Donnerstag, 31. Juli 2014

Der gute Geist schenkt Ruhe

»Denn nun ist es dem bösen Geiste eigen, zu beißen, traurig zu stimmen und Hindernisse zu legen, indem er mit falschen Gründen beunruhigt, damit man nicht weiter vorrücke. Und dem guten Geist ist es eigen, Mut und Kraft, Tröstungen, Tränen, Einsprechungen und Ruhe zu geben, indem er alle Hindernisse leicht macht und weghebt, damit man im Tun des Guten weiter voranschreite.«

(Unterscheidung der Geister, Regel 2; aus: Ignatius von Loyola, Die Exerzitien, übertragen von H. U. v. Balthasar, Einsiedeln 1993, S. 99)

Mittwoch, 30. Juli 2014

Dürftige Theologie - 12 - Horizontalisierung

Bitte die Einführung (hier) beachten!


Im vorangegangenen Teil dieser Serie habe ich das Thema "Lebensänderung" behandelt (hier) - und zwar dahingehend, dass in dieser Debatte, in der alle Nase lang auch vom Bußsakrament die Rede ist, eine wirkliche (und für den gültigen Empfang selbigen Sakramentes notwenige) Dimension meist vergessen wird: Das Bemühen um die Abkehr von der Sünde. "Man" möchte Leute zur Beichte schicken, ohne Reue über die begangene Sünde des Ehebruches und den Willen zur Unterlassung derselben zu verlangen. Die Spitze in jenem Beitrag:
»Die unbequeme Wahrheit ist, dass es nicht immer möglich ist, einen bequemen Ausweg aus einer Situation zu finden. Manchmal manövrieren wir Menschen uns in eine Situation, aus der nur ein wahrhaftiger "Kreuzweg" herausführt.«
Und ich endete den Text mit einem Ausblick:
»Die christliche Hoffnung richtet sich letztlich auf das Jenseits. Auch diese Perspektive fehlt in den Debatten föllig.  Es ist uns nicht vergönnt, hier auf Erden alle Bequemlichkeit und Sorglosigkeit zu haben [...]. Letztlich gilt Jesu Verheißung aber auch genau jenen, die in einer solch schwerwiegenden und schwierigen Lage sind, aus der es keinen einfachen Ausweg gibt.«

Nundenn.
Auf ungezählte Weisen belehrt uns die Bibel, dass unser Ziel als Christen und als Geschöpfe nicht hier auf Erden, im irdischen Bereich zu finden ist. Nichts kann uns hier endgültig erfüllen, nichts uns völlig befriedigen, nichts uns hier in der Welt ewiges Leben und ewige Liebe schenken. Wir sind immer Pilger auf Erden. Unser Ziel ist Gott, das ewige Leben in ihm.
»Denn wir haben hier keine Stadt, die bestehen bleibt, sondern wir suchen die künftige.« (Hebr 13,14)

Wie bei allen aktuellen ethischen Fragen, so wird auch in der innerkirchlichen Debatte um die zivil Geschiedenen und Wiederverheirateten die vertikale Perspektive i.d.R. nicht beachtet. Auch nicht von katholischen Moraltheologen. Man horizontalisiert das Thema, indem man es als eine rein menschliche Angelegenheit betrachtet, und ausnahmslos nach menschlichen "Bedürfnissen" und menschlichen "Möglichkeiten" fragt. Gott taucht allzuoft nur als der auf, der dann "barmherzig" alles abnicken und für gut befinden soll, ungeachtet der unmissverständlichen Aussagen der Bibel.
Das Schema ist bekannt: Die biblischen Vorschriften werden als "zeitbedingt" etikettiert und man gefällt sich darin, gleichgeschlechtliche "Ehen" zu segnen.

Es gibt keinen Zweifel darüber, dass Jesus eine zweite Eheschließung nach Scheidung kategorisch ausschließt und als schwere Sünde (Ehebruch) betrachtet. Dieses ausdrückliche Gebot Jesu ist das am häufigsten im Neuen Testament bezeugte Jesuswort, es taucht gleich fünf mal ohne jede widersprüchlchkeit oder Zweideutigkeit auf (bei Matthäus: 19,9 und indirekt in 5,27-32; bei Markus: 10,11-12; bei Lukas: 16,18; bei Paulus: 1 Kor 7,10-11; die Eindeutigkeit Jesu in Sachen Ehescheidung und Ehebruch berichtet auch der Evangelist Johannes, wenn Jesus etwa die Samaritanerin entlarvt mit den Worten: "Fünf Männer hast du gehabt, und der, den du jetzt hast, ist nicht dein Mann", Joh 4,18; oder wenn er der Ehebrecherin gebietet, nicht mehr zu sündigen, Joh 8,3-11; bezüglich der angeblichen "Unzuchtsklausel", empfehle ich meine Ausführungen hier).

Wenn Jesus, wie es die Kirche lehrt, für die Getauften die Ehe zum Sakrament erhoben hat, dann ist sie keine Angelegenheit mehr nur zwischen Menschen. Genau genommen war sie das noch nie, denn es ist Gott selbst, der Mann und Frau für einander geschaffen hat.
Genau hierin gründet gerade auch das Gebot Jesu, das nicht auf theologischer Spitzfindigkeit oder auf Meinung beruht, sondern den Schöpfungswillen Gottes kundtut.
»Am Anfang der Schöpfung aber hat Gott sie als Mann und Frau geschaffen. Darum wird der Mann Vater und Mutter verlassen, und die zwei werden ein Fleisch sein. Sie sind also nicht mehr zwei, sondern eins. Was aber Gott verbunden hat, das darf der Mensch nicht trennen.« (Mk 10,6-9)

Nicht zu vergessen: Der dies äußert ist das fleischgewordene Wort, jenes über das gesagt ist: "Alles ist durch das Wort geworden und ohne das Wort wurde nichts, was geworden ist." (Joh 1,3). Es ist auffällig, dass sich Jesus ansonsten für seine Gebote nicht explizit auf die von Gott von Anfang an gesetzte Ordnung beruft, obwohl er es sicherlich ohne Probleme tun könnte... ihm scheint dieses Thema besonders am Herzen zu liegen. Es ist der Apostel Paulus, der uns überaus prägnant sagt, warum das so ist:  
»Dies [d.i. die Ehe] ist ein tiefes Geheimnis; ich beziehe es auf Christus und die Kirche.« (Eph 5,32)

Die Ehe bildet die Beziehung Gottes zu den Menschen ab. Sie ist Vorahnung auf unser ewiges Ziel in Gott. Darum ist die Ehe aber auch mit besonderen Gnadengaben ausgestattet! Die wirken freilich nicht automatisch. Wie das mit der Gnade nunmal so ist, müssen wir durch unserer Freiheit (auch ein Geschenk Gottes) mitarbeiten... Die Gnade ist ein Geschenk, aber auspacken müssen wir es selbst!
Lässt man diese göttliche Dimension fahren, verlässt man nicht nur den Boden des Christerntums, sondern auch den Boden Israels... Die Ehe von Gott und seinen mehr als deutlichen Geboten entkoppeln zu wollen, etwas "Privates" daraus zu machen, ist, wie Klaus Berger sehr spitz aber richtig anmerkt, ein Rückfall in "pures Heidentum". 

Es ist eine große Schande und eine nicht zu unterschätzende Gefahr, in dieser ganzen Debatte und in den Bestrebungen, die beständige Lehre der Kirche zu ändern, dass diese wesentliche Dimension der Ehe zunehmend aus dem Blick gerät. Die Folgen sind kaum zu ermessen: Nicht nur, dass damit die Ehe als solche um ihren hohen Wert beraubt wird, nein auch die Kirche wird dadurch verarmen, denn es ist ja ihr Verhältnis zu Gott (und Gottes zu ihr), das in der Ehe abgebildet wird.
Es ist nicht einfach eine Verkürzung der Problemlage, wenn man das "Jenseits", die helfende (stärkende, heilende) Gnade Gottes und seine Gebote ausklammert, sondern man redet dann einfach völlig am Thema vorbei.
Die sakramentale Ehe zwischen Getauften nach bloß menschlichen, gesellschaftlichen Maßstäben messen und beurteilen zu wollen ist ein Fehler. Hier findet viel zu oft eine Vermischung und Verwirrung statt. Die Ehe ist nicht "von der Welt", sie ist keine menschliche Schöpfung oder Konvention. Sie ist von Gott eigesetzt. Sie gründet freilich, wie jede Gnade, auf der Natur, aber sie transfomiert und transzendiert sie. Das scheint man aber auch in der Kirche oft zu vergessen...

Natürlich ist dann eine "Lebensänderung" auch nicht mehr notwendig. Wenn Reue, Umkehr, Besserung abgeschafft werden und dafür eigene Bedürfnisse sowie das gesellschaftliche Empfinden zum alles entscheidenden Faktor werden, dann leidet darunter die ganze Beziehung der Kirche zu Gott. Dann entsteht Spaltung, Ungerechtigkeit, Verwahrlosung, Abfall uvm. Konkret veranschaulicht: Wenn die Kirche hier einknickt und zivile Zweitehen anerkennt und gar im Namen Gottes segnet (wie das in Freiburg illegalerweise bereits offiziell angeregt ist), dann ist nicht mehr plausibel zu machen, warum nicht auch andere Formen außerehelischer Sexualität abgesegnet werden sollten (inklusive praktizierte Homosexualität, in ein paar Jahren, wenn der gesellschaftliche Trend sich entsprechend wandelt, wohmöglich auch Pädophilie...).
Es fragt sich auch, wie denn überhaupt noch irgendwelche biblischen Moralvorschriften plausibel zu machen sind, wenn sich die Kirche über dieses spezielle Gebot Jesu hinwegsetzt, das so klar bezeugt ist wie kein anderes.

Eine Wiedergewinnung der Vertikalen Achse in dieser Thematik tut dringend Not. Wenn man den Menschen wieder von grundauf beibringen würde, dass ihre Ehe nicht die endgültige Erfüllung sein soll und sein kann, wenn ihnen die Abhängigkeit auch dieser Verbindung von der Gnade Gottes vermittelt werden würde, dann, so glaube ich, würde sich auch das Problem der zivilen Wiederheirat fast wie von selbst erledigen. (Dazu gehört auch: Es würden dann manche wohmöglich nicht mehr kirchlich heiraten, weil ihnen auffällt, dass es nicht das ist, was sie wirklich wollen. Der Sakramentenausverkauf trägt nämlich auch sehr zu diesem Problem bei! Ehevorbereitung und Zulassungsbedingungen zum Sakrament behandle ich - s.c.J. - bei einer späteren Gelegenheit.)
Es würde, wenn man nur diesen so zentralen Aspekt der Ehe wieder hervorkehrt, auch die Versöhnung eher geschehen können. Wenn klar würde, dass die lebenslange Treue nicht etwas ist, das man machen kann oder auch nicht, sondern etwas, das man ein für alle Mal hoch und heilig versprochen hat; wenn klar würde, dass man, ob einem danach ist oder nicht, man an diesen einen Menschen, dem man angetraut ist, bis zum Lebensende existentiell gebunden bleibt, weil Gott (der Schöpfer!) die Gatten verbunden hat, wie er sich selbst, sein Fleisch, mit der Kirche verbunden hat (sie sollen EIN Fleisch sein!)... Wenn das den Leuten wieder bekannt wäre, dann würden gewiss die Beteiligten alles ihnen Mögliche daran setzen zu verzeihen, Heilung zu finden und die Treue zu halten. 

Gott ist es, der Heilung zur Versöhnung und Kraft im Leiden schenkt! Ehesakrament? Sakramentsgnade? Aber der selbe Gott der Heilung schenkt, hat auch Gebote erlassen. Seine Heilung wird denen zuteil, die von den Irrwegen umkehren. Wer sich Tag um Tag neue Wunden reißt, weil er die Dornen nicht verlassen will, dessen Wunden kann auch Gott nicht verbinden. Es ist eine Illusion zu glauben, Gott würde den Weg der Sünde akzeptieren und irgendwann sogar segnen, wenn wir nur bockig genug sind, mit dem Fuß aufstampfen und uns immer fester ins Unterholz verheddern. Fromme Gefühle ändern daran nichts. Das Christentum ist keine der Seele schmeichelnde und uns in Bequemlichkeit wiegende Gefühlsreligion, sondern eine Offenbarungsreligion: Der Gute Hirte geht den verlorenen Schafen nach um sie zurückzuholen - nicht, um sie auf ihrem Irrweg zu begleiten!

Auch das darf nicht verschwiegen werden: Es muss wieder klar werden
- dass das Leben in der Sünde zugleich die Gemeinschaft mit Gott und mit der Kirche stört (darum: Ausschluss von den Sakramenten im Zustand schwerer Sünde, nicht nur bei Ehebruch!);
- dass Ehebruch eine ernste Angelegenheit ist, die die Seele in Gefahr bringt: "Bemüht euch mit allen Kräften, durch die enge Tür zu gelangen; denn viele, sage ich euch, werden versuchen hineinzukommen, aber es wird ihnen nicht gelingen." (Lk 13,24);
- dass Umkehr und Versöhnung eine Anstrengung ist und Opfer verlangt. Den bequemen Weg gibt es nicht. Gott mahnt uns auch, er warnt uns und zuweilen zerrt er uns mit aller Kraft aus dem Gestrüpp heraus. Das ist nicht angenehm und es geht auch nicht ohne unser Zutun.
Die Suche nach Glück und Sicherheit ist richtig und wichtig. Aber Glück zu suchen im Widerspruch zum göttlichen Gebot ist ein Wahn, und Sicherheit abseits der Wege Gottes zu vermuten ist einfach nur fahrlässig. Es gibt keine irdische Glückgarantie für den Christen und nirgendwo in der Bibel wird den Nachfolgern Jesu irdisches "Glück" verheißen (alles "unter Verfolgung", Mk 10,30)!
Es hat nichts mit Freiheit zutun, wenn man im Matsch stecken bleibt.
»Trachtet zuerst nach dem Reich Gottes und nach seiner Gerechtigkeit, so wird euch das alles zufallen.« (Mt 6,33)

Und schließlich: Auch in den schwierigen Situationen, in denen es wirklich "Opfer", wirklich Verlassene gibt die leiden, bietet diese (eigentlich DIE) Perspektive des "Trotzdem" der Treue zum Partner (und darin zu Gott) die einzig sinnvolle Antwort. Denn die Vollendung, die Glückseligkeit steht ja noch aus und das Leid um Gottes und seines Wortes Willen ist kein Verlust:
»Aber auch wenn ihr um der Gerechtigkeit willen leiden müsst, seid ihr selig zu preisen. Fürchtet euch nicht vor ihnen und lasst euch nicht erschrecken, sondern haltet in eurem Herzen Christus, den Herrn, heilig!« (1Petr 3,14f)
Glauben wir solchen Verheißungen noch? Wir sollten es. Wir müssen es!
Der Herr der Welt sagt von unserem irdischen Leid das wir in der Treue zu ihm tragen:
»Seid fröhlich und getrost; es wird euch im Himmel reichlich belohnt werden.« (Mt 5,12)

Dienstag, 29. Juli 2014

Verfolgung


Bis auf diese Stunde leiden wir Hunger und Durst und Blöße und werden geschlagen und haben keine feste Bleibe und mühen uns ab mit unsrer Hände Arbeit. Man schmäht uns, so segnen wir; man verfolgt uns, so dulden wir's; man verlästert uns, so reden wir freundlich. Wir sind geworden wie der Abschaum der Menschheit, jedermanns Kehricht, bis heute. 

Nicht um euch zu beschämen, schreibe ich dies;
sondern ich ermahne euch als meine lieben Kinder. 

(1Kor 4,11-14; Notiz für die Theologen: Mir ist bewusst, dass Paulus, in Kontinuität mit seinem häufigen Gebrauch juridischer Sprache, im ersten Teil mit pluralis auctoris eigentlich bloß von sich selbst spricht. Das ändert freilich nichts an der bleibenden Gültigkeit dieser Worte für so viele Christen...)

Samstag, 26. Juli 2014

UNS geht's doch gut!

Vergangene Woche erlebte ich eine Predigt an der ich ziemlich gelitten habe.

Es fing eigentlich ganz vernünftig an... es ging um Paulus und seinen Begriff von Welt im 1. Korintherbrief (dass an dem Tag die Lesung aus Jeremia kam, sei nur erwähnt). Dass Paulus die "Welt" für schlecht erachte, müsse man vor dem Hintergrund verstehen, dass er für seinen Glauben Verfolgung erlitten habe. Seine Umwelt war ihm eben feindlich gesonnen.

In Anbetracht der aktuellen Situation der Christen im Irak, in Nigeria, in China und an vielen anderen Orten, erwartete ich einige wichtige Worte zu den schrecklichen Ereignissen direkt vor unserer europäischen Haustür.

Doch stattdessen fuhr der Prediger fort und erzählte, dass uns heute, hier in Deutschland, es nicht mehr so erginge wie Paulus und wir darum auch nicht mehr, wie Paulus, die Welt als etwas verstehen dürften, was überwunden werden müsse, schließlich lebten wir in dieser Welt und sollen sie gestalten. (Mehr Inhalt oder Konkretheit gabs nicht, obwohl die Predigt erstaunlich lang war.)

Ich litt sehr an dieser Predigt. Nicht so sehr, dass sie exegetisch-theologisch völlig daneben war (Paulus meint mit dem Terminus technicus "Welt" etwas anderes, als unsere alltägliche Lebenswelt!), auch nicht, dass Jesus explizit sagt, er habe "die Welt überwunden" (und also der Prediger gewissermaßen Jesus eines Irrtums bezichtigt); mich störte auch weniger, dass durch solches theologisch falsche Geschwafel im besten Fall Verwirrung, im schlimmsten Fall Irrtum bei den Gläubigen entsteht. (Wäre mir soetwas in einer Exegese-Veranstaltung an der Uni begegnet, hätte ich den Vortragenden vermutlich ausgelacht.)
Nein, was mich v.a. leiden ließ war die völlige Abwesenheit (in der gesamten Messe) auch nur einer Erinnerung an die jetzt gerade verfolgten Brüder in Christo. Nichts, keine Erwähnung.

Die Prämisse der Predigt bestand in der Verfolgungssituation, der sich Paulus ausgesetzt sah sowie in der Tatsache, dass es UNS heute, HIER in Deutschland, anders ergeht...
Wie kann man nur? Die Blindheit, die versnobte Ignoranz troff aus allen Poren. Schrecklich.

Aber es scheint doch ein sprechendes Zeichen für einen Gutteil der "westlichen" sich "christlich" nennenden Welt zu sein. Nicht so sehr Ratlosigkeit, sondern Blindheit scheint das Hauptproblem zu sein... man will es wohl immer noch nicht sehen... Gott steh uns bei!

Sonntag, 20. Juli 2014

Wachstum

Nicht ganz zum Tagesevangelium.
»Und er sprach: Mit dem Reich Gottes ist es so, wie wenn ein Mensch Samen aufs Land wirft und schläft und aufsteht, Nacht und Tag; und der Same geht auf und wächst - er weiß nicht wie. Denn von selbst bringt die Erde Frucht, zuerst den Halm, danach die Ähre, danach den vollen Weizen in der Ähre.« (Mk 4,26-28)

Die jüdischen Apokalyptiker der Zeit Jesu hielten ein Wirken Gottes in der Welt nurnoch mittels brachialer Gewalt für möglich. Jesus ist kein Apokalyptiker. Er redet vom Wachstum, vom stillen, unspektakulären zeitintensiven Wachstum.

Schon das erste Buch der Bibel zeigt uns Gott als einen, der, obgleich er selbst zeitlos ist, sich im wahrsten Sinne "Zeit nimmt" für seine Schöpfung (sechs "Tage"). Es macht nicht einfach "puff" und die Schöpfung war da. Auch für die Geschöpfe lässt er sich im zweiten Buch Zeit: Es macht auch hier nicht einfach "puff" und der Mensch war da... nein: Alles braucht seine Zeit... und so formt Gott den Menschen geduldig.

Alles was gut ist, was von Gott kommt, was wertvoll und wahr ist, braucht Zeit. Es kommt nicht mit einem Knall, es kommt nicht hastig oder mit Gewalt, es springt nicht wild umher, ist nicht ruhelos, zitterig und raffend. Es wächst vielmehr geduldig und gelassen aus einem Samen zur Größe, zur Blüte, zur Frucht. Und zur rechten Zeit.

Alle Christen raus!

Der arabische Buchstabe ن "nun" für Nasrani (Nazarener), eine muslimische Spottbezeichnung für Christen an einer Hauswand in Mossul, Irak. In Schwarz: "Eigentum des islamischen Staates Irak".


Beten wir für die verfolgten Brüder und Schwestern!

Samstag, 19. Juli 2014

Nietzsche an die Christen

Ihr aber, wenn euer Glaube euch selig macht, so gebt euch auch als selig! Eure Gesichter sind immer eurem Glauben schädlicher gewesen als unsere Gründe! Wenn jene frohe Botschaft eurer Bibel euch ins Gesicht geschrieben wäre, ihr brauchtet den Glauben an die Autorität dieses Buches nicht so halsstarrig zu fordern: eure Werke, eure Handlungen sollten die Bibel fortwährend überflüssig machen, eine neue Bibel sollte durch euch fortwährend entstehen! So aber hat alle eure Apologie des Christentums ihre Wurzel in eurem Unchristentum; mit eurer Verteidigung schreibt ihr eure eigne Anklageschrift. Solltet ihr aber wünschen, aus diesem eurem Ungenügen am Christentum herauszukommen, so bringt euch doch die Erfahrung von zwei Jahrtausenden zur Erwägung: welche, in bescheidene Frageform gekleidet, so klingt: "wenn Christus wirklich die Absicht hatte, die Welt zu erlösen, sollte es ihm nicht mißlungen sein?"

(Menschliches, Allzumenschliches, II,1,98)

Freitag, 18. Juli 2014

Zur Statistik 2013

My 2 cents (zu dem hier):

1) Es scheint, dass die Leute früher wohl doch nicht, wie oft etwa von Laienvertretern vollmundig behauptet wurde, "wegen des rückständägen Papstes (Benedikt XVI.)" ausgetreten sind ("... enttäuscht von der Haltung des Papstes" u.ä.)... unter Franziskus ists sogar noch schlimmer! Diesmal wird man diesen Schluss wohl nicht zeihen, wer will sich schon Franziskus madig machen?

2) Das viele Dialogisieren in der Kirche (Stichwort: "Aufbruch") scheint ja nun auch nicht viel zu helfen. Die evangelische Kirche passt sich mit viel fleiß dem Zeitgeist an und schrumpft noch schneller als die katholische... viele Katholiken befleißigen sich (seit 2011 nur allzu sichtbar im "Dialogprozess"), es der evangelsichen Kirche gleichzutun. "Mehr vom gleichen (Falschen)!" wird wohl auch diesmal die Antwort vieler Waszusagenhaber auf die Statistik sein.

Montag, 14. Juli 2014

Der Priester: berufen


Ich habe mich neulich mit einem polnischen Priester über das Problem unterhalten, die wir hierzulande, konkret im Erzbistum Freiburg, mit dem priesterlichen Nachwuchs haben.

Das Hauptproblem machte mein Gesprächspartner darin aus, dass man hier, im Unterschied zu seiner Heimat, den Priester ausschließlich als "Beruf" verstehen möchte und, zumindest auf offizieller Ebene, nicht als Berufung. Das ist freilich eine Folge der jahrzehntelangen Bemühungen um Gleichmacherei und Einebnung: Der Priester ist ein Typ wie du und ich, es ist nichts besonderes an ihm, wir können alle auf Augenhöhe alles gemeinsam machen. Jeder der etwas anderes Behauptet, ist sofort des Klerikalismus verdächtig. Es freute mich daher ungemein, als der neue Freiburger Erzbischof in seiner Ansprache direkt nach seiner Weihe von einer Verwiesenheit von Hirte und Volk auf einander gesprochen hat... allein das "Hirte", was ja eine Hierarchie impliziert, ist heute eigentlich schon zum Unwort geworden. (Übrigens ist, das muss man immer wieder betonen, die hierarchische Verfasstheit der Katholischen Kirchen Glaubensinhalt, ebenso der wesensmäßige und durch kein menschliches Tun einholbare Unterschied zwischen Kleriker und Laie!)
Ein Blick auf die Internetseite der Freiburger "Diözesanstelle Berufe der Kirche" illustriert das sehr schön (klick). Dort sind einige "Berufe" aufgelistet:  
»Diözesanpriester
Gemeindereferent/-in
Ordensfrau/-mann
Pastoralreferent/-in
Religionslehrer/-in
Ständiger Diakon
Weitere Berufe in der Kirche«

Bemerkenswert finde ich, dass das Weiheamt und das geweihte Leben unterschiedslos und recht homogen durchmischt mit den rein weltlichen bzw. den Laien zukommenden "Berufen" genannt werden. Die Botschaft ist klar: Priester oder Ordensangehöriger, ist ein Beruf wie andere auch. Das Wort "Berufung" taucht zwar auf der Hauptseite auf, aber das wars dann auch schon damit.
Klickt man nun auf den ersten Punkt, "Diözesanpriester" (man spührt fast schon das Missfallen der Verantwortlichen, hier kein "/-in" anhängen zu können), gelangt man auf eine kleine Seite die als Blickfang zunächstmal ein Foto bereithält, auf dem der Besucher wohl einen typischen Prietser sehen soll (fett-weiße Bildunterschrift auf rotem Grund: Diözesanpriester)... auf dem Bild erkennbar ist das nicht, es könnte auch ein per Zufall ausgewähltes Foto irgendeiner Werbeagentur sein: Max Mustermann mit Brille, weißem Hemd, Lächeln und unbestimmter Stadtszene im Hintergrund. Ist das das typische Daherkommen und der typische Ort, den wir mit einem Priester assoziieren (wollen)? Für mich nicht. Für einen Priester typisch (d.h. dessen charakteristische Merkmale zum Ausdruck bringend) empfände ich eher das Stehen am Altar, das Sitzen im Beichtstuhl oder am Krankenbett... aber das ist wohl schon wieder klerikalistisch... mindestens triumphalistisch!

Zum Inhalt der Seite. Das Motto der Diözesanstelle ist "... dein Weg bewegt" und neben dem beschriebenen Foto wird dann das aufgelistet, was man offenbar für charakteristisch für den priesterlichen Weg erachtet:
»... dein Weg bewegt ...
... dich, dem Ruf Gottes zu folgen
... dich, das Evangelium zu leben und zu verkünden
... dich, deine persönliche Beziehung zu Jesus zu leben
... die Menschen in den Gemeinden
... dich ...«

Worin sich dieser Katalog von dem unterscheidet, was jedes Christen Ruf ist, weiß ich nicht. Dass MEIN Weg MICH bewegt ist außerdem tautologisch und irgendwie dümmlich.
Schauen wir also tiefer, gucken wir mal, was unter "Berufsbild" zu finden ist. Wieder werden wir von Max Mustermann (aka Diözesanpriester) begrüßt. Die Überschrift deutet zumindest an, dass hier etwas anders ist als bei den anderen "Berufen":
»Diözesanpriester – ein spannender Weg und: Kein Beruf wie jeder andere«

Worin dieses "Kein Beruf wie jeder andere" besteht, wird allerdings nicht klar, man bleibt bei dieser Floskel, die einem im Arbeitsmarkt auch außerhalb der Kirche ungezählte Male begegnet... so ziemlich jeder Beruf ist "kein Beruf wie jeder andere". Auch erzwingt diese Formulierung die Erkenntnis: Priester ist (v.a.) dies, ein Beruf.
Aber was noch? Der erste Abschnitt erwähnt immerhin prompt die Weihe, da heißt es:
»Durch die Weihe wirst du für die Menschen in besonderer Weise zu einem Zeugen, dass Jesus Christus mitten unter ihnen lebt. Wie ein Brückenbauer übersetzt du das Evangelium in den Lebensalltag der Menschen. So bist du ihnen Hilfe, die Spur Gottes in ihrem Leben zu entdecken.«

Ernüchterung. Stimmt das denn? Macht die Weihe jemanden "in besonderer Weise zu einem Zeugen"? Und: ist das wirklich das (einzig) Entscheidende? Ich wage zu behaupten: Nein.
Inwiefern jemand Zeuge für Christus ist, ist in etwa gleichbedeutend mit der fruchtbaren Verwirklichung jenes königlichen Priestertums, durch das jeder Getaufte in den mystischen Leib Christi aufgenommen wurde. Beide, Laien und Priester, sind Zeugen für Christus, wenn sie ihrer Berufung und ihren in den Sakramenten vermittelten Gnaden und Gaben entsprechend Frucht bringen. Die Gnadengaben des Priestertums bestehen primär darin, dem Volk Gottes Gnade zu vermitteln und nicht sich selbst. Was den Priester auszeichnet ist primär nicht für ihn selbst (er kann sich z.B. nicht selbst die Absolution erteilen!), sondern für die anderen; er selbst, der Priester in seiner ganzen Person, ist wesensmäßig für die anderen da! Ein Geweihter ist auch nicht "begnadeter" als ein Laie, sondern er ist v.a. jemand, der anderen Gnaden vermittelt (welche Gnaden ein Priester besonders erhält, dienen der Ausführung dieses Amtes). 
Natürlich: Ein Priester soll auch in besonderer Weise Zeuge für Jesus sein. Aber das ist nicht das Wesentliche des Priesters (das soll nämlich jeder, "der zu einem Dienst in der Kirche bestellt ist"). Der Priester soll nicht bloß für die Gegenwart Christi "mitten unter ihnen" Zeuge sein (das ist auch die vorzüglichste Aufgabe der Laien!), sondern er soll diese Gegenwart verwirklichen. Und zwar wortwörtlich: Jesus Christus soll durch den Dienst des Priesters wirklich gegenwärtig sein (nämlich in den Sakramenten, im Wort und der Lehre, in der geistlichen Führung)! Ein Priester hat in besonderer Weise Anteil am Hohenpriestertum Christi - das ist das Wesentliche!
Weiter im Text:
»Die Herausforderung ist groß: Du leitest und begleitest die Gemeinden einer Seelsorgeeinheit. Wie Jesus lebst du mit den Menschen, teilst ihre Sorgen, ihre Freuden. Du bist ein Zeuge für den auferstandenen Herrn.«

Hier ist immerhin an erster Stelle von "Leiten" die Rede, wenngleich das sofort nuanciert wird durch das grammatikalisch gleichgestellte "Begleiten". Erschreckend finde ich es, das man offenbar wenig Ideen, hat, was man hier schreiben könnte und schonwieder vom Zeugesein redet. Bin ich das als Laie etwa nicht? Und lebe ich als Laie etwa nicht mit den Menschen?
Weiter:
»So verkündest du die Frohe Botschaft in Predigt und Gottesdienst, im seelsorgerlichen Gespräch und Religionsunterricht, kurz: durch deine ganze Lebensweise. Als Diözesanpriester begleitest du die Menschen an wichtigen Knotenpunkten ihres Lebens: Sakramente, Taufe, Kommunion, Hochzeit, Sterben.«

Halleluja, endlich werden mal Sakramente genannt. Etwas befremdlich finde ich allerdings die Aufzählung von "Knotenpunkten". Die Sakramente sind keine "Knotenpunkte" (sie können jedoch an solchen stehen oder sie prägen!). Ich habe bei der Lektüre das Gefühl, die Autoren würden den Unterschied zwischen Sakramenten und "Knotenpunkten ihres Lebens" nicht kennen und einfach ein paar Stichworte hinknallen, was irgendwie vertraut klingen...: 
- "Sakramente" ist kein "Knotenpunkt" irgendeines Lebens. Es sind Handlungen zwischen Gott und Mensch, bei denen durch sichtbare Zeichen unsichtbare Gnade gewirkt und vermittelt wird; 
- "Taufe" ist ein Sakrament (was ist der Unterschied zum vorherigen Punkt "Sakramente"?); 
- "Kommunion" kann man noch als eine Alternativbezeichnung für die Eucharistie gelten lassen (gemeint ist wohl die Erstkommunion? So formuliert, könnte dieses Charakteristikum auch für den Dienst eines "Kommunionhelfers"zutreffen... Und wieder: zählt das nicht zu "Sakramente"?);
- "Hochzeit" ist kein Sakrament, sondern eine rein äußerliche Feier in deren Rahmen u.U. das Ehesakrament gespendet wird (jeder kann so ziemlich jeden jederzeit auf vielerlei Weise "heiraten"... eine sakramentale Eheschließung hat demgegenüber zahlreiche Voraussetzung und Wirkungen);
- "Sterben" lässt an Krankensalbung und Begräbnis denken. Das scheint mir überhaupt der einzige Punkt zu sein, der in dieser Aufzählung ("Knotenpunkte"!) semantisch widerspruchsfrei hineinpasst.

Warum hier die Firmung (außerordentlich) und v.a. die Beichte völlig fehlen, erschließt sich mir nicht (das was genannt wird, kann in der Mehrzahl auch ein Diakon, zuweilen sogar ein beauftragter Laie erfüllen!). Auch werden viele andere "Knotenpunkte" oder Phasen des Lebens ausgespart (Kindheit, Jugend, Verlobung, Schwangerschaft, Alter).

Der letzte Abschnitt (und das wars dann auch mit Informationen zum "Berufsbild"), behandelt dann noch das persönliche Leben des Priesters:
»Du bist als Diözesanpriester ein Mann des Gebetes. Deine Quellen findest du in der Heiligen Schrift und in deiner persönlichen Spiritualität. Das alles zeigt deine tiefe Verbundenheit mit Jesus, die schließlich auch in der Lebensform der Ehelosigkeit Ausdruck findet.«

Auch dieser Abschnitt ist ziemlich unterirdisch. Hätte ich interesse an so einem Weg, würde ich mich von so einer Schilderung ganz extrem abgestoßen und geradezu angewidert fühlen. 
Zunächstmal: Wenn die Quellen für das priesterliche Leben (appropos: "Quellen" für was? Was soll aus dieser Quelle kommen?) in der Heiligen Schrift und der "persönlichen Spiritualität" liegen sollen, dann muss man sich doch fragen, worin sich das dann von jedem Getauften unterscheidet. Wäre ich Priester und nur auf meine "persönlichen Spiritualität" verwiesen (was ist dann eigentlich "unpersönliche Spiritualität"?), würde ich wohl sehr schnell eingehen und verdorren. Es ist eigentlich bereits vorgegeben, woraus der Priester nicht nur leben soll, sondern auch einzig leben kann: Das Zweite Vaticanum nennt das eucharistische Opfer "Mitte und Wurzel des ganzen priesterlichen Lebens" (PO 14) und der heilige Papst Johannes Paul II. nennt die Priester vor allem anderen "Diener der Eucharistie" (PDV 8)... soviel zu Liturgie "Marke Eigenbau".
Jener polnische Priester erzählte mir, dass er wie ein vergessenes Pflänzchen eingehen würde, könnte er nicht die Sakramente regelmäßig spenden (v.a. das Sakrament der Versöhnung und die Eucharistie). Das ist es, woraus er lebt, was ihm Lebensinhalt und Daseinsgrund geworden ist: Gott in einem sehr wahren Sinne "zu den Menschen zu bringen".
Die Aufgabe des Hirten für die Gemeinde fehlt im Text ("leiten" kann auch jeder Abteilungsleiter...), ebenso ein Bezug zur "Familie der Kleriker", besonders zum Bischof (das Zweite Vatikanische Konzil wusste noch zu sagen, dass der Priester auch im Bischof Jesus zu suchen habe! vgl. PO 8 ).
Dass zum Schluss noch die Ehelosigkeit erwähnt wird, ist zwar löblich, hat aber in dieser Formulierung auch einen merkwürdigen Beigeschmack... vielleicht, weil die eschatologische Dimension fehlt, oder weil einfach vorher keine Substanz da war, die diese "Lebensform" untermauern könnte. Irgendwas kratzt mich auch an dem Wort "Lebensform"... hmm...

Schließlich finde ich den Text ziemlich versnobt. In diesem Berufsbild fehlt der Dienst der Caritas fast völlig! Die Sorge um die Sünder, Armen, Bedürftigen, Ungläubigen, Kranken, Verlassenen und Sterbenden, überhaupt die Linderung von Leid und Not, das "Gehen an die Peripherie", wie es der Papst so prägnant formuliert, fehlt. Von einem notwendigen, von Gott gewollten und eingesetzten sakramental begründeten Wirken zum Heil der Seelen fehlt jede Spur. Alles klingt so unerträglich klinisch sauber und weichgespült... Der Prietser"beruf" hat diesem Berufsbild zufolge einen verstörend beamtenhaften und zugleich modern-businesshaften Sozialarbeitergeschmack an sich, mit überraschend wenig existentiellem Tiefgang.


Natürlich ist auch mir klar, dass einem Interessenten (hoffentlich) herzlich egal ist, was auf dieser Informationsseite des Bistums dazu steht, denn die Berufung zum Prietsertum kommt beim Surfen auf solchen Seiten genausowenig zustande, wie beim Eignungstest im Arbeitsamt. (Was die Frage aufwirft, wer eigentlich die Zielgruppe dieser Seite ist...) Priester wird man nur durch Vorbilder, nämlich v.a. Jesus Christus selbst und seine priesterlichen Stellvertreter hier auf Erden. Aber diese Infoseite gewährt einen Einblick in das, was den Bewerber ideologisch erwartet und wie die Verantwortlichen ihre Priester sehen (wollen). Ich weiß aus vielen Gesprächen, dass das auch der Realität entspricht! Wer z.B. eine tiefe Eucharistiefrömmigkeit ins Seminar mitbringt, muss, zumindest hier in Freiburg, regelrecht darum kämpfen, sie sich zu erhalten, andernfalls wird sie ihm gründlich ausgetrieben. [Fairerweise muss man aber sagen, dass sich die Zustände in den letzten Jahren schon deutlich verbessert haben. Es gab Zeiten, in denen man rausgeschmissen werden konnte, wenn man vorschlug, das komplette Offizium zu beten oder wenn man "auffällig oft" (mehr als einmal jährlich...) zur Beichte ging!]

Der Priester steht in seiner Berufung im exklusiven Dienst vor Gott und an der Kirche, mit der er gewissermaßen verheiratet ist. Der Priester ist "der Gemeinde ein Vater".
Sowenig wie ein Ehemann oder eine Ehefrau, eine Mutter oder ein Vater dies von Beruf sind, sowenig ist es der Priester für seine Gemeinde.
Den priesterlichen Dienst als einen Beruf zu bezeichnen mag manchem als wenig gravierend erscheinen. Das ist doch bloß ein Wort, alles nur Semantik. Fakt ist aber, dass wir hierzulande auch aufgrund dieser Semantik in eine gefährliche psychologische  Schieflage geraten sind. Das wird vielleicht deutlicher, wenn wir aus den Worten "Priester" und "Beruf" ein Kompositum bilden: Der geneigte Leser möge sich einmal selbst die Frage stellen, wie er es fände, einen "Berufspriester" als Seelsorger zu haben. Oder: Ob er (so er männlichen Geschlechts ist) es als lohnend erachten würde, selbst ein "Berufspriester" zu werden. Ich kenne niemanden, der den Beruf "Priester" anstrebt. Aber ich kenne viele, die auf dem Weg zum Priestertum sind!

Das Priestersein nur als "Beruf" zu betrachten ist eng verwoben mit der grassierenden Funktionalisierung der Ämter überhaupt: Viel zu oft wird die priesterliche Tätigkeit nur noch anhand ihrer Funktion identifiziert, die keine seinsmäßige (ontologische) Voraussetzung und Begründung hat... es ist eine Funktion die ein Mensch ausüben kann, oder auch nicht. Folglich ist der Unterschied zwischen Laien und Klerikern auch nicht mehr verständlich: Warum sollte nicht jeder, der die entsprechende "(Berufs)Ausbildung" vorzuweisen hat, diese Funktionen erfüllen können? Solche Fragen, auch von Leuten, die es aufgrund ihrer Ausbildung eigentlich besser wissen müssten (Sakramentenlehre, Ekklesiologie), sind Alltag im deutschen Katholizismus. Dass die Chefin von "Wir sind Kirche" wegen häuslicher Sakramentensimulationen exkommuniziert wurde, ist nur eine geplatzte Eiterblase und als solche nurmehr Symptom einer systemischen Krise.
[Dazu analog ist die Tendenz, dass in vielen deutschen Diözesen immer mehr die Seelsorge "professionalisiert" und funktionalisiert werden soll. Irgendwann haben wir dann ein Heer an gut ausgebildeten Berufsseelsorgern... nicht wenige sind der Meinung, ich auch, dass dies faktisch den Tod der Seelsorge bedeuten würde, die ja wesentlich eine Begegnung von Mensch und Mensch ist, die nicht professionalisiert und funktionalisiert werden kann, ohne empfindlich beschädigt zu werden. Natürlich ist für bestimmte Personen eine angemessene Ausbildung wichtig, sei es in der Telephonseelsorge oder in der Pfarrei, aber wir haben das mit der fragwürdigen "Professionalisierung" bereits einmal erlebt: Nämlich mit der Caritas. Die Folgen sind bekannt. Und bequemerweise wurden wir Normalkatholiken dadurch auch noch "frei" gemacht von dieser Christenpflicht... die Profis machen das schon!]

Solange sich an dem heute gängigen "Augenhöhe-wir-sind-alle-irgendwie-gleich"-Priesterbild nichts ändert, wird sich auch an den prekären Berufungszahlen nichts ändern. Dieses falsche Priesterbild ist das Problem, nicht der Zölibat. Die Abschaffung des Zölibats würde nur dieses falsche Priesterbild zementieren... bisher provoziert er nämlich noch die Frage: "Wozu das alles?" (vgl. hier) Fällt er aber weg, wird eine jede Antwort auf diese Frage gleich mit wegfallen. Der Weg zum allgemeinen Berufspriestertum wäre damit geebnet.

Schaut man sich die Wirklichkeit der Tätigkeiten unserer Priester an, bekommt man stark den Eindruck, die Kirche brauche v.a. dafür Priester, damit diese Gremein und Sitzungen beiwohnen und sich mit Aktenbergen rumschlagen (in der Weiheliturgie sollte daher in Zukunft, neben den Händen, auch das Gesäß der Neupriester gesalbt werden, so der Vorschlag eines befreundeten Priesters). Ein Priester hat heute oft mehr von einem Verwaltungsbeamten oder einem Manager an sich, als von einem Hirten für seine Gemeinde. Wenn man schon während oder vor der Ausbildung befürchten muss, nachher als Manager oder Verwaltungsbeamter zu enden, ist das zudem nicht besonders attraktiv. Faktisch bürdet man den Priestern heute immer mehr Papierkram und Sitzungen auf, gleichzeitig lässt man sie spirituell verwahrlosen und mit ihren Sorgen im Regen stehen (schon in der Ausbildung!). Das äußert sich dann beispielsweise in liturgischer Willkür, Konkubinaten und Burnout. Hier sind v.a. die Bischöfe in der Pflicht, etwas zu ändern. 
Schon die Sichtbarkeit des geistlichen Vaters kann viel bewirken! Im Erzbistum Freiburg bekam man als Seminarist bisher seinen Erzbischof (der für einen Priester ja eigentlich in besonderer Weise ein wirklicher "Vater im Geiste" sein sollte!) nur äußerst selten zu Gesicht... am Anfang mal ein Gespräch mit formalisierte Austausch von Höflichkeitsfloskeln, und dann nochmal das gleiche Spiel irgendwann vor der Weihe... das wars. Mehr hatte man mit ihm i.d.R. nicht zutun (hoffentlich ändert der Neue das!). Ist das ein Vorbild, zumal ein Vater für die (zukünftigen) Priester? Ich habe mit einigen Priestern darüber gesprochen: man könnte von einer regelrechten Entfremdung zwischen Bischof und Priestern sprechen. Der Bischof erscheint vielen eher als (unsichtbarer) Konzernchef, denn als Vater!
 

Der Priestermangel ist vor allem ein Symptom davon, dass wir überhaupt nicht mehr wissen, wer oder was eigentlich ein Priester ist und wozu wir ihn brauchen. Dass sich in so einer Lage nur wenige auf diesen Weg begeben, ist nur zu verständlich. Wenn wir die richtigen Antworten wüssten (und ein Blick in den Katechismus würde bereits viel bringen!) und DAMIT werben würden, gäbe es keinen Priestermangel, da bin ich mir sicher. Die Frage, die sich v.a. auch die deutschen Bistümer stellen sollten, ist eigentlich sehr simpel: Warum brauchen wir Priester?
Die Antwort auf diese Frage müsste eigentlich zu einem Umdenken führen, weil sie das Wesen des Priestertums behandeln muss...


Ich will keinen Berufspriester. Ich will jemanden, der zum Priestertum berufen ist und es lebt! 
Von einem Schreiner will ich, dass er mir den Schrank nach meinen Wünschen anfertigt und Qualität und Preis einander entsprechen - das ist sein Beruf. Was er sonst so macht, ist mir herzlich egal.
Von einem Priester will ich, dass er väterlich der ihm anvertrauten Herde als ein Hirte auf dem Weg zu Gott vorangeht und Tag für Tag betend vor Gottes Angesicht für seine Herde und den Aufbau der ganzen Kirche Gottes einsteht. Aus der Begegnung mit Gott in Gebet, Schrift, Sakrament und in den Bedürftigen, aus der Zuwendung der Sakramente und aus der Sorge für die ihm anvertrauten und alle ihn sonst noch aufsuchenden Menschen schöpft er seine Freude und seine Kraft, denn sein ganzes Leben steht im Dienst an Gott und den Menschen. Geld spielt dabei natürlich keine Rolle und Qualität zumindest insofern auch nicht, als das letztendlich Wesentliche nicht seiner Verfügung oder seinen Fähigkeiten entspringt, sondern von Gott durch ihn gewirkt ist. Ich will von einem Priester, dass er mir in der Vollmacht Jesu meine Sünden vergibt und mich zur Umkehr ruft, mir den Leib und das Blut Christi zum ewigen Leben reicht, mich und die mir Nahestehenden in den entscheidenden Augenblicken und in den Zeiten der größten Freude und des tiefsten Leids sakramental und seelsorglich begleitet und stärkt, mich belehrt und anleitet auf meinem Weg in und mit der Gemeinschaft der Kirche hin zu Gott, dass er in mir besonders durch das eschatologische Zeichen, das er durch sein ganz Gott hingegebenes Leben gibt, die Hoffnung stärkt, meinen Glauben in der Verkündigung und der Feier der Liturgie in seinem Wachstum fördert und mich unermüdlich zur Liebe ermutigt und ermahnt. Das alles kann er aber nur tun, wenn er zu diesem größten und wichtigsten Dienst, den ein Mensch anderen Menschen erweisen kann, von Gott berufen ist.
Es ist eigentlich trivial: Wer einen Beruf ausübt, der geht am Ende des Tages nach Hause und übt dann diesen Beruf bis zum nächsten Morgen nicht mehr aus. Und irgendwann ist er Rentner. Ein Priester ist und bleibt aber in jeder Sekunde seines Lebens ein Priester... er ist es (durch die Weihe) in seinem Wesen!


Warum brauchen wir Priester? Weil sie, wie die Kirche Jesu Christi als solche, heilsnotwendig sind. Weil Gott es so eingerichtet hat, weil ER sie uns geschenkt hat. Weil sie gewissermaßen die sakramentale Vergegenwärtigung Jesu Christi sind und ihn für uns sakramental vergegenwärtigen. Weil sie der bleibende Stein des Anstoßes für die Welt sind. Weil sie für uns alle beten, flehen, anbeten, preisen, danken und seufzen, wo wir im Alltag der Welt nicht dazu fähig sind. Und, ja, auch dies: Weil sie in besonderer Weise Zeugen sind für die Gegenwart Gottes in unserem Leben.

Bischof Feige ist sauer

Was geht denn da ab? Seit wann äußern Bischöfe öffentlich ihr Unbehagen über die Ernennung eines Mitbruders? Mag ja sein, dass da immer wieder mal jemand eine andere Meinung vertritt, aber mit so einer öffentlichen Ansage trägt der Magdeburger Bischof Gerhard Feige (hier) nicht gerade zur Stärkung der Kirche in Deutschland bei. Er stigmatisiert damit den neu Ernannten und gebärdet sich selbst als die beleidigte Leberwurst... das ist alles andere als Glaubwürdig. Die Ehrfurcht und der Gehorsam gegenüber dem Papst, den er bei seiner Weihe versprochen hat, gestatten so eine öffentliche Wortmeldung m.E. nicht. Mit seiner Kritik beschuldigt er jedenfalls indirekt den Papst der Rücksichtslosigkeit und/oder Kurzsichtigkeit. Er unterstellt der Autorität in Rom ziemlich kaltschnäuzig, die Bedeutung Berlins nicht zu kennen. Geht's noch?

Ich für meinen Teil kann die Versetzung von Kardinal Woelki nach nur drei Jahren in Berlin nur so deuten, dass man offenbar in Rom besondere Pläne für Berlin hat. Gut möglich, dass die Ernennung von Woelki von Anfang an nur übergangsweise geplant war. In Rom wird man jedenfalls gute Gründe für die Entscheidung haben, denn auch dort weiß man durchaus um die Bedeutung der Bundeshauptstadt!

Donnerstag, 10. Juli 2014

Gott in der Welt

»Ihr sollt weder Gold noch Silber noch Kupfer in euren Gürteln haben, auch keine Reisetasche, auch nicht zwei Hemden, keine Schuhe, auch keinen Stecken.« (Mt 10,9-10 LÜ)

Wenn wir heute soetwas lesen, denken wir gleich an etwas uriges, archaisches, ans Überleben in der Wildnis und die Bedürfnislosigkeit eines obdachlosen Wanderlebens... wir mischen eine gehörige Portion Romantik mit hinein und schon sind wir beim barfüßigen blumenstreichelnden Hippie angelangt. Mal abgesehen davon, dass die Einheitsübersetzung sich keinen Gefallen tut, wenn sie am Ende des zweiten Satzes das Wörtchen "Wanderstab" gebraucht (der Stab diente dem Reisenden in jener Zeit ganz wesentlich als Mittel zur Selbstverteidigung, er diente nicht dem "Wandern"!), ist diese Passage für heutige Ohren also zunächstmal herzlich nichtssagend... Will Jesus, dass wir alle barfuß laufen? Ist das ein Appell an Bedürfnislosigkeit und freiwilligen Verzicht? Outet sich hier jener Öko-Jesus, der heute so sehr en vogue ist?

Es ist bei den Worten Jesu immer von Vorteil, sich vorzustellen zu versuchen, wie seine damaligen Zeitgenossen diese Worte wohl verstanden haben. Schaut man in den historischen Kontext, frag man mal die ursprünglichen Hörer dieser Worte des Messias, dann ergibt sich ein anderes Bild.
Dem typischen Israeliten zur Zeit Jesu waren diese Worte Jesu sehr vertraut. Er kennt sie im Wesentlichen auswendig seit Kindertagen und er beherzigt sie auch selbst: Der Verzicht auf Geld, Stecken und Schuhe ist die Voraussetzung für den Zutritt zum Ort der Gegenwart Gottes im Tempel!

Im Buch Exodus heißt es:
»Gott sprach: Tritt nicht herzu, zieh deine Schuhe von deinen Füßen; denn der Ort, darauf du stehst, ist heiliges Land!« (Ex 3,5 LÜ)

Als dem Josua vor der Eroberung Jerichos der Heerführer erscheint, heißt es:
»Der Anführer des Heeres des Herrn antwortete Josua: Zieh deine Schuhe aus; denn der Ort, wo du stehst, ist heilig. Und Josua tat es.« (Joh 5,15 LÜ)

Wenn nun Jesus seinen Aposteln diese Anweisung gibt (und sie noch erweitert), dann hören seine Zeitgenossen etwas ziemlich aufreibendes: Die ganze Welt soll ihnen Tempel sein, sie sollen in ihr als in einem Ort der Gegenwart Gottes umhergehen!
Und mehr noch: Als Jesaja den Befehl erhält, drei Jahre lang nackt und barfuß umher zu gehen, als Zeichen über Ägypten und Kusch, heißt es:
»Der Herr hatte durch Jesaja, den Sohn des Amoz gesprochen und gesagt: Geh, leg dein Bußgewand ab und zieh deine Schuhe aus! Jesaja hatte es getan und war nackt und barfuß umhergegangen.« (Jes 20,2 LÜ)

Die von Jesus Angesprochenen sollen geradezu prophetisch umhergehen wie der große Prophet Jesaja!
Es geht bei diesen Worten Jesu nicht zunächst um die Armut des Gesandten, sondern um den Reichtum dessen, wozu er Gesandt ist und wohin. Der Apostel ist gesandt als Diener Gottes in die Welt, in die er sein erlösendes Wort zu bringen hat und in der er zugleich für diese Welt vor Gott eintritt... oder gegen sie Zeugnis ablegt:
»Und wenn euch jemand nicht aufnehmen und eure Rede nicht hören wird, so geht heraus aus diesem Hause oder dieser Stadt und schüttelt den Staub von euren Füßen. Wahrlich, ich sage euch: Dem Land der Sodomer und Gomorrer wird es erträglicher ergehen am Tage des Gerichts als dieser Stadt.« (Mt 10,14-15 LÜ)

Keine Spur von Ökoromantik oder romantischer Bedürfnislosgikeit, hier geht es um ein prophetisches Amt als Verkünder, Mahner und Gesandter des Herrn.
Dass die Apostel ohne Stab, also ohne effektive Mittel zur Selbstverteidiogung ausziehen sollen, verstärkt den Ernst der Sache im Hinblick auf den Gesandten: Er soll sich der Welt ausliefern und darin gerade sein Vertrauen auf Gott unter Beweis stellen.
Es ist ein hartes Wort, wer kann so leben, in dieser Welt?
Nur in Gott.

Mittwoch, 9. Juli 2014

Wer bin ich?

Wer bin ich? Sie sagen mir oft,
ich träte aus meiner Zelle
gelassen und heiter und feste
wie ein Gutsherr aus seinem Schloss.

Wer bin ich? Sie sagen mir oft,
ich spräche mit meinen Bewachern
frei und freundlich und klar,
als hätte ich zu gebieten.

Wer bin ich? Sie sagen mir auch,
ich trüge die Tage des Unglücks
gleichmütig, lächelnd und stolz,
wie einer , der Siegen gewohnt ist.

Bin ich das wirklich, was andere von mir sagen?
Oder bin ich nur das, was ich selbst von mir weiß?
Unruhig, sehnsüchtig, krank, wie ein Vogel im Käfig,
ringend nach Lebensatem, als würgte mir einer die Kehle,
hungernd nach Farben, nach Blumen, nach Vogelstimmen,
dürstend nach guten Worten, nach menschlicher Nähe,
zitternd vor Zorn über Willkür und kleinlichste Kränkung,
umgetrieben vom Warten auf große Dinge.
Ohnmächtig bangend um Freunde in endloser Ferne,
müde und leer zum Beten, zum Denken, zum Schaffen,
matt und bereit, von allem Abschied zu nehmen.

Wer bin ich? Der oder jener?
Bin ich denn heute dieser und morgen ein andrer?
Bin ich beides zugleich? Vor Menschen ein Heuchler
und vor mir selbst ein verächtlicher Schwächling?
Oder gleicht, was in mir noch ist, dem geschlagenen Heer,
das in Unordnung weicht vor schon gewonnenem Sieg?

Wer bin ich? Einsames Fragen treibt mit mir Spott.
Wer ich auch bin, Du kennst mich, Dein bin ich, o Gott.


(Dietrich Bonhoeffer; aus: "Widerstand und Ergebung")