Montag, 9. Dezember 2013

Das neue Gotteslob

Wie Kathnews berichtet (hier), finden manche, das neue Gotteslob sei "voller Fehler" und daher nachzubessern.

Nun, das stimmt wohl. Ich hatte mich ehrlich gesagt schon gewundert, wo derartige Zwischenrufe bleiben, denn einige der Fehler sind doch bemerkenswert offensichtlich.

Aber alles der Reihe nach: Das neue Gotteslob, als Gesang- und Gebetbuch, finde ich insgesamt sehr gelungen!
Das Buch ist nach jeder Richtung größer als sein Vorgänger (es hat das gleiche Format wie das Magnifikat, das vorkonziliare Gesangbuch in Freiburg) und ungefähr doppelt so dick. 
Etwa die Hälfte ist der eigentliche Gesangsteil (allgemeiner Teil, Psalmen und, in meinem Fall: Freiburger Eigenteil). Es ist also wirklich ein Buch, dass nicht bloß im Gottesdienst gebrucht werden soll. Gut so! Die vorkonziliaren Liederbücher waren übrigens meist auch nur zur Hälfte mit Gesängen gefüllt, der Rest waren Gebete, Andachten und eben Erklärungen. Insofern hat man sich also auf Bewährtes zurückbesonnen.
Die Aufmachung ist stilvoll, die Zusammenstellung überaus sinnvoll. Der Zweifarbendruck (Lied- und Strophennummern, Titel und anderes in Rot) ist durchaus hilfreich (man kennt das ja aus Wörterbüchern, wenn die Lemmata blau sind, sieht man sie einfach besser), die Schrift ist gut lesbar und die Inhaltsverzeichnisse der einzelnen Abschnitte erleichtern die Navigation.

Endlich wurden die doofen Messreihen aufgelöst, und auch die elendigen grauenhaften "Credo-Dreizeiler" sind nahezu alle verschwunden (welch hoffnungslos idiotische Idee, das feierliche Bekenntnis des Gottesvolkes zu seinem Herrn und Gott auf zwei-drei mehr oder minder sinnleere Sätze einzudampfen, bei deren Erstellung offenbar die Frage "Reimt es sich?" die oberste Priorität hatte). Dass im Messablauf das Nizäno-Konstantinopolitanum (vulgo: "Großes Glaubensbekenntnis") abgedruckt wurde und nicht das Apostolische Glaubensbekenntnis, ist sehr löblich, ist doch Letzteres ein römisches Taufbekenntnis und eigentlich nicht für das Bekenntnis der ganzen Gemeinde im Gottesdienst geeignet/gedacht (was an der Ich-Form bereits ins Auge sticht)... außerdem ist Ersters das wirklich ökumenische Glaubensbekenntnis, da es vor den großen Schismen formuliert und auch von allen übernommen wurde (während nicht alle jenes römische[!] Taufbekenntnis gern haben...).
Es ist auch schön zu sehen, dass der Choral einen breiteren Raum bekommt.
Auch den Ansatz mit den Kurzkatechesen für die Zaungäste (und nicht nur die) finde ich an und für sich eine gute Idee.
Der Gebets- und Andachtsteil wurde deutlich aufgewertet, sodass der Freiburger Erzbischof nicht unrecht hat, wenn er in seinem Vorwort schreibt, dass die Gläubigen auch anhand des Gotteslobes "das Kirchenjahr betend und singend mitvollziehen" können.

Soweit mal einige der (vielen!) positiven Seiten des "Neuen".
Was die "Fehler" bzw. Versäumnisse angeht, seien nur mal die für mich merkwürdigsten und krassesten genannt:

Was mich persönlich am meisten kratzt ist, dass man ausschließlich das Zweite Hochgebet abgedruckt hat (die paar Seiten mehr hätten das Buch auch nicht "unhaltbarer" gemacht!). Dabei ist die fast ausschließliche Verwendung gerade dieses Hochgebetes v.a. am Sonntag eigentlich eine dramatische Fehlentwicklung (die auch Mitverantwortung daran trägt, dass die Dimension des eucharistischen Opfers in Vergessenheit geriet, weil dieses im Zweiten Hochgebet nur andeutungsweise vorkommt), die es eigentlich zu korrigieren gilt. Nun wird sie aber regelrecht zementiert. Bisher konnte man zumindest noch beim Blättern durch das Gesangbuch merken, dass es noch mehr gibt als jenes "Standardhochgebet" (nämlich Nr. 367ff.)... ab sofort wird der Canon Romanus - das Gebet, dass die große Mehrheit aller Christen 1500 Jahre lang am heiligsten Ort und im heiligsten Augenblick ihres Christenlebens beteten! - also amtlich verbrieft dem Vergessen anheimgegeben. (Wieviele der Messbesucher haben schon ein Messbuch zuhause und lesen darin? Sehr traurig. Aber vielleicht stellt ja doch noch der eine oder andere die Frage, warum im Messablauf im Abschnitt "Eucharistisches Hochgebet" plötzlich "Zweites Hochgebet" steht... Wenn es ein "Zweites" gibt, gibt es dann also auch ein "Erstes"?)

Davon abgesehen scheinen mir v.a. die Kurzkatechesen viel zu häufig ein Griff ins theologische Klo gewesen zu sein... man kann schon fast daran ablesen, wer die Verfasser waren (nein, da sach ich nix weiter zu...). So fehlt etwa in dem Teil über das Ehesakrament jede Erwähnung ihrer Unauflöslichkeit, dafür wird ausgiebig über "Gefährdungen" geredet. Bei der Taufe wird ihre in die Kirche eingliedernde Funktion behandelt... und nichts anderes. Sündenvergebung (Erbsünde)? Exorzismus? Christus als Gewand angezogen? Wiedergeburt? Neue Schöpfung? Nixda.
Bei der Erklärung der Eucharistie kommt überraschenderweise das "Opfer der Messe" vor (obwohl "Opfersprache" doch so verpönt ist!), in dem Christus gegenwärtig ist, aber unter dem Titel "Wandlung erfahren" ist dann doch bloß von einer Wandlung der Gläubigen(!) die Rede... dass Brot und Wein gewandelt werden, dass Christus leibhaftig Gegenwärtig wird, wird nicht erwähnt: "In jeder Eucharistiefeier wird Christus mit seiner verwandelnden Liebe gegenwärtig und schenkt sich in den Gaben von Brot und Wein." 
Ich kenne Protestanten(!), die diese katechetischen Texte nicht unterschreiben würden weil zuviel Entscheidendes fehlt!

Es spiegelt sich hier freilich der zum Heulen traurige theologische Trend wieder, wodurch nun also überaus direkt die Verwässerung der Theologie nicht mehr nur durch das Wort der Predigt (was immer eines menschlichen Übermittlers bedarf), sondern auch durch das vom Vatikan approbierte gedruckte Wort in die Gemeinden und die Köpfe der Gläubigen sickern kann... wie diese Texte die römische Überprüfung überleben konnten, ist mir unverständlich. Die vorrangige Zielgruppe dieser Texte, die Zaungäste eines Gottesdienstes, die "Neuen", werden hier, auf gut Deutsch, belogen, weil ihnen ganz wesentliche Aspekte einfach vorenthalten werden.

Die scheinbar wahllos platzierten Piktogramme auf manchen ansonsten leeren (Halb)Seiten muss man wohl nicht ernst nehmen... als Anregung taugen sie wenig. DEN Platz hätte man lieber gesammelt für den Canon Romanus genutzt (und mancher wird wohl auf diese leeren Seiten starren und sein Lieblingslied vermissen...).

Oh, achja: Dem hierarchisch orientierten Katholiken fällt schließlich auch auf, dass das besondere Gebet für den Papst und die Bischöfe fehlt. In Andachten kommen die Amtsträger natürlich noch vor, aber nicht mehr in eigenständigen Gebeten (im alten Gotteslob ist z.B. das Gebet für den Papst bei Nummer 27,2, ein Gebet aus der Feder des seligen John Henry Newman, zu finden).


Wieder zur News auf kath-news: Dass das Gotteslob peinliche (oder doch absichtliche?) Fehler enthält, fällt jedem theologisch gebildeten Leser recht schnell auf... Aber es werden sich wohl kaum Einzelne mit der Forderung nach einer Überarbeitung des neuen Gotteslobes durchsetzen... zumal es jetzt auch zuspät ist. Und weil die gravierendsten Fehler dem theologischen Mainstream entsprechen, wird so eine Forderung ohnehin verhallen. Es mussten schon einmal zichtausende Exemplare eingestampft werden*, was für Verlag und Diözesen nicht eben günstig war.
Auch die Einführung wurde ja nun ziemlich verkackt... Festakt im Freiburger Münster am 1. Advent, ab Mitte Januar soll überall das neue Gotteslob verwendet werden (so eine pastorale Anordnung im Erzbistum Freiburg), aber de facto kommt es bei den meisten Pfarreien (d.h. bei allen außer dem Freiburger Münster...) erst viel später überhaupt nur an... und wer es sich als Privatperson besorgen will, muss halboffizielle Kanäle nutzen, um sich ein Exemplar noch in diesem Jahr zu sichern... 

Das Timing der Veröffentlichung ist sowieso generell idiotisch, weil irgendwann ja noch eine neue Messbuchübersetzung ansteht (und da wird nicht nur das pro multis geändert sein, was es nun im Gotteslob schon ist!), ganz zu schweigen von der neuen Bibel- und damit Pslamenübersetzung... da stimmen nachher die Texte hinten und vorne nicht überein... aber sei's drum...


Ein neues Lieblingslied hab ich nocht nicht, dafür fehlt die Praxis. Ein paar meiner alten Lieblingslieder hab ich schon wiedergefunden. Freilich wird jeder bei der Liedauswahl was zu mäkeln haben, etwas vermissen oder für überflüssig erachten... das perfekte "Liederbuch" gibt es eben nicht.
Ich finde das Buch insgesamt eine gelungene Sache und es ist auch sinnvoll, nach 40 Jahren ein neues Kapitel zu schreiben... sinnvolle Korrekturen gibt es einige (s.o.) und gerade bei vielen "modernen Liedern" merkt man doch, wie die Zeit vergeht. Diesem Gang sollte man sich nicht lethargisch in den Weg stellen.
Das gleiche Bild passt freilich nicht, wenn es um Glaubensinhalte geht; eine zeitgeistkonforme Katechese ist ein Unding und eine Ungerechtigkeit gegenüber den (zukünftigen) Gläubigen. Man darf gespannt sein, ob es da noch Neuigkeiten geben wird.


my 2 cents...



* Mir ist, als Bücherfreund sowieso, völlig unbegreiflich, wie soetwas passieren konnte... der Verlag müsste wissen, welches Papier nötig ist (zumal einer, der als "Experte für Dünndruck" gepriesen wird) und der Kunde, also die Bistümer, müssten das bei den 1zu1 Vorabexemplaren eigentlich gemerkt haben, als sie das Buch zum ersten Mal aufschlugen.  (Zwar wurde offiziell Stillschweigen über die Vergleichssumme vereinbart, die die DBK zu zahlen hatte, aber akademisch sickerte dann doch recht bald durch, dass sie im mittleren einstelligen Millionenbereich lag.) Peinlich.

9 Kommentare:

  1. Das "Wir glauben" im Nizäno-Konstantinopolitanum ist aber, gemessen an der liturgischen Tradition, auch eher freizügig übersetzt ...

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  2. Vielen Dank für diese ausführlichen und faire "Rezension".

    Anzumerken wäre allerdings, dass an der Formulierung "schenkt sich in den Gaben von Brot und Wein" nicht etwas fehlt - sie ist schlicht falsch (um das böse Wort "häretisch" mal zu vermeiden). Der Herr schenkt sich "unter den Gestalten von Brot und Wein", er ist aber nicht "im Brot" oder "im Wein". Nach der Lehre von der Transsubstantiation sind eben substantiell Brot und Wein nicht mehr da, sondern nur noch deren Gestalten.

    Man hört diesen Unfug zwar mittlerweile in jeder zweiten Messe in selbstbestrickten Einleitungsworten zum "Herr, ich bin nicht würdig ..." - das macht die Impanationslehre aber nicht richtiger.

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    1. Darauf wollte ich nicht auch noch rumreiten, ich dachte ich hätte es deutlich genug gemacht, dass die Realpräsenz verschwiegen wird. my bad

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  3. Das mit dem Credo fiel mir auch auf - warum soll man nicht das apostolische in der Messe nehmen? Weil es mit "Ich" beginnt und nicht mit "wir?" Die Aussage "Wir glauben" ist sowieso grenzwertig - man kann in dieser Frage doch nicht für andere sprechen… abgesehen davon, daß es m. E. nicht frei, sondern an dieser Stelle schlicht falsch übersetzt ist.
    Die Credo-Paraphrasen sind übrigens nicht weg, sondern umsortiert (unter "Der Dreieine Gott") - leider auch eine relativ vollständige 355 (276), die ich für ziemlich gut halte (man kann es jahreszeitlich auf passende Melodien singen: Advent: 231 (105), Weihnachten: 237 (183), Fastenzeit: 767 (916 Münster - Dich liebt o Gott, mein ganzes Herz), Osterzeit; 329 (220), Pfingsten 351 (245), Jahreskreis 144 (474) oder 147 (516) - eigentlich auf alles, was diese Hymnen-Silbenschema hat).
    Das Problem an den richtigen Credo-Vertonungen ist einerseits die schiere Länge - das kriegt man einfach nicht kurz vor der Messe mit der Gemeinde geprobt - und andererseits die Abneigung gegen Sachen mit Kantor (zumindest in meiner Gemeinde wird das überhaupt nicht gerne gesehen).

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    1. Das Apostolicum ist darum für die Messe ungeeignet, weil es dafür schlicht nicht gemacht ist! Es ist ein Taufbekenntnis, das in der alten römischen Kirche vom Täufling gesprochen wurde. Es war nicht gedacht zur feierlichen Akklamation der Gemeinde.
      Soweit ich das überblicke sind doch die schlimmsten Credo-Dreizeiler weg. Es ging mir oben ja auch nicht um Paraphrasen generell, damit kann ich leben, auch wenns suboptimal ist, sondern um die inhaltsleeren Stücke.

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    2. Ah, ok, dann hatte ich das falsch verstanden.
      Hab schon "Heiligste Nacht" als Credo erlebt ("jedem, der glaubt") - oder sehr gerne Taufgedächtnis-Lieder (keine Ahnung, woher das kommt), von daher finde ich "Wir glauben an den einen Gott" o.ä. eigentlich noch ganz gut…
      Beste Aussage, die ich zu dem Thema hörte, als ich irgendein ziemlich ungeeignetes Lied austauschen wollte (wahrscheinlich "Kleines Senfkorn" oder so): "Alle Kirchenlieder bezeugen doch den Glauben" - ohne Worte…

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    3. Ich weiß nicht, warum mir das ausgerechnet jetzt grad wieder einfällt, aber: Zu der Übersetzung mit "Wir glauben"... Das Witzige ist, dass hier die lateinische Übersetzung falsch ist, nicht unsere deutsche... das griechische Original (!) beginnt mit "Πιστεύομεν", also: "Wir glauben".
      Der Grund, warum das so wichtig ist, liegt in der Gemeinschaft, in der Kirche begründet. Es ist die ganze Gemeinde der Erwählten, die sich gemeinsam zu Gott bekennt.

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  4. Gewonnen hat auch das Lied "Tauet, Himmel, den Gerechten" - Den Text konnte ich leider noch nicht lesen, da ich kein Exemplar besitze. Jedenfalls sind es statt 3 jetzt 5 oder 6 Strophen - hoffentlich nicht nur voller Buchstaben.
    Schade finde ich allerdings, dass man auch zusammengehörende Messen - z. B. die Schubertmesse - auseinander gerissen hat. Das ist nicht fein!

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    1. Bei uns hat es immer noch nur 2 (Münster), allerdings kenne ich eine Fassung mit 5 aus Hamburg/Osnabrück - ohne die ganzen Schnörkel in der Melodie, sehr angenehm - und 2 Strophen, die sich auf Johannes d. T. beziehen, dann paßt es auch am Anfang der Adventszeit schonmal und nicht erst am 4. Sonntag.
      Die Schubert- und Haydn-Messen finde ich allerdings noch ungenauere Nachdichtungen als manche andere, von daher ist es eigentlich nur konsequent, diese nicht unter den Ordinariumsgesängen, sondern bei "Lob und Dank" oder wo es gerade paßt, einzusortieren.
      Schlimmer finde ich, daß am Anfang bei einigen dt. Ordinarien, wo der Text wirklich vollständig ist, das Agnus Dei fehlt (z.B. ehemals 428 ist weg (426 übrigens auch), ebenso 442). An bekannten Agnus-Dei-Vertonungen hat man generell gespart, 492 ist weg, 461 und 461 - dafür viele neue, die kein Mensch kennt…

      Nichtsdestotrotz überwiegt auch bei mir insgesamt der positive Eindruck - es sind genug brauchbare moderne Lieder drin, daß man die 70er-Jahre-Loseblattsammlungen und seltsamen Liederbücher mit Laudato si und Konsorten nur noch da verwendet, wo sie hingehören (zu vorgerückter Stunde am Lagerfeuer mit Gitarre, meinetwegen, aber nicht in einer feierlichen Sonntagsmesse).

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Ich freue mich über Meinungen, (sinnvolles) Feedback und Hinweise aller Art. Fragen sind auch immer willkommen, eine Garantie ihrer Beantwortung kann ich freilich nicht geben. Nonsens (z.B. Verschwörungstheorien, atheistisches Geblubber und Esoterik) wird gelöscht. Trolle finden hier keine Nahrung.