Samstag, 28. Dezember 2013
Gesellschaft ohne Moral und Vernunft
Der Tag "Unschuldige Kinder" ist für mich immer ein besonderer Tag, um mir über Ungerechtigkeit und Menschlichkeit Gedanken zu machen.
Weihnachts- und Neujahrsansprachen sind immer schrecklich nichtssagend... Dabei hat es doch schon Charles Chaplin vor über 70 Jahren in seiner abschließenden Rede in "The Great Dictator" vorgemacht, welche Botschaft Not tut.
Der jüdische (später evangelisch getaufte) Soziologe Eugen Rosenstock-Huessy († 1973) hat einen wensentlichen Askepte von Chaplins Rede in seiner zweibändigen "Soziologie" (1956) in einem kleinen Exkurs über "Das Gesetz der Technik" auf die bekannte Formel gebracht: "Der technische Fortschritt vergrößert den Raum, verkürzt die Zeit und zerschlägt menschliche Gruppen."
Wir leben in einer immer unbegrenzter und immer schneller werdenden Welt und werden zugleich einander immer mehr entfremdet. Uns selbst auch.
Was wir erleben, wenn es etwa um ein "Menschenrecht auf Abtreibung" geht, ist nicht so sehr eine Krise der Moral, sondern viel eher das völlige wegfallen von Vernunft.
Johannes hat hier (klick; lesen!) sehr schön gezeigt, dass wir Christen, wenn wir öffentlich "Werte" vertreten, nicht unsere ureigene Moral darbieten, sondern letztlich nur das Banner der Vernunft wehen lassen. Das Proprium der christlichen Moral findet eben primär Anwendung im Innenraum des Christlichen. Der evangelische Theologe Helmut Burkhardt hat dieses Jahr seine dreibändige Ethik abgeschlossen mit einem Band über "Die bessere Gerechtigkeit: spezifisch christliche Materialethik" in dem er sich genau mit diesem Proprium beschäftigt.
Ich rede hier von Moral, die nicht dem Christentum eigen ist, sondern die allgemein für alle Menschen Geltung beansprucht.
Was Chaplin seiner Zeit ins Stammbuch schreiben wollte, gilt immer. Aber es wird von Jahr zu Jahr drängender... die Technik schreitet in wahnwitzigem Tempo voran, die Menschlichkeit scheint nicht nur nicht damit Schritt halten zu können, sondern regelrecht einem entgegengsetzten Trend zu folgen.
Ein Beispiel: Das Internet ist eine tolle Sache. Wie Gewissens-, Rede- und Reisefreiheit, ist auch die Freiheit im Internet (das Teilhard de Chardin mit seinem Konzept der Noosphäre so prophetisch erahnte) für die freie und verantwortete Entfaltung des Individuums notwendig. Wenn der Zugang zum "gesamten Wissen der Menschheit" willkürlich eingeschränkt wird, ist das nichts anders als Freiheitsberaubung. Aber wie alle zivilisatorischen Errungnschaften, kann auch das Internet missbraucht werden.
Da ließt man nun in einschlägigen Medien über eine Abmahnwelle von Usern pornographischer Inhalte im Internet, und nie taucht dabei überhaupt nur eine moralische Frage auf: Immer geht es nur um juristische Aspekte, um Recht und Gesetzt, das, wie wir wissen, mit Moral zunächstmal überhaupt nichts zutun hat. Dürfen die User sich die Inhalte angucken? Darf die Anwaltskanzlei sie dafür abmahnen? Wer hat die Rechte? Wer muss dafür zahlen? Rechtliche Fragen noch und nöcher. Und dann, nur marginal, wird erwähnt, dass die meisten Abgemahnten ohne viel Aufsehens einfach zahlen, weil sie nicht wollen, dass ihr Konsumverhalten öffentlich wird... irgendwo fiel sogar mal das Wort "Scham"... Ja! Also scheint es doch noch eine Spur von Moral (und also Vernunft) im je einzelnen Menschen zu geben, wenn sie sich für ihren Pornographiekonsum schämen. Solange wir uns für unser Tun schämen können, sind wir vernünftige und der Moral fähige Wesen. Aber mehr als eine Marginalie ist diese Tatsache den Medien nicht wert, schnell gehts wieder um Anwälte, Richter und Geld. Das ist besonders schade, weil natürlich die abmahnenden Kanzleien genau auf diese Scham und das daraus resultierende "lieber einfach zahlen, statt groß Aufsehen erregen" spekulieren, zumal die Beträge im jeweiligen Einzelfall ja meist recht klein (etwa 200€) sind. Der Rest, der an Moralfähigkeit noch übrig ist, wird regelrecht ausgeschlachtet.
Es geht nicht mehr um Moral... auch in der Debatte um Abtreibung geht es über weite Strecken nur um Legalität ("MenschenRECHT auf Abtreibung") und sodann noch um die "Gesundheit", die nach dem Bekunden von immer mehr Menschen ja im Leben "das Wichtigste" ist; die Frage nach der moralischen Vertretbarkeit, wird meist ausgeblendet oder in aller Scheinheiligkeit auf ein fremdes Terrain versetzt, wobei der Fokus dann sehr geschickt auf das Mitleid für die geknechtete Eigentümerin des befallenen Uterus (denn "Mutter" ist bekanntlich ein herabwürdigendender Begriff!) gelegt wird.
Wohin führt dieser Pfad?
Ich bin dem geschiedenen Freibuger Erzbischof, der sich sonst ja nicht gerade mit Ruhm bekleckert, dankbar, dass er gerade dieses Thema für seine Weihnachtsworte wählte. Es braucht aber noch viel mehr. Und vor allem braucht es aus der Politik endlich mal etwas anderes als immer nur Floskeln und billige Allgemeinplätze. Die Welt scheint in einem ekelerregenden Taumel in Richtung ihrer eigenen selbst gebauten und hoch technisierten Hölle gefangen...
Chaplin spricht am Ende seiner Rede von Demokratie und von "science and progress" und hier liegt genau sein Fehler bei aller Wahrheit seiner Rede: Der Fortschritt an sich bringt weder mehr Vernunft, noch Freiheit. Auch Demokratie nicht. Etwas anderes muss noch dazu kommen...
Miserere nobis, Domine!
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