Ich habe mich neulich mit einem polnischen Priester über das Problem unterhalten, die wir hierzulande, konkret im Erzbistum Freiburg, mit dem priesterlichen Nachwuchs haben.
Das Hauptproblem machte mein Gesprächspartner darin aus, dass man hier, im Unterschied zu seiner Heimat, den Priester ausschließlich als "Beruf" verstehen möchte und, zumindest auf offizieller Ebene, nicht als Berufung. Das ist freilich eine Folge der jahrzehntelangen Bemühungen um Gleichmacherei und Einebnung: Der Priester ist ein Typ wie du und ich, es ist nichts besonderes an ihm, wir können alle auf Augenhöhe alles gemeinsam machen. Jeder der etwas anderes Behauptet, ist sofort des Klerikalismus verdächtig. Es freute mich daher ungemein, als der neue Freiburger Erzbischof in seiner Ansprache direkt nach seiner Weihe von einer Verwiesenheit von Hirte und Volk auf einander gesprochen hat... allein das "Hirte", was ja eine Hierarchie impliziert, ist heute eigentlich schon zum Unwort geworden. (Übrigens ist, das muss man immer wieder betonen, die hierarchische Verfasstheit der Katholischen Kirchen Glaubensinhalt, ebenso der wesensmäßige und durch kein menschliches Tun einholbare Unterschied zwischen Kleriker und Laie!)
Ein Blick auf die Internetseite der Freiburger "Diözesanstelle Berufe der Kirche" illustriert das sehr schön (klick). Dort sind einige "Berufe" aufgelistet:
»Diözesanpriester
Gemeindereferent/-in
Ordensfrau/-mann
Pastoralreferent/-in
Religionslehrer/-in
Ständiger Diakon
Weitere Berufe in der Kirche«
Bemerkenswert finde ich, dass das Weiheamt und das geweihte Leben unterschiedslos und recht homogen durchmischt mit den rein weltlichen bzw. den Laien zukommenden "Berufen" genannt werden. Die Botschaft ist klar: Priester oder Ordensangehöriger, ist ein Beruf wie andere auch. Das Wort "Berufung" taucht zwar auf der Hauptseite auf, aber das wars dann auch schon damit.
Klickt man nun auf den ersten Punkt, "Diözesanpriester" (man spührt fast schon das Missfallen der Verantwortlichen, hier kein "/-in" anhängen zu können), gelangt man auf eine kleine Seite die als Blickfang zunächstmal ein Foto bereithält, auf dem der Besucher wohl einen typischen Prietser sehen soll (fett-weiße Bildunterschrift auf rotem Grund: Diözesanpriester)... auf dem Bild erkennbar ist das nicht, es könnte auch ein per Zufall ausgewähltes Foto irgendeiner Werbeagentur sein: Max Mustermann mit Brille, weißem Hemd, Lächeln und unbestimmter Stadtszene im Hintergrund. Ist das das typische Daherkommen und der typische Ort, den wir mit einem Priester assoziieren (wollen)? Für mich nicht. Für einen Priester typisch (d.h. dessen charakteristische Merkmale zum Ausdruck bringend) empfände ich eher das Stehen am Altar, das Sitzen im Beichtstuhl oder am Krankenbett... aber das ist wohl schon wieder klerikalistisch... mindestens triumphalistisch!
Zum Inhalt der Seite. Das Motto der Diözesanstelle ist "... dein Weg bewegt" und neben dem beschriebenen Foto wird dann das aufgelistet, was man offenbar für charakteristisch für den priesterlichen Weg erachtet:
»... dein Weg bewegt ...
... dich, dem Ruf Gottes zu folgen
... dich, das Evangelium zu leben und zu verkünden
... dich, deine persönliche Beziehung zu Jesus zu leben
... die Menschen in den Gemeinden
... dich ...«
Worin sich dieser Katalog von dem unterscheidet, was jedes Christen Ruf ist, weiß ich nicht. Dass MEIN Weg MICH bewegt ist außerdem tautologisch und irgendwie dümmlich.
Schauen wir also tiefer, gucken wir mal, was unter "Berufsbild" zu finden ist. Wieder werden wir von Max Mustermann (aka Diözesanpriester) begrüßt. Die Überschrift deutet zumindest an, dass hier etwas anders ist als bei den anderen "Berufen":
»Diözesanpriester – ein spannender Weg und: Kein Beruf wie jeder andere«
Worin dieses "Kein Beruf wie jeder andere" besteht, wird allerdings nicht klar, man bleibt bei dieser Floskel, die einem im Arbeitsmarkt auch außerhalb der Kirche ungezählte Male begegnet... so ziemlich jeder Beruf ist "kein Beruf wie jeder andere". Auch erzwingt diese Formulierung die Erkenntnis: Priester ist (v.a.) dies, ein Beruf.
Aber was noch? Der erste Abschnitt erwähnt immerhin prompt die Weihe, da heißt es:
»Durch die Weihe wirst du für die Menschen in besonderer Weise zu einem Zeugen, dass Jesus Christus mitten unter ihnen lebt. Wie ein Brückenbauer übersetzt du das Evangelium in den Lebensalltag der Menschen. So bist du ihnen Hilfe, die Spur Gottes in ihrem Leben zu entdecken.«
Ernüchterung. Stimmt das denn? Macht die Weihe jemanden "in besonderer Weise zu einem Zeugen"? Und: ist das wirklich das (einzig) Entscheidende? Ich wage zu behaupten: Nein.
Inwiefern jemand Zeuge für Christus ist, ist in etwa gleichbedeutend mit der fruchtbaren Verwirklichung jenes königlichen Priestertums, durch das jeder Getaufte in den mystischen Leib Christi aufgenommen wurde. Beide, Laien und Priester, sind Zeugen für Christus, wenn sie ihrer Berufung und ihren in den Sakramenten vermittelten Gnaden und Gaben entsprechend Frucht bringen. Die Gnadengaben des Priestertums bestehen primär darin, dem Volk Gottes Gnade zu vermitteln und nicht sich selbst. Was den Priester auszeichnet ist primär nicht für ihn selbst (er kann sich z.B. nicht selbst die Absolution erteilen!), sondern für die anderen; er selbst, der Priester in seiner ganzen Person, ist wesensmäßig für die anderen da! Ein Geweihter ist auch nicht "begnadeter" als ein Laie, sondern er ist v.a. jemand, der anderen Gnaden vermittelt (welche Gnaden ein Priester besonders erhält, dienen der Ausführung dieses Amtes).
Natürlich: Ein Priester soll auch in besonderer Weise Zeuge für Jesus sein. Aber das ist nicht das Wesentliche des Priesters (das soll nämlich jeder, "der zu einem Dienst in der Kirche bestellt ist"). Der Priester soll nicht bloß für die Gegenwart Christi "mitten unter ihnen" Zeuge sein (das ist auch die vorzüglichste Aufgabe der Laien!), sondern er soll diese Gegenwart verwirklichen. Und zwar wortwörtlich: Jesus Christus soll durch den Dienst des Priesters wirklich gegenwärtig sein (nämlich in den Sakramenten, im Wort und der Lehre, in der geistlichen Führung)! Ein Priester hat in besonderer Weise Anteil am Hohenpriestertum Christi - das ist das Wesentliche!
Weiter im Text:
»Die Herausforderung ist groß: Du leitest und begleitest die Gemeinden einer Seelsorgeeinheit. Wie Jesus lebst du mit den Menschen, teilst ihre Sorgen, ihre Freuden. Du bist ein Zeuge für den auferstandenen Herrn.«
Hier ist immerhin an erster Stelle von "Leiten" die Rede, wenngleich das sofort nuanciert wird durch das grammatikalisch gleichgestellte "Begleiten". Erschreckend finde ich es, das man offenbar wenig Ideen, hat, was man hier schreiben könnte und schonwieder vom Zeugesein redet. Bin ich das als Laie etwa nicht? Und lebe ich als Laie etwa nicht mit den Menschen?
Weiter:
»So verkündest du die Frohe Botschaft in Predigt und Gottesdienst, im seelsorgerlichen Gespräch und Religionsunterricht, kurz: durch deine ganze Lebensweise. Als Diözesanpriester begleitest du die Menschen an wichtigen Knotenpunkten ihres Lebens: Sakramente, Taufe, Kommunion, Hochzeit, Sterben.«
Halleluja, endlich werden mal Sakramente genannt. Etwas befremdlich finde ich allerdings die Aufzählung von "Knotenpunkten". Die Sakramente sind keine "Knotenpunkte" (sie können jedoch an solchen stehen oder sie prägen!). Ich habe bei der Lektüre das Gefühl, die Autoren würden den Unterschied zwischen Sakramenten und "Knotenpunkten ihres Lebens" nicht kennen und einfach ein paar Stichworte hinknallen, was irgendwie vertraut klingen...:
- "Sakramente" ist kein "Knotenpunkt" irgendeines Lebens. Es sind Handlungen zwischen Gott und Mensch, bei denen durch sichtbare Zeichen unsichtbare Gnade gewirkt und vermittelt wird;
- "Taufe" ist ein Sakrament (was ist der Unterschied zum vorherigen Punkt "Sakramente"?);
- "Kommunion" kann man noch als eine Alternativbezeichnung für die Eucharistie gelten lassen (gemeint ist wohl die Erstkommunion? So formuliert, könnte dieses Charakteristikum auch für den Dienst eines "Kommunionhelfers"zutreffen... Und wieder: zählt das nicht zu "Sakramente"?);
- "Hochzeit" ist kein Sakrament, sondern eine rein äußerliche Feier in deren Rahmen u.U. das Ehesakrament gespendet wird (jeder kann so ziemlich jeden jederzeit auf vielerlei Weise "heiraten"... eine sakramentale Eheschließung hat demgegenüber zahlreiche Voraussetzung und Wirkungen);
- "Sterben" lässt an Krankensalbung und Begräbnis denken. Das scheint mir überhaupt der einzige Punkt zu sein, der in dieser Aufzählung ("Knotenpunkte"!) semantisch widerspruchsfrei hineinpasst.
Warum hier die Firmung (außerordentlich) und v.a. die Beichte völlig fehlen, erschließt sich mir nicht (das was genannt wird, kann in der Mehrzahl auch ein Diakon, zuweilen sogar ein beauftragter Laie erfüllen!). Auch werden viele andere "Knotenpunkte" oder Phasen des Lebens ausgespart (Kindheit, Jugend, Verlobung, Schwangerschaft, Alter).
Der letzte Abschnitt (und das wars dann auch mit Informationen zum "Berufsbild"), behandelt dann noch das persönliche Leben des Priesters:
»Du bist als Diözesanpriester ein Mann des Gebetes. Deine Quellen findest du in der Heiligen Schrift und in deiner persönlichen Spiritualität. Das alles zeigt deine tiefe Verbundenheit mit Jesus, die schließlich auch in der Lebensform der Ehelosigkeit Ausdruck findet.«
Auch dieser Abschnitt ist ziemlich unterirdisch. Hätte ich interesse an so einem Weg, würde ich mich von so einer Schilderung ganz extrem abgestoßen und geradezu angewidert fühlen.
Zunächstmal: Wenn die Quellen für das priesterliche Leben (appropos: "Quellen" für was? Was soll aus dieser Quelle kommen?) in der Heiligen Schrift und der "persönlichen Spiritualität" liegen sollen, dann muss man sich doch fragen, worin sich das dann von jedem Getauften unterscheidet. Wäre ich Priester und nur auf meine "persönlichen Spiritualität" verwiesen (was ist dann eigentlich "unpersönliche Spiritualität"?), würde ich wohl sehr schnell eingehen und verdorren. Es ist eigentlich bereits vorgegeben, woraus der Priester nicht nur leben soll, sondern auch einzig leben kann: Das Zweite Vaticanum nennt das eucharistische Opfer "Mitte und Wurzel des ganzen priesterlichen Lebens" (PO 14) und der heilige Papst Johannes Paul II. nennt die Priester vor allem anderen "Diener der Eucharistie" (PDV 8)... soviel zu Liturgie "Marke Eigenbau".
Jener polnische Priester erzählte mir, dass er wie ein vergessenes Pflänzchen eingehen würde, könnte er nicht die Sakramente regelmäßig spenden (v.a. das Sakrament der Versöhnung und die Eucharistie). Das ist es, woraus er lebt, was ihm Lebensinhalt und Daseinsgrund geworden ist: Gott in einem sehr wahren Sinne "zu den Menschen zu bringen".
Die Aufgabe des Hirten für die Gemeinde fehlt im Text ("leiten" kann auch jeder Abteilungsleiter...), ebenso ein Bezug zur "Familie der Kleriker", besonders zum Bischof (das Zweite Vatikanische Konzil wusste noch zu sagen, dass der Priester auch im Bischof Jesus zu suchen habe! vgl. PO 8 ).
Dass zum Schluss noch die Ehelosigkeit erwähnt wird, ist zwar löblich, hat aber in dieser Formulierung auch einen merkwürdigen Beigeschmack... vielleicht, weil die eschatologische Dimension fehlt, oder weil einfach vorher keine Substanz da war, die diese "Lebensform" untermauern könnte. Irgendwas kratzt mich auch an dem Wort "Lebensform"... hmm...
Schließlich finde ich den Text ziemlich versnobt. In diesem Berufsbild fehlt der Dienst der Caritas fast völlig! Die Sorge um die Sünder, Armen, Bedürftigen, Ungläubigen, Kranken, Verlassenen und Sterbenden, überhaupt die Linderung von Leid und Not, das "Gehen an die Peripherie", wie es der Papst so prägnant formuliert, fehlt. Von einem notwendigen, von Gott gewollten und eingesetzten sakramental begründeten Wirken zum Heil der Seelen fehlt jede Spur. Alles klingt so unerträglich klinisch sauber und weichgespült... Der Prietser"beruf" hat diesem Berufsbild zufolge einen verstörend beamtenhaften und zugleich modern-businesshaften Sozialarbeitergeschmack an sich, mit überraschend wenig existentiellem Tiefgang.
Natürlich ist auch mir klar, dass einem Interessenten (hoffentlich) herzlich egal ist, was auf dieser Informationsseite des Bistums dazu steht, denn die Berufung zum Prietsertum kommt beim Surfen auf solchen Seiten genausowenig zustande, wie beim Eignungstest im Arbeitsamt. (Was die Frage aufwirft, wer eigentlich die Zielgruppe dieser Seite ist...) Priester wird man nur durch Vorbilder, nämlich v.a. Jesus Christus selbst und seine priesterlichen Stellvertreter hier auf Erden. Aber diese Infoseite gewährt einen Einblick in das, was den Bewerber ideologisch erwartet und wie die Verantwortlichen ihre Priester sehen (wollen). Ich weiß aus vielen Gesprächen, dass das auch der Realität entspricht! Wer z.B. eine tiefe Eucharistiefrömmigkeit ins Seminar mitbringt, muss, zumindest hier in Freiburg, regelrecht darum kämpfen, sie sich zu erhalten, andernfalls wird sie ihm gründlich ausgetrieben. [Fairerweise muss man aber sagen, dass sich die Zustände in den letzten Jahren schon deutlich verbessert haben. Es gab Zeiten, in denen man rausgeschmissen werden konnte, wenn man vorschlug, das komplette Offizium zu beten oder wenn man "auffällig oft" (mehr als einmal jährlich...) zur Beichte ging!]
Der Priester steht in seiner Berufung im exklusiven Dienst vor Gott und an der Kirche, mit der er gewissermaßen verheiratet ist. Der Priester ist "der Gemeinde ein Vater".
Sowenig wie ein Ehemann oder eine Ehefrau, eine Mutter oder ein Vater dies von Beruf sind, sowenig ist es der Priester für seine Gemeinde.
Den priesterlichen Dienst als einen Beruf zu bezeichnen mag manchem als wenig gravierend erscheinen. Das ist doch bloß ein Wort, alles nur Semantik. Fakt ist aber, dass wir hierzulande auch aufgrund dieser Semantik in eine gefährliche psychologische Schieflage geraten sind. Das wird vielleicht deutlicher, wenn wir aus den Worten "Priester" und "Beruf" ein Kompositum bilden: Der geneigte Leser möge sich einmal selbst die Frage stellen, wie er es fände, einen "Berufspriester" als Seelsorger zu haben. Oder: Ob er (so er männlichen Geschlechts ist) es als lohnend erachten würde, selbst ein "Berufspriester" zu werden. Ich kenne niemanden, der den Beruf "Priester" anstrebt. Aber ich kenne viele, die auf dem Weg zum Priestertum sind!
Das Priestersein nur als "Beruf" zu betrachten ist eng verwoben mit der grassierenden Funktionalisierung der Ämter überhaupt: Viel zu oft wird die priesterliche Tätigkeit nur noch anhand ihrer Funktion identifiziert, die keine seinsmäßige (ontologische) Voraussetzung und Begründung hat... es ist eine Funktion die ein Mensch ausüben kann, oder auch nicht. Folglich ist der Unterschied zwischen Laien und Klerikern auch nicht mehr verständlich: Warum sollte nicht jeder, der die entsprechende "(Berufs)Ausbildung" vorzuweisen hat, diese Funktionen erfüllen können? Solche Fragen, auch von Leuten, die es aufgrund ihrer Ausbildung eigentlich besser wissen müssten (Sakramentenlehre, Ekklesiologie), sind Alltag im deutschen Katholizismus. Dass die Chefin von "Wir sind Kirche" wegen häuslicher Sakramentensimulationen exkommuniziert wurde, ist nur eine geplatzte Eiterblase und als solche nurmehr Symptom einer systemischen Krise.
[Dazu analog ist die Tendenz, dass in vielen deutschen Diözesen immer mehr die Seelsorge "professionalisiert" und funktionalisiert werden soll. Irgendwann haben wir dann ein Heer an gut ausgebildeten Berufsseelsorgern... nicht wenige sind der Meinung, ich auch, dass dies faktisch den Tod der Seelsorge bedeuten würde, die ja wesentlich eine Begegnung von Mensch und Mensch ist, die nicht professionalisiert und funktionalisiert werden kann, ohne empfindlich beschädigt zu werden. Natürlich ist für bestimmte Personen eine angemessene Ausbildung wichtig, sei es in der Telephonseelsorge oder in der Pfarrei, aber wir haben das mit der fragwürdigen "Professionalisierung" bereits einmal erlebt: Nämlich mit der Caritas. Die Folgen sind bekannt. Und bequemerweise wurden wir Normalkatholiken dadurch auch noch "frei" gemacht von dieser Christenpflicht... die Profis machen das schon!]
Solange sich an dem heute gängigen "Augenhöhe-wir-sind-alle-irgendwie-gleich"-Priesterbild nichts ändert, wird sich auch an den prekären Berufungszahlen nichts ändern. Dieses falsche Priesterbild ist das Problem, nicht der Zölibat. Die Abschaffung des Zölibats würde nur dieses falsche Priesterbild zementieren... bisher provoziert er nämlich noch die Frage: "Wozu das alles?" (vgl. hier) Fällt er aber weg, wird eine jede Antwort auf diese Frage gleich mit wegfallen. Der Weg zum allgemeinen Berufspriestertum wäre damit geebnet.
Schaut man sich die Wirklichkeit der Tätigkeiten unserer Priester an, bekommt man stark den Eindruck, die Kirche brauche v.a. dafür Priester, damit diese Gremein und Sitzungen beiwohnen und sich mit Aktenbergen rumschlagen (in der Weiheliturgie sollte daher in Zukunft, neben den Händen, auch das Gesäß der Neupriester gesalbt werden, so der Vorschlag eines befreundeten Priesters). Ein Priester hat heute oft mehr von einem Verwaltungsbeamten oder einem Manager an sich, als von einem Hirten für seine Gemeinde. Wenn man schon während oder vor der Ausbildung befürchten muss, nachher als Manager oder Verwaltungsbeamter zu enden, ist das zudem nicht besonders attraktiv. Faktisch bürdet man den Priestern heute immer mehr Papierkram und Sitzungen auf, gleichzeitig lässt man sie spirituell verwahrlosen und mit ihren Sorgen im Regen stehen (schon in der Ausbildung!). Das äußert sich dann beispielsweise in liturgischer Willkür, Konkubinaten und Burnout. Hier sind v.a. die Bischöfe in der Pflicht, etwas zu ändern.
Schon die Sichtbarkeit des geistlichen Vaters kann viel bewirken! Im Erzbistum Freiburg bekam man als Seminarist bisher seinen Erzbischof (der für einen Priester ja eigentlich in besonderer Weise ein wirklicher "Vater im Geiste" sein sollte!) nur äußerst selten zu Gesicht... am Anfang mal ein Gespräch mit formalisierte Austausch von Höflichkeitsfloskeln, und dann nochmal das gleiche Spiel irgendwann vor der Weihe... das wars. Mehr hatte man mit ihm i.d.R. nicht zutun (hoffentlich ändert der Neue das!). Ist das ein Vorbild, zumal ein Vater für die (zukünftigen) Priester? Ich habe mit einigen Priestern darüber gesprochen: man könnte von einer regelrechten Entfremdung zwischen Bischof und Priestern sprechen. Der Bischof erscheint vielen eher als (unsichtbarer) Konzernchef, denn als Vater!
Der Priestermangel ist vor allem ein Symptom davon, dass wir überhaupt nicht mehr wissen, wer oder was eigentlich ein Priester ist und wozu wir ihn brauchen. Dass sich in so einer Lage nur wenige auf diesen Weg begeben, ist nur zu verständlich. Wenn wir die richtigen Antworten wüssten (und ein Blick in den Katechismus würde bereits viel bringen!) und DAMIT werben würden, gäbe es keinen Priestermangel, da bin ich mir sicher. Die Frage, die sich v.a. auch die deutschen Bistümer stellen sollten, ist eigentlich sehr simpel: Warum brauchen wir Priester?
Die Antwort auf diese Frage müsste eigentlich zu einem Umdenken führen, weil sie das Wesen des Priestertums behandeln muss...
Ich will keinen Berufspriester. Ich will jemanden, der zum Priestertum berufen ist und es lebt!
Von einem Schreiner will ich, dass er mir den Schrank nach meinen Wünschen anfertigt und Qualität und Preis einander entsprechen - das ist sein Beruf. Was er sonst so macht, ist mir herzlich egal.
Von einem Priester will ich, dass er väterlich der ihm anvertrauten Herde als ein Hirte auf dem Weg zu Gott vorangeht und Tag für Tag betend vor Gottes Angesicht für seine Herde und den Aufbau der ganzen Kirche Gottes einsteht. Aus der Begegnung mit Gott in Gebet, Schrift, Sakrament und in den Bedürftigen, aus der Zuwendung der Sakramente und aus der Sorge für die ihm anvertrauten und alle ihn sonst noch aufsuchenden Menschen schöpft er seine Freude und seine Kraft, denn sein ganzes Leben steht im Dienst an Gott und den Menschen. Geld spielt dabei natürlich keine Rolle und Qualität zumindest insofern auch nicht, als das letztendlich Wesentliche nicht seiner Verfügung oder seinen Fähigkeiten entspringt, sondern von Gott durch ihn gewirkt ist. Ich will von einem Priester, dass er mir in der Vollmacht Jesu meine Sünden vergibt und mich zur Umkehr ruft, mir den Leib und das Blut Christi zum ewigen Leben reicht, mich und die mir Nahestehenden in den entscheidenden Augenblicken und in den Zeiten der größten Freude und des tiefsten Leids sakramental und seelsorglich begleitet und stärkt, mich belehrt und anleitet auf meinem Weg in und mit der Gemeinschaft der Kirche hin zu Gott, dass er in mir besonders durch das eschatologische Zeichen, das er durch sein ganz Gott hingegebenes Leben gibt, die Hoffnung stärkt, meinen Glauben in der Verkündigung und der Feier der Liturgie in seinem Wachstum fördert und mich unermüdlich zur Liebe ermutigt und ermahnt. Das alles kann er aber nur tun, wenn er zu diesem größten und wichtigsten Dienst, den ein Mensch anderen Menschen erweisen kann, von Gott berufen ist.Es ist eigentlich trivial: Wer einen Beruf ausübt, der geht am Ende des Tages nach Hause und übt dann diesen Beruf bis zum nächsten Morgen nicht mehr aus. Und irgendwann ist er Rentner. Ein Priester ist und bleibt aber in jeder Sekunde seines Lebens ein Priester... er ist es (durch die Weihe) in seinem Wesen!
Warum brauchen wir Priester? Weil sie, wie die Kirche Jesu Christi als solche, heilsnotwendig sind. Weil Gott es so eingerichtet hat, weil ER sie uns geschenkt hat. Weil sie gewissermaßen die sakramentale Vergegenwärtigung Jesu Christi sind und ihn für uns sakramental vergegenwärtigen. Weil sie der bleibende Stein des Anstoßes für die Welt sind. Weil sie für uns alle beten, flehen, anbeten, preisen, danken und seufzen, wo wir im Alltag der Welt nicht dazu fähig sind. Und, ja, auch dies: Weil sie in besonderer Weise Zeugen sind für die Gegenwart Gottes in unserem Leben.
Klar, es stimmt, Die Berufung des Priesters kann und darf nicht jeden Tag nach 8 Stunden und am Wochenende enden, und er kann seinen Dienst nur gut ausüben, wenn er wirklich diese innere Berufung hat.
AntwortenLöschenAber gilt das nicht auch für sehr viele andere Berufe? Ich denke da an meine Schwester, die als Azubi (!) zur Jugend- und Heimerzieherin über 60 Überstunden mit sich rumschleppt, weil sie für erkrankte Kollegen eingesprungen ist und die Jugendlichen eben nicht mal ein paar Stunden allein bleiben können. An die unzähligen Ärzte und Kranken- und Altenpfleger, die z. T. für Hungerlöhne rund um die Uhr arbeiten, an die Lehrer, die trotz der wirklich immer schwieriger werdenden Kinder jeden Morgen in die Schule gehen und am Nachmittag und Wochenende eben nicht frei haben, sondern den Unterricht vorbereiten und Arbeiten korrigieren, an die anderen Berufe der Kirche, die genauso unglaubwürdig werden, wenn ihre Arbeit nicht vom inneren Antrieb des Glaubens geleitet wird.
Und auch an mich selber - ich hätte dieses Jahr bei meinem Gesundheitszustand über die Kartage und Ostern nicht arbeiten müssen, aber ich wollte die Leute nicht hängenlassen und für eine Osternacht ohne Orgel verantwortlich sein - und auch die schlaflosen Nächte, weil so vieles nicht funktioniert oder ich nicht weiß, wie ich manche Probleme mit den Chören etc. in den Griff bekommen soll - die habe ich, obwohl ich theoretisch meinen Beruf außerhalb der Dienstzeiten offiziell nicht ausübe.
Und mal ehrlich - auch Priester sind Menschen, die Weihe verhindert wohl kaum, daß sie Auszeiten vom Dienst brauchen, einen freien Tag und Urlaub...
Aber fragwürdig sind einige Formulierungen schon - manches klingt für mich ziemlich anbiedernd, so gewollt "cool" oder "modern" - ob man damit junge Männer, die ernsthaft darüber nachdenken, Priester zu werden, wirklich anspricht?
Der Dienst des Priesters unterscheidet sich von dem deinen trotzdem ganz grundlegend, auch wenn du nach Feierabend noch mit deinen Aufgaben befasst bist. Im "Direktorium für Dienst und Leben der Priester", das die Kongregation für den Klerus 1994 herausgegeben hat und das bis heute für dieses Thema normativ ist (obgleich das Dokument zumindest in Deutschland weitesgehend unbekannt ist, was mit ein Grund für die aktuelle Schieflage sein mag, die es z.B. in Polen durchaus nicht gibt), ist beispielsweise im Abschnitt über die Gemeindeleitung (Nr. 55) Folgendes zu lesen:
Löschen»Als Hirte der Gemeinde existiert und lebt der Priester für sie; für sie betet, studiert, arbeitet er und für sie opfert er sich. Für sie ist er bereit, sein Leben hinzugeben, indem er sie liebt wie Christus und ihr all seine Liebe und Hochachtung entgegenbringt, indem er sich mit allen Kräften und ohne Zeitgrenzen zu setzen für sie verschwendet, um sie gemäß dem Bild der Kirche als Braut Christi zum Wohlgefallen des Vaters immer schöner und der Liebe des Heiligen Geistes würdig erscheinen zu lassen.«
Das klingt doch irgendwie nach mehr als einem Beruf...
Nur ein kleiner Hinweis:
LöschenSeit dem 11. Februar 2013 (!) gibt es eine Neusausgabe des "Direktoriums für Dienst und Leben der Priester" (hier).
Aber auch in der Neuausgabe, ganz aktuell also, ist der Passus in ganz ähnlicher Weise wieder enthalten (Nr. 77 - Priester für die Gemeinde):
"Als Hirte der Gemeinde – nach dem Bild des Guten Hirten, der sein ganzes Leben für die Kirche hingibt – existiert und lebt der Priester für sie; für sie betet, studiert, arbeitet er und für sie opfert er sich. Für sie ist er bereit, sein Leben hinzugeben, indem er sie liebt wie Christus und ihr all seine Liebe und Hochachtung entgegenbringt[351], indem er sich mit allen Kräften und ohne Zeitgrenzen zu setzen für sie verschwendet, um sie gemäß dem Bild der Kirche als Braut Christi zum Wohlgefallen des Vaters immer schöner und der Liebe des Heiligen Geistes würdig erscheinen zu lassen.
Diese bräutliche Dimension des Priesterlebens als Hirte wird bewirken, dass er seine Gemeinde leiten wird, indem er hingebungsvoll allen und jedem ihrer Mitglieder dient, ihnen ihr Bewusstsein mit dem Licht der geoffenbarten Wahrheit erhellt, mit Vollmacht Sorge trägt für die evangeliumsgemäße Authentizität des christlichen Lebens, Irrtümer korrigiert, verzeiht, Wunden heilt, die Betrübten tröstet und die Brüderlichkeit fördert."
Vielen Dank für die kritischen Anmerkungen. Es scheint sich mit den Beobachtungen in anderen Diözesen zu decken - bedauerlicherweise...
Habe Deinen Artikel hierhin verlinkt:
P. Bernward Deneke: Fragwürdige Berufungspastoral
Bin jetzt erst auf diesen Beitrag gestoßen, aber das hier.
AntwortenLöschen.............aber wir haben das mit der fragwürdigen "Professionalisierung" bereits einmal erlebt: Nämlich mit der Caritas. Die Folgen sind bekannt. Und bequemerweise wurden wir dadurch auch noch "frei" gemacht von dieser Christenpflicht... die Profis machen das schon!]
finde ich, auch wenn es mit den Thema Priester wenig zu tun hat, Klasse weil ich mir das seit Jahrzehnten immer wieder denke, und es selten gelesen oder gehört habe.