Samstag, 11. Mai 2013

Moralbereinigte Liturgie

Von Thomas:
"Wir hören eine Lesung"? [...] Es ist der Artikel. Ich kann im Gottesdienst, in der Begegnung mit Gott nicht eine Lesung hören. [...] In dem Moment höre ich aber nicht "eine" Lesung; ich höre DAS Wort Gottes -  ich höre DIE Lesung! Ein Lesung ist beliebig - "(Die)Lesung" (am besten ganz ohne Artikel) stellt mich an den Fuß des Berges Sinai und ich hören vor Furcht zitternd den Heiligen - gepriesen sei er - sprechen.«
Dem seien ein paar eigene Beobachtungen/Überlegungen hinzugefügt. Ich hatte breits vor einiger Zeit (hier) ein recht krasses Beispiel recht ausführlich geschildert. Hier soll es eher um "Alltäglicheres" gehen.

Da ist z.B. das, was ich als "Vereinnahmung des Friedens" bezeichne, wenn der Zelebrant ohne vorheriges Gebet einfach direkt an das Vaterunser anschließt "Der Friede sei mit euch [ohne irgendeine Nennung des Herrn!]". Das ist doch eigentlich eine Anmaßung. Der Sinn besteht bei diesem Geschehen darin, dass Gott (Jesus) um seinen Frieden angerufen bzw. unser Gebet auf ihn referenziert wird und der Priester dann aus diesem Gebet heraus in "quasi persona Christi" diesen Frieden Christi der Gemeinde zuspricht. Fehlt das Gebet, das spätestens seit dem 11. Jahrhundert im Messbuch zu finden ist, gewinnt man den Eindruck, hier sei es der Priester, der der Gemeinde seine (des Priesters) Frieden wünscht... was immer das sein soll.
Überhaupt ist die Unterlassung dieses Gebetes, das ja letztlich auch den Charakter der preces, also der (Für)Bitte hat, insofern bedauerlich, weil hier wiederum der bedingungslos allverzeihende Wohlfühlbruderjesus (siehe hier und hier) eingeschmuggelt wird, den man nicht einmal mehr um Vergebung bitten muss.
Übrigens: In der überlieferten Messe spricht der Priester das "Pax domini" während er mit dem kleinen Partikel der Hostie ein dreifaches Kreuzzeichen über dem Kelch macht, bevor er den Partikel in den Kelch einsenkt, was von Alters her ein Symbol der Auferstehung ist: der Friede des Auferstandenen Christus, den er als Erstes den Jüngern zusprach (Joh 20,19).

Das für mich Schrecklichste ist allerdings die Vereinanhmung der Gemeinde durch neoklerikale "Liturgen". Was Thomas beschreibt geht schon in die Richtung. Was mich aber ganz besonders ankäst ist die Vereinnahmung im Gebet. So ist es nicht außergewöhnlich, wenn z.B. in einem Hochgebet III (das auch so schon schlimm genug ist) beim "alle, die zum Diest in der Kirche bestellt sind" ein "unserer" vor "Kirche" gesetzt wird... und es überrascht dann auch nicht mehr, wenn der Zelebrant in der selben Logik geradezu lächerlich absurd wird: "alle, die zum Dienst in unserem Dekanat/unserer Pfarrei bestellt sind" ("Kirche" ersatzlos gestrichen). Das ist doch mal eine formidable Ausgeburt eines kleinlichen Provinzialismus! Und dazu soll ich dann "Amen!" sagen?

Eine noch konkretere Form der Vereinnahmung ist es, wenn vor dem Vaterunser statt einer üblichen (und vorgeschriebenen) Einleitungsformel (die Vergegenwärtigung des Auftrags Jesu) eine "Einführung" gegeben wird, was wir da jetzt angeblich beten... und vervollständigt wird dieses Gebaren durch ein Anliegen "für das" "wir" jetzt das Vaterunser beten... Nicht mehr, "Praeceptis salutaribus moniti et divina institutione formati" (Durch heilige Anordnung gemahnt und durch göttliche Belehrung angeleitet), sondern "wegen Hinz und Kunz und XYZ" beten wir dieses Gebet! Der Priester (oder auch irgendein Laie, der "den Gottesdienst vorbereitet" hat) schreibt mir also vor, wofür/warum ich jetzt das Vaterunser zu beten habe. Schönen Dank auch!

Ein noch weitaus verstörenderes und leider viel schwerer zu bekämpfendes Beispiel ist freilich der Missbrauch der Fürbitten für die jeweilige Agenda. Es ist z.B. wenig überraschend, dass während der Freiburger Diözesanversammlung die Fürbitten zu 80% nach dem Tenor "Mein Wille geschehe" gestaltet waren...


Das "Gebet der Kirche" ist wie die Liturgie wesensmäßig von objektiven Charakter. Heißt, es unterliegt nicht dem Befinden oder Meinen des Einzelnen. genau aufgrund dieser Eigenschaft steht es ausnahmslos jedem Menschen offen, mit welcher Last oder mit welcher Freude auch immer er der Liturgie beiwohnt. Wenn ein Zelebrant oder ein Laie, und seien sie noch so wohlmeinend, die Liturgie verzweckt und "thematisiert" (mehr dazu: hier), ist das nicht nur ein Verstoß gegen die Ordnung (und Moral!) der Kirche, es ist v.a. ein Verbrechen gegen die Gläubigen, die nämlich ein einklagbares Anrecht auf eine den Vorschriften der Kirche gemäße (und damit objektive) und würdige Liturgie haben!
Zudem muss man konstatieren: »Die Mißbräuche tragen "zur Verdunkelung des rechten Glaubens und der katholischen Lehre über dieses wunderbare Sakrament" bei.« (Redemtionis sacramentum 6, mit Bezug auf Ecclesia de eucharistia)

Früher konnte man in der Morallehre der Kirche noch lesen, dass sich die Liturgen "gewissenhaft an den von der Kirche vorgeschriebenen Ritus zu halten" haben (B. Häring, Das Gesetz Christi II, 1961, 187). Heute gibt es das nicht mehr. Die moralische Dimension dieses Handelns und seine weitreichenden Folgen sind trotz immer wiederkehrender Ermahungen von Seiten des Lehrmates völlig aus dem Bewusstsein verschwunden. Heute spricht man auch als Erzbischof und Metropolit gerne von einer "freien Liturgie" (hier) und gerät damit fast schon aberwitzig in Widerspruch zum Lehramt der Kirche: »Die Mißbräuche haben ihre Wurzel nicht selten in einem falschen Begriff von Freiheit. Gott hat uns in Christus aber nicht jene illusorische Freiheit gewährt, in der wir machen, was wir wollen, sondern die Freiheit, in der wir tun können, was würdig und recht ist.« (Redemptionis sacramentum 7)
Rubriken sind nurmehr Vorschläge, deren Nichteinhaltung als Freiheit betrachtet wird. Das führt nicht nur zu Irritationen und zur Abschreckung der Gläubigen (z.B. wegen Vereinnahmung), sondern letztlich zur Verunklarung und Zerstörung des Glaubens.
Wohin soll das führen?

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