Samstag, 29. Dezember 2012

Ist es "designt"?

Marc Chagall - Der Spaziergang (1917)
Beim letzten Mal habe ich in dieser kleinen Serie gezeigt, dass Intelligent Design nichts anderes ist als handelsüblicher Kreationismus, da die Behauptungen die gleichen sind, nur weniger offensichtlich: Hier wie dort wird eine creatio ex nihilo einzelner Naturelemente behauptet, welche naturwissenschaftlich widerlegt ist, da wir wissen wie "nichtreduzierbar komplexe" Systeme entstehen und wir für die vorgeblichen Beispiele solcher Komplexität (weniger "komplexe") funktionierende Vorgänger- und Subsysteme in der Natur finden. Nichtreduzierbare Komplexität, die in der (tatsächlich wissenschaftlichen) Biologie ein System in seinem gegenwärtigen Zustand beschreibt und keine Aussagen über seine Entstehung beinhaltet, gehört überdies sogar zu den Vorhersagen einer Evolutionstheorie der natürlichen Auslese.
Nachdem nun also ID als naturwissenshaftlicher Nonsens entlarvt ist, möchte ich mich diesmal mit den philosophischen Schwierigkeiten des Konzepts befassen.


Die zentrale Aussage, die ein Verfechter des Intelliegnt Design über das Objekt seiner Untersuchungen trifft lautet: Es sieht "designt" aus. (Also wurde es design. Von einem Designer.)
Diese Aussage ist in höchstem maße bedenklich.
Warum ist es so falsch zu sagen, etwas sehe „intelligent designt“ aus und daraus zu folgern, dass es auch intelligent designt wurde? 
Weil dem die Annahme zugrunde liegt, ein intelligentes Etwas müsse es designt haben! Das was bewiesen werden soll, muss für das Argument bereits vorrausgesetzt werden; die Schlussfolgerung wird an den Anfang der Überlegung gestellt!
 

Beispiel: 
Kreationisten sagen: "If there is a creation, there has to be a creator!"
ID Vertreter sagen: "If there is design, there has to be a designer!" Fällt was auf (abgesehen davon, dass "design" und "creation" beliebig austauschbar sind)?

Wie stelle ich eine Frage an ein Phänomen, das ich mittels Naturwissenschaft ergründen will?

Wenn die Prämisse lautet: "Hier haben wir eine Schöpfung", ist die Frage "Wo kommt sie her?" umgehend beantwortet: "...von einem Schöpfer".
Wenn die Prämisse lautet: "Hier haben wir Design", ist die Frage "Wo kommt es her?" auch umgehend beantwortet: "...von einem Designer".
Wenn die Prämisse lautet: "Hier haben wir einen echten Chagall", ist die Frage "Wo kommt er her?" wiederum umgehend beantwortet: "...von Marc Chagall".


Dies ist keine wissenschaftlich Fragestellung, weil das Gesuchte bereits in der Prämisse steckt. Schöpfung ist per Definition etwas Geschöpftes (Geschaffenes), Design ist per Definition etwas Designtes und Chagalls Ölgemälde sind per Definition von Marc Chagall gemalt.


Manchmal verschärfen diese Leute die Falschheit ihrer "Forschung" noch, indem sie ganz konkret fragen "Who created/designed it?". Offensichtlicher kann man eine Schlussfolgerung garnicht in die Frage packen: hier wird als Verursachendes sogar eine Personalität vorrausgesetzt, etwas das kein Naturwissenschaftler je tun würde, sucht er doch nach natürlichen Ursachen (für natürliche Phänomene)! Solch eine Fragestellung schränkt nämlich automatisch das Feld der möglichen Antworten dramatisch ein: es bleibt faktisch nur eine Antwort übrig... "God did it!"

Der Naturwissenschaftler fragt indes so: "Hier haben wir etwas: wie kam es dazu, was ist der Grund dafür?" Jetzt kann das Forschen losgehen. Diese Frage enthält keinerlei fragwürdige Prämissen und nimmt keine mögliche Schlussfolgerung vorweg.
 

Es sei angemerkt, dass die Aussage "es sieht designt aus" nicht das eigentliche Problem ist, denn das denken die meisten Biologen bei vielen Dingen auch. Jedoch wird dieses Attribut von Naturwissenschaftlern erst nach dem Frageprozess gegebenenfalls angewendet, um zu verdeutlichen wie gut beispielsweise die Füße des Kamels an das Laufen auf lockerem Sandboden angepasst sind (sie sind sehr breit, nach dem selben Prinzip wie Schneeschuhe). Diese Konstatierung, hier läge "ein ausgefeiltes Design (der Evolution)" vor, ist aber eher ein Ausdruck von Bewunderung gegenüber dem aktuellen (gut angepassten, funktionalen oder schönen) Zustand und keine Aussage über die Entstehung. Die Frage ist zudem, was damit gemeint ist: heißt das, etwas ist gut geeignet für seine Funktion, etwa die Hände zum greifen? Die meisten Biologen sprechen eben auch von "Design", und sie meinen eines "von unten": ein natürlicher Prozess (der zuvor erforscht wurde) der eine Anpassung an die jeweiligen Notwendigkeiten in der Weise einer Entwicklung bewirkt, namentlich: Evolution. Ist der Prozess erforscht der dafür verantwortlich ist, wird zuweilen das Attribut "Design" angewendet; nicht vorher! Somit fällt auch ein möglicher "Designer" aus dem Feld, denn der Entstehungsprozess wurde, wie gesagt, vorher erforscht.

Der Fehler der Kreationisten ist, das "Angepasstsein" biologischer Strukturen (was, wie schon oft wiederholt, eine Naturnotwendigkeit alles Lebendigen ist) zu anthropomorphisieren: Sie sagen, dass wir Menschen ja ständig Gegenstände (z.B. Werkzeuge) "intelligent designen" um bestimmte Zwecke zu erfüllen, somit muss das "Design" in der Natur gleichfalls von einer Intelligenz entworfen/ausgeführt worden sein. 

Hier kommt Ockhams Rasiermesser zum Zuge: was ist plausibler: dass ein natürlicher Prozess der Veränderung und Selektion, dessen Funktionsweise wir beobachten, verstehen und testen können und dessen Kenntnis uns bereits viele Vorhersagen machen lässt um so beispielsweise Krankheiten zu behandeln, durch graduelle Anpassung an konkrete Bedingungen und Anforderungen eine hohe Funktionalität von bestimmtes Strukturen hervorbringt; oder, dass eine nicht näher bekannte, per Definition nicht ergründbare (weil übernatürliche) "Intelligenz" auf eine nicht bekannte Art und Weise auf unbekannter Ebene irgendwie in die natürlichen Prozesse eingreift um irgendetwas zu tun (und dies zu wiederholen, sobald sich die Umweltbedingungen und Anforderungen ändern; was sie de facto ständig tun)? Die Behauptung der Kreationisten ist, mit einem Wort, außergewöhnlich. Außergewöhnliche Behauptungen benötigen nun aber auch außergewöhnliche Belege... diese fehlen jedoch völlig.

Dass wir Menschen Werkzeuge für bestimmte Funktionen "designen", wissen wir, weil wir diesen Vorgang beobachten und sogar selbst erlernen können! Eine Intelligenz, die mächtig genug ist, ein ganzes Universum zu erschaffen, haben wir bisher noch nicht bei ihrem Tun beobachtet und wir haben auch keine Möglichkeit, dieses Handwerk zu erlernen.
Oder anders: Es wird oft mit einem simplen suggestiven Trick versucht, leute für die Idee des ID zu gewinnen: Wenn du ein Auto siehst oder eine Uhr am Strand findest oder ein Gemälde im Wald hängen siehst, dann denkst du doch auch nicht, dass es "natürlich entstanden" ist, sondern du weißt instinktiv, dass hier ein Designer (in dem fall ein Mensch) am Werk war. Nun schau dir mal dieses komplexe Flagellum an!
Und an sich ist diese Aussage richtig. Wir wissen, dass Autos, Uhren und Gemälde von einer "Intelligenz", einem Handwerker oder Maler hergestellt werden, weil, nochmal, wir diese Prozesse beobachten können und wir sogar selbst Autos, Uhren und Gemälde herstellen können!
Von diesem offensichtlichen Faktum abgesehen, fehlen allen diesen Beispielen jedoch auch alle Eigenschaften, die es biologischen Organismen erlauben, sich im Laufe der Zeit zu entwickeln: Weder Autos, noch Uhren, noch Gemälde sind lebendig. Sie haben keine Gene die Veränderungen unterliegen, sie reproduzieren sich nicht und rekombinieren nicht ihr Erbmaterial... in einem Wort: Sie erfahren keine Evolution. Hier liegt ein fundamenatler Kategorienfehler vor.


Was ist eigentlich "Design"?
Nun wird ja oft die "nichtreduzierbare Komplexität" als "Designargument" vorgebracht. Warum eigentlich? Warum sollen ausgerechnet diese komplexen Strukturen an Hinweis auf "intelligentes Design" sein?
Denkt man das mal durch, fällt etwas erstaunliches auf: Komplexität ist eigentlich gar kein Indiz für Design. Im Gegenteil: große Komplexität ist oftmals gerade kein Ziel von Design. Eine gute Maschine ist die, die möglichst wenige komplexe (störanfällige!) Mechanismen enthält, die also möglichst simpel einen Zweck erfüllen kann. Sind also vielleicht gerade die weniger komplexen Strukturen ein Anzeichen für Design? Wieso nicht? Jeder kennt doch die "Designermöbel" die so unglaublich schlicht und klinisch daherkommen. Ist ein Hocker nur ein einfacher weißer Würfel, nennt man das Design.
Was ist Design?
Alles kann Design sein! Jede Struktur, sei sie simpel oder komplex oder irgendwas dazwischen, kann Design sein... Warum sollte irgendetwas kein Design sein? Hat der Designer nur bestimmte Strukturen bis zu einem vorher festgelegten Komplexitätsgrad "designt" und die übrigen nicht? Woher kommen diese dann? Welcher Grad an Komplexität ist die Grenze? Warum? Ist alles Design? Ist nichts Design?
Tatsächlich ist die Behauptung von intelligentem Design eine Antwort auf alles und nichts. Von allem ließe sich behaupten, dass es designt sei... und jedesmal ist der erklärende Gehalt exakt 0 (ausgeschrieben: Null).
Das gesamte Konzept von "Intelligent Design" erklärt nichts. Nada. Zip. Zero. Zilch. Rien. Nothing.

"Design" ist eine Projektion. Es ist eine "Wertung", ein Urteil, ein Gefühl, ein Eindruck.
Unser Gehirn verfügt über Fähigkeiten zur Mustererkennung. Darum suchen wir Menschen instinktiv nach Mustern und Zusammenhängen in der Natur. Das ist sehr wichtig um z.B. bei der Jagd zu wissen, wie die Beute reagiert, um unsere Artgenossen zu erkennen oder um zu Wissen, wie man ein Tier am besten erlegen und zerteilen kann. Wir suchen Muster in der Welt um in ihr zurecht zu kommen; jedoch ist nicht jedes Muster tatsächlich objektiv vorhanden, geschweige denn "absichtlich platziert". In manchen Phänomenen finden wir Muster, in manchen nicht (z.B. weil es zu komplex ist). Ein gutes Beispiel sind die Sterne: was wir als Sternbilder kennen, existiert nicht... es sind Sterne die, von der Erde aus betrachtet!, mit viel Phantasie als Eckpunkte für Kreaturen und Gegenstände imaginiert werden... mit zufällig platzierten Punkten auf einem Blatt Papier kann man das gleiche Spielchen machen.

Einem Phänomen oder einer Struktur "Design" zuzusprechen ist ein Urteil. Es ist aber ein Urteil das immer von Subjekten kommt und immer subjektiv bleiben muss. In seiner "Kritik der Urteilskraft" befasst sich Immanuel Kant im Grunde genau mit diesem Problem und er erteilt den Intelligent Design-Vertretern eine schallende Absage: Alleine schon das Urteil, etwas sei zweckmäßig (z.B. das Auge) ist nicht objektiv. Es ist vielmehr ein subjektives Urteil, das keinerlei Anspruich auf Obejtktivität besitzt. Die Aussage, etwas sei "designt", ist noch weit abgehobener und hat demnach nichts mit der Wirklichkeit zutun (denn, siehe oben: was ist Design? Woran erkennt man es?), sondern ist nur ein subjektives Urteil, bestenfalls ein Ergebnis von Mustererkennung.

Subjektive Urteile mögen im Nachhinein zum Ausdruck gebracht werden (s.o.), aber sie helfen nicht bei der naturwissenschaftlichen Erforschung und sie können erst recht nicht als Prämisse fungieren.

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