Samstag, 29. Dezember 2012

Todesstrafe?

Die Berichterstattung von kath.net enttäuscht, was die angebliche Forderung der Todesstrafe für den Papst durch den grazer Musikwisseschaftler Richard Parncutt betrifft, völlig. Und er Wirbel darum scheint mir so sinnfrei.

Zunächstmal: Parncutts Meinungsäußerung auf der offiziellen Homepage der Universität hat die, wie er sagt "Globale Erwärmung" zum Thema, nicht den Papst und AIDS: für die Leugner dieser schlägt er die Todesstrafe vor. Und zwar darum, weil die Leugnung das Abwenden negativer Folgen verhindert und so wohmöglich Millionen Opfer fordert, etwa durch durch Trockenheit verursachte Hungersnöte, Überschwemmungen und andere Umweltkatastrophen. Womit er m.E. Recht hat (also mit den Folgen, die die politische Obstruktion haben wird). Parncutt kommt in seinem Text in einem Absatz auf den Papst und das Kondom zu sprechen, da hier seiner Ansicht nach in ählicher Weise eine Politik zum Tod Unschuldiger führen werde (und bereits geführt hat). Der Hinweis von kath.net, Parncutt hätte die Todesstrafe für Leugner der "globalen Erwärmung" "schon einmal" gefordert zeigt nur, dass der verantwortliche Redakteurt von kath.net den Originaltext offenbar nicht kennt.

Hier ist der ganze Absatz in dem Parncutt über den Papst schwadroniert: 
»That raises the interesting question of whether and how the Pope and his closest advisers should be punished for their consistent stand against contraception in the form of condoms. It has been clear for decades that condoms are the best way to slow the spread of AIDS, which has so far claimed 30 million innocent lives. The number of people dying of AIDS would have been much smaller if the Catholic Church had changed its position on contraception in the 1980s, or any time since then. Because it did not, millions have died unnecessarily. There is a clear causal relationship between the Vatican's continuing active discouragement of the use of condoms and the spead of AIDS, especially in Africa. We are talking about millions of deaths, so according to the principle I have proposed, the Pope and perhaps some of his closest advisers should be sentenced to death. I am talking about the current Pope, because his continuing refusal to make a significant change to the church's position on contraception will certainly result in millions of further unnecessary deaths from AIDS in the future. Since many of these deaths could be prevented relatively easily simply by changing the position of the Catholic church, which incidentally is one of the most influential political powers in Africa and elsewhere, we are talking about something remarkably similar to premeditated mass murder. Not the same, because the church does not want the affected people to die. But the numbers of people involved are so enormous that at some level it doesn't matter any more whether the murder is premeditated or not. The position of the church is presumably also racist: if those dying from AIDS were not predominately black, the church would presumably have changed its position on ontraception long ago. Just imagine 30 million white people dying from AIDS in Europe or North America, and you will see what I mean.«

Weiter: Dass sich hier ein Musikwissenschaftler über das globale Klima auslässt ist an sich schon ein guter Grund, sein Gefasel einfach zu ignorieren... Wenn eine neue Autobahnrücke über den Rhein gebaut wird, konsultiert man ja auch nicht den Bäcker im Ort. Hallo? Hier äußert sich ein MUSIKWISSENSCHAFTLER über ein Thema wozu abertausende Wissenschaftler seit Jahrzehnten intensiv in so vielen Fachgebeiten forschen, dass ich sie kaum alle aufzählen kann... Ohne die feineren Teildisziplinen zu nennen, kommen dabei v.a. die Folgenden in Betracht: In den atmosphärischen und physikalischen Wissenschaften: Klimatologie, Meteorologie, Atmosphärenphysik, Atmosphärenchemie, Solarphysik, historische Klimatologie. In den Geowissenschaften: Geophysik, Geochemie, Geologie, Bodenkunde, Ozeanographie, Glaziologie, Palaeoklimatologie, Paläoökologie. Im Bereich der Biologie: Ökologie, synthetische Biologie, Biochemie, Biogeographie, Ökophysiologie, ökologische Genetik. Und was Mathematik und Computerwissenschaften angeht, seien diese genannt: angewandte Mathematik, Modelltheorie, scientific computing, mathematische und Bayessche Statistik, Zeitreihenanalyse.

Und hier kommt nun ein MUSIKWISSENSCHAFTLER daher, und stellt Behauptungen auf... Wie inkompetent er bei diesem Thema ist, erhellt bereits aus der simplen Tatsache, dass er ständig von "globaler Erwärmung" ("Global Warming") spricht... Wissenshaftler tun das seit Jahrzehnten nicht mehr, da der Klimawandel (die korrekte Bezeichnung dessen, worum es geht) viel komplexere Auswirkungen haben wird, inklusive sinkender Temperaturen in manchen Erdteilen, etwa in Mitteleuropa.

Ok, da wir also festgestellt haben, dass sich hier ein in  den betreffenden Wissenschaften inkompetenter Mensch mit seiner Privatmeinung vergalloppiert - was war das noch mit dem Papst?

Also erstens hat Parncutt nicht die Todesstrafe für den Papst gefordert: Er hat seine abstrusen Ideen etwas weiter gesponnen, ein weiteres ihm wissenschaftlich völlig fremdes Gebiet betreten und seine These darauf angewandt ("That raises the interesting question of whether and how the Pope and his closest advisers should be punished"). Das ist beileibe nicht das gleiche wie die Forderung nach der Todesstrafe für den Papst, so hirnrissig es auch ist.  Zweitens wäre auch dieses ganze Trara egal gewesen, denn, wieder: Es handelt sich hier um einen Musikwissenschaftler! Der Mann ist kein Anthropologe, Soziologe, Ethnologe, Afrikanist, Theologe, Philosoph oder Völkerrechtler... er ist kein kein Ökonom, kein Virologe, kein Mediziner oder Sexualwissenschaftler... nichtmal ein Politiker oder gar Jurist.
Parncutt ist Musikwissenschaftler, er hat mit keinem Wissenschaftsgebiet, das in irgendeinem Zusammenhang mit dem von ihm Geäußerten steht, eine wissenschaftliche Ausbildung und ist folglich nicht qualifiziert professionelle Äußerungen in diese Richtung zu tätigen. Jeder der sich ein wenig mit der katholischen Morallehre und der tatsächlichen Situation in Afrika auskennt weiß, wie bescheuert Parncutts Äußerungen sind. (Jobo hat netterweise dazu alles Wesentliche hier zusammengestellt.)

Mag er also als Privatmann behaupten was er will: Es bleibt seine Meinung, wie dumm und dreist sie auch sein mag. Und sie ist den Wind nicht wert, der darum gemacht wird. So wenig wie das gedöns irgendeiner Gruppe von Jugendlichen, die das gleiche fordern wie er... Ich war vor meiner Begegnung mit der Katholischen Kirche selber mal in so einer Clique, die sich bis hin zu "Todesdrohungen" über den "alten verkappten Mittelalterlichen" in Rom aufgeregt hat. Es ist bedeutungslos.

Das Einzige, was man hier als "Skandal" werten könnte ist, dass dieser Mensch fahrlässig genug war, seine Meinung auf der Uniseite zu publizieren, statt es am Stammtisch zu belassen. Und ich bin ehrlich gesagt froh, dass es an der Uni keinen Zensor gibt, der schaut ob dort auch alles mit rechten Dingen zugeht. Wichtig bleibt der Hinweis, der ganz unten auf der betreffenden Seite zu lesen ist: "The opinions expressed on this page are the personal opinions of the author. I thank John Sloboda for suggestions, and further suggestions are welcome." Und mehr ist es nicht. Wenn jemand die Homepage seines Arbeitgebers für sein wirres Stammtischgefasel nutzen will, sei ihm das unbenommen... mit den dienstrechtlichen Konsequenzen muss er dann aber auch klarkommen.

Inzwischen kriescht Parncutt zu Kreuze, wenn es unter der Internetadresse seines Pamphletes (das übrigens mindestens seit Oktober online war und noch als Cache bei Google zu finden ist) nunmehr heißt:
"I wish to apologize publicly to all those who were offended by texts that were previously posted at this address. I made claims that were incorrect and comparisons that were completely inappropriate, which I deeply regret. I alone am entirely responsible for the content of those texts, which I hereby withdraw in their entirety."

Ich weiß nicht wie es euch geht, aber in christlicher Gesinnung glaube ich ihm und wünsche ihm für die Zukunft das Beste (inklusive das Wiederfinden akademischer Bescheidenheit: Schuster, bleib bei deinem Leisten)!

5 Kommentare:

  1. So richtig ich es finde, die Sache tiefer zu hängen, stimme ich dem Kommentar doch nicht in Gänze zu:

    1.) Doch, Parncutt h a t die Todesstrafe für den Papst gefordert. Im Ausgangstext hieß es ausdrücklich:

    "We are talking about millions of deaths, so according to the principle I have proposed, the Pope and perhaps some of his closest advisers should be sentenced to death.

    I am talking about the current Pope, because his continuing refusal to make a significant change to the church's position on contraception (more) will certainly result in millions of further unnecessary deaths from AIDS in the future."

    2.) Gewiss ist Parncutt als Musikwissenschaftler für die von ihm diskutierten Fragen völlig unzuständig; wer aber als Wissenschaftler die Todesstrafe für Menschen fordert, die abweichende Meinungen und Theorien vertreten, wird sich schon die Frage nach seinem Ethos und seiner Eignung als Lehrender gefallen lassen müssen.

    Viele Grüße
    Morgenländer

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    1. Eine konkrete Forderung sehe ich darin nicht, sondern nur, wie gesagt, das logische "Weiterdenken" seiner generellen These (die sich v.a. auf die Leugner des Klimawandels bezieht), so abstrus sie auch ist.
      Seine Eignung als Lehrender ist ein ganz anderes Thema, das ich mir hier gespart habe. Aber ich vermag auch keinen wirklichen Zusammenhang zu sehen zwischen seinen ethischen Ansichten im Bezug auf die Todesstrafe und seiner Befähigung Musiktheorie zu unterrichten. Es gibt, etwa in den USA, haufenweise qualifizierte Leute die für die Todesstrafe sind... Sogar Thomas von Aquin rechtfertigte sie.

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    2. Das sehe ich doch etwas anders:

      1.) Gegen Ende des Ursprungstextes fordert Parncutt ausdrücklich gesetzliche Änderungen, die die Verfolgung der von ihm kritisierten 'Vergehen' ermöglichen würde.

      2.) Es geht doch nicht um die Todesstrafe als solche, sondern darum, dass hier ein Lehrender die strafrechtliche Verfolgung (und ggf. Tötung) Andersdenkender und -lehrender forderte. Mit solchen Äußerungen - von denen Parncutt nun ja Abstand genommen hat - stellt man sich selbst außerhalb der Gemeinschaft der Lehrenden.

      Viele Grüße
      Morgenländer

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    3. Das mag man als "Forderung" der Todesstrafe für den Papst deuten; ich sehe darin nur ein Gespinst das dies als eine mögliche logische Folgerung hat. Und auch Parncutt sah es m.E. nur als Möglichkeit seiner abstrusen Ideen und daher nicht als Forderung (Originaltext: "it follows that the death penalty MIGHT BE an appropriate punishment for influential GW deniers and POSSIBLY also the Pope"). Ändert nichts daran, dass es belanglos ist, weil dieser Mensch keine Qualifikation und keine Ahnung hat. Wieso sollte das irgendwer ernstnehmen (vgl. den Bäcker beim Brückenbau)?

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    4. Nun, der Mann ist halt kein Bäcker, sondern ein Hochschullehrer.

      Und, nochmal, er hat nicht über die Todesstrafe im allgemeinen nachgedacht, sondern sie als Sanktion gegen missliebige Meinungen in Erwägung gezogen.

      Die Universität Graz hatte deshalb m.E. gute Gründe, seine Äußerungen scharf zurückzuweisen:

      "Die Karl-Franzens-Universität Graz ist bestürzt und entsetzt über die Ansicht und distanziert sich davon klar und deutlich.

      Die Universität legt größten Wert, dass die Wahrung aller Menschenrechte zu den obersten Prinzipien der Universität Graz gehört und menschenverachtende Aussagen mit aller Entschiedenheit zurückgewiesen werden.

      Die Universität weist zusätzlich mit Nachdruck darauf hin, dass eine rein persönliche Ansicht, die nicht im Zusammenhang mit der wissenschaftlichen Arbeit steht, auf universitären Webseiten nicht toleriert wird."

      Viele Grüße
      Morgenländer

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