Die Darstellung erfreut sich keiner geringen Beliebtheit, um damit Gottes "Freundschaft" zu uns Menschen auszudrücken. Schau her, sagt man uns: Wir sind mit Gott auf Augenhöhe!
Man sollte allerdings generell vorsichtig damit sein, moderne westliche Maßstäbe und Konventionen an eine 1200 Jahre alte ägyptisch Bildsprache anzulegen, damit baut man sich Luftschlösser, verfehlt aber eher die eigentliche Botschaft des Bildes. Ich musste mir das Lachen verkneifen, als mir das Bild vor einer Weile
wieder einmal mit der begeisterten Beteuerung der Augenhöhe vorgestellt wurde: Vor Jesus sollten wir nicht knien, sondern aufrecht stehen, schließlich sei Gott Mensch geworden, um mit uns auf Augenhöhe zu kommen. Wie ein guter Freund legt er sogar seinen Arm um uns.
Ähem... Ja... Ja, die beiden Figuren schauen sich ganz dezent gegenseitig an, aber wenn man genau
hinsieht, dann fällt auf, dass
Jesus hier überhaupt nicht auf Augenhöhe mit Menas steht: Seine Augen, ja seine ganze Statur liegen
deutlich höher, was durch den höher gesetzten Nimbus noch betont wird.
Die Hand, die Christus auf die rechte Schulter des Menas legt ist auch weniger eine Geste der Freundschaft ("Kumpel-Christus"), sondern sie zeigt klar das Verhältnis zwischen Herr und Untergebenem an. Manche Forscher deuten die Geste auch als Vorstellung: Der Heilige Abt wird von Christus dem Volk als Vorbild vorgestellt. In Jedem Fall gibt es aber eine klare Hierarchie: Christus nimmt ihn an, beschirmt ihn und stellt ihn dem Betrachter vor, wodurch der Heilige gewissermaßen auch beauftragt wird, Vorbild zu sein. Die Hierarchie wird auch daran deutlich, dass der Abbas auf Christus hinweist: um diesen geht es. Und während der Abbas nur eine kleine, kaum erkennbare Schriftrolle hält, trägt Christus einen großen verzierten Codex, d.h. Menas ist nur ein Fünklein, Christus ist die Sonne. Dieser Christus ist schließlich auch offenkundig in die edleren Kleider gehüllt und damit klar als höherstehend, genauer: als Herrscher ausgewiesen, denn er trägt den königlichen Purpur, während Menas eher erdfarben daherkommt.
Was das In-den-Arm-nehmen angeht: Die Umarmung durch Christus findet andernorts in der christlichen
Ikonographie Ausdruck, aber auch dort hat sie nichts Kumpelhaftes; vgl.
meinen Beitrag HIER dazu.
"Freund Gottes" ist ein Status, der den Heiligen vorbehalten ist und den wir auf Erden noch erringen müssen, denn wir haben im Ungehorsam, d.h. durch die Sünde, die paradiesische Freundschaft Gottes verloren (vgl. 4. Hochgebet; KKK 374). Das Angebot dieser Freundschaft ist in der Menschwerdung, sowie in Tod und Auferstehung Jesu an alle Menschen ergangen (Gott redet "aus dem Übermaß seiner Liebe die Menschen wie Freunde an und verkehrt mit ihnen", Dei Verbum 2), aber sie müssen diese Einladung auch annehmen - und bewahren: "Gott zeigt seine Allmacht darin, dass er uns von unseren Sünden bekehrt und durch die Gnade wieder zu seinen Freunden macht." (KKK 277) Auch die "Freundschaft" des Paradieses, die Gott uns neu anbietet, und die wir annehmen sollen, bleibt asymmetrisch, unvergleichbar jeder menschlichen Freundschaft, denn Christus bleibt der Herr und Herrscher, Gott bleibt Gott:
»Gott hat den Menschen nach seinem Bilde geschaffen und in seine Freundschaft aufgenommen. Als geistbeseeltes Wesen kann der Mensch diese Freundschaft nur in freier Unterordnung unter Gott leben. Das kommt darin zum Ausdruck, dass den Menschen verboten wird, vom Baum der Erkenntnis von Gut und Böse zu essen, „denn sobald du davon isst, wirst du sterben“ (Gen 2, 17). Dieser „Baum der Erkenntnis von Gut und Böse“ erinnert sinnbildlich an die unüberschreitbare Grenze, die der Mensch als Geschöpf freiwillig anerkennen und vertrauensvoll achten soll. Der Mensch hängt vom Schöpfer ab, er untersteht den Gesetzen der Schöpfung und den sittlichen Normen, die den Gebrauch der Freiheit regeln.« (KKK 396)
"Freunde Gottes" sind in der Bibel Ausnahmegestalten wie Abraham (vgl. Jes 41,8), indirekt auch Mose (vgl. Ex 33,11), oder besonders Fromme Menschen (vgl. Ps 60,7; 127,2). Im Neuen Testament wird wiederum nur Abraham als "Freund Gottes" gewürdigt (vgl. Jak 2,23), die Christen werden nie als "Freunde Gottes" beschrieben und Jesus wird nie als Freund verkündet, sondern stets als "Herr" (vgl. hier). Abt Menas kann als Freund Gottes bzw. Jesu betrachtet werden, insofern er die Herrlichkeit des Himmels bereits erlangt hat (vgl. KKK 1023). Uns wird er darum von Jesus als Vorbild vorgestellt, dem wir nacheifern sollen, damit auch wir diese Freundschaft wiedererlangen in unserer Ergebung in den Willen des Herrn. Das ist vielleicht die - realistische, christliche - Botschaft dieser Ikone.
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