Mittwoch, 4. März 2020

Das Tal der Ahnungslosen

In der DDR bezeichnete man die Gebiete, in denen kein Westfernsehen empfangen werden konnte, als "Tal der Ahnungslosen". Stellt sich raus, der suizidale Weg von DBK und ZdK ist auch solch ein Tal.

Auf katholisch.de darf (hier) eine Ordensschwester, die auch bei jenem Weg ihre Gedanken vortragen durfte, ihrem Unmut über die kirchliche Sexualmoral Ausdruck geben. Dazu bietet sie diese Perle der Weisheit: "Bei der Position der gültigen Kirchenlehre ist immer von Fruchtbarkeit die Rede und dass bestimmte Lebens- und Partnerschaftsformen in der Kirche nicht gehen, weil die Menschen in ihnen nicht fruchtbar sein können – zum Beispiel homosexuelle Paare."

Sie beklagt an der kirchlichen Sexualmoral eine Verengung der Rede von der Fruchtbarkeit auf das rein Biologische und hat offenbar dann noch die suizidale Versammlung mit der (für ihre Zuhörer offenbar ganz neuen) Erkenntnis "überrascht", dass man auch fruchtbar sein könne, ohne Sex zu haben.
Wow! Hätte uns doch bloß vorher schon einmal jemand darüber aufgeklärt, dass man auch Frucht bringen kann, ohne Sex zu haben... das verändert alles!!!

Natürlich ist "Fruchtbarkeit" spätestens seit dem öffentlichen Auftreten Jesu von Nazareths für die Christen ganz selbstverständlich eine das Biologische bei weitem überschreitende Kategorie und war es auch in der ganzen Tradition der Kirche (ein paar biblische Beispiele: Mt 3,8; Mk 4,13-20; Joh 15,4-5.8.16; Röm 7,4; Gal 5,22; Phil 1,22; Kol 1,10). Ich frage mich, ob diese Ordensfrau glaubt, als erste so etwas wie "geistliche Mutterschaft" entdeckt zu haben? Nicht wenige Mitglieder des suizidalen Weges scheinen jedenfalls dort zum ersten Mal etwas davon gehört zu haben... und die Redaktion von katholisch.de scheint auch ganz aus dem Häuschen zu sein ob dieser Erkenntnis.

Der Katechismus der katholischen Kirche redet übrigens von Fruchtbarkeit vielfach im geistlichen Sinn: Die Fruchtbarkeit der Kirche, die von Christus kommt, die Fruchtbarkeit des apostolischen Wirkens. Im Kapitel über die eheliche Fruchtbarkeit geht es nur im ersten Punkt um die leibliche Fruchtbarkeit, unmittelbar darauf wird erklärt: "Fruchtbarkeit der ehelichen Liebe besteht auch in den Früchten des sittlichen, geistigen und übernatürlichen Lebens" (1653). Und für den Fall biologischer Unfruchtbarkeit wird erklärt, dass die Eheleute "dennoch ein menschlich und christlich sinnvolles Eheleben führen. Ihre Ehe kann fruchtbar sein an Nächstenliebe, Hilfsbereitschaft und Opfergeist und diese ausstrahlen." (1654) Johannes Paul II. spricht in auch Familiaris consortio ausführlich von der übernatürlichen Fruchtbarkeit der Kirche, die gerade durch die Familien sichtbar und wirksam wird.

Und was ist mit nicht-eheliche Beziehungen, etwa homosexuellen Verbindungen? Nun: Nirgendwo steht etwas davon, dass diese grundsätzlich, auch im geistlichen Sinne, unfruchtbar seien und darum "nicht gehen". Weder im Katechismus, noch in der Erklärung der Glaubenskongregation zu Fragen der Sexualethik von 1975, noch im Schreiben Joseph Ratzingers an die Bischöfe über die Seelsorge für homosexuelle Personen von 1986, noch im Schreiben der Glaubenskongregation über die rechtliche Anerkennung homosexueller Lebensgemeinschaften von 2003. [Ausführlich zur Frage der Sündhaftigkeit praktizierter Homosexualität habe ich HIER geschrieben.]
An keiner Stelle wird behauptet, dass homosexuelle Partnerschaften über das Biologische hinaus "nicht fruchtbar" seien. Es wird erklärt, dass beim homosexuellen Verkehr keine Nachkommen gezeugt werden können (biologische Unfruchtbarkeit) und dass dieser Verkehr darum unsittlich ist - das gleiche trifft übrigens auch auf absichtlich unfruchtbar gemachten heterosexuellen Verkehr zu (künstliche Empfängnisverhütung!). Hinzu kommt dann noch, dass Sex nur in der Ehe seinen Platz hat und eine Ehe nur zwischen einem Mann und einer Frau bestehen kann.

Die Kirche hat nie, nirgends und an keiner Stelle behauptet, dass biologische Unfruchtbarkeit auch zwischenmenschliche oder gar geistliche Unfruchtbarkeit bedeutet. Sie weist allerdings darauf hin, wie Jesus dies auch unentwegt tat, dass die Sünde einer solchen Fruchtbarkeit im Wege steht. Die Kirche spricht aber keinem Menschen die Möglichkeit zur geistlichen Fruchtbarkeit ab. Über homosexuell empfindende Menschen sagt sie: "Auch diese Menschen sind berufen, in ihrem Leben den Willen Gottes zu erfüllen und, wenn sie Christen sind, die Schwierigkeiten, die ihnen aus ihrer Verfaßtheit erwachsen können, mit dem Kreuzesopfer des Herrn zu vereinen." (2358) Wie alle Menschen, so können auch sie sich "durch das Gebet und die sakramentale Gnade Schritt um Schritt, aber entschieden der christlichen Vollkommenheit annähern." (2359)

Jene Schwester, der die kirchliche Sexualmoral "gegen den Strich geht", weiß offenkundig nicht, worüber sie spricht. Dieser Verdacht wird noch von zweierlei genährt: Die Frau redet viel von geistlicher Fruchtbarkeit und vom "dem Leben dienen", erwähnt aber, anders als der Katechismus, die Quelle geistlicher Fruchtbarkeit nicht, und dass Sünde diese beeinträchtigen kann... komisch. Und auch dies: Sie nennt das Ordensleben eine Lebensform, aber das Priestertum bezeichnet sie nur als "Beruf", worauf sie dann ihre Kritik am Zölibat gründet. Hä?

Dass man die Delegierten des suizidalen Weges damit "überraschen" kann, dass man ihnen erklärt, Fruchtbarkeit sei gar nicht nur eine rein biologische Sache, nährt in mir ein deutliches Gefühl des Fremdschämens. Wissen diese Leute so wenig von der christlichen Tradition, sind sie so ahnungslos?
"... sie wissen nicht, was sie tun"...



Nachtrag: Laut einem aktuellen Bericht von kath.net (hier) leidet wohl der Theologe Ansgar Wucherpfennig unter der gleichen Ignoranz, was die Morallehre der Kirche zum Thema "Fruchtbarkeit" betrifft. Tja.
Übrigens ist es keine Sensation, dass hier auf bistumsebene über die Segnung homosexueller Paare nachgedacht wird. In vielen Bistümern wird das bereits mit ausdrücklicher Billigung der kirchlichen Behörden praktiziert. Sowas wird ganz selbstverständlich in der Kategorie "kirchliches Angebot" oder "liturgische Vielfalt" verbucht und niemand hat Hemmungen, intern darüber zu sprechen. Wie heißt es so schön: Die Praxis ist da schon viel weiter.

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