R.I.P.
Der Vorsitzende der
DBK sagte: „In seinem Wirken als Priester und Wissenschaftler war
es Hans Küng ein Anliegen, die Botschaft des Evangeliums verstehbar
zu machen und ihr einen Sitz im Leben der Gläubigen zu geben.“ Und
er dankte ihm „für sein jahrelanges Engagement als katholischer
Theologe in der Vermittlung des Evangeliums“ (hier).
Mal davon abgesehen,
dass Hans Küng seit 1979 keine Lehrberechtigung als „katholischer
Theologe“ mehr hatte und das Evangelium bestimmt auch ohne die
Vermittlung von H. Küng „verstehbar“ ist, seien ein paar Worte
über diesen großen Denker verloren, den ich, ganz ehrlich, so gar
nicht leiden kann, schon weil zu seinen Grundgedanken die Aufhebung
der Transzendenz zählt: Gott ist für ihn nicht ein Gegenüber zur
Welt (und so ihr Schöpfer und schließlich Richter), sondern er ist
in der Welt, wie Küng in seinem Buch zur „Menschwerdung“ von
1970 ausführt: „Gegen alle biblizistische Berufung auf den
biblischen Gott und alle traditionalistische Berufung auf den
traditionell-christlichen Gott muss es bleiben bei der
nachkopernikanisch-neuzeitlichen Einsicht: Gott in der Welt,
Transzendenz in der Immanenz, Jenseitigkeit in der Diesseitigkeit.“
Aber dennoch sei kurz jenen beiden Punkten nachgegangen: War er
„katholisch“ und ging es ihm um das „Evangelium“? (Dass ein Bischof
Bätzing sich so sehr an Küng anschmiegt, lässt jedenfalls für die Richtung, in die selbiger Bischof die Katholiken in Deutschland zu manövrieren gedenkt, nichts Gutes ahnen.)
War Küng
„katholisch“?
Küngs Abfall von
der Kirche kam endgültig mit seinem Buch „Unfehlbar?“ (ebenfalls
1970), das ironischerweise auch seinen vielleicht prominentesten
Irrtum (methodisch wie inhaltlich) darstellt: Küng bestreitet die
Unfehlbarkeit der Kirche insgesamt sowie des obersten Lehramtes im
Besonderen, indem er auf Dogmen verweist, die seiner Ansicht nach
falsch sind; dieser Selbstwiderspruch zeige ihm zufolge, dass es
diese Unfehlbarkeit nicht geben könne. Und zwar dient ihm als Beweis
für „falsche Dogmen“ ausgerechnet die Enzyklika Humanae
Vitae. Die darin enthaltene Lehre sei ein Dogma und sie sei
offenkundig falsch. Nur leider unterlässt es Küng, zu zeigen, warum
HV seiner Ansicht nach falsch sein soll, er setzt deren Falschheit
einfach als etwas Selbstverständliches voraus (siehe dagegen die
beiden Sammelbände von Janet E. Smith „Why Humanae Vitae Was
Right“ [1993] und „Why Humanae Vitae Is Still Right“ [2018]).
Selbst ein Karl Rahner ließ an Küngs These zur Unfehlbarkeit kein
gutes Haar und wies nach, dass Küng im Grunde die ganze kirchliche
Lehtradition mindestens der letzten 500 Jahre ablehnt und sich somit
auch jeder Grundlage eines innerkatholischen Dialogs beraubt hat (in
dem Sammelband „Zum Problem Unfehlbarkeit“).
Alles Bemühen um Verständigung und Frieden zwischen Konfessionen und
Relgionen ist am Ende eine Lüge, wenn es auf Kosten der Wahrheit geht.
Ging es Küng um das
Evangelium?
Hans Küng ging es
immer um die Menschen, um Frieden und Gerechtigkeit… alles überaus
löblich, und er gilt zurecht als einer der einflussreichsten Denker
der letzten Jahrzehnte. Aber Küng ging es nicht um „die Botschaft
des Evangeliums“. Ihm ging es bestenfalls um seine verkorkste
Version dieser Botschaft, und die ist eines sicher nicht: katholisch.
Jedenfalls stellt er in seinem Bestseller „Christ sein“ (1974)
unübersehbar zur schau, dass es ihm gänzlich egal ist, was die
Kirche lehrt, er ist v.a. sich selbst und seinen mal mehr, mal
weniger diffusen Ideen treu. (Wiederum Karl Rahner bemerkte übrigens
zu dem Buch, dass Küng darin gedanklich die letzten paar
Jahrhunderte wohl verschlafen hat...). Für ihn ist Jesus einmalig,
unersetzbar, eintzigartig als Vorbild für uns Heutige. Jesus, so
Küng an anderer Stelle, ging es sowieso eigentlich nicht um
„Religion“... und wäre es ihm um eine solche gegangen, dann
jedenfalls eine „priesterlose“. Viel mehr als ein Vorbild ist
dieser Jesus dann doch nicht… „Sprecher“ Gottes, sein
„Sachwalter“ hat er ihn genannt. Hans Küng kann Jesus sogar als
„Gottes Wort, Wille, Sohn“ bezeichnen, jedoch meint Küng damit
die Funktion die Jesus in seinem Leben, Reden und Tun ausgeführt
hat, nicht ihn selbst als Person. Auf die unausweichlich klare Frage, ob Jesus
Christus in dem Sinne Gott ist, dass ihm auch (göttliche) Anbetung
im strengen Sinne gebührt – der Lackmustest für eine authentische
Christologie, denn wäre Christus weniger als Gott, wäre seine
Anbetung Götzendienst –, weiß Hans Küng nichts zu antworten. Für ihn gibt es eigentlich keine Heilsgeschichte, es gibt nur eine
Aufklärungsgeschichte, denn „Heil“ würde „Unheil“ (Sünde)
voraussetzen und sogar die Möglichkeit des Verlorengehens – das
darf nach Küng aber nicht sein, gleichwohl es in der Predigt Jesu
breiten Raum einnimmt.
Ein Wort zu seinem literarischen Nachlass: Ich kenne zahlreiche
Personen, die anhand von Büchern aus der Feder Joseph Ratzingers
(wieder) zur Kirche gefunden haben. Ob das seine „Einführung“
ist, seine ersten beiden Interviewbücher mit Peter Seewald, seine
Jesus-Trilogie oder seine Meditationen. Ratzinger weiß das
Christliche authentisch darzustellen, Faszination und Neugierde zu
wecken. Hans Küng begeistert niemanden für Jesus, seine Schriften
führen nur weg von ihm, mehr als ein Gutmenschentum findet man bei
ihm nicht. Ermutigend für mich ist es daher, dass das Interesse an
Küngs Büchern bereits sehr deutlich geschwunden ist. Am Ende ist es
doch immer wieder nur das Selbe. Seine „Sämtlichen Werke“, die
der Herder-Verlag in 24 Bänden herausgibt, sind, wie ich aus
internen Quellen weiß, mit eine der am schlechtesten laufenden
Reihen, die der Verlag aktuell zu bieten hat (mit Abstand am besten
laufen übrigens die Gesammelten Werke Ratzingers!). Was der Verlag
da an Exemplaren absetzt, reicht gerade mal um die wissenschaftlichen
Bibliotheken zu bestücken, die diese Bände brauchen, darüber
hinaus kauft kaum jemand diese Bücher (sie sind überdies auch als
Objekte von eher minderwertiger Qualität, aber das nur am Rande).
In seinem Werk
„Damit die Welt glaube“ (1962) zitierte Hans Küng einmal den
überaus bedeutenden Kirchenschriftsteller Origenes (gest. 254) mit
diesen Worten:
»Ich möchte ein Mann der
Kirche sein und nicht nach irgendeinem Gründer einer Häresie,
sondern nach Christi Namen benannt werden und diesen Namen tragen,
der auf Erden benedeit ist. Und es ist mein Begehren so der Tat als
dem Geiste nach ein Christ genannt zu werden. Wenn ich, der ich deine
rechte Hand zu sein scheine, der ich den Priesternamen trage und das
Wort Gottes zu verkünden habe, etwa gegen die kirchliche Lehre und
die Regel des Evangeliums verstieße, so dass ich dir, Kirche, zum
Ärgernis würde, so möge mich die gesamte Kirche in einhelligem
Beschluss, mich, ihre Rechte, abhauen und von sich werfen.«
Hätte er sich dies
zu Herzen genommen, wäre er vermutlich einer der wichtigsten Theologen
des 20. Jahrhunderts und für die ganze Kirche sicherlich bedeutsam geworden... Die Kirche hat ihren Part erfüllt (und sie müsste es noch viel häufiger tun).