Der Tanz um die Demokratie? |
Dass die Verantwortungsträger in der Kirche nicht nach deren eigenem Willen oder dem irgendwelcher Interessengruppen (Demokratie verlangt letztlich Parteiungen) bestellt werden, empfinde ich als einen besonderen Segen. Als Katholiken glauben wir an den göttlichen Beistand, der der Kirche beständig verheißen ist. Dass sich dieser Beistand heute schwerlich über die vox populi kundtun kann, ist eigentlich evident: Wenn in der alten Kirche die Stimme des Volkes als göttlich inspiriert betrachtet werden konnte, oder wenn z.B. der hl. Benedikt in seiner Ordensregel über die Bestellung eines Abtes schreibt:
»Es werde der bestellt, den die ganze Gemeinschaft einmütig in Gottesfurcht gewählt hat oder ein noch so kleiner Teil in besserer Einsicht« (64. Kapitel)dann ist immer dabei vorausgesetzt, dass bei den "Wählenden" nicht nur ein profundes religiöses Wissen, sondern auch eine brennende Liebe zu Gott und seiner Kirche vorhanden ist, und nicht etwa provintialistische Ideologien das Programm bestimmen.
Als Bischöfe mancherorts noch vom Volk per Akklamation bestimmt wurden, gab es noch kein bequemes und strukturell wie finanziell gepolstertes Verbandschristentum, wie wir es heute etwa in Deutschland haben. Da war Christsein noch lebensgefährlich und eine ehrliche Frömmigkeit und tiefe Verwurzelung im Leben und Feiern der Kirche, immer im Gehorsam zum Evangelium und zu den Hirten, war überlebenswichtig. Das war auch die Zeit, als der Taufe ein oft jahrelanger Weg des Katechumenats voranging und die religiöse Bildung, wie auch die Bildung des Herzens, von ganz entscheidender Bedeutung war (nicht zuletzt, weil überall gefährliche Häresien sprossen).
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Die Perikope die die Kirche uns heute in der Lesung vorlegt ist nicht leicht verständlich, wenn man nicht den historischen und religionsgeschichtlichen Kontext kennt. Ein paar Worte zum Verständnis (bitte den Text selbst lesen).
Vorgstern laß die Kirche die Perikope 1Kö 11,4-13, in der vom Abfall Salomos erzählt wurde, weil er Kulthöhen für die fremden Götter seiner Frauen errichtete. Jerobeam wird von Salomo ob seiner Tüchtigkeit zum Fronvogt eingesetzt; später ist es Gott selbst, der Jerobeam durch den Propheten Ahia zum König über das Zehnstämmereich (das Nordreich: Israel; im Unterschied zum Südreich: Juda) einsetzt. Ahia zerreißt den Mantel, den er trägt, und sagt zu Jerobeam:
»Nimm dir zehn Stücke; denn so spricht der Herr, der Gott Israels: Ich nehme Salomo das Königtum weg und gebe dir zehn Stämme.« (1Kö 11,31)Zehn Stämme deshalb, weil der Stamm Juda, der Verheißung an Salomo gemäß, nicht preisgegeben wird (1Kö 11,13: "ich lasse deinem Sohn noch einen Stamm wegen meines Knechtes David und wegen Jerusalem, der Stadt, die ich erwählt habe") und weil ein Stamm hier naturgemäß nicht mitgezählt wird, nämlich der Stamm Levi, der kein Land besaß (vgl. 4Mo 1,49–50).
In der heutigen Perikope nun fürchtet Jerobeam, das ihm übergebene Reich könnte wieder an den König von Juda (und damit Jerusalem) zurückfallen. Um das zu verhindern, kreiert Jerobeam seinen eigenen maßgeschneiderten Kult (zwei goldene Stiere als Kultobjekte; "Kalb" wird als verächtliche Bezeichnung gebraucht), um die religöse Aufmerksamkeit von Jerusalem abzulenken. Er benutzt also diese Religion Marke Eigenbau zum Machterhalt.
Jerobeam wollte vermutlich nicht den Jahwe-Kult abschaffen (1Kö 12,28 sagt er über die Kälber: "dein Gott, Israel, der dich aus Ägypten heraufgeführt hat"), aber ihn doch in ihm nützliche Bahnen lenken. In Bet-El hat bekanntlich der Erzvater Jakob bereits einen Altar errichtet und auch Dan blieb von Israels Kult nicht unberührt. Aber der Stier als zu verehrendes Abbild war in Israels Umgebung als Götze wohlbekannt und beeinträchtigte somit die Klarheit in der Verehrung Jahwes (v.a. gehörte der Stier zur Ikonographie des Baal). Besonders gravierend war es, dass Jerobeam an diesen Kultstätten in Bet-El und Dan viele Opfer darbringen ließ, was nach dem göttlichen Gesetz nur in Jerusalem zu geschehen hatte (vgl. 5Mo 12,5-14).
Schließlich verstieß Jerobeam auch dahingehend gegen die göttlichen Anordnungen, dass er mehrere Höhenheiligtümer errichtete, quasi als Konkurrenz zum Tempel in Jerusalem (der aber außer Konkurrenz stand, weil er die Bundeslade beherbergte) und er zudem die Leviten (die eigentlichen Priester!) aus dem priesterlichen Dienst ausschloss um sodann Priester und Hohepriester aus allen Stämmen nach Gutdünken zu bestellte:
»Er bestellte weiterhin aus allen Teilen des Volkes Priester für die Kulthöhen; jeden, der es wünschte, setzte er als Höhenpriester ein.« (1Kö 13,33)----------------------------------------
Zurück zur Forderung nach Demokrartie in der Kirche: Wie die Bedingungen früher waren, und warum die vox populi noch Gewicht haben konnte, habe ich schon erläutert. Und was haben wir heute?
Wir haben kirchliche Beamtenapparate auf der einen Seite, und auf der anderen einen beispiellosen Bankrott des religiösen Wissens bei den Gläubigen. Von der weitverbreiteten Gleichgültigkeit gegenüber der (Welt)Kirche bei vielen, die sich "katholisch" nennen, ganz zu schweigen. Was sich heute an "Kirchenvolk" (nicht selten aggressiv) gebärdet, kann unmöglich die vox Dei in Gestalt der vox populi sein, weil dieses "Volk" mehrheitlich einem schier grenzenlosen Individualismus und Relativismus verfallen ist und bei ihnen meist nicht einmal mehr Grundkenntnisse dessen anzutreffen sind, was man Glaubenswissen oder gar Glaubenssinn nennen kann. Das sentire cum ecclesia, das "Fühlen mit der Kirche" ist heute zu einem provintialistischen Tunnelblick mutiert.
Man setzt sich heutzutage in den Reihen der "engagierten Katholiken" bei achso wichtigen Fragen mehrheitlich schon aus Gewohnheit in einen dezidierten Widerspruch nicht nur zum bösenbösen "Lehramt der Kirche" (der Beweis: hier), sondern auch zu allem was in der Kirchengeschichte Wahr und Heilig war (vgl. dazu hier). Dass nur noch ein Bruchteil der Gläubigen (auch derer, die sich allzugerne kirchenpolitisch äußern!) regelmäßig am Gottesdienst der Kirche teilnimmt und die Sakramente würdig empfängt, ist auch kein Geheimnis. [Ich weiß z.B., dass an der Diözesanversammlung letztes Jahr in Freiburg zahlreiche Personen als "Delegierte" teilnahmen, die nicht einmal wussten, welcher Pfarrgemeinde sie eigentlich angehören! Von der katastrophalen Unwissenheit vieler dieser Menschen habe ich heute noch Alpträume. Ein paar Eindrücke: hier.]
Auch die "theologische Wissenschaft" kann heute kaum Abhilfe schaffen, sie ist ja zu nicht kleinen Teilen an der aktuellen Misere schuld (siehe hier)!
Was wir heute als "Repräsentativum" (und meist von den Ortskirchen finanziell getragen!) vorfinden (Diözesanversammlung!), sind allerlei politische Initaitiven, die mit politischer Denkweise und politischen Forderungen gehör finden wollen (ZdK, BDKJ etc.). Wenn es solchen Haufen erlaubt würde, die Hirten zu bestimmen oder zu lenken, wäre das Resultat wohl dem nicht unähnlich, was Jerobeam in Israel getan hat... die Religion würde zum Werkzeug für allerlei politische Ideologien die (man sieht es ja an den Forderungen in Chur, siehe hier) nicht selten im Widerspruch zur von Gott geleiteten Kirche stehen. Dass die Demokratie dann als etwas "Erlösendes" charakterisiert werden könnte (endlich Befreiung aus der Unmündigkeit!) und sie somit den Platz der goldenen Kälber einnehmen würde, wäre dabei nur noch das Sahnehäubchen.
Um es kurz zu machen: Dem "Kirchenvolk" (auch vielen Priestern und wohmöglich sogar manchen Bischöfen...) fehlt heute in aller Regel schlicht und ergreifend die Qualifikation, um über irgendetwas Wichtiges "demokratisch" bestimmen zu können (und daran sind sie nicht nur selber Schuld, vgl. hier)!
Falls es hart auf hart kommt, und diese Leute Erfolg haben sollten, mag es geschehen, dass Gott wiederum eingreift um dem falschen Kult zu begegnen... Jerobeam stellte sich schließlich selbst an die von ihm errichteten Altäre um dort zu opfern (erinnert mich irgendwie an die Meute in Limburg, die ihren Bischof davonjagen will...), aber ein Gottesmann trat ihm entgegen:
»Während Jerobeam am Altar stand, um zu opfern, kam ein Gottesmann aus Juda im Auftrag des Herrn nach Bet-El. Er rief im Auftrag des Herrn gegen den Altar: Altar, Altar! So spricht der Herr: Dem Haus David wird ein Sohn geboren mit Namen Joschija. Dieser wird auf dir die Höhenpriester hinschlachten, die auf dir opfern, und die Gebeine von Menschen wird man auf dir verbrennen.« (1Kö 13,1-2)
Zum Schluss ein Gedankenexperiment: Wenn die Kirche so weit zusammengeschrumpft und gesellschaftlich dermaßen geächtet und marginalisiert ist, dass man nur noch aufgrund tiefster Überzeugung und größter Beharrlichkeit "Katholik" sein kann; wenn das Studium der Schrift, der Väter und des Katechismus neben der Feier der Sakramente wirklich das (Über)Lebensprinzip dieser kleinen verstreuten Gruppen geworden ist; wenn der jeweilige Bischof seine kleine Herde tägtäglich seinem Amt entsprechend leitet, lehrt, heiligt und in der Einheit bewahrt; wenn es im innerkatholischen Austausch nicht mehr um Strukturdebatten, politische Korrektheit und Anpassungen an die "Welt", sondern einzig um das Heil der Seelen und das Lob Gottes geht... wenn also die Bedingungen gegeben sind, unter denen sich einst die Stimme Gottes in der Stimme des "Volkes" Gehör verschaffte - DANN dürfen meinetwegen die einzelnen Gemeinden gerne ihre Bischöfe wählen!
Bis dahin, sollten wir dankbar dafür sein, dass diese Kirche in der Lage ist, selbstständig dem Heil der Seelen zu dienen, ohne sich von irgendwelchen Gruppen, Parteien, Staaten, Unternehmen oder dergleichen lenken zu lassen. Sie ist nur Gott verantwortlich, der sie als seine Braut liebt und beschützt. Sie bleibt die "Kirche des lebendigen Gottes, die die Säule und das Fundament der Wahrheit ist" (1Tim 3,15).
PS. Natürlich bleibt es Glaubenssatz, dass die Kirche hierarchisch strukturiert ist.
Zur Frage der Verfasstheit der Katholischen Kirche, empfehle ich die Lektüre hier.
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