Donnerstag, 20. Dezember 2012

Theologische Tricks

Die "Theologie" in der Stanza della Segnatura
Ich habe mich ja nun schon öfter über das (Un)Wesen der heutigen Theologie geäußert (siehe Label)... 
Vorhin fiel mir ein besonders schönes Beispiel in die Hände, an dem man einen guten Teil des heutigen Theologietreibens sehr gut veranschaulichen kann.
Es ist ein kleines Büchlein des (früher in Tübingen ansässigen) Theologen Meinrad Limbeck (braucht man nicht zu kennen): "Abschied vom Opfertod. Das Christentum neu denken". Der Titel ist Programm, denn der Autor erfindet hierin im Wesentlichen ein ganz eigenes Gebilde und er hat die Dreistigkeit, dieses als "Christentum" zu bezeichnen.

Besonders deutlich wird seine Methode bei seiner Behandlung des letzten Abendmahles einsichtig: Er behauptet (natürlich im Einklang mit der "neutestamentlichen Wissenschaft"), dass dies Berichte der Evangelien freilich nicht protokollarisch die wahren Ereignisse schildern, sondern es sich vielmehr um nachösterliche Erzählungen handelt, die, und jetzt kommts, natürlich keine wirklichen Ereignisse oder Worte Jesu behandeln, sondern nur kultätiologisch zu verstehen sind. Auf Deutsch: Die frühchristliche Gemeinde wollte die Texte, die sie im Gottesdienst verwendet, dadurch legitimieren (d.h. mit Jesus in Verbindung bringen), dass sie sie ihm (in den Evangelien) in den Mund legte. Und natürlich kann auch nicht der Versuch fehlen, zu rekonstruieren, was Jesus "wirklich" gesagt und getan hat.

Das Teil ist überaus amüsant zu lesen. Die Suggestionsversuche des Autors kommen allerdings etwas plump daher.
Der Autor stellt hier eine falsche Alternative in den Raum: Entweder protokollarischer Bericht oder nachösterliche Erfindung. Natürlich behaupten die Evangelien nie, ein Protokoll zu sein, sondern jedem ist klar, dass sie nach Ostern geschrieben wurden. Warum das dann aber zwangsläufig erdichtet und erfunden sein muss, wird nich gesagt. Das ist nämlich das Postulat, dass das so ist! (Denn jeder weiß natürlich, dass alle Biographien oder Berichte, die erst nach dem Ableben einer Person über diese Person verfasst werden, natürlich nur Erfundenes beinhalten. *hüstel*)

Interessant ist auch, dass der Autor nie fragt, woher denn eigentlich die Texte kommen, die die frühchristliche Gemeinde in ihrem Gottesdienst verwendet. Von Jesus können sie anscheinend nicht kommen, denn dem wurde das ja nur im nachhinein angedichtet, um ihre Verwendung zu legitimieren... oder so... Also wurden die Texte von irgendwem erfunden... in allen christlichen Gemeinden gleichzeitig... und danach Jesus in den Mund gelegt... von unterschiedlichen Autoren in unterschiedlichen Erdteilen in unterschiedlichen Jahrzehnten immer und immer wieder...
Den anderen Ansatz, dass die frühchristliche Gemeinde diese Texte benutzte WEIL sie von Jesus (bezeugt durch die Apostel) stammten, lässt er stillschweigend unter den Tisch fallen. Es sei eben Konsens der Fachgelehrten, dass es ansdersrum sei (egal, wie unlogisch oder hanebüschen es ist).
Die wundervolle Ironie bei alledem ist, wie so oft, dass hier den biblischen Autoren große Erfindungsgabe (und Unredlichkeit) vorgeworfen wird, die Gedankengänge des Autors aber sehr viel mehr dieser Kategorie angehören.


Um auf den Punkt zu kommen: Mit dieser Methode, die heute en vogue ist, lässt sich wunderschön das ganze Christentum dekonstruieren... man kritisiert nicht mehr Glaubensaussagen, die nicht wortwörtlich in der Bibel stehen (vgl. Mariendogmen etc.) - das wäre ja auch zu leicht -, sondern man deklariert die biblischen Glaubensaussagen als nachträgliche Erfindungen... Man postuliert also einen "wahren Glauben", der gewissermaßen "vor-biblisch" ist, im Zeugnis der Bibel aber bereits verfälscht daherkommt. Die Folge ist, dass man nun völlig frei ist alles und jedes zu behaupten, was dieser "wahre Glaube" sei, denn man ist nicht mehr an die oftmals lästigen Aussagen der Bibel gebunden. Und dabei kommen dann die unzähligen mal mehr mal weniger bescheuerten Jesusse raus, die man heute bestaunen kann. Das ist vielleicht einer der wichtigsten Tricks, die heute breite Anwendung finden beim Selbstmord der christlichen Theologie.
(Ganz neu ist das natürlich nicht: alle bedeutenden Häresien in der Geschichte haben diese Methode verwendet... Neu ist nur, dass unsere Bischöfe dem Treiben untätig zusehen.)

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