Ein
paar provokante Skizzen. (Wiedereingestellt mir leichten
Veränderungen)
Mit
Einsprängseln aus den Tagebüchern von Isa Vermehren.
Friede
Gerechtigkeit
Freiheit
Heil
Barmherzigkeit
Erlösung
Freude
Glück
Leben
Geduld
Liebe
Umkehr
...
Worum
es geht
Jeder
dieser Begriffe bezeichnet eine irdische Wirklichkeit, die in
christlicher Perspektive zugleich und wesentlich Verweischarakter hat
auf eine ihnen verwandte göttliche Wirklichkeit: Was wir auf Erden
unter Frieden verstehen deutet hin auf das, was Gott mit Frieden
meint. Was wir auf Erden unter Gerechtigkeit verstehen, kann uns
Hinweise geben, wie Gottes Gerechtigkeit beschaffen ist. Heilung von
Krankheit gibt uns eine Ahnung, was Gott uns als Heil unserer Seelen
verheißen hat. Und so weiter.
Zugleich
haben wir mittels der Kirche Christi und der Sakramente hier auf
Erden schon Anteil an jenen verheißenen göttlichen Wirklichkeiten.
Weil das so ist, gehört es zur christlichen Sendung, sich hier auf
Erden mit aller Kraft für die so bezeichneten irdischen
Wirklichkeiten im Leben der Menschen einzusetzen: Christen sollen und
müssen sich einsetzen für den Frieden, für Gerechtigkeit,
Menschenwürde, Freiheit und, ja, auch den Schutz der Umwelt, denn
jede Bedrohung für das leibliche Wohl des Menschen kann auch zu
einer Bedrohung für sein seelisches Heil werden, da der Mensch kein
reines Geistwesen ist, sondern seine Seele wie sein Leib zu seinem
Wesen gehören. Beides ist zumal auch eingeschlossen in die
christliche Auferstehungshoffnung. Es ist schließlich ein Gebot der
Liebe, zu helfen und für die Schwachen einzustehen. Das
unterscheidend Christliche an jedem christlich motivierten Einsatz
für Friede, Freiheit, Gerechtigkeit etc. ist aber dies, dass er in
der beständigen Hoffnung und im unermüdlichen Hinweisen auf die
Erfüllung und Vollendung alles dessen durch Gott in seiner Ewigkeit
geschehen muss und nicht auf die irdische Wirklichkeit beschränkt
sein darf (das betrifft auch die Liebe selbst, s.u.). [Was die Umwelt
betrifft, muss sie der Christ als Gottes Schöpfung sehen: Sie soll
uns heilig sein, aber sie darf uns nie von DEM Heiligen ablenken –
auch die schützenswerte Umwelt ist endlich und vergänglich; das
Ziel des Menschen ist nicht sein Leben in dieser Schöpfung, sondern
in der Neuen (vgl. Offb 21,5).]
In
den vielen universalen wie lokalen kirchlichen Verlautbarungen sowie
alltäglich in den Fürbitten, die im Rahmen der Liturgie verlesen
werden, klingen diese Konzepte immer und immer wieder an und es wird
unablässig um Frieden, Gerechtigkeit etc. gebetet. Ok.
Leider
muss man bei genauerem Hinhören aber feststellen, dass dabei
allzuoft auch zugleich ein gravierender Mangel zutage tritt, denn
diese Begriffe sind meistens gänzlich säkularisiert. Heißt: Es
werden nur mehr die damit benannten irdischen Wirklichkeiten
bezeichnet, betrachtet, gefordert, erstrebt, erhofft. Es wird
offenbar nicht mehr gesehen und ins Wort gebracht, dass sie aus
christlicher Sicht einen Verweischarakter haben auf eine göttliche
Realität, die mit Christus angebrochen ist. „Wir gehen heute mit
dem Christentum um, wie wenn es eine Lehre wäre und nicht in erster
Linie Mysterium und Gnade. Wir haben auf Grund der Verflochtenheit
mit der abendländischen Kulturgeschichte das Gefühl dafür
verloren, dass das Christentum in erster Linie Heilsbotschaft,
Heilslehre ist, die ein transzendentes Heil meint, nicht
innerweltliche Heilslehre“ (Isa Vermehren, Tagebücher [I.V.] 117).
[Vgl. dazu auch die vielfältigen Mahnungen Papst Pauls VI. HIER.]
Für
jeden der obigen Begriffe könnte man seine Bedeutung in der
Verkündigung Jesu und der Apostel durchbuchstabieren und man würde
feststellen, dass es sich im Ergebnis nicht um das handelt, was uns
heute fast durchgehend in der Kirche mittels dieser Begriffe
vermittelt wird. Ich möchte mich im Folgenden v.a. mit dem Begriff
„Frieden“ beschäftigen, weil dieser Begriff in dieser zu Ende
gehenden Weihnachtszeit wieder allgegenwärtig war.
Unterscheidung
Man
betet um Frieden und meint damit den Frieden in der Familie, in der
Stadt, im Land, zwischen den Religionen oder zwischen den Nationen
auf der Welt. Das ist schön und gut, wird aber dann problematisch,
wenn jeder Hinweis auf den Frieden fehlt, den Gott uns in Jesus
Christus gebracht hat, der besitzt nämlich ganz andere Merkmale.
„Wir haben ganz die Unterscheidung verloren zwischen dem Frieden,
den die Welt geben kann, und dem, den sie nicht geben kann.“ (I.V.
171) Inzwischen (Vermehren schrieb das 1967!) sind wir offenbar schon
über das Stadium der Vermischung des göttlichen mit dem irdischen
Frieden hinweg. Seit ein paar Jahren scheint das göttliche immer
öfter ganz abwesend. Man betet nicht mehr darum, dass Gott irdischen
Frieden stiften möge (das wäre die Vermischung), sondern darum,
dass Gott den Menschen die Kraft gebe, Frieden zu machen oder
appelliert einfach direkt an die Menschen, dass sie Frieden
herstellen. Insofern ist hier eine Entwicklung zu erkennen, die
konsequent „Frieden“ entgöttlicht, oder andersherum:
verweltlicht hat. Kirchliche Äußerungen und die meisten Fürbitten
zu dem Thema sind im Gesamten wie im Detail oft überhaupt nicht mehr
unterscheidbar von dem, was ein beliebiger Politiker oder
Friedenaktivist dazu zu sagen hat.
Um
irdischen Frieden beten ist richtig und wichtig. Aber wenn der Friede
Christi aus dem Blick gerät, fehlt das Wichtigste. Dieser Friede
Christi ist indes von ganz anderer Art: „Frieden
hinterlasse ich euch, meinen
Frieden gebe ich euch;
nicht, wie die Welt ihn gibt, gebe ich ihn euch.“ (Joh 14,27)
Der
Einsatz für Frieden und Gerechtigkeit
in der irdischen Welt gehört,
wie bereits gesagt, zur christlichen
Sendung in die Welt
mit dazu. Irdischer Friede und
irdische (etwa soziale) Gerechtigkeit sind
aber – und das ist entscheidend! – nicht Gegenstand
der christlichen Hoffnung.
Sie sind nicht Gegenstand
von Gottes Heilsplan und
darum auch nicht Ziel christlichen
Handelns, wie sie auch nicht Ziel des
Handelns Jesu waren.
Was
ich eben geschrieben habe, ist vielleicht mit das Anstößigste, was
man in der Kirche heutzutage sagen kann. Aber man zeige mir die
Bibelstellen, in denen Jesus
und die Apostel irdischen Frieden und soziale Gerechtigkeit
verkünden. Es war genau der Irrtum der Juden, dass sie sich vom
Messias ein irdisches Reich (des Friedens für sich) erhofften. „Die
Hinbewegung zur einen Weltkirche [im Sinne eines Ökumenismus], die
sich geschlossen einsetzen soll für eine bessere Welt – In meinen
Augen ist das eine einzige riesige Verführung, die sich nicht
bruchlos aus dem Auftrag Christi ableiten lässt: dieser Gedanke ist
seine Säkularisierung, die von vielen heute [1968!] als letzte
Konsequenz der Menschwerdung gedeutet und damit scheinbar legalisiert
wird.“ (I.V. 176)
Bibel
Schaut
man ins Neue Testament, stellt man fest, dass Friede fast synonym ist
mit „Leben“ oder „Heil“ – beides eine Gabe Gottes zur
Vollendung („eschatologisch“ nennt das der Theologe). Freilich
erleichtert diese Feststellung nicht das Verständnis, denn „Heil“
und „Leben“ sind inzwischen gleichfalls der Säkularisierung zum
Opfer gefallen, da man oft genug auch in der Kirche nur mehr das
irdische Leben im Blick hat, das es mit möglichst viel „Glück“
und „Zufriedenheit“ (Heil; man denke an die „heile Welt“)
vollzustopfen gilt, als gäbe es nichts danach.
Frieden
ist im Neuen Testament vor allem der Zustand der „neuen Schöpfung“.
Das ist aber keine Aussage über die Welt, sondern über das Reich
Gottes. Es gibt tatsächlich keinen Grund, anzunehmen, das Reich
Gottes würde zugleich in der irdischen Welt Frieden, etwa zwischen
Völkern oder Religionen, bedeuten. Eher das Gegenteil: „Denkt
nicht, ich sei gekommen, um Frieden auf die Erde zu bringen! Ich bin
nicht gekommen, um Frieden zu bringen, sondern das Schwert.“ (Mt
10,34 vgl. Lk 12,51) Der Friede Christi dient nicht der
Völkerverständigung, sondern dem bleiben in Gottes Hand: „Und der
Friede Gottes, der alles Verstehen übersteigt, wird eure Herzen und
eure Gedanken in Christus Jesus bewahren.“ (Phil 4,7) Der Friede
Christi ist ein solcher zwischen Gott und dem Menschen, der nach
Gottes Geboten lebt: „Wenn ihr meine Gebote haltet, bleibt ihr in
meiner Liebe, so wie ich meines Vaters Gebote gehalten habe und
bleibe in seiner Liebe.“ (Joh 15,10) [Es sei nur angemerkt, dass es
ein säkularisierter Begriff von „Freiheit“ ist, der einen
Gegensatz zum „Gebot“ darstellt; biblisch gesehen verwirklicht
sich die Freiheit durch die Befolgung der Gebote. Siehe dazu HIER,
etwa in der Mitte.]
Zwischenmenschlicher
Friede ist in gewissem Sinne gemeint in Phil 2,14: „Denn er ist
unser Friede. Er vereinigte die beiden Teile und riss die trennende
Wand der Feindschaft in seinem Fleisch nieder.“ Aber
dieser Friede besteht zwischen denjenigen Juden und Heiden, die sich
zu Christus bekennen, nicht zwischen allen Menschen: Die, die einst
„in der Ferne“ waren (die Heiden), sind nun durch das „Blut“
Jesu „in die Nähe“ gekommen (v. 13): „Er stiftete Frieden und
versöhnte die beiden durch das Kreuz mit Gott in einem einzigen
Leib. Er hat in seiner Person die Feindschaft getötet. Er kam und
verkündete den Frieden: euch, den Fernen, und Frieden den Nahen.“
(vv. 15-17)
Dieser
Neue Mensch aus Juden und Heiden, der Jünger Christi, hat den
Frieden – mit Gott, nicht mit der Welt! –: „Gerecht gemacht
also aus Glauben, haben wir Frieden mit Gott durch Jesus Christus,
unseren Herrn.“ (Röm 5,1)
Liturgie
Das
Vergessen des christlichen (von Christus stammenden) Friedens bzw.
seine Säkularisierung kommen für mich v.a. an einem Punkt in der
hl. Messe allzu oft besonders zum Vorschein: Im Friedensgestus nach
dem Vaterunser.
Die
„Allgemeine Einführung“ ebenso wie die seit 2002 geltende
„Grundordnung“ für das Messbuch bestimmen den Friedensgruß in
der hl. Messe als einen solchen, der der Kirche und der ganzen
Menschheit gilt. Diese Deutung halte ich für unrichtig, denn der
eigentliche liturgische Text
gibt das nicht her, auch wenn er von vielen Priestern hierzulande
eigenmächtig dahingehend verfälscht wird: „Schaue nicht auf
unsere Sünden, sondern auf den Glauben deiner Kirche und schenke ihr
[d.h. der Kirche, ohne „und der ganzen Welt“!] nach deinem Willen
Einheit und Frieden.“ (Dann gibt es noch die grausige
Hippie-Erweiterung: „Einheit, Liebe und Frieden“...) Meine
bewusst provokant formulierte These: Der Friede wird an dieser Stelle
für die Kirche erbeten, nicht für die „Welt“.
Dies wird v.a. daran
deutlich, dass der Glauben der Kirche gewissermaßen als Pfand
eingesetzt wird. Einheit und Frieden seien im Folgenden je eigens
kurz behandelt.
Vorbemerkung:
Die Kirche ist Werkzeug Gottes für die Welt: Sie steht
stellvertretend für die ganze Welt und alle Menschen vor Gott,
während diese sie noch ablehnen. Sie erfleht an diesem Punkt der
heiligen Messe von Gott „Frieden
und Einheit“ für sich, um
dadurch in die Welt hinein wirken zu können. Wenn aber in diesem
Vor-Gott-Stehen (beim Friedensgruß wirklich im Angesicht des
eucharistischen Herrn der so unmittelbar angesprochen wird!)
plötzlich die Mode oder das aktuelle Zeitgeschehen (sprich: die
Welt) in den Fokus der Aufmerksamkeit rückt, dann mutet das eher wie
eine Anbiederung oder Verirrung an... Die Kirche verfehlt dann die
Anbetung zugunsten eines zahmen und primitiven Spiels: „Die
fortschreitende Kultivierung und immer häufigere und
abwechslungsreichere Aktualisierung des ‚Gemeindeseins‘
in der Messe mutet mich an wie der
Rückfall in größere Primitivität“ (I.V. 178f). Der Moment, wo
die Welt in den Fokus der Aufmerksamkeit der betenden Kirche rückt
und (neben eigenen Anliegen) rücken muss, sind die Fürbitten!
Frieden:
Wie wir sahen, ist es nicht Bestimmung der
Kirche, Frieden und Völkerverständigung zu bringen. Ihre
Bestimmung in der Welt und für diese Welt ist es,
zu leiden. Es ist die Treue
zum Herrn gegen den Widerstand der Welt, die ihr das Heil
(= den wahren Frieden) bringt: „Und
ihr werdet von allen gehasst werden um meines Namens willen; wer aber
ausharrt bis ans Ende, der wird gerettet werden.“ (Mk 13,13)
Schon
das Bibelzitat in der Einleitung
zu diesem Gebet macht überdeutlich, dass es hier nicht
um irgend einen Frieden geht, sondern um den Frieden Christi:
„Frieden hinterlasse ich euch, meinen Frieden gebe ich euch“,
wobei jedem Bibelkundigen der bereits weiter oben zitierte Nachsatz
im Ohr klingt: „nicht, wie die Welt ihn gibt, gebe ich ihn euch“.
Bekanntlich ist aber Christus selbst und ebenso sein Frieden längst
nicht immer willkommen in der Welt (siehe Johannesprolog: „er
kam in sein Eigentum, doch die seinen nahmen ihn nicht auf“), wie
er seinen Jüngern für ihre Mission deutlich vor Augen stellt: „Wenn
ihr in ein Haus kommt, so sagt als Erstes: Friede diesem Haus! Und
wenn dort ein Sohn des Friedens wohnt, wird euer Friede auf ihm
ruhen; andernfalls wird er zu euch zurückkehren.“ (Lk 10,5-6) Für
den Frieden Christi gilt somit das
Gleiche, was man heute auch gerne in der Sakramentenpastoral und
generell in der Verkündigung vergisst,
dass wir es nämlich nicht mit Magie zu tun haben, sondern nur Frucht
bringen kann, was auf fruchtbarer Boden fällt – ebenso ist es mit
dem Wort Gottes: „Die Worte Gottes vermag nur der zu hören, der
aus Gott ist, dem Gott es gibt: Gnade setzt, um aufgenommen zu
werden, Gnade voraus – Wahrheit setzt, um gehört werden zu können,
Wahrheit voraus.“ (I.V. 168) Oder, mit Joh 8,47: „Wer aus Gott
ist, hört die Worte Gottes; ihr hört sie deshalb nicht, weil ihr
nicht aus Gott seid.“
Einheit:
Die Bitte um „Einheit“ hat noch weniger mit der Welt zutun (das
nennt sich dann eine Utopie [s.u.]); hier ist noch offensichtlicher
die Kirche gemeint. Es ist die Einheit seiner Jünger, um die der
Herr selbst gebetet hat und die zum Zeugnis für die Welt werden
soll: „So sollen sie vollendet sein in der Einheit, damit die Welt
erkennt, dass du mich gesandt hast und sie ebenso geliebt hast, wie
du mich geliebt hast.“ (Joh 17,23) Beides, Einheit und Frieden,
sind indes aufs engste miteinander verwoben, denn die Einheit ist
eine Frucht des Friedens, wie uns Paulus mahnt: „bemüht euch, die
Einheit des Geistes zu wahren durch das Band des Friedens!“ (Eph
4,3) Die Kirche erfleht darum in jeder hl. Messe den Frieden „bis
wir alle zur Einheit im Glauben und der Erkenntnis des Sohnes Gottes
gelangen, zum vollkommenen Menschen, zur vollen Größe, die der
Fülle Christi entspricht.“ (v. 13)
Also:
Beim Gebet zum Friedensgruß handelt
sich nicht um ein Gebet um weltlichen Frieden, sondern um den Frieden
Christi für seine Kirche – und er wird ja auch vom Priester der
Gemeinde zugesprochen und von dieser wieder zurück an den Priester.
Der Priester ruft nicht „Friede sei der Welt“, sondern: „(der)
Friede (des
Herrn) sei mit euch [die ihr
an den Herrn glaubt]!“ Gemeint ist der Friede Christi, der in uns
selbst und in der Gemeinschaft der Gläubigen wirkt: „Und der
Friede Christi triumphiere
in euren Herzen. Dazu seid ihr berufen als Glieder des einen Leibes.“
(Kol 3,15)
Feindschaft
Man
sieht das Problem des säkularisierten Friedens auch an anderer
Stelle, nämlich beim um den
Preis der Wahrheit erkauften „friedlichen
Dialog“, der den Konflikt
meidet wie nichts anderes. „Bei Paulus 2 Kor 6, 14 ff.
‚Zieht nicht an einem Joch mit den Ungläubigen [...], denn was hat
der Gläubige mit dem Ungläubigen zu schaffen?‘ Gibt es im
heutigen Denken der offiziellen Kirche noch diesen Ungläubigen, der
Finsternis ist (V. 14), der ein Götzendiener ist (V. 16), der es mit
Belial hält? Wir kennen nur noch getrennte Brüder und anonyme
Christen und suchen den Dialog mit allen, d. h. auf Deutsch, dass Wir
uns um eine Tugend der Liebe bemühen fern von jeder Unterscheidung
der Geister. Wessen Staub soll man noch von den Füßen schütteln?
Wo sind die Säue, wer sind sie, dass man ihnen nur ja keine Perlen
mehr hinwerfe?“ (I.V. 172)
Als
„Feinde“ betrachten wir im besten Falle noch jene, die unsere
Wirtschafts- und Regierungsform ablehnen oder
die gegen die „Werte“ kämpfen, die unsere Zivilgesellschaft
hochhält. Aber in dem Moment, da die Christen nur noch diejenigen
als ihre Feinde betrachten, die auch von dem sie umgebenden
gesellschaftlichen Mainstream als solche gesehen werden, haben sie
eigentlich schon verloren. (Es sei angemerkt, dass das Gebot der
Feindesliebe nicht besagt, den Begriff des Feindes abzuschaffen oder
gar die Ferindschaft durch den Kompromiss und eine zu erlangende
Harmonie zu ersetzen. Es
meint im Letzten die Mühe, den Feind zu Retten, d.h. ihn zur Umkehr
zu bewegen!)
Wenn
wir niemanden als unseren Feind betrachten dürfen, dann müssen wir
uns folgerichtig auch ständig darum bemühen, von anderen nicht als
Feinde wahrgenommen zu werden. Man
darf sich an uns also nicht stoßen.
Undenkbar ist es darum für die meisten unserer deutschen
Bischöfe, von der Welt verachtet oder auch bloß „nicht gemocht“
zu werden. Sie sind in der großen Mehrheit die Lieblinge der Nation.
Gegenbeispiele waren Dyba oder Meisner, die aber genau darum auch
überhaupt ernstgenommen wurden; die meisten unserer aktuellen
Bischöfe werden von der Welt für ihre liberalen Haltungen
geschätzt, aber nicht wirklich ernstgemnommen (man bezeichnet solche
Leute auch als „nützliche Idioten“, weil sie einem eigentlich
egal sind, aber für die eigene Agenda sind sie brauchbar). Leider
trifft das erschreckend häufig auch auf Papst Franziskus zu (Beweis:
der Film "Die Zwei Päpste" ist ein Werbefilm, der mit
subtilen und weniger subtilen Mitteln Benedikt als den senilen,
verbitterten und menschenfeindlichen Doktrinär darstellt, und
Franziskus als den ausgeglichenen, schlauen Menschenfreund der nur
Gutes will... die Realität sieht natürlich anders aus). Anstößiges
findet sich kaum noch, und wo es in geringem Umfang auftaucht, wird
es ignoriert. Die Grundhaltung scheint heute in der Kirche zu sein:
Wenn sich die Welt an uns stört, machen wir etwas falsch, also
müssen wir uns und unsere Botschaft anpassen. „Aber in unserer
hektischen Anpassungsbemühung bemühen wir uns erstens darum, nicht
mehr verkannt zu werden, und damit das den anderen möglich ist,
lassen wir zweitens alles fallen, was schwer oder gar nicht erkennbar
ist, bzw. nur im Glauben...“ (I.V. 171) Die Grundhaltung Jesu und
derer, die ihm konsequent nachfolgen, ist eine andere, der Herr hat
es mehr als deutlich gemacht: „Und
ihr werdet gehasst werden
von jedermann um meines Namens willen.“ (Mt 10,22) Nur auf diesem
Wege ist die Seligkeit zu finden: „Wer aber bis an das Ende
beharrt, der wird selig.“ (ebd.) Die Warnung steht: „Wer
der Welt Freund sein will, der wird Gottes Feind sein.“
(Jak 4,4)
Jesu
Verheißung für seine Kirche ist
es nicht, dass sie auf der Welt den Dialog fördern und Frieden
schaffen wird, sondern vielmehr, dass sie Hass
und Verfolgung erfahren wird: „Haben sie mich
verfolgt, so werden sie auch euch verfolgen.“
(Joh 15,20) Gleicherweise ist
Gerechtigkeit nicht etwas, was die Kirche in der Welt herzustellen
hat, sondern um der Gerechtigkeit willen wird die Kirche verfolgt
werden – aber nicht eine gerechte Güterverteilung ist gemeint,
sondern die „Gerechtigkeit vor Gott“ (Röm 1,17; 3,22): „Denn
er hat den, der von keiner Sünde wusste, für uns zur Sünde
gemacht, auf dass wir in ihm die Gerechtigkeit würden, die vor Gott
gilt.“ (2 Kor 5,21) Diese Verfolgung der Kirche um der
Gerechtigkeit willen – d.h.
die von der Welt ausgehende Feindschaft – berührt
übrigens in keiner Weise den
Frieden, den Jesus gebracht hat: „Dies habe ich zu euch gesagt,
damit ihr in mir Frieden habt. In der Welt seid ihr in Bedrängnis;
aber habt Mut: Ich habe die Welt besiegt.“ (Joh
16,33)
Wachsamkeit
Wir
müssen auch aufpassen, nicht selbst in diese alles genuin
Christliche säkularisierende Verirrung zu geraten. Wir müssen gut
hinhören, was uns in der Kirche an Begriffen und Konzepten begegnet
und uns immer wieder klar
machen, was Sache ist: „Unsere Gefahr, alles zu verwechseln, wird
immer größer: unsere Liebe zu den Menschen ist noch nicht die Liebe
Christi, unser Friedenswille nicht jener aus dem Herzen Jesu, unser
Opfer nicht schon Sein Opfer.“ (I.V. 170)
Wir
stehen in der Gefahr, eine rein säkulare Friedens-, Gerechtigkeits-
und Umweltschutzkirche zu werden. Doch die Kirche Christi ist eine
ganz andere, denn sie kommt vom Kreuz und muss durch das Kreuz zum
Leben. „Wir haben die Unterscheidung verloren, weil wir auch
vergessen haben, dass das Kreuz das unüberholbare Stigma
christlicher Existenz zu sein hat. Es steht nicht nur am Anfang des
Weges, es steht auch an seinem Ende, bis zu dem hin man es tragen
muss – jeder sein eigenes und alle zusammen als Kirche das Kreuz
Christi: Schmähung, Leid, Verkennung...“ (I.V. 171) Das
bedarf der ständigen Unterscheidung und des Bewusstseins, dass wir
als Christen zwar in der Welt, aber nicht von der Welt sind: „Wenn
ihr von der Welt stammen
würdet, würde die Welt euch
als ihr Eigentum lieben. Aber weil ihr nicht von der Welt
stammt, sondern weil ich euch aus
der Welt erwählt habe,
darum hasst euch die Welt.“ (Joh 15,19) ... Tut sie es noch? Wenn
nicht, dann machen wir etwas falsch! Friede ist eine Folge der
Erkenntnis Jesu, d.h. des Bekenntnisses zu ihm (vgl. 2 Petr 1,2),
alles andere ist entweder bloß irdischer oder schlicht falscher,
trügerischer Friede.
Zukunft
Christen
dürfen und sollen sich für eine bessere Zukunft der Menschen
einsetzen. Aber die Zukunft auf Erden ist
nicht das, worum es den Christen im
Letzten gehen darf. Sie
müssen stets weiter blicken und hinweisen auf das ewige Leben.
Außerdem hängt das sowieso nicht
an uns: Es gibt für die Sorge um die Zukunft etwa des Planeten
bereits viele kompetente
Leute, dafür braucht es weder Christus noch Kirche. Worum
es geht, worauf es ankommt, wozu es Christus und seine Kirche
braucht, ist die Ewigkeit
und das, was davor kommt: Das Gericht. Der Christ muss vor
allem anderen um das Heil der Seelen bei Gott, nicht um irdisches
Glück und Wohlergehen bemüht sein. Diese haben ihre Berechtigung
(wie eingangs erwähnt, gibt es hier auch eine Wechselwirkung), aber
sie dürfen nicht letztes Ziel sein, sonst besteht die Gefahr, dem
Gericht zu verfallen: „Man
richtet sich ein in einem Entwicklungsdenken, das mit weiteren
Jahrmillionen rechnet; für mich ist das Gericht im vollen Gange, das
Ende der Zeiten immer schon hineinwirkend in die Gegenwart, die mit
der Endzeit verbundene Drangsal von Jahr zu Jahr beklemmender
spürbar.“ (I.V. 173)
Es
wird nie eine friedliche und geeinte Welt geben, denn der Mensch
bleibt Sünder. Schon der Versuch, eine solche Utopie herzustellen,
endet erfahrungsgemäß immer in unsäglichem Leid. Den
„Friedensfürst“ für eine Utopie in Anspruch zu nehmen grenzt
an Blasphemie und Götzendienst.
Leider haben wir in
der Kirche schon fast gänzlich das
Reich Gottes durch die Utopie, und die Ewigkeit Gottes durch die
„bessere Zukunft
für die Menschen“ ersetzt und
gar nicht bemerkt, dass wir uns damit von Gott abgewendet haben...
Eine friedliche Dialogwelt ist
nicht die Zukunft, die die
Christen erwarten. „Dieser grenzenlose Optimismus, mit dem die
Kirche diesen Dialog begonnen hat, ist für mein Empfinden ein
Schalwerden des Salzes, die Welt würde sich wehren, wenn es wirklich
die Botschaft Christi wäre“ (I.V. 116). So
hilfreich ein Dialog für das Verstehen des Gegenübers ist, er
bleibt zeitgebunden und darf nie gegen die Wahrheit der Erlösung
allein durch Christus stehen. Christen dürfen eine friedliche
Dialogwelt genau genommen nicht einmal erhoffen, denn das wäre eine
irrige Hoffnung die im Widerspruch zu dem steht, was wir bereits aus
der Offenbarung über die Zukunft wissen:
„Ihr
werdet hören von Kriegen und Kriegsgeschrei; seht zu und erschreckt
nicht. Denn es muss geschehen. Aber es ist noch nicht das Ende. Denn
es wird sich ein Volk gegen das andere erheben und ein Königreich
gegen das andere; und es werden Hungersnöte sein und Erdbeben hier
und dort. Das alles aber ist der Anfang der Wehen. Dann werden sie
euch der Bedrängnis überantworten und euch töten. Und ihr werdet
gehasst werden um meines Namens willen von allen Völkern. Dann
werden viele zu Fall kommen und werden sich untereinander verraten
und sich untereinander hassen. Und es werden sich viele falsche
Propheten erheben und werden viele verführen. Und weil die
Missachtung des Gesetzes überhandnehmen wird, wird die Liebe in
vielen erkalten. Wer aber beharrt bis ans Ende, der wird selig. Und
es wird gepredigt werden dies Evangelium vom Reich in der ganzen Welt
zum Zeugnis für alle Völker, und dann wird das Ende kommen.“ (Mt
24,6-14)
Ewigkeit
Diese
Zukunft ist im Übrigen nichts, wovor man sich fürchten sollte. Im
Gegenteil: Sie ist voller Hoffnung, weil Jesus schon gesiegt hat. Auf
die Zukunft (die ja nur irdisch-zeitlich sein kann) folgt das, worauf
Christen hoffen: Die Ewigkeit. Wer diese Ewigkeit nicht erhofft,
sondern nur nach (einer besseren) „Zukunft“
strebt, ist kein Christ. Wer sich
selbst bzw. die Welt statt durch die Drangsal durch Friede und Dialog
in diese Ewigkeit zu überführen versucht, der versucht sich am
Kreuz vorbei zu mogeln – er
leugnet eigentlich das Kreuz und zugleich das Schicksal des
Gottesvolkes: „An den
Juden kann man Maßstäbe gewinnen für die Christen: so sollte es
und so muss es einmal dem neuen Gottesvolk gehen: so
verfolgt, so
heimatlos, so
unintegrierbar, wo immer sie sich niederlassen – Maßstäbe
für das, was Gotteszugehörigkeit und Gottesgericht ist.“
(I.V. 119) Der Weg zur Auferstehung
führt nicht am Kreuz vorbei, darum dürfen wir uns nie in falscher
Sicherheit wähnen und uns an ihr berauschen (wie die Ungläubigen),
sondern wir sollen uns rüsten für das, was kommt: „Ihr
selbst wisst genau, dass der Tag des Herrn kommt wie ein Dieb in der
Nacht. Während die Menschen sagen: Friede und Sicherheit!, kommt
plötzlich Verderben über sie wie die Wehen über eine schwangere
Frau und es gibt kein Entrinnen. [...] Wir aber [...] wollen nüchtern
sein und uns rüsten mit dem Panzer des Glaubens und der Liebe und
mit dem Helm der Hoffnung auf Rettung. Denn Gott hat uns nicht für
das Gericht seines Zorns bestimmt, sondern dafür, dass wir durch
Jesus Christus, unseren Herrn, die Rettung erlangen.“ (1 Thess
5,2-3.8-9)
Weihnachten
zeigt uns hier den Weg schon im (alternativen) Eröffnungsvers der
Heiligen Nacht: „Freut euch im Herrn, heute ist uns der Heiland
geboren. Heute ist der wahre Friede vom Himmel herabgestiegen.“