Montag, 2. September 2013

Gefühlsreligion

Chagall, "Die Schöpfung" (1960)
Noch ein Wort bzgl. der Gefühlsreligion" (siehe hier): Es ist ein verbreitetes Missverständnis, wenn das erste Gebot im Sinne einer v.a. gefühlsmäßigen Bindung an Gott ausgelegt wird:
»Höre, Israel! Jahwe, unser Gott, Jahwe ist einzig. Darum sollst du den Herrn, deinen Gott, lieben mit ganzem Herzen, mit ganzer Seele und mit ganzer Kraft. Diese Worte, auf die ich dich heute verpflichte, sollen auf deinem Herzen geschrieben stehen.« (5Mo 6,4-6)

Das klingt zwar schön und hat was Kuscheliges, aber "mit ganzem Herzen" und "auf deinem Herzen geschrieben" hat mit bloßem Gefühl nichts zu tun. In der antiken Vorstellung ist das Herz das Organ zum Denken, es ist der Ort des Vertandes! Das wird besonders augenfällig in jenem wunderbaren Schöpfungsgesang im 17. Kapitel von Jesus Sirach:
»Der Herr hat die Menschen aus Erde erschaffen und lässt sie wieder zu ihr zurückkehren. Gezählte Tage und eine bestimmte Zeit wies er ihnen zu und gab ihnen Macht über alles auf der Erde. Ihm selbst ähnlich hat er sie mit Kraft bekleidet und sie nach seinem Abbild erschaffen. Auf alle Wesen legte er die Furcht vor ihnen, über Tiere und Vögel sollten sie herrschen. Er bildete ihnen Mund und Zunge, Auge und Ohr und ein Herz zum Denken gab er ihnen. Mit kluger Einsicht erfüllte er sie und lehrte sie, Gutes und Böses zu erkennen. Er zeigte ihnen die Größe seiner Werke, um die Furcht vor ihm in ihr Herz zu pflanzen. Sie sollten für immer seine Wunder rühmen und seinen heiligen Namen loben.« (Sir 17,1-10)

Aus den folgenden Versen wird zudem deutlich, wie wenig das Verhältnis der Menschen zu Gott auf bloßen Gefühlen ruht und ruhen kann. Liebe ist v.a. eine Entscheidung (siehe hier), und eine solche kann und muss durchaus auch verstandesmäßig begründet sein. "Verliebtheit" ist kein haltbares Fundament, weder für die zwischenmenschliche Liebe, noch für die Liebe zu Gott. Es braucht ein anderes Fundament. Das Buch Jesus Sirach dazu:
»Er hat ihnen Weisheit geschenkt und ihnen das Leben spendende Gesetz gegeben. Einen ewigen Bund hat er mit ihnen geschlossen und ihnen seine Gebote mitgeteilt. Ihre Augen sahen seine machtvolle Herrlichkeit, ihr Ohr vernahm seine gewaltige Stimme.« (Sir 17,11-13)

Weil sich Gott an seinem Volk immer wieder als Retter, Beschützer, Vater und allen voran als Schöpfer erwiesen hat, darum soll es Ihn lieben. Nicht, weil sie das vielleicht so "fühlen".

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Ich freue mich über Meinungen, (sinnvolles) Feedback und Hinweise aller Art. Fragen sind auch immer willkommen, eine Garantie ihrer Beantwortung kann ich freilich nicht geben. Nonsens (z.B. Verschwörungstheorien, atheistisches Geblubber und Esoterik) wird gelöscht. Trolle finden hier keine Nahrung.