Mittwoch, 2. Mai 2012

Der kleine Unterschied

"Kirchenkritik!" ist ein Schlagwort. Mehr noch: Ein Schlachtruf! Wer medial präsent sein will, der muss "die Kirche kritisieren". Aller Orten, wann immer es um "Kirche" geht, findet man "Kritik". Man ist gehalten, auch und besonders als Student der Theologie, immer "kritisch" der Kirche gegenüber zu stehen. (Dass man als Katholik gefälligst IN der Kirche steht und zu stehen hat, wird einem dagegen nur sehr selten gesagt.)

Ganz ehrlich: damit kann ich gut leben. Ja, es ist sogar unabdingbar für mein Leben in dieser Kirche!

Vor meinem Katholischwerden, und das sage ich nicht zur Selbstbeweihräuscherung, sondern weil ich ein Argument vortragen will, hatte ich genügend Zeit um mir einen interrogativen und stets skeptischen Verstand anzutrainieren.
Und das habe ich beibehalten. Ich kritisiere ständig die "Kirche". Auch meine Kritik des Katholikentages dieser Tage ist nichts anderes. Wann immer ich etwa liturgische Missbräuche oder das Schweigen der deutschen Bischöfe zum Jahr des Glaubens mokiere, tue ich nichts anderes als "Kirchenkritik". 

Kirchenkritik heißt für mich, dass ich mich mit der Praxis, also gewissermaßen der lex agendi der Kirche nicht automatisch abfinde, sondern diesen "Kampf der Sünder um die Heiligkeit" (J. Ratzinger), der die Kirche ist, mitkämpfe. Das kritische Bewusstsein gegenüber der Kirche basiert auf dem Wissen, dass sie eine ecclesia militans ist, genauso wie auf dem Wissen, dass sie Leib Christi, Seine Braut, Haus Gottes und Tempel des Geistes ist.

Kirchenkritik heißt für mich, dass ich mich mit der lex agendi (und darin oft auch der lex orandi) meiner (Orts)Kirche nicht einfach abfinde, sondern sie so gut es eben geht immer an der lex credendi messe und schaue, was gut und was schlecht, was wahr und was falsch ist. Ich kann die Kirche nicht einfach ändern. Das ist, zumal als Laie, nicht meine Aufgabe. Ich kann aber mich verändern. Ich kann es vormachen. Und ich kann auch, wenn mir das "Vormachen" von oben herab vermießt oder gar unmöglich gemacht wird, auch meine Brüder in Xto ermahnen. Und das ist auch meine gottgegebene Pflicht!

Die medial präsente (und monetär höchst rentable) "Kirchenkritk", v.a. die, die aus dem Innern des katholischen Organismus kommt, hat zumeist nichts mit dem eben Beschriebenen zutun. Hier wird die lex credendi gemessen, und zwar am Zeitgeist, dem die lex agendi teilweise schon längst verfallen ist. 

Ja, ich bin sehr kritisch mit meiner Kirche. Aber der Maßstab ist der Glaube: Der Maßstab, an dem die oft so verschmutze und verunstaltete Kirche gemessen werden muss ist nicht der Boden, von dem der Staub und der Dreck stammt, mit dem ihr Antlitz verschmutzt wurde. Der Maßstab ist ihr reines, gottgewolltes Ideal. So wie Gott die Kirche will, so wie er sie sieht(!): Daran gilt es sich zu orientieren. Und darauf gilt es auch zu hören: Sie ist und bleibt ja auch die Mutter ihrer Kinder!

Man hat die Wahl: Man kann "die Kirche" kritisieren, man soll es sogar. Die Heiligen waren sehr oft auch heilige Mahner. Was aber viel zu oft passiert, und hier ist der Unterschied, ist eine Kritik des Glaubens der Kirche. Statt in aller Ernsthaftigkeit nach der Heiligkeit der Kirche zu fragen, hört man oft ein Gezeter und eine Phrasendrescherei, die, bei genauerem Hinhören, an eine bekannte Titelmusik erinnert...: 2 x 3 macht 4... Widdewiddewitt und Drei macht Neune !!... Ich mach' mir die Welt... Widdewidde wie sie mir gefällt...

Augustinus sagt irgendwo in seinem Johanneskommentar, dass die Kirche zu Christus unterwegs ist. Aber, so sagt er, um zu ihm zu gelangen, muss sie die Erde betreten. Darum lässt Augustinus, das Hohelied zitierend, die Kirche sagen "Ich habe meine Füße gewaschen; wie sollte ich sie beflecken?" (Hld 5,3) Sie bedarf darum immer wieder der Reinigung.  Aber es gilt zu unterscheiden zwischen dem Schmutz und dem Antlitz. Zwischen dem Ungemach ihrer Glieder und ihrem Wesen, zu dem unbedingt auch der (ganze!) Glaube gehört.

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