Wirklichkeit überhaupt kein Anlass dazu besteht. So könnten etwa eine Frau Zweifel an der Gültigkeit ihrer Ehe befallen, weil sie zum Zeitpunkt der Eheschließung ungeplant schwanger war, auch wenn das auf ihren Ehewillen überhaupt keinen Einfluss hatte. Und ich hege diese Sorge weniger wegen der vom Papst genannten Punkte, sondern wegen all derer, die sich in dem et cetera noch verbergen und die durch die Praxis noch ergänzt werden. Im schlimmsten Fall könnten vermittels solcher Zweifel, die gesät werden, diese Anzeichen sich als eine Art sich selbst erfüllende Prophezeihungen entpuppen, die eine gültige und ansonsten stabile Ehe zerrütten können. Selbst  theologisch Gebildete werden schon jetzt von diesen Anhaltspunkten verwirrt, was insofern verständlich ist, weil der Papst ja tatsächlich selbst, so wie sich uns der Wortlaut darstellt, in seiner Aufzählung hinlänglich bekannte offensichtliche Ehenichtsgkeitsgründe mit möglichen Anhaltspunkten für das Vorliegen von Mängeln ungeordnet zusammengeworfen hat. Die Aufzählung ist in sich bereits missverständlich und die absehbare Erweiterung der Liste durch die Praxis könnte das noch verschlimmern.


Von diesem Verwirrungspotential einmal abgesehen, sehe ich das Motu proprio überhaupt mit gemischten Gefühlen. Konkrete Punkte habe ich drei:
Wenn man bedenkt, dass etwa in Deutschland, wenn ich mich recht entsinne, in 8 oder 9% der Fälle das Zweiturteil bei Eheprozessen anders ausfällt als in der ersten Instanz, dann mag der Wegfall der zweiten Instanz für manche nicht soo gravierend wirken, für andere aber durchaus: Bei 600 Ehenichtigkeitsprozessen pro Jahr in Deutschland, ergibt das einen möglichen Irrtum der ersten Instanz in bis zu 50 Fällen. Ob das akzeptabel ist, mag jeder für sich beurteilen.

Zudem ist hinsichtlich den beschleunigten Verfahren zu fragen, ob das dem Ziel des ganzen gerecht wird. Zur Erinnerung: In einem Ehenichtsgkeitprozess sind die Eheleute (oder zumindest einer der beiden) die Kläger, die gegen die Gültigkeit der Ehe Klage einlegen. Der Angeklagte ist das Eheband, das dann vom Ehebandverteidiger als Vertreter der Kirche vor Gericht vertreten wird. Ausgangspunkt ist: Das Eheband gilt als gültig, bis seine Ungültigkeit bewiesen ist (favor matrimonii). (So ähnlich wie im zivilen Recht: Der mutmaßliche Straftäter gilt als Unschuldig, bis seine Schuld bewiesen ist.) Ziel des Ganzen, und damit das eigentliche Interesse der Kirche in so einem Prozess, ist der Schutz der Heiligkeit des Ehebandes, das der defensor vinculi im Auftrag der Kirche verteidigt. Mit diesen nun eingefürten beschleunigten Verfahren muss man jedoch den Eindruck gewinnen, das Interesse der Kirche - und damit der Fokus des Prozesses - richte sich nunmehr am Wunsch der Kläger nach Erweis der Ungültigkeit des Ehebandes aus. Mir ist angesichts dieses Paradigmenwechsels, wenn es einer ist, nicht recht wohl.
Schließlich befürchte ich einen Qualitätsverlust: Wenn die zweite Instanz wegfällt, fällt damit auch eine Kontrollinstanz weg, vor der sich bisher alle Beteiligten ob ihrer Sorgfalt und Korrektheit rechtfertigen mussten, denn man hatte natürlich das Interesse, alles so gut und fachlich einwandfrei wie möglich zu behandeln, damit das eigene Urteil vor der zweiten Instanz bestehen kann. Jetzt fehlt diese Kontrollinstanz. Für die beschleunigten Verfahren fehlt sie sowieso - wobei da die Qualitätssicherung ohnehin fragwürdig ist... schon weltliche Strafprozesse werden nicht nach dem Kriterium der Schnelligkeit geführt, sondern es geht um die Suche nach der Wahrheit, auch wenn das mal länger dauert... wie wichtig ist da Sorgfalt erst, wenn es um die Gnadenordnung Gottes und die Ordnung in der Kirche geht? Die Konsequenzen kann sich jeder selbst ausdenken.
Wenn sodann für die beschleunigten Verfahren nunmehr die Bischöfe direkt zuständig sein sollen (sie wurden übrigens, wie man hört, nicht gefragt, ob sie das denn wollen!), ist auch dies alles andere als ein Garant für Qualität, denn die meisten Bischöfe - die doch eh schon genug zutun haben! - sind keine Kirchenrechtler (da sind viele Pastoraltheologen, Dogmatiker, Moraltheologen, Liturgiker, Kirchenhistoriker, Exegeten... aber nicht annähernd genug Kirchenrechtler). Sie sind also in den meisten Fällen schlichtweg fachfremd. (Hier in Freiburg zum Glück nicht.) Und Amtsgnade ersetzt nunmal keine fehlende Fachkompetenz. Und, nein: Soweit ich das sehe, ist diese neue Funktion nicht delegierbar. Papst Franziskus macht es in Mitis überdeutlkich, dass sich die (Erz)Bischöfe um diese beschleunigten Verfahren kümmern sollen.

Es ist ja nun einerseits tatsächlich so, dass ein oft Jahre währendes Prozedere Menschen zermürben kann und die Kirche dabei alles andere als Barmherzig erscheint. Handlungsbedarf gab es diesbezüglich schon länger, weshalb Benedikt dazu auch bereits eine Kommission eingesetz hatte (die aber nun übergangen wurde?). Wobei freilich zu bedenken ist, dass diese kirchlichen Eheprozesse auch deshalb so langwierig sind, weil sie auf freiwilliger Basis funktionieren: Das kirchliche Gericht hat keine Mittel, Kläger oder Zeugen vorzuladen, alles läuft auf der Grundlage der Bereitschaft (und der Terminpläne) der Beteiligten ab. Etwas so Banales wie "Terminfindung" kann da sehr leicht mal eben Monate um Monate addieren.
Generell halte ich es für unklug, solche schwerwiegenden Änderungen derart übers Knie zu brechen. Die Arbeiten an diesen Änderungen begannen frühestens im November letzten Jahres - 10 Monate ist sehr wenig Zeit für begründete Forschungen in den Rechtsquellen und Erfahrungen der Weltkirche (zu nennen ist hier etwa das "Experiment" in den 70er und 80er Jahren in den USA, als dort die zweite Instanz weggelassen wurde, was gravierende Folgen hatte, weswegen dieses Experiment schließlich abgebrochen wurde) und für eine adäquate ("synodale") Einbindung zuständiger Dikasterien sowie der Bischöfe, weshalb jetzt auch entsprechende Beschwerden und Bedenken die Runde machen. So wie das vor sich ging, mangelte es bei der Erarbeitung der neuen Regelungen sowohl an kanonistischer und theologischer Sorgfalt, wie auch - und das sollte jeden aufhorschen lassen - an der ansonsten (auch in Mitis) so vielgepriesenen Kollegialität. Hier wurde m.E. inhaltlich und formal unsauber gearbeitet und es bedürfte eigentlich eines Moratoriums zu seiner Implementierung, bis Entsprechendes nachgeholt wurde.
Man mag in dieser ganzen Debatte um die Synode kirchenpolitisch stehen wo man will, aber dass hier nicht gerade mit Sorgfalt und Team-Geist gearbeitet wurde, sollte jeden ins Grübeln bringen. Wollen wir missverständliche Hauruck-Gesetze?


Noch mal zu dem möglichen Paradigmenwechsel:
Sehr am Kopf kratzen musste ich mich angesichts der "Neuformulierung" von Kanon 1676, wo es bisher hieß: 
»Bevor der Richter eine Sache annimmt und sooft er Hoffnung auf Erfolg sieht, soll er mit seelsorglichen Mitteln die Gatten zu bewegen suchen, ihre Ehe, falls möglich, gültig zu machen und die eheliche Lebensgemeinschaft wiederherzustellen.«
Diese ermutigende, seelsorgerlich kluge und im Hinblick auf das Sakrament wertvolle Regelung wurde, ohne ersichtlichen Grund, ersatzlos gestrichen. Stattdessen wird nunmehr bloß vermerkt, dass sich der Richter vor Prozessbeginn davon zu überzeugen habe, dass die Ehe unrettbar zerrüttet und das Zusammenleben unmöglich sei. Wie das festgestellt werden soll, abgesehen von der direkten Frage an die Ehegatten, was sie denn meinen, ist mir schleierhaft. Das ist so ziemlich das Gegenteil von dem, was zuvor galt. Nicht mehr die Sorge um den Bestand der Ehe soll den Richter zu allererst (!) bewegen, sondern - faktisch wirds wohl darauf hinauslaufen - der achsomenschliche (und daher auch kurzsichtige und egoistische) Blick und Gemütszustand der Kläger. Und mich lässt das komische Gefühl nicht los, dass hiermit der Richter faktisch für die Kläger quasi Partei ergreift: Wenn er sich schon vor Prozessbeginn sicher sein soll, dass die Ehe unrettbar ist, wie soll er dann noch objektiv urteilen können? (Das wäre in etwa so, als müsste sich ein Richter in einem Mordfall vor Prozessbeginn davon überzeugen, dass der Angeklagte das Opfer auch wirklich bis aufs Blut gehasst hat...)


Ich habe ein bisschen das Gefühl, als sei hier das Kind mit dem Bade ausgeschüttet worden. Die Lehre der Kiche über die Sakramente ist zwar nicht tangiert worden (weswegen Kasper/Marx und ihre Anhänger alles andere als zufrieden sind), aber ihre Disziplin. Und insofern diese Disziplin dem Schutz der Sakramente und damit dem Heil der Seelen dient (Stichwort: Sakramentenmissbrauch), ist diese Entwicklung durchaus keine Lappalie. Man wird sehen, was passiert. Gespannt bin ich v.a., wie die Synodalen darauf reagieren werden, denn die wurden ja auch übergangen.

Montag, 14. September 2015

Vexilla Regis

Des Königs Fahnen ziehen voran,
es erglänzt das Geheimnis des Kreuzes,
da der Schöpfer des Fleisches
im Fleische ans Kreuz geheftet wurde.


Den Leib mit Nägeln durchbohrt,
Hände und Füße ausgestreckt,
wurde um der Erlösung willen
hier das Opfer hingeschlachtet.


Der überdies verwundet wurde
Durch die grauseme Spitze der Lanze;
Um uns von Vergehen reinzuwaschen,
floss Wasser und Blut.


Erfüllt hat sich, was David
in glaubwürdigem Liede gesungen,
indem er den Völkern verkündigte:
vom Holze herab herrscht Gott.


O herrlicher und ausgezeichneter Baum,
geziert mit dem Purpur des Königs,
auserwählt, mit würdigem Stamme
so heilige Glieder zu berühren.


Glückseliger, an dessen Ästen
Der Lösepreis der Welt hing;
Zur Waage des Leibes ist er geworden,
und er entriss die Beute der Hölle.


Wohlgeruch verströmst du aus deiner Rinde,
du übertriffst den Geschmack des Nektars,
erfreut, fruchtbare Frucht zu tragen,
spendest du Beifall diesem edlen Triumph.


Sei gegrüßt, Altar, sei gegrüßt, Opfer,
aus dem Ruhm des Leidens,
in dem das Leben den Tod ertrug
und durch den Tod das Leben wieder gewann.


Sei gegrüßt, o Kreuz, einzige Hoffnung,
in dieser Zeit des Leidens
vermehre den Frommen die Gnade
und Sündern tilge die Vergehen.


Dich, Gott, höchste Dreifaltigkeit,
soll loben jeglicher Geist
und die du durch das Geheimnis des Kreuzes
rettest, herrsche in alle Ewigkeit.


(Venatius Fortunatus, + um 600)

Freitag, 11. September 2015

Ich glaube an die heilige Kirche

Ich glaube an die heilige Kirche,
die apostolisch ist und allgemein und rechtgläubig,
und die uns unversehrte Lehre kündet.
Nicht glaube ich an sie, wie ich an Gott glaube,
wohl aber glaube ich, dass sie in Gott ist und Gott in ihr.
Nicht ist sie Gottes eingegrenztes Maß,
wohl aber ist Gott der Raum der Kirche.
So ist sie Gottes Haus und Braut des Herrn Christus.
Sie ist die leibhafte Gemeinschaft der Heiligen,
aller Gerechten, die sind und waren und kommen.
Größeres noch ist wahr: auch die Chöre der Engel
scharen sich selig zur alleinigen Kirche.
Denn der Apostel lehrt: «Versöhnt ist alles in Christus,
nicht nur auf Erden, auch was da lebt in den Himmeln!»
Gottesstadt nennt man die hehre Einheit,
Glutofen, der alles Gold zusammenschmilzt.
Sie ist mein Glaube, die eine Kirche,
katholisch, weil hinieden und droben,
zerstreut über die Welt und dennoch berufen,
einmal gebunden zu werden zu seliger Garbe,
wenn sie mit Christus in Ewigkeit herrscht.
Er ist das Haupt und die Kirche der Leib.

Dieses Leibes bin auch ich ein Glied,
rein aus göttlicher Gnade,
wenngleich nur ein kleines, ein schwaches.
Der Kirche will ich in Glaube und Werk
immer die Treue wahren,
das hoff ich vom Geber der Gaben.
In der Kirche, die heilig und eins,
dieser katholischen Mutter,
die bis an die Grenzen der Erde
alles mit Gottes Lobpreis erfüllt,
glaub ich festen Gemüts,
Gemeinschaft der Gnade zu erben.
Nicht auf eigenes Werk vertrau ich,
sondern auf Christi heiligen Blutstrom,
und auf das gnadenverdienende Beten
meiner heiligen Mutter, der Kirche.


Alkuin von York († 804)

Dienstag, 8. September 2015

Die Horizontalität der Debatte

Ich beobachte mit Unbehagen eine höchst bedenkliche Horizontalität der meisten Debatten um die kirchliche Lehre auch und gerade innerhalb der Kirche (vgl. dazu meinen Beitrag "Dürftige Theologie - 12 - Horizontalisierung"). 
Wir alle stehen in der Gefahr, uns an vielen Stellen nur noch mit den politischen "Implikationen", vermeintliche hintergründigen "Intentionen" und oberflächlischen "Wirkungen" zu beschäftigen, ohne den wirklichen Sinn etwa eines Jubeljahres der Barmherzigkeit zu erkennen und das eigentliche Ziel allen kirchlichen Tuns zu beachten: Das ewige Heil der Seelen.

Papst Franziskus sagt beispielsweise - so auch vor wenigen Tagen wieder zu den Priestern (hier) -:  "Bitte seid große Vergeber" und er meint damit ausdrücklich das Wirken des Priesters im Beichtstuhl. Es geht hier also nicht um ein billiges "Vergeben" mit dem Slogan "Ist schon gut. Weitermachen!", gar um das Gutheißen irgendwelcher Handlungen, sondern um das Treten vor das ehrfurchtgebietende Antzlitz Gottes, des Arztes unserer Seelen und des Richters über Heil und Unheil, um ihn "mit zerknirschtem Herzen und reumütigem Sinn" um Verzeihung für die von uns begangenen Sünden zu bitten (die pastorale Einführung für die Feier der Buße hält denn auch völlig zu Recht daran fest, den Beichtvater als Arzt und als Richter zu identifizieren).
Nicht wenige Zeitgenossen, auch innerhalb der Kirche, wollen hier aber heraushören, der Papst würde die Schwere der Sünde herunterspielen oder sie gar gutheißen. Ich erlebe solche Deutungen von Franziskus' immer wiederkehrenden Rufen zur Versöhnung sogar unter Theologiestudenten. Dabei ist das Gegenteil wahr.

Das wurde mir kürzlich wieder besonders krass vor Augen geführt, als ein Kommentator auf diesem Blog auf die Erleichterung des Zugangs zum Sakrament der Beichte (zum Zwecke des Erwerbs des Jubiläumsablasses) im Falle der Beteiligung an einer Abtereibung während des außerordentlichen Heiligen Jahres der Barmherzigkeit durch Papst Franziskus, mit der "Deutung" reagierte, der Papst wolle hier "Signale" senden, gar noch solche "gegen militante Lebensschützer". (Man lese hier im Kommentarbereich, gleich der erste Kommentar.)

Aus meiner letzten Antwort auf diese Thesen des Kommentators:
»Es ist sehr bedauerlich, dass deine Perspektive so eisern horizontal ist. Du siehst scheinbar ausschließlich die "politische Botschaft", die der Papst angeblich senden will, übersiehst aber völlig das große Ganze, das eigentlich direkt vor Augen ist (den Wald vor lauter Bäumen...): Dass es bei diesen Äußerungen des Papstes einzig um die Versöhnung der verwundeten Seele mit Gott im Sakrament der Beichte geht.
Es geht somit um nichts weniger als um den wahren Kern des christlichen Glaubens: "Denn Gott war in Christus und versöhnte die Welt mit sich selber und rechnete ihnen ihre Sünden nicht zu und hat unter uns aufgerichtet das Wort von der Versöhnung." (2Kor 5,19)

Franziskus hat es in seinem Pontifikat immer unermüdlich gepredigt und ist immer, das "Protokoll" brechend, mit gutem Beispiel voran gegangen: Lasst euch versöhnen in der Beichte! Ich erinnere mich noch an die Bilder, wie ihn sein Zeremoniar den Beistuhl zeigt, den er besetzen soll, und Franziskus lässt ihn links liegen, läuft einfach geradeaus weiter, am Kameramann vorbei, auf die andere Seite des Ganges und geht selber erstmal beichten.
Ich habe das Gefühl, als sei dir diese ganze sakramentale Dimension der Versöhnung, die unzweifelhaft im Zentrum der Verkündigung dieses Papstes steht, völlig egal... es geht dir nur um die Politik, um das "Senden" von "Botschaften". Deine Ausführungen könnten 1 zu 1 von irgendeinem Reporter stammen, der überhaupt keinen Bezug zum Glauben der Kirche hat, und der, so völlig "außen" stehend, versucht, die "Signale" zu deuten, die "das Oberhaupt der katholishen Kirche" an die Welt "sendet". Wo er doch in Wahrheit nur die Katholiken(!) zum Empfang des Bußsakramentes ermutigen will.«

Wie konnte es dazu kommen? Wie konnte es dazu kommen, dass Menschen, auch Katholiken, den Ruf zur Versöhnung (der immer ein Weg der Umkehr und der Lebensänderung ist) mit einer Verharmlosung der Schuld oder gar, wie es in den Medien ablesbar ist und wie ich es auch in Gesprächen erlebt habe, einem Freibrief zur Sünde verwechseln? Den Fehlschluss könnte man vielleicht so formulieren: "Wenn es mir vergeben werden kann, dann darf ich es also guten Gewissens tun" (wobei das mit dem Sakrament der Beichte dabei allerdings ausgeblendet wird). Irgendetwas ist ganz gehörig kaputt im moralischen und geistlichen Empfinden auch vieler Katholiken. (Vgl. meinen Beritrag über das moralische "Be-Urteilen".)

Wenn das ewige Heil der Seelen aus dem Blick gerät und nurmehr politische Botschaften und die möglichst vorteilhafte Positionierung innerhalb aktueller gesellschaftlicher Debatten von Belang sind, die nur das (vorgebliche) irdische Glück der Menschen betreffen (das erlebe ich leider auch immer häufiger bei nicht wenigen deutschen Bischöfen); wenn die Warnung vor der Sünde als Diskriminierung und zugleich der Ruf zur Versöhnung (der immer auch eine Warnung vor der Sünde beinhaltet!) als Duldung oder gar Anerkennung von Sünde missverstanden wird; wenn der Ruf "geht zur Beichte!" als ein "ach, regt euch nicht auf, so schlimm ist das doch nicht" aufgefasst wird - dann leben wir ganz sicher nicht in einer Welt, in der sich der Wille Gottes im Handeln der Menschen zeigt. Dann ist diese Welt, und die Akteure in ihr, weit, weit Weg von den Wegen Gottes.
[Kategorien wie "irdisches Glück" und "Zufriedenheit", sind denn auch der Maßstab, nach dem immer mehr Katholiken die Kirche beurteilen und wie nicht wenige Bischöfe sie sehen wollen, weswegen sie dann Marketing-Strategen zu Rate ziehen, die auf der Grundlage entsprechender Zufriedenheitsstudien "Verbesserungen" herbeiführen sollen... Wenn die Kirche zur NGO wird.]

Die traurige Ironie bei alledem ist, dass wir es hier mit exakt der gleichen Situation zutun haben, mit der auch Jesus Christus konfrontiert war (nichts Neues unter der Sonne...): Auch seine ständigen Rufe zu Umkehr und Versöhnung mit Gott wollte die Mehrheit seiner Zuhörer nur in Kategorien "politischer Botschaften" und "Signale" verstehen, weswegen sie ihn, als er diesen gesellschaftlich-politischen Erwartungen nicht gerecht wurde (Israel von der römischen Besatzung zu befreien), loswerden wollten. Der Ruf zur Umkehr war für die Menschen damals so unerträglich wie er es für uns Heutige auch ist. Da tut es gut, solche Rufe nur in gesellschaftspolitischen Kategorien aufzufassen... das ist einfach, weil es dann nur um Meinungen, Standpunkte und  Debatten geht. Mit mir und meiner Lebensweise hat das dann im Grunde nichts zutun, also muss ich da auch nichts ändern, geschweigedenn, zur Beichte gehen. Die Horizontalität schützt vor einer Infragestellung der eigenen Bequemlichkeit. Den wenigen Hirten, die unbeirrt weiter zur Umkehr rufen, der prominenteste unter ihnen ist derzeit Papst Franziskus, wird es am Ende wohl nicht anders ergehen, als es Jesus erging. Wenn dann der Papst, wie zu erwarten ist, nicht die hohen Erwartungen der "Welt" (!) an ihn erfüllt, werden sie ihn medial kreuzigen, wartets nur ab!

Man muss sich nur mal die Berichte über die Synode auch in katholischen Medien ansehen: Es wird dort nicht nach dem Willen Gottes gefragt, sondern nach den Erwartungen der Menschen. Unentwegt begegnen einem Stimmen, die irgendetwas "von der Kirche" fordern, überall werden "Erwartungen an die Synode" formuliert. Immer geht es um ein fast schon störrisches "Ich will!". Nur äußerst selten wagt es jemand, die Frage in den Raum zu werfen "Was will eigentlich Gott?". Denn Gott ist nurnoch der Alibigeber, der uns ja "Freiheit" und ein "Gewissen" gegeben habe und der deswegen alles toll zu finden hat, was wir "frei" und "gewissenhaft" tun wollen. Aber das ist ein Hirngespinst, weil so eine Einstellung in der ganzen Heilsgeschichte kein Vorbild hat: Nie war das, was die Menschen in der Mehrheit wollten identisch mit dem Willen Gottes. Deswegen bedurfte es immer der Rufe zur Umkehr zu Gott, von denen die Bibel voll ist.
Es ist eine grenzenlose Arroganz (war es zu allen Zeiten), dass wir meinen, es nicht mehr nötig zu haben umzukehren - ausgerechnet heute, da wir merken, dass wir noch nie in der Geschichte den Menschen so effizient töten und ausbeuten konnten, wie es heute getan ist, sei es im Krieg oder im Mutterleib. Wir leben wahrlich in einer "Kultur des Todes", und der Ruf danach, die vorfindliche "Lebenswirklichkeit" als Maßstab für die Wahrheit zu nehmen, ist einfach nur ekelerregend zynisch.

Es ist traurig, weil die, die nach "Änderungen in der Kirche" rufen, die ihren Wünschen entsprechen, nichts mehr von Gott erwarten. Sie erwarten alles vom Menschen, vom irdischen Leben, wollen hier alles Glück und alle Freiheit. Der Leser möge es selbst mal testen: Alles, was derzeit öffentlich an "Forderungen" gebracht wird, funktioniert auch ganz ohne Gott. Man kann "Gott" herausnehmen, ohne jedwede inhaltliche Beeinträchtigung. Die ganzen Reformpläne, Aufrufe, Arbeitspapiere und Beschlüsse haben Gott nur noch marginal, als Alibi drin (wenn überhaupt), nie als entscheidenden Faktor, gar als bestimmendes Merkmal, als Ursprung oder als Ziel des Handelns. Ob nun Ungehorsmsaufrufe, Dialogprozesse oder dergleichen mehr, sie alle zeichnen sich durch einen intrinsischen Atheismus aus.
Die wahren "Reformen", zumal die Reformgestalten in der Kirchengeschichte, erkannte man immer an ihrer Heiligkeit und ihrer unbedingten Ausrichtung auf Gott und seine Wahrheit. Immer auch im Dienst am Menschen, ja, aber seiner von Gott geschenkten Berufung gemäß, nicht seinen eigenen Wünschen!

»So sind wir nun Botschafter an Christi statt, denn Gott ermahnt durch uns; so bitten wir nun an Christi statt: Lasst euch versöhnen mit Gott!« (2Kor 5,20)


Mir scheint der ganze Trubel, als schauten wir in ein dunkles Dickicht, auf bedeutungslose Baumstümpfe, und als seien wir unfähig, nach oben zu blicken und den Wald zu erkennen, das Licht zu sehen und die Verheißung, die an uns erging: "Nun ist das Heil und die Kraft und das Reich unseres Gottes geworden und die Macht seines Christus!" (Offb 12,10)