Das Dokument mit dem wohlklingenden Titel "Concluding observations on the second periodic report of the Holy See" findet sich hier (klick). Dass es diesen Bericht der Kommission für die Rechte der Kinder gibt ist gut. Sowas gehört auch dazu, seit der Vatikan die "Kinderschutz-" oder "Kinderrechtskonvention" (Convention on the Rights of the Child, CRC) unterzeichnet hat. Damit gehört die Kirche zu den Institutionen (oder Staaten), die sich dann auch einer regelmäßigen Überprüfung hinsichtlich der Umsetzung bzw. Einhaltung der UNCRC unterziehen müssen. Jeder Stolz nach dem Motto "die Kirche muss sich nix sagen lassen" wäre also schonmal verfehlt. Der Heilige Stuhl - und damit die Katholische Kirche - hat sich zur Zusammenarbeit bereit erklärt, als er die Konvention unterzeichnet hat. Und sehr vieles in diesem Bericht ist auch richtig und wichtig.
Im Hinblick auf Homosexualität geht es eigentlich noch umfangreicher um das Thema Diskriminierung bei Kindern. So wird etwa noch vor der Erwähnung unterschiedlicher sexueller Orientierungen die Frage nach der Unterscheidung zwischen legitimen und illegitimen Kindern gestellt. Der betreffende Absatz:
»The Committee recommends that the Holy See bring all its laws and regulations, as well as its policies and practices, in conformity with article 2 of the Convention and promptly abolish the discriminatory classification of children born out of wedlock as illegitimate children. The Committee also urges the Holy See to make full use of its moral authority to condemn all forms of harassment, discrimination or violence against children based on their sexual orientation or the sexual orientation of their parents and to support efforts at international level for the decriminalisation of homosexuality.« (26)
Ich finde es auch befremdlich, dass im CIC von in einer Ehe geborenen Kindern als "legitimiert" (lat. legitimati) gesprochen wird (z.B. c. 1139 CIC). Das mutet tatsächlich wie ein Stigma an. Dass diese Unterscheidung kanonisch irgendwie sinnhaft ist, mag ja sein, aber ließe sich das nicht anders ausdrücken? Welchen Sinn hat es, mit dieser Sprachregelung implizit außereheliche Kinder als "illegitim" zu deklarieren?
Was die Homosexualität angeht: Die Kommission drängt den Heiligen Stuhl, "alle Formen von Belästigung, Diskriminierung und Gewalt gegen Kinder aufgrund ihrer sexuellen Orientierung oder der ihrer Eltern" zu verurteilen. Soweit sehe ich da nichts Schlimmes.
Im vorhergehenden Absatz heißt es:
»While also noting as positive the progressive statement delivered in July 2013 by Pope Francis, the Committee is concerned about the Holy See’s past statements and declarations on homosexuality which contribute to the social stigmatization of and violence against lesbian, gay, bisexual, and transgender adolescents and children raised by same sex couples.« (25)
Hier wird einerseits natürlich auf das allbekannte abgedroschene päpstliche "Wer bin ich, dass ich urteile" verwiesen, andererseits auf "frühere Aussagen" rekurriert. Wichtig finde ich, dass die Sorge hier konkret dadurch begründet wird, dass diese früheren Aussagen und Verkündungen (es werden keine Beispiele genannt) zu einer sozialen Stigmatisierung und zu Gewalt beigetragen haben. Nun wissen wir alle, dass es mehr als ausreichend Idioten und Fundamentalisten in der Kirche gibt, um das nicht so einfach vom Tisch zu wischen. Viele der in dem Bericht angesprochenen Probleme sind natürlich kein Regelfall, aber sie sind Realitäten, die es zu berücksichtigen gilt, etwa elterliche Gewalt gegen Kinder.
Und so glaube ich auch hier, dass zuweilen die kirchlichen Verkündigung zu Stigmatisierung und Gewalt führen konnte, gerade auch, und darum geht es ja, wenn es sich um Kinder handelt.
Dass natürlich laut kirchlicher Lehre auch homosexuell empfindenden Menschen "mit Achtung, Mitgefühl und Takt zu begegnen" ist und es untersagt ist "sie in irgend einer Weise ungerecht zurückzusetzen", steht zwar so im Katechismus (Nr. 2358), wird aber de facto nicht von jedem Katholiken praktiziert (wie so vieles im KKK).
Ich sehe hier nichts, was die Katholische Kirche veranlassen sollte, ihre Lehre über die Sündhaftigkeit homosexueller Akte zu ändern. Es geht wohl eher um die Vermittlung einer achtungsvollen Haltung und die immer sehr wichtige Unterscheidung zwischen der Sünde und dem Sünder: Die Kirche soll sich mehr dafür einsetzen, ihren eigenen Prinzipien folgend, den Sünder zu lieben. Mehr sehe ich darin nicht. Und wir sollten uns davor hüten, den gleichen Fehler wie die Anti-Katholiken zu machen, Sünder und Sünde zu vermengen.
Bezüglich der Frage nach Abtreibung, heißt es im Bericht der Kommission für die Recht der Kinder:
»The Committee urges the Holy See to review its position on abortion which places obvious risks on the life and health of pregnant girls and to amend Canon 1398 relating to abortion with a view to identifying circumstances under which access to abortion services can be permitted.« (55)
Wenn wir den ersten Teil mal zurückstellen, geht es hier um eine Änderung von c. 1398 CIC, worin es heißt, dass, wer eine Abtreibung durchführt, sich die Exkommunikation als Tatstrafe zuzieht. Ich gebe der Kommission mal einen Vertrauensvorschuss und sage, dass es um Folgendes geht: Der Kanon 1398 ist unzureichend (formuliert), denn er lässt einen bestimmten legitimen Fall von Abtreibung unberücksichtigt, nämlich die "indirekte" Abtreibung: Wenn ein nicht auf nach der Schwangerschaft verschiebbarer Eingriff zur Rettung des Lebens der Mutter quasi als Kollateralschaden eine Abtreibung zur Folge hat (siehe dazu hier die "Klarstellung zur vorsätzlichen Abtreibung" der Konkregation für die Glaubenslehre von 2009). Es geht also um den Fall, dass die Tötung des Ungeborenen erforderlich ist, um das Leben der Mutter zu retten. Das ist auch sinnvoll, denn niemand, auch keine Mutter, kann dazu gezwungen werden, sein oder ihr Leben für jemand anderen hinzugeben. Nicht jeder hat den heroischen Mut einer Gianna Beretta Molla, die genau so einen Eingriff nicht durchführen ließ, ihr Kind gebar und kurze Zeit später starb (es ist kompliziert, denn sie starb nicht direkt an der Kondition, die zuvor eine Entfernung ihrer Gebrmutter erfordert hätte, aber das führt jetzt zu weit).
Der erste Teil wird klarar aus dem vorhergehenden Absatz:
»The Committee expresses its deepest concern that in the case of a nine-year old girl in Brazil who underwent an emergency life-saving abortion in 2009 after having been raped by her stepfather, an Archbishop of Pernambuco sanctioned the mother of the girl as well as the doctor who performed the abortion, a sanction which was later approved by the head of the Roman Catholic Church’s Congregation of Bishops.« (54)
Hier wird jener fürchterliche Fall von 2009 erwähnt, als bei einem Neunjährigen Vergewaltigungsopfer eine lebensrettende Abtreibung durchgeführt werden musste und der zuständige Erzbischof daraufhin alle beteiligten exkommunizierte.
Mir scheint die Kritik der Kommission insofern wenig berechtigt, da genau diesem Fall mit der bereits erwähnten Klarstellung der Kongregation für die Glaubenslehre Rechnung getragen wurde.
Darum gehts: Kurienerzbischof Rino Fisichella, damals Präsident der päpstlichen Akademie für das Leben, schrieb damals einen Artikel im L'Osservatore Romano (hier nachzulesen), der ob seines versöhnlichen und explizit solidarischen Tons bei vielen die Frage aufkommen ließt, ob die Kirche ihre Lehre geändert habe. Hat sie nicht, siehe jene Klarstellung. [U.a. kritisierte der Erzbischof, dass der zuständige Bischof überhaupt solch öffentliches Aufheben um die Exkommunikation gemacht und damit unnötige Aufmerksamkeit und Druck über die Betroffenen gebracht hat; zumal das völlig sinnfrei geschah, denn wenn eine Exkommunikation aufgrund einer Abtreibung erfolgt, dann tut sie das latae sententiae, d.h. sie tritt automatisch, ipso facto ein und muss nicht öffentlich ausgesprochen werden. Letzteres wäre eine "Spruchstrafe", die ferendae sententiae erfolgt.]
Dass die Kongregation für die Bischöfe das Vorgehen des Erzbischofs bestätigt haben soll, kommt mir sowieso sehr komisch vor, da diese Kongregation m.E. bestenfalls feststellen kann, ob der Bischof generell in so einem Fall Sanktionen auferlegen kann, nicht aber, ob diese Sanktionen in diesem speziellen Fall rechtens sind. Aber, wie gesagt, die Kongregation für die Glaubenslehre (die für soetwas zuständig ist!) hat das ja klargestellt. Und Erzbischof Fisichella kann ich eigentlich nur zustimmen.
Es scheint mir hier tatsächlich v.a. um die Formulierung von Kanon 1398 zu gehen und weniger um die kirchliche Lehre, die ja bereits eine Abtreibung im Falle der Gefahr für das Leben der Mutter erlaubt.
Dass nun in dem Bericht der Kommission im Plural von "Umständen" gesprochen wird, unter denen Abtreibungen erlaubt sind, und dass diese zu identifizieren seien, macht auch mich stutzig. Es gibt nämlich nur einen einzigen Fall: Wenn das Leben der Mutter zu retten ist.
Generell rate ich aber wegen dieser UNO-Sache zum Abregen. Der Heilige Stuhl hat sich, wie gesagt, zur Zusammenarbeit bereiterklärt, und vieles in dem bericht ist durchaus von Bedeutung. Ich sehe nur sehr wenige "Indizien", dass eine Änderung der kirchlichen Lehre in der Intention der UNO liegt. Und selbst wenn: Die Kirche wird ihre Lehre nicht ändern, weil sie sie gar nicht ändern kann!
Die Schlagzeilen bei SPON und anderswo, denenzufolge die UNO von der Kirche Änderunen an der Lehre fordert, beruhen v.a. auf der üblichen Unkenntnis der kirchlichen Lehre und einer ideologisch bebrillten Lektüre des Kommissionberichts und dienen nur, wie üblich, der Meinungsmache.
Zu den Begriffen "legitim" und "illegitim":
AntwortenLöschenDie Begriffe leiten sich (wie Du wahrscheinlich eh weißt) von lat. lex = Gesetz ab und bedeuten dementsprechend "gemäß dem Gesetz" bzw. "gesetzeswidrig" oder "außerhalb des Gesetzes".
Das bedeutet oder beabsichtigt keine Diskriminierung im negativen Sinne, sondern ist eine einfache Tatsachenfeststellung, die aber z. B. für die Erbfolge (also auchdie Rechte des Kindes) weitreichende Konsequenzen haben konnte und zur Gerechtigkeit (!) und Aufrechterhaltung der bestehenden Ordnung und nicht zuletzt zum Schutz (auch der Rechte) des legitimen wie des illegitimen Kindes wichtig ist.
Die UNO gebraucht das Wort "discriminatory classification" (im negativen Sinn) und der Kirche damit eine solche negative (benachteiligende) "Diskriminierung" von unehelich (illegitim) geborenen Kindern. Diese Wertung ist eine wirkliche Unterstellung, in Wirklichkeit ist dies kein wertender, sondern ein lediglich beschreibender Begriff, der der Gerechtigkeit geschuldet ist. Von daher ist die Forderung der UNO eine Unverschämtheit, die die Ungerechtigkeit und den Unfrieden in den Familien fördert.
Wie wir wissen, verurteilt die Kirche die Sünde (außereheliche Zeugung des Kindes), nicht aber das daraus hervorgegangene Kind. Wie aus den alten Kirchenbüchern zu ersehen, in denen die Taufen eingetragen sind, wurden illegitim geborene Kinder genauso getauft, wie ehelich geborene. Sie wurden genauso in die Kirche aufgenommen, wie ehelich geborene - und das schon zu Zeiten, als es noch keine Kirchensteuer gab (an der bzw. der Aussicht auf solche, es also nicht liegen konnte).
Wenn boshafte Leute in manchen Fällen unehelich geborene Kinder verachteten oder tatsächlich diskriminierten, so lag das nicht an der Kirche, sondern an einem mangelnden Verständnis oder vielleicht auch Neid dieser Personen. Das wird man aber nicht der Kirche anlasten können.
Danke für diese ergänzenden Ausführungen.
LöschenWas ich glaube, was die Kommission hier meint ist nicht so sehr diese rechtliche Unterscheidung an sich, sondern dass daraus u.U. (und das meint eben auch mangel- oder fehlerhaftes Verständnis auf Seiten von Katholiken!) eine diskriminierende Haltung erwachsen kann. Ich habe das selbst mehr als einmal erlebt, dass sich als "konservativ" verstehende Katholiken ziemlich abschätzig über außerehelisch geborene Kinder reden, ausgehend, wie sie meinten, von kirchenrechtlichen Bestimmungen. Das gibt es also.
Die Anfrage an den gesetzlichen Sprachgebrauch scheint mir daher gerechtfertigt, zumal es heute soetwas wie Erbfolge doch von untergeordneter Relevanz ist und diese Problematik im weltlichen Bereich (und dahin fallen diese rechtlichen Aspekte nunmal im Wesentlichen) ja auch bereits eine Klärung erfahren hat. Es ginge demnach nur um eine sprachliche Regelung, die weniger solchen Missverständnissen und daraus resultierenden Diskriminierungen vorschub leistet.
In der Tat stellte außereheliche Geburt früher meines Wissens ein Hindernis dar, wenn es um die Aufnahme in den geistlichen oder den Stand des geweihten Lebens ging.
LöschenFür die Taufe illegitimer Kinder war im 17. und 18. Jh. allerdings oft auch schonmal die doppelte oder auch drei- oder vierfache Tauftaxe fällig. Das wurde auch kaum von der Kirche unterbunden, sondern durch landesherrliche Verordnungen verboten, die mehr oder weniger lax befolgt wurden. Ordens- oder Klerikerstand waren natürlich immer ausgeschlossen.
AntwortenLöschenSelbstverständlich konnte davon aber auch dispensiert werden. Es hing halt immer davon ab, wie stark sich kirchliche Amtsträger als Sittenwächter standen und dem sittenstrengen Zeitgeist verhaftet waren.
Im vielgescholtenen "Mittelalter" war die illegitime Geburt wohl meistenteils kein größeres Problem, auch das Konkubinat (unverheiratetes Zusammenleben, durchaus auch mit Trennungsoption) war ja als soziale Institution lange Zeit sehr verbreitet und häufig ganz normal, gerade auf dem Land und bei den bäuerlichen Schichten, wiewohl natürlich von der Kirche bekämpft. Man macht sich da häufig falsche Vorstellungen.
Unangenehm war die vorkonziliare Zeit des 20. Jh., also die späte pianische Phase. Da galt es bei konservativen Priestern als Zeichen heroischen Widerstands gegen liberale Anwandlungen, Kindern aus unmoralischen Verhältnissen die Taufe im Zweifelsfall lieber erstmal zu verweigern. Als selbst Betroffener kann ich bestätigen, dass man mitunter sehr darum kämpfen musste, getauft zu werden (da ich als Säugling getauft wurde, weiß ich es natürlich nur aus den Erzählungen meiner Eltern). Der Pfarrer war strikt dagegen. Erst der konzilsduselige Kaplan setzte meine Taufe dann gegen den Willen des Pfarrers doch auf den Terminplan und nahm sie auch selbst vor, nachdem meine Mutter hartnäckig blieb und sich nicht abwimmeln ließ. Der Pfarrer akzeptierte das nur zähneknirschend und schrieb (offensichtlich etwas angesäuert) hinter meinen Eintrag im Taufregister mit einem besonders dicken Filzstift das doppelt unterstrichene Wort "illegitim". Alles nicht irgendwo in Oberbayern, sondern mitten in der rheinischen Metropole.
In den katholischen Kindergarten durfte ich natürlich auch nicht. Nachdem die Nonnen die Aufnahme immer wieder mit fadenscheinigen Begründungen abgelehnt hatten, meldete mich mein Vater schließlich im letzten Vorschuljahr bei den Evangelen an (dass die ein katholisches Kind aufnahmen, war allerdings auch nicht selbstverständlich, die Leiterin war einfach nett und deshalb klappte es). Man muss dabei bedenken, dass der ganze Zeitgeist damals fürchterlich spießig war. Meine Mutter wurde ja keineswegs nur von Katholiken geschnitten, sondern es galt einfach als gesellschaftlicher Makel und wurde überall von bestimmten Menschen naserümpfend angesehen.
Danke für diesen Erfahrungsbericht!
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